Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat den zweit- und drittbeklagten Parteien die mit 4.337,08 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen von 600 S und Umsatzsteuer von 339,73 S) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 27. Juni 1982 lenkte der Kläger seinen PKW auf der Zillertaler-Bundesstraße mit einer Geschwindigkeit von 40-50 km/h in Richtung Fügen. Als er sah, daß der vor ihm fahrende PKW verkehrsbedingt anhält, bremste er "normal" ab. Als er sein Fahrzeug bereits zum Stillstand gebracht hatte, fuhr der nachkommende, von Klaus Erich W*** (für diesen hat die Erstbeklagte zu haften) gelenkte PKW von hinten auf sein Fahrzeug auf und stieß dieses kräftig gegen das vor ihm angehaltene Fahrzeug. Etwa 2 Sekunden später stieß die Zweitbeklagte, die mit ihrem bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherten PKW mit einem Tiefenabstand von 15-16 m nachfolgte, gegen den PKW des Klaus Erich W***, der dadurch neuerlich gegen das Fahrzeug des Klägers stieß und dieses abermals auf den ersten der angehaltenen PKW schob.
Der Kläger machte gegen die drei Beklagten Schadenersatzansprüche geltend.
Das Erstgericht ging bei seiner Entscheidung davon aus, daß alle drei Beklagten dem Kläger zur ungeteilten Hand schadenersatzpflichtig seien, gab dem Klagebegehren daher im wesentlichen statt und wies nur einen Teil davon deshalb ab, weil es der Höhe nach nicht zur Gänze berechtigt sei. Hinsichtlich des Erstbeklagten wurde das Ersturteil, soweit es sich um den Grund des Anspruches handelt, nicht bekämpft, über die Höhe der Ansprüche hinsichtlich dieses Beklagten wurde durch das Urteil des Berufungsgerichtes rechtskräftig entschieden, das gegen den Erstbeklagten gerichtete Klagebegehren ist daher nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.
Der Berufung der Zweit- und Drittbeklagten gab das Berufungsgericht Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß das gegen diese Beklagten gerichtete Klagebegehren abgewiesen wurde. Das Berufungsgericht erklärte die Revision für zulässig. Es teilte die Ansicht des Erstgerichtes, auch die Zweitbeklagte treffe ein Verschulden am Unfall, nicht, weil der Erstbeklagte der Zweitbeklagten den Bremsweg verkürzt habe. Die Zweitbeklagte habe jedoch keinen Entlastungsbeweis gemäß § 9 Abs 2 EKHG erbracht, das Erstgericht habe daher die grundsätzlichen Haftungsvoraussetzungen bezüglich der Zweit- und Drittbeklagten im Ergebnis zu Recht bejaht. Es habe aber das Problem der Kausalität nicht beachtet und nicht richtig gelöst. Der PKW des Klägers sei zunächst durch jenen des Klaus Erich W*** beschädigt worden. Ob der Schaden beim zweiten Anprall vergrößert worden sei, habe das Erstgericht nicht festgestellt. Hiezu stelle das Berufungsgericht auf Grund einer Beweisergänzung fest, daß eine Vergrößerung des Schadens durch den zweiten Unfallskontakt nicht festgestellt werden könne und somit nicht als hochgradig oder überwiegend wahrscheinlich zu beurteilen sei. Damit sei die Frage der sogenannten alternativen Kausalität zu lösen, die sich auch dann stelle, wenn feststehe, daß jemand - hier Klaus Erich W*** - den Schaden real herbeigeführt habe, sich jedoch die potentielle Verursachung durch eine andere Person - hier die Zweitbeklagte - nicht ausschließen lasse. Das Berufungsgericht schließe sich der von Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 12 zu § 1302, vertretenen Auffassung an, daß die feststehende Kausalität der bloß möglichen vorgehe. Dies führe dazu, daß mangels (erwiesener) Kausalität, für welche der Kläger grundsätzlich beweispflichtig sei, eine Ersatzpflicht der Zweit- und Drittbeklagten zu verneinen sei. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers. Er macht den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt Abänderung dahin, daß dem Klagebegehren gegenüber der Zweit- und Drittbeklagten voll stattgegeben werde.
Die Zweit- und Drittbeklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Revisionswerber führt aus, er habe als Geschädigter das "unwertbeladene" (so Reischauer aaO S 2241) gefährliche Verhalten der Zweitbeklagten und die potentielle Verursachung des Schadens durch diese bewiesen, so daß diese ersatzpflichtig sei, wenn sie nicht beweisen könne, daß sie für den Schaden nicht kausal gewesen sei. Zur Stützung dieser Ansicht beruft sich der Kläger auf Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 12 zu § 1302, welcher jedoch die gegenteilige Ansicht vertritt, der sich das Berufungsgericht anschloß.
Die vom Kläger vertretene Ansicht entspricht allerdings einem Teil der österreichischen und deutschen Lehre (vgl. etwa Koziol 2 I 69; Bydlinski in Beitze FS 15; Bauer DJZ 1981, 8 ua). Ein anderer Teil der Lehre vertritt hingegen ebenso wie Reischauer die Meinung, bei Haftung eines Beteiligten wegen nachgewiesener Kausalität für den ganzen Schaden komme eine Haftung der übrigen, nur möglicherweise kausalen Schädiger nicht in Betracht (vgl. etwa Gernhuber, DJZ 1961, 148; Heinze, VersR 1973, 1086; Mertens, Münchner Kommentar, Rdz 28 zu § 830 BGB ua). Dieser Ansicht schloß sich auch der Deutsche Bundesgerichtshof in neuerer Rechtsprechung an (VersR 1976, 992). Zu diesem Meinungsstreit ist folgendes zu erwägen:
Gemäß § 1295 Abs 1 ABGB ist jedermann berechtigt, vom Beschädigten Ersatz des Schadens zu fordern, welchen dieser ihm aus Verschulden zugefügt hat. Ein Schadenersatzanspruch setzt somit eine Verursachung des Schadens durch den Schädiger voraus, wobei den Kläger grundsätzlich die Beweislast für die Verursachung des Schadens durch den von ihm in Anspruch genommenen trifft. Diese Regel könnte in jenen Fällen zu dem unbilligen Ergebnis führen, daß der Geschädigte ersatzlos bleibt, in denen mehrere schuldhaft handelnde Personen als Verursacher in Betracht kommen, aber nicht feststellbar ist, wer von ihnen der wirkliche Täter ist. Aus diesem Grund wurde die Lehre von der alternativen Kausalität entwickelt (in Österreich durch analoge Anwendung aus § 1302 ABGB abgeleitet, in der Bundesrepublik Deutschland aus § 830 Abs 2 BGB), wonach in derartigen Fällen für die Schadenersatzpflicht die mögliche Kausalität genügt, das Unaufklärbarkeitsrisiko tragen die mehreren Täter (SZ 54/63 ua).
Im vorliegenden Fall steht fest, daß Klaus Erich W*** den Schaden verursachte, sein Verhalten war auch kausal für den zweiten Anstoß, da er der Zweitbeklagten den Bremsweg verkürzt hatte. Er und damit auch die Erstbeklagte haften daher für den gesamten Schaden des Klägers. In einem derartigen Fall, in welchem die Verursachung durch einen Schädiger, von dem der Geschädigte vollen Schadenersatz erlangen kann, feststeht, sind nach Ansicht des erkennenden Senates die Voraussetzungen der alternativen Kausalität nicht gegeben; es besteht hier kein Anlaß, den Grundsatz zu durchbrechen, daß der Geschädigte die Verursachung durch den von ihm in Anspruch genommenen Schädiger zu beweisen hat (vgl. auch EvBl 1982/188). Erbringt er diesen Beweis nicht, dann ist sein Begehren abzuweisen. Der erkennende Senat schließt sich somit der Ansicht an, die vom Deutschen Bundesgerichtshof und einem Teil der Lehre, so etwa von Reischauer, vertreten wird.
Zutreffend änderte daher das Berufungsgericht das Ersturteil dahin ab, daß das gegen die Zweit- und Drittbeklagten gerichtete Begehren abgewiesen wird, weshalb der Revision ein Erfolg versagt bleiben mußte.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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