Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Am 20. 1. 2010 ereignete sich im Ortsgebiet ein Unfall, bei dem die damals 14-jährige Klägerin als Fußgängerin verletzt wurde. Die Klägerin ging nach Schulschluss in einer Gruppe mit vier Mitschülern, darunter dem damals 13-jährigen Erstbeklagten, auf dem Gehsteig der Hauptstraße. Zwischen der Klägerin und dem Erstbeklagten kam es zu (nicht feindseligen) wechselseitigen Behinderungen beim Gehen. Der Erstbeklagte „schubste“ dann die Klägerin, wodurch sie auf die Fahrbahn geriet.
Die Zweitbeklagte lenkte den von ihr gehaltenen, bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherten PKW auf der Hauptstraße in Gehrichtung der Schüler hinter diesen mit 20 bis 30 km/h bei herannahendem Gegenverkehr auf ihrer rechten Fahrbahnhälfte mit einem Seitenabstand zum Gehsteigrand von 80 bis etwa 120 cm. Auf das Erkennen der Bewegung der Klägerin hinein in die Fahrbahn reagierte die Zweitbeklagte mit einer sofortigen Bremsung. Der PKW stieß mit dem rechten vorderen Eck gegen die Klägerin, die im Anstoßzeitpunkt noch nicht auf der Fahrbahn lag. Das Bein der Klägerin wurde durch einen Reifen des PKW nicht überrollt. Die Klägerin erlitt im Zug des Sturzgeschehens einen Spiralbruch (Drehbruch) des linken Schienbeins. Diese Bruchverletzung ist (mit Sicherheit) keine unmittelbare Folge des Kontakts zwischen dem PKW und Körper der Klägerin. Ob sich die Klägerin ohne Kontaktnahme mit dem PKW nur als Folge des „Remplers“ diesen Drehbruch zugezogen hätte, ist möglich, aber nicht feststellbar. Mit ungefähr gleicher Wahrscheinlichkeit war entweder bereits (nur) der „Rempler“ des Erstbeklagten oder sodann (zusätzlich) der Kontakt mit dem PKW kausal für die zum Drehbruch führende Körperbewegung der Klägerin.
Sowohl die Klägerin als auch der Erstbeklagte hätten den herannahenden PKW der Klägerin zumindest vier bis fünf Sekunden vor dem Unfall wahrnehmen und ihr spielerisches „Rempeln“ einstellen können. Dann wäre die Klägerin nicht auf die Fahrbahn gelangt.
Die Klägerin begehrte die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 15.587,68 EUR, davon 13.000 EUR Schmerzengeld und 1.500 EUR Verunstaltungsentschädigung, wegen unfallkausal verursachter Schäden sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Unfallfolgen. Den Erstbeklagten treffe ein Verschulden, weil er mit seinen 13 Jahren die entsprechende Einsicht in die Gefährlichkeit seines Stoßes gehabt habe. Die Zweitbeklagte treffe ein Verschulden, weil sie eine überhöhte Geschwindigkeit und einen zu geringen Seitenabstand zum Gehsteig eingehalten und verspätet reagiert habe. Sie hafte darüber hinaus nach dem EKHG.
Gegen den Erstbeklagten zog die Klägerin noch vor Erstattung der Klagebeantwortung die Klage ohne Anspruchsverzicht zurück.
Die Zweit- und Drittbeklagte bestritten die gegen die Zweitbeklagte erhobenen Vorwürfe, diese treffe kein Verschulden. Nur der Erstbeklagte, nicht aber die Zweitbeklagte habe die Verletzung der Klägerin verursacht. Die Kollision sei für die Zweitbeklagte ein unabwendbares Ereignis iSd § 9 EKHG gewesen.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren gegen die Zweit- und Drittbeklagte ab. Deren Haftung scheitere daran, dass der Klägerin der ihr obliegende Beweis des Kausalzusammenhangs zwischen dem Betrieb des Fahrzeugs und der eingetretenen Verletzung nicht gelungen sei.
Dass die Zweitbeklagte kein Verschulden am Unfall trifft, ist in dritter Instanz nicht mehr strittig.
Die Klägerin ortet in ihrer außerordentlichen Revision eine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts, weil es zum einen verkannt habe, dass nicht aufklärbare Ungewissheiten über wesentliche Einzelheiten des Unfallgeschehens nicht zu ihren, sondern zu Lasten der zweitbeklagten Fahrzeughalterin gingen; zum anderen habe das Berufungsgericht die höchstgerichtliche Judikatur zur alternativen Kausalität missachtet, die hier - da die Schadensursache nicht feststehe - zu einer Haftung der Zweit- und Drittbeklagten führe.
Die Revision zeigt damit keine erheblichen Rechtsfragen auf.
Rechtliche Beurteilung
1) Zur Beweislast:
Die von der Revisionswerberin zitierten Entscheidungen betreffen die Beweislast für die Umstände, die zur Haftungsbefreiung bei einem unabwendbaren Ereignis nach § 9 EKHG in Fällen führen, in denen ein Unfall „beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ nach § 1 EKHG feststeht. Hier geht es aber um die (der allfälligen Haftungsbefreiung nach § 9 EKHG vorgelagerte) Frage, ob überhaupt ein Unfall „beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ vorliegt, ob also der Schaden durch ein - in Betrieb befindliches - Kraftfahrzeug verursacht wurde. Dafür trifft aber nach der schon vom Berufungsgericht zitierten ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung die Beweislast den Geschädigten, hier also die Klägerin (RIS-Justiz RS0022871; RS0109832). Dieser Beweis ist der Klägerin nach den Feststellungen nicht gelungen.
2) Zur alternativen Kausalität:
Nach der Lehre von der alternativen Kausalität sind in Analogie zu den §§ 1301, 1302 ABGB alle, die aufgrund eines haftungsbegründenden Verhaltens, aus dem der Schaden entstanden sein könnte, im Verursachungsverdacht stehen, solidarisch haftbar (RIS-Justiz RS0022765; RS0022712). Die Grundsätze der alternativen Kausalität (solidarische Haftung) gelten nicht nur im Bereich der Verschuldenshaftung, sie sind im Bereich der Gefährdungshaftung analog anzuwenden. Voraussetzung der Haftung wegen alternativer Kausalität ist allerdings auch im Bereich der Gefährdungshaftung, dass alle Tatbestandsmerkmale der einschlägigen Gefährdungshaftung erfüllt sind, sich aber nicht feststellen lässt, wessen Gefahrenquelle kausal wurde (2 Ob 2311/96h = RIS-Justiz RS0022721 [T2]).
In einem Fall, in dem die Verursachung durch einen Schädiger, von dem der Geschädigte vollen Schadenersatz erlangen kann, feststeht, sind jedoch die Voraussetzungen der alternativen Kausalität nicht gegeben; es besteht hier kein Anlass, den Grundsatz zu durchbrechen, dass der Geschädigte die Verursachung durch den von ihm in Anspruch genommenen Schädiger zu beweisen hat (2 Ob 12/86 = RIS-Justiz RS0022579).
Im vorliegenden Fall steht die Verursachung des Unfalls durch den Erstbeklagten fest, lediglich die Verursachung auch durch die Zweitbeklagte steht nicht fest. Wenngleich der Erstbeklagte im Unfallszeitpunkt erst 13 Jahre alt war, wird Schädigern in diesem Alter gemäß §§ 153, 1310 erster Fall ABGB üblicherweise ein (Mit-)Verschulden zugemessen (vgl RIS-Justiz RS0027366; RS0027487; RS0027635; RS0027048; speziell im Straßenverkehr vgl RIS-Justiz RS0027518; RS0027645). In diesem Sinn hat die Klägerin selbst eine Haftung des Erstbeklagten für den ganzen Schaden behauptet, von der nach den in diesem Verfahren getroffenen Feststellungen auch auszugehen ist.
Ein Fall alternativer Kausalität dergestalt, dass der Klägerin ohne Anwendung der dazu ergangenen Rechtsprechung überhaupt niemand hafte, liegt daher nicht vor, sodass nach der zitierten Entscheidung 2 Ob 12/86 die Zweit- und Drittbeklagte nicht haften. Dass die Klägerin gegen den Erstbeklagten (noch) keinen rechtskräftigen Titel erwirkt hat, sie vielmehr gegen ihn die Klage ohne Anspruchsverzicht zurückgezogen hat und ob ein Schadenersatzanspruch der Klägerin gegen den Erstbeklagten einbringlich ist, ändert daran ebensowenig etwas wie der Umstand, dass der Erstbeklagte der Klägerin uU deshalb nicht für den ganzen Schaden haftete, sollte die Klägerin ein Mitverschulden treffen (§ 1304 ABGB).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)