Spruch:
Beide Revisionen werden zurückgewiesen.
Text
Begründung
Gegenstand des Verfahrens ist ein auf § 49 EheG gestütztes Scheidungsbegehren des Mannes. Das Berufungsgericht sprach aus, die Ehe zwischen den Streitteilen werde aus beiderseitigem Verschulden der Parteien geschieden.
1.) Zur Revision der Beklagten:
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagte begehrt, der Oberste Gerichtshof möge die Entscheidungen der Vorinstanzen dahingehend abändern, dass das Scheidungsbegehren abgewiesen werde; hilfsweise wolle die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Klägers geschieden werden.
Welchem Ehepartner Eheverfehlungen zur Last fallen und welchen das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls, die - von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen - nicht als erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen ist (RIS-Justiz RS0118125). Die in der Rechtsrüge aufgestellte Behauptung der Beklagten, die Depression, an der sie seit vielen Jahren leide, sei schwer oder gar die schwerste Form der Depression, geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Davon abgesehen gelingt es der Beklagten nicht, beim Verschuldensausspruch des Berufungsgerichts eine krasse Fehlbeurteilung aufzuzeigen. Die Beklagte ist vor allem auf die Feststellungen zu verweisen, wonach ihr Bedürfnis, über ihren Gesundheitszustand zu reden, nicht Ausdruck eines krankhaften oder abnormen Geistes- oder Gemütszustands ist und sie in der Lage war, ihre Verhaltensweisen und deren (negative) Auswirkungen auf eine Beziehung zu erkennen.
Davon ausgehend zeigt die Beklagte auch nicht auf, inwiefern schon in der Stattgebung des Scheidungsbegehrens an sich eine krasse Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts liegen sollte.
2.) Zur Revision des Klägers:
Der Kläger macht eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens dahingehend geltend, das Berufungsgericht sei von den auch auf (vor dem Erstgericht abgelegten) Zeugenaussagen basierenden Feststellungen abgewichen, ohne diese Zeugen im Berufungsverfahren einvernommen zu haben. Im Ergebnis wird damit eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes geltend gemacht.
Der gerügte Verfahrensmangel liegt jedoch nicht vor: Der Kläger übersieht, dass im erstinstanzlichen Verfahren zwei Richterwechsel stattgefunden haben. Sämtliche Zeugen wurden vom ersten im erstinstanzlichen Verfahren tätigen Richter vernommen. Nach den Verhandlungsprotokollen wurden beim ersten Richterwechsel im Einverständnis mit beiden Parteien die Aussagen der bisher vernommenen Zeugen und Parteien bzw beim zweiten Richterwechsel der gesamte bisherige Akteninhalt verlesen. Die Parteien haben sich somit bereits im erstinstanzlichen Verfahren damit einverstanden erklärt, dass im Hinblick auf die erkennende Erstrichterin die Beweisaufnahme betreffend die Zeugen bloß mittelbar war. Ist das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung zu anderen Feststellungen als das Erstgericht gelangt, so stellt dies keinen Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz dar, wenn auch das Erstgericht - infolge Richterwechsels - die Beweise nur mittelbar aufgenommen hat (RIS-Justiz RS0042209). Das Berufungsgericht kann auch Zeugenaussagen, die zwar vor dem erkennenden Gericht abgelegt wurden, jedoch nach Richterwechsels vor dem das Urteil fällenden Richter nur mehr einverständlich zur Verlesung gelangen, ohne neuerliche Vernehmung selbständig umwürdigen (RIS-Justiz RS0041404; vgl auch RS0042533; RS0118509; RS0040344 [T2, T8]; RS0040610).
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