European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00175.17Z.1129.000
Spruch:
I. Die Revision wegen Nichtigkeit wird verworfen.
II. Im Übrigen wird der Revision Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens hat das Erstgericht zu entscheiden.
Entscheidungsgründe:
Am 15. Juli 2014 ereignete sich auf einer Baustelle in Graz im Zuge des Abpumpens von Flüssigbeton ein Arbeitsunfall, bei dem der bei der klagenden Partei versicherte und für ein Bauunternehmen tätige Arbeiter H***** P***** Verletzungen erlitt. An dem Unfall waren zwei Lkws beteiligt, nämlich ein Betonpumpenfahrzeug (Lkw 1) und ein Betonmischfahrzeug (Lkw 2), deren Lenker J***** A***** und T***** U***** bei der S*****gesellschaft mbH beschäftigt waren. Diese GmbH ist auch die Halterin beider Lkws, Haftpflichtversicherer ist jeweils die beklagte Partei. Die klagende Partei leistete Zahlungen von insgesamt 17.180,53 EUR an den bei ihr versicherten Geschädigten.
Der Lkw 1 war mit einer Mischtrommel und einer hinter dem Fahrerhaus montierten Betontransportpumpe ausgestattet, die mit dem Lkw-Motor betrieben wurde. Die Pumpe konnte entweder mit Beton aus der eigenen Mischtrommel oder mit Beton aus der Mischtrommel eines anderen Lkw befüllt werden, der zu diesem Zweck in den am Heck des Lkw 1 vorhandenen Trichter eingebracht werden musste. Über einen ausfahrbaren Kranarm mit einer Reichweite von 24 m konnte der Beton sodann weiter transportiert werden, ehe er durch einen am Ende des Kranarms befestigten, mehrere Meter langen Schlauch zu der zu betonierenden Stelle gelangte. An dem Fahrzeug waren seitlich vier Stützen angebracht, von denen die beiden vorderen seitlich ausgefahren und nach unten abgesenkt werden konnten. Bei den beiden rückwärtigen Stützen war nur die Absenkung möglich. Am Lkw 2 befand sich nur eine Mischtrommel, die ebenfalls mit der Motorkraft des Lkw betrieben wurde. Er verfügte weder über eine Betonpumpe noch über seitliche Stützen.
Am Morgen des Unfalltags sollte mit den beiden Lkws Beton zur Baustelle geliefert werden. Als der Lkw 1 auf die Baustelle zufuhr, stellte der Lenker fest, dass der Boden weich war, zumal das Fahrzeug tiefe und deutlich erkennbare Spurrillen hinterließ. Er stellte den Lkw am Rand jener Fläche ab, wo die Bauarbeiten ausgeführt wurden. Dort bestand der Untergrund aus einer „Mischschotterung“, dh feinem Sand und feinem Schotter. Der Untergrund war nicht verdichtet und nicht befestigt worden. Nachdem der Lenker das Fahrzeug abgestellt hatte, fuhr er zunächst die vorderen Stützen seitlich aus. Danach unterlegte er die Stützen mit zwei ca 50 mal 60 cm großen Holzplatten, die vom Hersteller der Betonpumpe stammten und im Lkw immer mitgeführt wurden. In der Folge senkte er die vorderen Stützen zum Boden ab, wodurch das Fahrzeug angehoben wurde. Nach dem Anheben des Kranarms kontrollierte der Lenker die Stützen und musste feststellen, dass sie im Boden eingesunken waren. Daraufhin zog er den Kranarm wieder ein und unterlegte bei den vorderen Stützen auch die für die hinteren Stützen vorgesehenen Unterlegbretter sowie bei jeder Stütze einen Holzpfosten, die er auf der Baustelle gefunden hatte. Danach senkte er auch die rückwärtigen Stützen ab. Als er dann den Kranarm ausschwenkte, kam es zu keinem Absenken des Lkw und zu keinem Einsinken der Stützen in den Bodenbereich.
In der Zwischenzeit wurde der Lkw 2 von dessen Lenker so abgestellt, dass er Heck an Heck mit dem Lkw 1 stand. Zuerst sollte der Beton aus der Mischtrommel des Lkw 2 abgepumpt werden. Bei beiden Fahrzeugen lief der Motor. Da der Lenker des Lkw 1 nicht näher zufahren konnte und sich die zu betonierende Fläche ca 24 m entfernt befand, musste er den Kranarm seitlich über die gesamte Länge ausfahren. Der bei der klagenden Partei Versicherte ergriff den am Ende des Kranarms befestigten Schlauch, um den Beton dorthin zu leiten, wo er verarbeitet werden sollte. Dann schaltete der Lenker des Lkw 1 die Betonpumpe ein und der Lenker des Lkw 2 brachte den Beton aus der Mischtrommel in den Trichter am Heck des Lkw 1 ein. Kurz darauf senkte sich die linke Seite des Lkw 1 und mit ihm der Kranarm, der den bei der klagenden Partei Versicherten am Rücken traf. Zu diesem Zeitpunkt wurde mit der Betonpumpe über den Kranarm und den daran befestigten Schlauch Beton des Lkw 2 befördert. Grund für das Absenken der Stütze und des Kranarms war, dass der gesamte Förderarm mit Beton gefüllt war und der Versicherte überdies an dem Schlauch, den er vor der Brust hielt, zog. Dadurch wurde das Kippmoment bzw die Eindruckstärke im Bereich der linken Stütze so weit überschritten, dass die unter der Stütze befindlichen Platten sowie der Untergrund nachgaben.
Für den Lenker des Lkw 1 wäre es möglich gewesen, die unzureichende Bodenqualität zu erkennen, insbesondere weil er nach dem ersten Unterstützungsversuch weitere Unterlagen beifügen musste. Laut den Sicherheitsvorschriften des Herstellers der Betonpumpe darf die Maschine „niemals“ auf aufgeschüttetem Boden aufgestellt werden. Sollte dies dennoch erfolgen, sollte mit einer entsprechend großen Bodenplatte bei den Stützen ein Einsinken vermieden werden. Nach dem ersten Unterstützungsversuch war festzustellen, dass der Boden mit den vorhandenen Mitteln nicht so weit verfestigt werden konnte, dass die Stützen nicht unverhältnismäßig weit einsinken würden.
Vom Arbeitgeber der Lkw-Lenker wurden jährlich Mitarbeiterschulungen durchgeführt. Die Lenker wurden dabei dahin belehrt, dass die Aufstellung der Betonpumpenfahrzeuge auf einem stabilen Untergrund mit ausreichendem Abstand zur standfesten Geländekante sichergestellt sein müsse. Zusätzlich zu den Lastverteilungsplatten seien auch Kanthölzer nach den Angaben des Herstellers zu verwenden. Es wurde konkret besprochen, dass Platten zu unterlegen und der Untergrund zu prüfen sei. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass bei der Handhabung des Pumpenschlauchs Vorsicht geboten sei und der den Schlauch bedienende Arbeiter vom Fahrer zur Vorsicht angehalten werden solle.
In dem über die beiden Lkws abgeschlossenen Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag wurde die Geltung der AKHB 2007 vereinbart, nach deren Art 8 Z 3 der Versicherungsschutz für Ersatzansprüche aus der Verwendung des versicherten Fahrzeugs als ortsgebundene Kraftquelle oder zu ähnlichen Zwecken ausgeschlossen ist.
Die klagende Partei begehrte den Ersatz der an den bei ihr versicherten Geschädigten geleisteten Zahlungen in Höhe von 17.180,53 EUR sA, wobei sie sich auf die Legalzession gemäß § 332 ASVG berief. Sie stützte die Haftung der beklagten Partei – soweit noch wesentlich – auf das dem Halter zuzurechnende Verschulden des Lenkers des Lkw 1 und auf die Gefährdungshaftung nach dem EKHG. Beide Lkws hätten sich in Betrieb befunden. Die Entladung des Lkw 2 sei im Zeitpunkt des Unfalls noch nicht beendet gewesen.
Die beklagte Partei erwiderte, der Lkw 1 sei als ortsgebundene Arbeitsmaschine verwendet worden, wofür die Haftung gemäß Art 8 Z 3 AKHB 2007 ausgeschlossen worden sei. Die Entladung des Lkw 2 sei mit dem Einbringen des Betons in den Trichter des Lkw 1 beendet gewesen, weshalb es sich nicht um einen Betriebsunfall handle. Den Lenker des Lkw 1 treffe auch kein Verschulden, weil das Einsinken der Stütze für ihn nicht vorhersehbar gewesen sei. Im Übrigen sei der Geschädigte beim Betrieb des Lkw 1 (allenfalls auch des Lkw 2) tätig gewesen, sodass die Haftung nach § 3 Z 3 EKHG ausgeschlossen sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, dass der Einsatz des Lkw 1 als Verwendung iSd § 2 Abs 1 KHVG und der Lenker als mitversicherte Person nach § 2 Abs 2 KHVG anzusehen sei. Grundsätzlich bestünde daher ein Versicherungsschutz für ein schuldhaftes Fehlverhalten des Lenkers und die Gefährdungshaftung der Halterin. Da der Lkw 1 jedoch als ortsgebundene Kraftquelle für die Entladung des Lkw 2 eingesetzt worden sei, komme der gemäß § 4 Abs 1 Z 4 KHVG zulässig vereinbarte Risikoausschluss zum Tragen.
Allerdings sei es zu dem Unfall während der Entladung des Lkw 2 gekommen. Der Entladevorgang sei mit dem Einbringen des Betons in den Trichter des Lkw 1 noch nicht abgeschlossen gewesen, sondern erst mit dem Austritt des Betons aus dem Schlauch am Ende des Kranarms. Der Lenker des Lkw 1 habe die Betonpumpe betätigt, obwohl ihm die mangelnde Eignung des Bodens zum Aufstellen des Lkw 1 erkennbar gewesen sei. Auch die Voraussetzungen des Anwendungsausschlusses nach § 3 Z 3 EKHG lägen nicht vor. Die Mithilfe des Geschädigten sei zwar auch dem Betrieb des Lkw 2 zuzurechnen, stehe aber in keinem Zusammenhang mit einer Beförderung.
Da sich somit der Unfall beim Betrieb des Lkw 2 ereignet habe, der Geschädigte nicht beim Betrieb dieses Fahrzeugs tätig gewesen sei, der Entladevorgang nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden und die Verletzung des Geschädigten durch ein Fehlverhalten des Lenkers des Lkw 1 verursacht worden sei, der mit Willen des Halters bei der Verwendung des Lkw 2 tätig gewesen und daher auch mitversicherte Person (iSd § 2 Abs 2 KHVG) sei, habe sich ein vom Haftpflichtversicherungsvertrag umfasstes Risiko verwirklicht. Die beklagte Partei sei daher zur Schadensdeckung verpflichtet.
In der dagegen erhobenen Berufung vertrat die beklagte Partei weiterhin den Standpunkt, dass die Entladung des Lkw 2 mit dem Einbringen des Betons in den Trichter am Heck des Lkw 1 beendet gewesen sei. Das Pumpen des Betons über den Kranausleger und den daran befestigten Schlauch bis zur betonierenden Fläche habe nicht der Entladung des Lkw 2, sondern dem Weitertransport des Betons gedient. Der Fall sei nicht anders zu beurteilen, als ob der Schaden beim händischen Weitertransport des Betons etwa mit einer Schubkarre eingetreten wäre. Der Lenker des Lkw 1 sei daher auch nicht mit Willen der beklagten Partei bei der Verwendung des Lkw 2 tätig gewesen. Sonstige Beanstandungen der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts– insbesondere zum Verschulden des Lenkers des Lkw 1 und zu § 3 Z 3 EKHG – enthielt die Berufung nicht.
Das Berufungsgericht änderte das erstinstanzliche Urteil dahin ab, dass es das Klagebegehren abwies. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.
Das Berufungsgericht erörterte in rechtlicher Hinsicht, nicht jeder Be- oder Entladevorgang sei als Betrieb des Transportfahrzeugs zu qualifizieren. Von einem Betriebsvorgang sei nur dann auszugehen, wenn das Ladegut mit dem Fahrzeug und dessen eigenen Verladeeinrichtungen noch in Berührung stehe oder zumindest noch einer bei dem Verladevorgang entstandenen Krafteinwirkung ausgesetzt sei. Die Einschränkung auf eigene Verladeeinrichtungen des Fahrzeugs sei schon deshalb erforderlich, weil ein Betriebsunfall iSd § 1 EKHG einen inneren Zusammenhang der Schadenszufügung mit der dem Kraftfahrzeug eigentümlichen Betriebsgefahr voraussetze, jedenfalls aber einen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung dieses Fahrzeugs. Finde der Entladevorgang aber mittels einer externen Verladeeinrichtung statt, die dem Kraftfahrzeug nicht (im weitesten Sinn) zugehöre, könne sich nach dem verkehrstechnischen Ansatz ein Betriebsunfall des Transportfahrzeugs nicht mehr verwirklichen, lasse sich doch ein dabei erfolgter Unfall regelmäßig nicht mehr auf eine vom Transportfahrzeug selbst ausgehende spezifische Gefahr zurückführen. Die Bejahung eines Entladevorgangs lasse daher noch nicht den zwingenden Schluss zu, der Lkw 2 sei dabei in Betrieb gewesen.
Der Unfall stehe mit dem Betrieb des Lkw 2 daher in keinem adäquaten Gefahrenzusammenhang. Verwirklicht habe sich nicht die mit dem Einsatz des Lkw 2 verbundene spezifische Gefährlichkeit, sondern jene des Lkw 1, zumal dieser nach den Feststellungen des Erstgerichts nicht etwa durch das Einfüllen des Betons in den Trichter in Schieflage geraten sei, sondern deshalb weil der gesamte Pumpschlauch mit Beton gefüllt gewesen sei und der Versicherte an dem Schlauch gezogen habe. Ersatzansprüche nach dem EKHG aus einem Betriebsunfall des Lkw 2 seien daher zu verneinen.
Doch auch aus der Verwendung des Lkw 1 ließen sich infolge des wirksam vereinbarten Risikoausschlusses Ansprüche gegen die beklagte Partei nicht begründen, weil dieses Fahrzeug im Unfallszeitpunkt als ortsgebundene Kraftquelle zum Entladen des Lkw 2 eingesetzt worden sei. Der Deckungsausschluss betreffe nicht nur Ansprüche nach dem EKHG, sondern auch aus allgemeiner Verschuldenshaftung wegen eines präsumtiven Fehlverhaltens des Lenkers bei der Verwendung des Lkw 1.
Der Personenschaden sei aus den schon zur Frage des Betriebsunfalls ausgeführten Gründen auch nicht bei der Verwendung des Lkw 2 entstanden. Zwar könnten schon Vorbereitungshandlungen vor Beginn des Beladens zur Verwendung des Fahrzeugs gehören, es sei denn, das Fahrzeug sei daran noch nicht beteiligt gewesen. Entsprechendes müsse auch für das Ende des Verladevorgangs gelten. Schadensstiftende Handlungen, an denen das Fahrzeug nicht mehr „beteiligt“ sei, bei denen sich also keine – wenn auch nur mittelbar – vom Fahrzeug selbst oder seinen Einrichtungen ausgehende Gefahr verwirkliche, seien nicht mehr vom Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 KHVG erfasst. Entscheidend sei, ob der Schadensfall mit dem für ein Kraftfahrzeug typischen Gefahrenbereich in einem haftpflichtrechtlich relevanten Zusammenhang stehe. Diese grundsätzliche Anspruchsvoraussetzung liege hinsichtlich des Lkw 2 nicht vor. Folglich erübrige sich auch ein Eingehen auf die Frage, ob die beiden Lkw-Lenker dafür Sorge tragen hätten müssen, dass der Versicherte vor dem Abpumpen den Gefahrenbereich verlässt.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, unter welchen Voraussetzungen ein Entladevorgang als Verwendung eines Fahrzeugs iSd § 2 Abs 1 KHVG zu qualifizieren sei, insbesondere auch dazu, ob auf einen „inneren Zusammenhang des Schadensfalles mit der dem Einsatz des versicherten Fahrzeugs eigentümlichen Gefahr“ abgestellt werden müsse.
Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem (sinngemäßen) Antrag, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil es einer Klarstellung der Rechtslage durch den Obersten Gerichtshof bedarf. Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.
Die klagende Partei sieht eine Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO darin verwirklicht, dass sich das Berufungsgericht nicht mit der Frage beschäftigt habe, ob der Lkw 1 „in Betrieb“ gewesen sei und die beklagte Partei daher für den Schaden nach den Grundsätzen der Gefährdungshaftung einzustehen habe. Das Abstellen des Lkw 1 auf untauglichem Boden sei als zum Betrieb gehörende Vorbereitungshandlung für das Entladen auch dieses Fahrzeugs zu werten. Der ein Verschulden begründende Fehler des Lenkers sei demnach noch während des Betriebs des Lkw 1 erfolgt. Auch der Lkw 2 habe sich während des Entladens in Betrieb befunden. Bei der Entladung handle es sich um einen Betriebsvorgang, die Ladung selbst zähle zu den Betriebseinrichtungen eines Kraftfahrzeugs. Beides sei für den Unfall ursächlich gewesen, weil der Lkw 1 erst gekippt sei, als sich der Kranarm mit Beton zu füllen begonnen habe. Der Entladevorgang sei erst mit dem Austreten des Betons an der Entladestelle beendet.
Hiezu wurde erwogen:
I. Zur behaupteten Nichtigkeit:
Eine Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO wäre nur dann zu bejahen, wenn die Fassung des angefochtenen Urteils so mangelhaft ist, dass dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann oder das Urteil mit sich selbst im Widerspruch steht oder für die Entscheidung keine Gründe angegeben sind (E. Kodek in Rechberger, ZPO4 § 477 Rz 12 mwN). Die klagende Partei hält den ersten dieser Tatbestände für verwirklicht.
Schon die der Nichtigkeitsrüge zugrunde gelegte Prämisse trifft allerdings nicht zu. Das Berufungsgericht hat sich nämlich mit der Frage der Gefährdungshaftung für den Lkw 1 durchaus befasst, indem es die Haftung der beklagten Partei aufgrund der Verwendung dieses Fahrzeugs als ortsgebundene Kraftquelle und des darauf bezogenen Risikoausschlusses verneint und damit – ausdrücklich – aus dieser Verwendung (einschließlich aller ihr zuzurechnenden Vorbereitungshandlungen) abgeleitete Ansprüche nach dem EKHG und aus der „allgemeinen Verschuldenshaftung“ abgelehnt hat. Diese Rechtsansicht ist überprüfbar, der Nichtigkeitsgrund liegt daher nicht vor.
II. Der gerügte Verfahrensmangel liegt ebenfalls nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
III. Zur Rechtsrüge:
1. Allgemeines:
1.1 Die klagende Partei macht den im Wege der Legalzession nach § 332 Abs 1 ASVG im Umfang der an den Geschädigten erbrachten Leistungen auf sie übergegangenen Schadenersatzanspruch gegen den Haftpflichtversicherer geltend (§ 26 KHVG). Der Deckungsumfang des Kfz‑Haftpflichtversicherers ist in § 2 KHVG gesetzlich zwingend umschrieben. Nach Abs 1 dieser Bestimmung umfasst die Versicherung die Befriedigung begründeter oder die Abwehr unbegründeter Ersatzansprüche, die aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen gegen den Versicherungsnehmer oder mitversicherte Personen erhoben werden, wenn durch die Verwendung des versicherten Fahrzeugs – soweit hier von Interesse – Personen verletzt oder getötet worden sind.
1.2 Der Begriff des „Verwendens“ eines Fahrzeugs ist in weiterem Sinn zu verstehen, als jener des „Betriebs“ iSv § 1 EKHG. Er umfasst auch die Verwendung als ortsgebundene Kraftquelle, wobei aber Ersatzansprüche aus einer derartigen Verwendung gemäß § 4 Abs 1 Z 4 KHVG vertraglich vom Versicherungsschutz ausgeschlossen werden können (2 Ob 181/15d SZ 2016/66; RIS‑Justiz RS0116494). Das ist hier durch die Vereinbarung der Geltung der AKHB 2007 geschehen, nach deren Art 8 Z 3 Ersatzansprüche aus der Verwendung des versicherten Fahrzeugs als ortsgebundene Kraftquelle vom Versicherungsschutz nicht umfasst sind (vgl 2 Ob 143/16t).
1.3 Der Ausschluss des Versicherungsschutzes bei Verwendung eines Fahrzeugs als ortsgebundene Kraftquelle erfasst sämtliche auf „gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen“ beruhende Anspruchsgrundlagen, auf die der Geschädigte seinen Ersatzanspruch ohne diesen Ausschluss gegen eine der in § 2 Abs 1 KHVG genannten Personen (Versicherungsnehmer oder Mitversicherte) stützen könnte (vgl etwa 2 Ob 176/08h). Unter „gesetzliche Haftpflichtbestimmungen“ im Sinne dieser Vorschrift sind nach ständiger Rechtsprechung sowohl jene des EKHG als auch die Schadenersatznormen des ABGB zu verstehen (2 Ob 228/17v mwN; RIS‑Justiz RS0065615, RS0081163). Mitversichert sind nach § 2 Abs 2 KHVG ua der Halter und Personen, die mit Willen des Halters bei der Verwendung des Fahrzeugs tätig sind, demnach auch der Lenker.
2. Kein Anspruch aus der Verwendung des Lkw 1:
2.1 Der Lkw 1 wurde den Feststellungen zufolge als ortsgebundene Kraftquelle verwendet:
Maßgebend ist hiefür nicht nur die vorübergehende Aufhebung der Fahrbarkeit durch die ausgefahrenen Stützen, sondern vor allem die Betätigung der Motorkraft des Fahrzeugs für einen Arbeitsvorgang außerhalb desselben, der mit den für das Kraftfahrzeug typischen Funktionen nicht im Zusammenhang steht (2 Ob 181/15d mwN; RIS‑Justiz RS0058229 [T1]). Das Entladen anderer Kraftfahrzeuge ist ein solcher Arbeitsvorgang (vgl 2 Ob 214/01m SZ 2002/79; RIS‑Justiz RS0116494). In diesem Sinn hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ein Betonpumpenfahrzeug als ortsgebundene Kraftquelle qualifiziert, sofern die Betonpumpe der Entladung eines Betonmischers außerhalb des eigenen Fahrzeugs und dem Einbringen des Betons in die Baustelle diente (8 Ob 245, 246/80 ZVR 1981/243; 2 Ob 214/01m [obiter]; 7 Ob 83/13a; 7 Ob 203/14z).
2.2 Ersatzansprüche gegen die beklagte Partei aus der Verwendung des Lkw 1 durch Betätigung der Betonpumpe kommen daher infolge des wirksam vereinbarten Ausschlusses des Versicherungsschutzes nicht in Betracht. Diese Beurteilung erstreckt sich auch auf alle der Verwendung als ortsgebundene Kraftquelle zuzurechnenden Vorbereitungshandlungen, an denen das Fahrzeug bereits beteiligt war (vgl 7 Ob 182/08b mwN; 7 Ob 39/14g; auch 2 Ob 181/15d). Soweit daher das Abstellen des Lkw 1 dessen Einsatz für die Entladung des Lkw 2 vorbereiten sollte, ermöglicht auch ein dem Lenker dabei unterlaufenes schuldhaftes Fehlverhalten keinen Ersatzanspruch gegen die beklagte Partei.
2.3 Die klagende Partei verweist darauf, dass auch der Beton aus der Mischtrommel des Lkw 1 abgepumpt werden sollte und das Abstellen des Fahrzeugs eine Vorbereitungshandlung auch für diesen Entladevorgang (und damit für einen Betriebsvorgang) gewesen sei. Daran ist zwar richtig, dass der Lkw 1 während der Betätigung der Betonpumpe zum Zweck des Entladens der eigenen Mischtrommel tatsächlich nicht als ortsgebundene Kraftquelle im Einsatz war, sodass der Ausschluss des Versicherungsschutzes nicht zum Tragen käme. Denn es handelt sich nach herrschender Rechtsprechung um einen Betriebsvorgang, wenn die Motorkraft zum Antrieb einer auf dem Kraftfahrzeug montierten Vorrichtung eingesetzt wird, um das eigene Kraftfahrzeug zu be‑ oder zu entladen (2 Ob 181/15d mwN; auch RIS‑Justiz RS0058248).
2.4 Allerdings wurde der Schaden nicht erst bei der Entladung des Lkw 1 verursacht, sondern bereits davor. Mit der dem Unfall zeitlich nachfolgenden Entladung in Zusammenhang stehende (Betriebs‑)Vorgänge waren für den Unfall daher nicht (real) kausal.
Ob in der vorliegenden Sonderkonstellation allenfalls Aspekte der überholenden Kausalität zugunsten des Geschädigten zur Anwendung gebracht werden könnten, muss nicht näher untersucht werden, weil in der Revision (wie im gesamten Verfahren) Erwägungen zu dieser Frage nicht angestellt worden sind. Es genügt deshalb der Hinweis auf die – hier nicht neuerlich zu überprüfende – Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach die reale Kausalität der hypothetischen vorgeht (1 Ob 642/92; 7 Ob 238/07m mwN; differenzierend jedoch Karner in KBB 5 § 1302 Rz 9 mwN), sodass es im konkreten Fall auch nicht darauf ankommt, ob der spätere Entladevorgang den Schaden, wäre er nicht schon vorher eingetreten, ebenso herbeigeführt hätte (vgl RIS‑Justiz RS0022634, RS0106534).
2.5 Somit ergibt sich im Sinne der zweitinstanzlichen Beurteilung als Zwischenergebnis, dass die Verwendung des Lkw 1 nicht zur Haftung der beklagten Partei führt.
3. Anspruch aus der Verwendung des Lkw 2:
3.1 Der Lkw 2 war nicht als ortsgebundene Kraftquelle im Einsatz, sondern er wurde von dessen Lenker (mit laufendem Motor) zur Entladung bereit gestellt. Nach herrschender Rechtsprechung befand sich dieses Fahrzeug dabei in Betrieb (2 Ob 39/18a; RIS‑Justiz RS0124207). Ob sich beim folgenden Entladevorgang die spezifische Gefährlichkeit des Lkw 2 verwirklichte, ob also ein Gefahrenzusammenhang zwischen einem Betriebsvorgang und dem eingetreten Schaden bestand, ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts aus den folgenden Gründen nicht entscheidend.
3.2 Der Vorgang des Entladens wird in der Rechtsprechung nicht nur als Betriebsvorgang gewertet (2 Ob 181/15d mwN; RIS‑Justiz RS0058248 [T12]), sondern ist auch als Verwendung des entsprechenden Kraftfahrzeugs anzusehen (2 Ob 47/14x mwN).
Der Lenker des Lkw 1 war bei der Entladung und somit bei der Verwendung des Lkw 2 tätig: Dass er die Betonpumpe mit Wissen und Willen des Halters betätigte, liegt auf der Hand. Es ist auch unstrittig, dass er die Betonpumpe zum Abpumpen des Betons aus der Mischmaschine des Lkw 2, somit zu dessen Entladung, eingesetzt hat.
3.3 Allerdings steht die beklagte Partei auf dem Standpunkt, dass die Entladung des Lkw 2 mit dem Einbringen des Betons in den Trichter am Heck des Lkw 1 bereits beendet gewesen sei. Diese Auffassung hält einer Überprüfung jedoch nicht stand:
3.3.1 Der Oberste Gerichtshof hat zwar in der Entscheidung 7 Ob 83/13a ausgeführt, dass mit dem Einbringen des Betons in den Zwischenbehälter (den Trichter) und somit in das Pumpsystem das Mischfahrzeug entladen werde, nicht aber – was es ausschließlich zu beurteilen galt – die Betonpumpe. In der ersichtlich denselben Fall betreffenden Entscheidung 7 Ob 203/14z wurde dies zusätzlich dahin präzisiert, dass der in der Rohrleitung befindliche Beton des Mischfahrzeugs nicht zum Ladegut des Betonpumpenfahrzeugs wird.
3.3.2 Daraus ergibt sich unmissverständlich, dass der Weitertransport des aus dem Mischfahrzeug in den Zwischenbehälter und die Betonpumpe eingebrachten Betons über die Rohrleitung der Pumpe bis zur Entladestelle nicht Entladung des Betonpumpenfahrzeugs (hier: des Lkw 1) ist und folglich nur Entladung des Mischfahrzeugs (hier: Lkw 2) sein kann. Dem steht die oben wiedergegebene Äußerung des 7. Senats nicht entgegen, dass das Mischfahrzeug mit dem Einbringen des Betons in den Zwischenbehälter „entladen“ wurde, weil sie keine Aussage über die Beendigung des Entladevorgangs enthält.
3.3.3 Der vorliegende Sachverhalt ist auch nicht mit jenen Fällen vergleichbar, in denen Unfälle nach dem Umladen des Ladeguts auf einen Hubstapler uä nicht mehr dem Betrieb (und damit der Verwendung) des Lkw zugerechnet werden konnten (2 Ob 193, 194/75 ZVR 1976/233; vgl 2 Ob 83/16v; RIS‑Justiz RS0058421). Denn wie die erwähnte Entscheidung 7 Ob 203/14z deutlich macht, ist das Einbringen des Betons in den Zwischenbehälter (Trichter) des Betonpumpenfahrzeugs eben nicht als ein einem „Umladen“ des Ladeguts gleichzusetzender Vorgang zu werten. Aus diesem Grund versagt auch das von der beklagten Partei genannte Beispiel eines Unfalls beim Weitertransport des (umgeladenen) Ladeguts mit einer Schubkarre.
3.3.4 Als weiteres Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass sich der Unfall bei der Verwendung des Lkw 2 ereignete und dass der Lenker des Lkw 1 dabei mit Willen des Halters tätig war. Er war daher mitversicherte Person iSd § 2 Abs 2 KHVG.
3.4 Das Erstgericht hat die Bejahung der Haftung der beklagten Partei ua auf das mit der Wahl eines für den Entladevorgang erkennbar ungeeigneten Aufstellungsorts begründete unfallskausale „Fehlverhalten“ des Lenkers des Lkw 1, dessen Stellung als mitversicherte Person und somit hinreichend deutlich auf ein Verschulden des Lenkers gestützt. Davon ist im Revisionsverfahren ohne weitere Prüfung auszugehen, weil die beklagte Partei diese Beurteilung in der Berufung unwidersprochen ließ. Die allseitige Überprüfung der rechtlichen Beurteilung des Berufungsurteils durch den Obersten Gerichtshof beschränkt sich jedoch auf jene Umstände, die Gegenstand des Berufungsverfahrens gewesen sind (2 Ob 191/12w mwN; RIS‑Justiz RS0043573 [T41 und T43]). Dass auch der Lenker des Lkw 2 ein Fehlverhalten zu verantworten hätte – nur dieses wurde in der Berufung in Abrede gestellt –, geht aus den Feststellungen ohnedies nicht hervor.
3.5 Aus alledem folgt als abschließende Beurteilung, dass der Lenker des Lkw 1 für den dem Geschädigten bei der Verwendung des Lkw 2 schuldhaft zugefügten Schaden haftet. Da er mit Willen des Halters bei der Verwendung dieses Fahrzeugs tätig war, ist er Mitversicherter iSd § 2 Abs 2 KHVG. Der gegen die beklagte Partei gerichtete Ersatzanspruch nach § 26 KHVG besteht daher in unstrittiger Höhe zu Recht, ohne dass es noch auf Fragen der Gefährdungshaftung ankäme.
4. Ergebnis und Kosten:
In Stattgebung der Revision ist die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen ist.
Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 3 ZPO. Das Berufungsgericht hat – im Gegensatz zum Erstgericht – die Kostenentscheidung erster und zweiter Instanz dem Erstgericht vorbehalten. Daran ist auch der Oberste Gerichtshof gebunden (RIS‑Justiz RS0129336).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)