Spruch:
Beide Revisionen, die Revisionsbeantwortung des Zweitklägers sowie die Revisionsbeantwortung der Beklagten, soweit sie in Erwiderung der Revision des Zweitklägers erstattet wurde, werden zurückgewiesen. Der Erstkläger ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 271,08 EUR (darin enthalten 45,18 EUR USt) bestimmten anteiligen Kosten der hinsichtlich des Erstklägers erstatteten Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Die Kläger haben die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zur Gänze, die Beklagten insoweit, als ihre Revisionsbeantwortung in Erwiderung der Revision des Zweitklägers erstattet wurde, selbst zu tragen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Zweitklägers sowie die von den Beklagten gegen den zugunsten des Zweitklägers erfolgten Zuspruch erhobene Revision sind jedenfalls unzulässig. Gemäß § 55 Abs 1 Z 2 JN sind mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche von mehreren Klägern nur im Falle einer materiellen Streitgenossenschaft (§ 11 Z 1 ZPO) zusammenzurechnen. Mehrere aus einem Unfall Geschädigte sind nur formelle Streitgenossen im Sinne des § 11 Z 2 ZPO (RIS-Justiz RS0110982). Ihre Ansprüche sind daher nicht zusammenzurechnen (RIS-Justiz RS0035615). Die Zulässigkeit der Revision ist für jeden einzelnen Streitgenossen gesondert zu beurteilen (RIS-Justiz RS0035588, RS0035710). Der Zweitkläger hat 1.942,87 EUR sA eingeklagt, weshalb sowohl seine Revision als auch diejenige der Beklagten, soweit sie sich gegen den zugunsten des Zweitklägers erfolgten Zuspruch von 1.475,25 EUR sA wendet, gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig und daher zurückzuweisen sind. Dasselbe gilt für die Revisionsbeantwortung des Zweitklägers sowie die Revisionsbeantwortung der Beklagten, soweit sie in Erwiderung der Revision des Zweitklägers erstattet wurde: Die Beantwortung eines jedenfalls unzulässigen Rechtsmittels ist dem Verfahrensgesetz fremd (6 Ob 24/05f; 1 Ob 362/97k ua).
Hinsichtlich der vom Erstkläger sowie von den Beklagten gegen den zugunsten des Erstklägers erfolgten Zuspruch erhobenen jeweils ordentlichen Revisionen kann sich der Oberste Gerichtshof bei deren Zurückweisung wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).
Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil es zur Frage, wie sich als Wettfahrten bzw Straßenrennen darstellende Überholmanöver der vorliegenden Art zivilrechtlich zu beurteilen seien, keine Judikatur des Obersten Gerichtshofs gebe. Beide Revisionen sind unzulässig.
Das Erstgericht konnte nicht feststellen, ob zwei der am Unfall beteiligten Lenker, nämlich der Erstkläger und der Erstbeklagte, vor der Kollision ausdrücklich vereinbart haben, ein Straßenrennen zu veranstalten. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen galt für den Erstkläger und den Erstbeklagten eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h. Der Erstkläger lenkte seinen PKW auf dem rechten, der Erstbeklagte seinen PKW daneben in derselben Fahrtrichtung auf dem für den Gegenverkehr vorgesehenen linken Fahrstreifen, als sich aus der Gegenrichtung der von Özcan Y***** gelenkte PKW näherte. Zur Vermeidung einer Frontalkollision mit dem Fahrzeug des Özcan Y***** lenkte der Erstbeklagte sein Fahrzeug nach rechts in Richtung des vom Erstkläger gelenkten Wagens. Es kam zu einer streifenden Kollision des Beklagtenfahrzeuges zunächst mit dem Wagen des Özcan Y***** und in weiterer Folge mit dem Klagsfahrzeug. Die Geschwindigkeit des Klagsfahrzeuges betrug zum Zeitpunkt der Kollision ca 115 km/h, diejenige des Beklagtenfahrzeugs ca 130 km/h. Diese Geschwindigkeiten wurden bereits ungefähr vier Sekunden vor der Kollision eingehalten. Dabei war der Erstbeklagte schon zumindest vier Sekunden vor der späteren Kollision in der für den Erstkläger erkennbaren Überholposition. Zwischen beiden Kollisionen liegt ein Zeitraum von weniger als einer Sekunde. Die Fahrzeuge der Streitteile kamen von der Fahrbahn ab und erst nach mehrfachen Überschlägen zum Stillstand. Hätte der Erstkläger auf die Erkennbarkeit des Überholmanövers des Erstbeklagten oder des entgegenkommenden Özcan Y***** mit einer Gaswegnahme reagiert, wäre die Kollision jedenfalls unterblieben. Hätte der Erstbeklagte auf das Ansichtigwerden des entgegenkommenden PKWs des Özcan Y***** reagiert, hätte er die Kollision durch einen Abbruch des Überholmanövers verhindern können.
Nach oberstgerichtlicher Rechtsprechung kann Handeln auf eigene Gefahr die Rechtswidrigkeit ausschließen. Ein echtes Handeln auf eigene Gefahr ist aber nur gegeben, wenn dem Gefährder keine Schutzpflichten gegenüber jenem obliegen, der die Gefahr kannte oder erkennen konnte, und dem daher eine Selbstsicherung zugemutet werden konnte. Unechtes Handeln auf eigene Gefahr liegt dagegen dann vor, wenn den Gefährder Schutzpflichten gegenüber der sich selbst gefährdenden Person treffen. Bei Nichteinhaltung dieser Pflichten handelt der Gefährder rechtswidrig (RIS-Justiz RS0023101). Die Selbstgefährdung des Geschädigten kann nur über § 1304 ABGB zu einer Einschränkung der Haftung führen (RIS-Justiz RS0023101 [T1, 4]). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, das Handeln von Erstkläger und Erstbeklagtem sei ein unechtes Handeln auf eigene Gefahr, die Bemessung des Schadenersatzes richte sich nach § 1304 ABGB, bewegt sich im Rahmen dieser Rechtsprechung. Daraus folgt aber weiter, dass die beteiligten Lenker einander zur Einhaltung der Schutznormen der StVO verpflichtet waren. Insoweit ergibt sich aus dem Umstand, dass sich die Fahrt von Erstkläger und Erstbeklagtem in den letzten Sekunden vor der Kollision zu einer Wettfahrt entwickelte, keine Beurteilung, die Besonderheiten gegenüber auch sonst vorzunehmenden Wertungen von Verstößen gegen Normen der StVO und der jeweiligen Gewichtung von Mitverschulden hätte. Die vom Berufungsgericht bezeichnete Rechtsfrage ist daher nicht erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO.
Auch die Revisionen der Streitteile zeigen keine erhebliche Rechtsfragen auf.
Der Erstkläger rügt als Mangelhaftigkeit des Verfahrens, die Vorinstanzen hätten hinsichtlich der Spesenpauschalen von dem im Gesetz gemäß § 273 Abs 1 ZPO eingeräumten Verfahrensermessen Gebrauch machen müssen, da die Schadensschätzung prozessökonomischer gewesen wäre als ein aufwendiges Beweisverfahren.
Die Anwendbarkeit des § 273 ZPO hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab und hat daher keine über diesen hinausgehende Bedeutung (RIS-Justiz RS0040494). Die Entscheidung des Gerichts darüber, ob es § 273 ZPO anwenden darf, ist eine rein verfahrensrechtliche Entscheidung. Wurde zu Unrecht die Anwendbarkeit des § 273 ZPO bejaht oder verneint, muss dies mit Mängelrüge bekämpft werden (RIS-Justiz RS0040378).
Im vorliegenden Fall haben die Kläger in ihrer Berufung zwar die Negativfeststellungen des Erstgerichts zu den Nebenspesen mit einer Beweisrüge bekämpft, jedoch die Nichtanwendung von § 273 ZPO durch das Erstgericht nicht gerügt. Nach ständiger Rechtsprechung kann aber ein in der Berufung nicht geltend gemachter Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens mit der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0043111). Der Verweis der Revision auf Ausführungen in der Berufung ist unzulässig (RIS-Justiz RS0043616). Die Rechtsrüge wendet sich gegen die von den Vorinstanzen vorgenommene Verschuldensteilung von 1 : 1 zwischen Erstkläger und Erstbeklagtem.
Die Revision geht zunächst schon nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, da der Erstkläger entgegen den Revisionsausführungen sehr wohl die Möglichkeit gehabt hätte, durch Gaswegnahme unfallverhindernd zu reagieren.
Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich bei der Ausmittlung der Verschuldensquoten von Verkehrsbeteiligten um eine jeweilige Beurteilung im Einzelfall, die, von krassen Fehlbeurteilungen abgesehen, keine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO bildet (RIS-Justiz RS0087606, RS0042405).
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das Fahrverhalten von Erstkläger und Erstbeklagtem sei als grob fahrlässig und derart verantwortungslos zu qualifizieren, dass die vom Erstkläger ins Treffen geführten, nach seiner Ansicht für ein wesentlich geringeres Verschulden sprechenden Umstände nicht mehr entscheidend ins Gewicht fielen. Angesichts der Einlassung des Erstklägers auf die „Wettfahrt" sei es nicht sachgerecht, dem Erstbeklagten (als Überholendem) den höheren Verschuldensanteil zuzuweisen. Die vom Erstgericht vorgenommene Haftungsteilung von 1 : 1 sei daher nicht zu beanstanden.
Auch mit diesen Ausführungen bewegt sich das Berufungsgericht durchaus in dem ihm zukommenden Beurteilungsspielraum (vgl auch RIS-Justiz RS0026845).
Auch die Revision der Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf. Soweit sie aus dem Charakter der „Wettfahrt" der unfallbeteiligten Lenker argumentieren, die Beteiligten an einer solchen Wettfahrt hätten bewusst auf den Schutzzweck der sonst für den Straßenverkehr geltenden Normen verzichtet, es liege ein echtes Handeln auf eigene Gefahr vor, werden die Beklagten auf die zu diesem Thema schon gemachten Ausführungen verwiesen.
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der in Erwiderung der Revision des Erstklägers erstatteten Revisionsbeantwortung der Beklagten gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision der Kläger (mangels einer Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO) hingewiesen. Von den richtig verzeichneten Kosten gebühren ihnen, dem anteiligen Revisionsinteresse des Erstklägers entsprechend, 84,9 %.
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Revisionsbeantwortung des Erstklägers gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Die Kläger haben in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision der Beklagten nicht hingewiesen.
Soweit die Revisionsbeantwortungen jedenfalls unzulässig waren (Zweitkläger), gebührt kein Kostenersatz.
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