OGH 2Ob184/05f

OGH2Ob184/05f19.1.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Ing. Wilhelm W*****, 2. Andrea W*****, beide *****, vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger und andere Rechtsanwälte in Vöcklabruck, gegen die beklagten Parteien 1. Johann O***** KG, 2. Johann O***** GmbH, 3. DI Johann O*****, 4. Josef O*****, sämtliche *****, vertreten durch Karbiener Rechtsanwälte OEG in Schwanenstadt, wegen EUR 50.854,80 sA, über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 11. Mai 2005, GZ 3 R 70/05t-12, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 28. Februar 2005, GZ 31 Cg 120/04v-8, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz iVm § 528a ZPO).

Das Berufungsgericht hat den Rekurs gegen seinen Aufhebungsbeschluss an den Obersten Gerichtshof für zulässig erklärt, weil die Klärung der Rechtsfrage, ob die Rechtsprechung zur Einklagbarkeit des Deckungskapitals ohne vorherige Aufforderung zur Mängelbehebung angesichts des nach dem Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetz (GewRÄG) nun auch im Schadenersatzrecht verankerten Vorranges der Verbesserung (§ 933a Abs 2 ABGB) für die von der Neuregelung noch nicht erfassten Sachverhalte weiterhin aufrechterhalten werden könne, über den vorliegenden Einzelfall hinaus von Bedeutung sei.

Der von den beklagten Parteien erhobene Rekurs ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Welche Rechtslage im Falle einer Gesetzesänderung für einen zu beurteilenden Sachverhalt maßgeblich ist, richtet sich grundsätzlich nach den Übergangsbestimmungen des neuen Gesetzes (RIS-Justiz RS0031419). Nach der Übergangsvorschrift des Art IV zweiter Satz des am 1. 1. 2002 in Kraft getretenen GewRÄG, BGBl I 48/2001, sind die dadurch geänderten Bestimmungen des ABGB auf Verträge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2001 geschlossen werden. Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die von den Klägern aus einer behaupteten Schlechterfüllung des zwischen ihnen und einer Rechtsvorgängerin der erstbeklagten Partei (in der Folge: erstbeklagte Partei) im Jahr 1982 geschlossenen Werkvertrages abgeleiteten Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüche nach der vor dem 1. 1. 2002 geltenden Rechtslage zu beurteilen sind. Zu dieser anerkennt der Oberste Gerichtshof seit der Entscheidung des verstärkten Senates vom 7. 3. 1990, SZ 63/37 = EvBl 1990/129 = JBl 1990, 648 (Reischauer) = ecolex 1990, 279 = RdW 1990, 153, im Werkvertragsrecht die volle Konkurrenz von Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen (RIS-Justiz RS0021755). Er vertritt ferner trotz kritischer Stellungnahmen im Schrifttum - mit denen sich etwa die Entscheidungen 1 Ob 573/95 = JBl 1996, 392 = RdW 1996, 110 = ecolex 1996, 250 und 2 Ob 355/98i = RdW 1999, 524 und 649 ausführlich auseinandergesetzt haben - in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass dem Werkbesteller der auf Schadenersatz gestützte Anspruch auf das im Deckungskapital des Verbesserungsaufwandes gelegene Erfüllungsinteresse - Verschulden des Unternehmers vorausgesetzt - unabhängig davon zustehe, ob er dem Unternehmer vorher Gelegenheit zur Verbesserung des Mangels gab; es treffe ihn lediglich die Schadensminderungspflicht (SZ 66/17; JBl 1996, 392; 1 Ob 351/97t; RdW 1999, 649; RIS-Justiz RS0021942). Die Neuregelung des Gewährleistungsrechts bildet, wie sich insbesondere schon aus den Entscheidungen 9 Ob 66/04b = RdW 2005, 38 = DRdA 2004, 562 und 3 Ob 24/05h hinreichend deutlich ergibt, keinen Anlass, in den von ihrem Geltungsbereich noch nicht erfassten Fällen von dieser Rechtsprechung abzugehen.

Die Berufungsentscheidung steht mit diesen Grundsätzen im Einklang. Eine auffallende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes, die aus Gründen der Rechtssicherheit wahrzunehmen wäre, liegt daher nicht vor.

Auch im Rekurs werden keine (sonstigen) Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung aufgezeigt:

Nach Ansicht der Rekurswerber wäre es im Hinblick auf die Maßgeblichkeit des Datums des Vertragsabschlusses für die Geltung des GewRÄG „nur konsequent", auf die zum damaligen Zeitpunkt (hier also 1982) herrschende Rechtsprechung abzustellen. Sie übersehen mit dieser Argumentation jedoch, dass für gerichtliche Erkenntnisse - anders als für Gesetze (§ 5 ABGB) - kein Rückwirkungsverbot besteht. Änderungen der Judikatur erfassen daher auch davor verwirklichte Sachverhalte (SZ 70/245; 2 Ob 153/02t; RIS-Justiz RS0109026). In der Anwendung der auf der Entscheidung des verstärkten Senates beruhenden Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall, ist daher auch unter diesen Gesichtspunkt keine erhebliche Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes zu erkennen.

Die Beurteilung der Frage, wann die für eine erfolgreiche Klagsführung ausreichende „Kenntnis" iSd § 1489 ABGB konkret eintritt, hängt stets von den Umständen des Einzelfalles ab (2 Ob 293/04h mwN; RIS-Justiz RS0034524 [T 32]). Eine erhebliche Rechtsfrage wäre auch insoweit nur dann zu bejahen, wenn dem Berufungsgericht eine eklatante Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die zu einem unvertretbaren Ergebnis führt (2 Ob 293/04h mwN; vgl RIS-Justiz RS0042405, RS0044088). Nach den bisher vorliegenden Feststellungen erlangten die Kläger erst durch die Übersendung der in ihrem Auftrag am 26. 9. 2001 durchgeführten statischen Berechnung Kenntnis von angeblich vorliegenden statischen Mängeln des von der erstbeklagten Partei hergestellten Dachstuhles. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, die Verjährungsfrist habe erst in diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen, die mit der am 23. 9. 2004 beim Erstgericht eingelangten Klage geltend gemachten Ansprüche seien daher nicht verjährt, hält sich im Rahmen der von ihm zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.

Aus der im Rekurs erwähnten Entscheidung ecolex 1996, 250 (= 1 Ob 573/95) ist für den gegenteiligen Standpunkt der beklagten Parteien nichts zu gewinnen, da nach den dort beurteilten Tatumständen die Kenntnis des die Verbesserung verweigernden Werkbestellers vom Vorliegen des Schadens bereits im Zeitpunkt der Vollendung des Werkes gegeben war.

Die sich an die Verneinung der Verjährung nach § 1489 ABGB knüpfende Folgerung des Berufungsgerichtes, es bedürfe nun der weiteren Überprüfung, ob die Ansprüche der Kläger dem Grunde und der Höhe nach berechtigt sind, ist nicht zu beanstanden. Soweit es hiezu eine Verbreiterung der Sachverhaltsgrundlage durch Verfahrensergänzung für erforderlich hält, kann dem der Oberste Gerichtshof, der selbst nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten (RIS-Justiz RS0042179, RS0113643).

Mit ihrer im Rekurs wiederholten Behauptung, dass die geforderten Mängelbehebungskosten (im Vergleich zum seinerzeitigen Werklohn) „unverhältnismäßig" seien (zu den Beurteilungskriterien vgl SZ 2002/152; wobl 2003/166; RIS-Justiz RS0021717), sind die Rekurswerber auf den Ergänzungsauftrag des Berufungsgerichtes zu verweisen.

Da es der Lösung von erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht bedurfte, war der Rekurs als unzulässig zurückzuweisen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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