OGH 1Ob84/24w

OGH1Ob84/24w24.7.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Mag. H*, vertreten durch Urbanek & Rudolph Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen den Antragsgegner T*, vertreten durch Dr. Ernst Brunner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 16. April 2024, GZ 16 R 327/23m‑200, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 24. Oktober 2023, GZ 7 Fam 59/18z‑185, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 3. November 2023, GZ 7 Fam 59/18z‑187, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00084.24W.0724.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die in Ansehung des Punkts 1. des erstinstanzlichen Beschlusses und einer Ausgleichszahlung von jedenfalls 113.000 EUR in Teilrechtskraft erwachsen sind, werden in Ansehung der darüber hinaus von der Antragstellerin begehrten Ausgleichszahlung und der Kosten aufgehoben. Dem Erstgericht wird insoweit die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Die im Jahr 2009 zwischen den Parteien geschlossene Ehe wurde mit Urteil des Erstgerichts vom 9. 3. 2018 rechtskräftig geschieden. Die Parteien sind Staatsangehörige zweier verschiedener ausländischer Staaten und haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich. Der Mann ist Alleineigentümer einer 2010 gekauften Liegenschaft, auf der sich die in der Folge errichtete und von Oktober 2012 bis zum Auszug der Frau am 29. 2. 2016 (= Aufteilungsstichtag) gemeinsam bewohnte Ehewohnung (Wohnhaus) befindet. Insgesamt kostete die Anschaffung der ehelichen Liegenschaft und die Errichtung des Hauses ca 824.000 EUR. Für die Finanzierung standen – neben Krediten bei einer Bank sowie einem Wohnbauförderungsdarlehen – Erlöse aus dem Verkauf einer bereits vor Eheschließung im Eigentum des Mannes befindlichen Wohnung (180.000 EUR) und einer Versicherung (ca 21.000 EUR), voreheliche Ersparnisse des Mannes von ca 5.600 EUR, Geldgeschenke der Eltern des Mannes (35.000 EUR) sowie Beiträge (7.000 EUR für die Wärmepumpe, 50.400 EUR für das Architektenhonorar) vom Unternehmen des Mannes – einer GmbH – zur Verfügung. Die Raten für die Kredite und das Wohnbauförderungsdarlehen wurden und werden vom Mann regelmäßig bezahlt. Die Frau brachte keine vorehelichen Ersparnisse in die Ehe ein. Für die Anlegung eines Schwimmteichs im Garten der Ehewohnung im Sommer 2013 wurde ein der Frau von ihren Eltern geschenkter Betrag von 5.000 EUR verwendet.

[2] Nach Auszug der Frau aus der Ehewohnung wendete der Mann rund 65.000 EUR für Reparaturen des Hauses und der Außenanlagen auf, sodass sich deren Bau- und Erhaltungszustand erheblich verbesserte und sich der Sanierungsbedarf um 65.000 EUR reduzierte. Weiters tätigte der Mann Investitionen, die sich auf den Verkehrswert der Liegenschaft per September 2022 mit rund 10.000 EUR auswirkten. Im September 2022 hatte die Liegenschaft als Folge der allgemeinen Grundpreissteigerung des gegenüber der Amortisation des Bauwerks stärkeren Anstiegs der Baukosten und der getätigten Sanierungs- und Reparaturarbeiten einen Wert von 1.330.000 EUR.

[3] 2023 verloren Liegenschaften an Wert, da deren Preisentwicklung von verminderter Nachfrage und nachteiligen Finanzierungsmöglichkeiten geprägt war. Im höherpreisigen Segment gingen die Preise um etwa 5 % zurück. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz hatte die Liegenschaft daher – unter Berücksichtigung eines Abschlags [von 107.500 EUR] für aufgestauten Reparaturaufwand und Baumängel – einen Wert von 1.156.000 EUR. Dem gegenüber stehen eheliche Schulden (zum Aufteilungsstichtag) von ca 480.000 EUR.

[4] Im Revisionsrekursverfahren ist die Höhe der vom Mann zu leistenden Ausgleichszahlung strittig, nachdem die Ehewohnung in seinem Alleineigentum verbleiben soll.

[5] Das Erstgericht sprach aus, dass die Ehewohnung im Alleineigentum des Mannes verbleibt (Punkt 1.), undverpflichtete ihn zu einer Ausgleichszahlung von 210.000 EUR samt 4 % Zinsen ab Vollstreckbarkeit der Entscheidung (Punkt 2.).

[6] Nach §§ 20 iVm 18 Abs 1 IPRG sei, da beide Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hätten, österreichisches Recht anzuwenden.

[7] Vom Verkehrswert der Liegenschaft von 1.156.000 EUR seien die eheliche Schulden zum Aufteilungsstichtag von 480.000 EUR abzuziehen. Dem Mann seien Reparaturen über 65.000 EUR und Investitionen von 10.000 EUR anzurechnen. Zur Finanzierung der Ehewohnung habe er aus vorehelichen Mitteln bzw Ersparnissen und Geschenken Dritter insgesamt 299.000 EUR, also ca 36,3 %, beigetragen, die werterhaltend zu berücksichtigen seien. Darin enthalten seien die Beiträge seines Unternehmens von 57.400 EUR (Architektenhonorar und Wärmepumpe), die wie Geschenke bzw Zuwendungen Dritter an einen Ehegatten zu behandeln seien. Ihm kämen daher vor Zuteilung der ehelichen Errungenschaft 36,3 % des Werts der Liegenschaft nach Abzug der Schulden und seiner Investitionen von 75.000 EUR zu. Von den verbleibenden 382.837 EUR gebühre der Frau die Hälfte (191.418,50 EUR). Weiters habe sie Anspruch auf die Hälfte der vom Mann für Anwaltskosten verwendeten ehelichen Ersparnisse (15.000 EUR). Auch der ihr von ihren Eltern geschenkte Beitrag von 5.000 EUR zur Gestaltung des Teiches sei zu berücksichtigen; da sie aber nach der Trennung den PKW mitgenommen und letztlich verkauft habe, sei bei Berücksichtigung aller Umstände eine Ausgleichszahlung von 210.000 EUR angemessen.

[8] Das Rekursgericht gab dem (nur) gegen Punkt 2.) erhobenen Rekurs der Frau nicht, jenem des Mannes hingegen teilweise Folge und reduzierte die Ausgleichszahlung auf 113.000 EUR.

[9] Vom Verkehrswert der Liegenschaft sei richtigerweise zunächst der aufgewertete Beitrag des Mannes (ursprünglich 299.000 EUR), also ca 419.500 EUR (= 36,3 % von 1.156.000 EUR) abzuziehen. Abzüglich der aushaftenden Schulden und der Investitionen/Reparaturen des Mannes (von 75.000 EUR = 65.000 EUR plus 10.000 EUR) verblieben in der Folge 181.500 EUR an ehelicher Wertschöpfung. Davon gebühre der Frau die Hälfte (90.750 EUR). Zuzüglich ihres Geschenks von 5.000 EUR (wertgesichert gerundet 7.000 EUR) sowie der Hälfte der 30.000 EUR, die der Mann für Prozesskosten aufgewendet habe, beziffere sich die Ausgleichszahlung daher mit gerundet 113.000 EUR.

[10] Ob die Ausgleichszahlung vor Fälligkeit zu verzinsen und/oder wertzusichern sei, hänge vor allem davon ab, ob es nach den im konkreten Fall gegebenen Umständen billig erscheine, einen möglichen Kaufkraftverlust und/oder notwendige Finanzierungskosten durch eine Verzinsung und/oder eine Wertsicherung auszugleichen. Dies könne insbesondere dann der Fall sein, wenn unstrittig sei, dass ein Ausgleichsbetrag zu zahlen sei und der zur Zahlung Verpflichtete auch auf den an sich unstrittigen Betrag keinerlei Teilzahlungen leiste. Eine solche Ausnahme sei hier nicht gegeben. Zwar sei das Verfahren tatsächlich von beträchtlicher Dauer gewesen, doch sei die Höhe der Ausgleichszahlung bis zuletzt vehement umstritten gewesen. Auch habe der Wert der Liegenschaft zum Zeitpunkt der erstgerichtlichen Beschlussfassung erheblich mehr als zum Aufteilungsstichtag betragen, was sich letztlich auch in der Höhe der Ausgleichszahlung niedergeschlagen habe.

[11] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige (überflüssigerweise, weil im Rekursverfahren eine Ausgleichszahlung in einem 30.000 EUR übersteigenden Betrag strittig war; vgl RS0127043; 1 Ob 183/23b) und der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig sei.

[12] In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt die Frau, ihr eine Ausgleichszahlung von insgesamt 210.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 3. 2018 (gemeint wohl 2016) zuzusprechen; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

[13] Der Mann beteiligte sich nicht am Revisionsrekursverfahren.

Rechtliche Beurteilung

[14] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Frau ist zulässig, weil es einer Klarstellung bedarf, wie die Ausgleichszahlung bei nach dem Aufteilungsstichtag von einem der Ehegatten getätigten werterhöhende Investitionen zu ermitteln ist. Er ist im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

[15] 1. Bewertungsstichtag für das bei Aufhebung der Ehegemeinschaft vorhandene, der Aufteilung unterliegende Vermögen ist der Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz. Wertsteigerungen, die ohne besonderes Zutun eines der beiden Ehegatten eingetreten sind, müssen berücksichtigt werden, hingegen führen Wertvermehrungen, die auf die Tätigkeit eines Ehegatten zurückzuführen sind, zu keiner Aufwertung (RS0057644). Davon sind bei Aufhebung der Ehegemeinschaft bestehende konnexe Schulden abzuziehen. Die Differenz ist aufzuteilen (RS0132057). Voreheliche Beiträge iSd § 82 Abs 1 Z 1 EheG, die in der aufzuteilenden Sache aufgegangen sind, sind wertverfolgend zu berücksichtigen (RS0057490). Sie sind vor Aufteilung des Vermögens von dessen Wert rechnerisch abzuziehen und dem betreffenden Ehegatten vorweg zuzuweisen (RS0057478 [T4]). Dabei ist nicht vom seinerzeitigen Wert des Eingebrachten auszugehen, sondern darauf abzustellen, inwieweit die Leistung wertmäßig im betreffenden Vermögensgegenstand „fortwirkt“ (RS0057478 [T5]). Dies hat dergestalt zu erfolgen, dass der Wert des eingebrachten Vermögens zum Verkehrswert der damit finanzierten Sache bei deren Erwerb ins Verhältnis gesetzt und daraus die „Einbringungsquote“ ermittelt wird (1 Ob 97/19z; 1 Ob 164/19b mwN).

[16] 2. Die Frau macht geltend, das Rekursgericht habe die Einbringungsquote unrichtig berechnet und angewendet, weil es die vom Mann nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft getätigten werterhöhenden Investitionen (75.000 EUR) für die Berechnung der Ausgleichszahlung nochmals 1 : 1 abgezogen habe. Damit seien die Investitionen doppelt berücksichtigt worden, weil sich durch die nachträglichen werterhöhenden Investitionen schon der werterhöhend verfolgte Beitrag des Mannes erhöht habe. Nach ihrer Ansicht seien daher vom aktuellen Verkehrswert zunächst die werterhöhenden Investitionen abzuziehen und sei der Beitrag des Mannes entsprechend der Einbringungsquote von 36,3 % nur auf die Differenz von 1.081.000 EUR aufzuwerten, womit sich ein Beitrag des Mannes von 392.400 EUR errechne. Die eheliche Wertschöpfung betrage daher rund 208.600 EUR. Alleine deshalb hätte der Frau eine um 12.300 EUR höhere Ausgleichszahlung zugesprochen werden müssen. Jedenfalls hätten die Vorinstanzen die werterhöhenden Investitionen um 13 % kürzen müssen, nachdem sich auch der Liegenschaftswert von 2022 bis zum Schluss des Verfahrens erster Instanz um diesen Faktor reduziert habe. Schließlich meint sie, richtigerweise wären die Schulden vom Liegenschaftswert abzuziehen gewesen, bevor der Beitrag des Mannes ermittelt wird.

3. Dazu ist zu erwägen:

[17] 3.1. Aus der Entscheidung 1 Ob 9/24s ergibt sich nicht, dass der Beitrag des Mannes entsprechend der Einbringungsquote unter Heranziehung des um die Schulden reduzierten Liegenschaftswerts aufzuwerten wäre. Bereits das Rekursgericht hat hervorgehoben, dass diese (vom Erstgericht fälschlich gewählte) Vorgangsweise zu dem – absurden – Ergebnis führte, dass sich der anzurechnende Beitrag des Mannes gegenüber den tatsächlich von ihm aufgewendeten Beträgen erheblich reduzieren würde, obwohl sich der Liegenschaftswert seit der Anschaffung (insbesondere aufgrund allgemeiner Preissteigerungen) um rund 40 % erhöht hat. Es besteht kein Zusammenhang zwischen dem Wert des vorehelichen Beitrags eines Ehegatten, der in der aufzuteilenden Sache aufgegangen ist, und der Höhe der zum Aufteilungsstichtag aushaftenden konnexen Schulden. Im Ansatz richtig hat das Rekursgericht daher den Verkehrswert der Sache zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Aufteilungsentscheidung unter Außerachtlassung der offenen Verbindlichkeiten der Aufwertung zugrunde gelegt.

[18] 3.2. Der Verkehrswert zum Bewertungsstichtag darf allerdings nicht ohne Weiteres herangezogen werden, wenn Investitionen eines Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft – wie hier – zu einer Werterhöhung geführt haben.

[19] Nach der bereits dargestellten Rechtsprechung (RS0057644; vgl auch RS0057613) sind Wertveränderungen seit Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft, die nur einem Ehegatten zuzurechnen sind, vom grundsätzlich maßgeblichen Bewertungsstichtag ausgenommen (1 Ob 44/18d; Gitschthaler, Aufteilungsrecht³ Rz 199/1).

[20] Daraus folgt, dass der Aufteilung der Wert der Sache zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz ohne die nach dem Aufteilungsstichtag getätigten Investitionen oder Aufwendungen des einen Ehegatten (hier des Mannes) zugrunde zu legen ist. Die Wertsteigerung, die ihre Ursache allein in Investitionen oder Arbeitsleistungen eines Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft hat, ist von der Aufteilung ausgenommen (vgl RS0057644 [T6]).

[21] Das bedeutet aber auch, dass sich die Aufwertung des vorehelichen Beitrags eines Ehegatten (hier des Mannes) nach diesem – fiktiven – und nicht nach dem tatsächlichen Wert richten muss. Dieser soll nämlich nur an der Wertsteigerung entsprechend seinem Beitrag überproportional partizipieren, die ohne besonderes Zutun eines der beiden Ehegatten eingetreten ist. Nur in dieser „Wertschöpfung“ wirkt sein Beitrag fort, nicht aber in der „Wertschöpfung“, die allein durch die Tätigkeit eines Ehegatten erst nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft entstanden ist und die nicht der Aufteilung unterliegt.

[22] Diesen Überlegungen trägt die Rekursentscheidung nicht Rechnung, sodass sich der Revisionsrekurs im Ergebnis als berechtigt erweist.

[23] 3.3. Die Vorinstanzen haben zu dem Wert der ehelichen Liegenschaft zum maßgeblichen Bewertungsstichtag ohne die Investitionen des Mannes nach Aufhebung der Ehegemeinschaft keine ausreichenden Feststellungen getroffen.

[24] Die Feststellung, dass sich nachträgliche Investitionen des Mannes im Wert der Liegenschaft per September 2022 mit rund 10.000 EUR niederschlagen, stellt ebenso wenig auf den (maßgeblichen) Wert zum Zeitpunkt der Aufteilungsentscheidung erster Instanz (Oktober 2023) ab, wie die Feststellung, dass sich der (im Erstgutachten genannte) Reparaturbedarf durch Sanierungsarbeiten des Mannes per September 2022 um 65.000 EUR reduzierte. Da feststeht, dass sich der Liegenschaftswert im höherpreisigen Segment – wie hier – innerhalb eines Jahres bis Herbst 2023 um 5 % reduzierte, kommt einer Bewertung zum richtigen Stichtag umso mehr Bedeutung zu.

[25] Soweit die Frau vorschlägt, die werterhöhenden Investitionen des Mannes der Einfachheit halber um 13 % zu reduzieren, übersieht sie, dass der von ihr herangezogene Prozentsatz auch einen (zum Entscheidungszeitpunkt gegenüber den Vorgutachten erhöhten) Abschlag für einen nach wie vor bestehenden Sanierungsbedarf enthält. Ihrem Ansatz ist daher nicht zu folgen, selbst wenn man – wofür es keine Beweisergebnisse gibt – annehmen wollte, dass sich der im Liegenschaftswert widerspiegelnde Wert der Investitionen im Verhältnis zum allgemeinen Immobilienpreisrückgang veränderte.

3.4. Richtig ist im vorliegenden Fall wie folgt vorzugehen:

[26] Für die Bemessung der Ausgleichszahlung ist der (hypothetische) Wert der Liegenschaft ohne die erst nach Aufhebung der Ehegemeinschaft vom Mann getätigten Investitionen zum Entscheidungszeitpunkt erster Instanz maßgeblich. Die durch die nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft erfolgten Investitionen des Mannes bewirkte Wertsteigerung der Liegenschaft ist demgegenüber von der Aufteilung ausgenommen; sie fällt allein dem Mann zu, der die Liegenschaft behält. Das heißt, dass auch die 75.000 EUR Investitionssumme, die die Vorinstanzen noch in ihre Bemessung einbezogen haben, im Weiteren außer Betracht zu bleiben hat.

[27] Das Erstgericht wird daher zunächst den (hypothetischen) Wert zu ermitteln haben, den die Liegenschaft zum Bewertungsstichtag hätte, wenn der Mann die Reparaturen und Investitionen nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht getätigt hätte.

[28] Dieser hypothetische Liegenschaftswert ist Bezugspunkt für die Aufwertung der vorehelichen Beiträge der Eheleute. So wird gewährleistet, dass diese Beiträge lediglich an der allgemeinen und nicht auch an jener Wertsteigerung partizipieren, die allein durch die (dem Mann zuzurechnenden) Investitionen nach dem Aufteilungsstichtag bewirkt wurde.

[29] Daraus folgt, dass der voreheliche Beitrag des Mannes entsprechend der Einbringungsquote (nur) ausgehend von diesem Wert aufzuwerten ist. Das gilt auch für den Beitrag der Frau iSd § 82 Abs 1 Z 1 EheG (5.000 EUR). Zum (formal) vom Unternehmen des Mannes geleisteten Beitrag (Architektenleistung, Wärmepumpe) siehe gleich unten Punkt 4.

[30] Von dem fiktiven Verkehrswert wird das Erstgericht in einem nächsten Schritt die offenen Schulden zum Aufteilungsstichtag und die aufgewerteten Beiträge der Parteien abzuziehen haben. Die sich sodann ergebende Differenz ist 1 : 1 auf die ehemaligen Ehegatten aufzuteilen. Dem Anteil der Frau ist schließlich – um die ihr zustehende Ausgleichszahlung zu ermitteln – sowohl der ihr vorweg zuzuweisende (entsprechend der Einbringungsquote aufgewertete) Beitrag (von ursprünglich 5.000 EUR) als auch der Betrag von 15.000 EUR zuzuschlagen, weil der Mann – wie festgestellt – 30.000 EUR an ehelichen Ersparnissen für Prozesskosten aufwendete.

[31] 4. Die Frau rügt im Revisionsrekurs, dass die Vorinstanzen zu Unrecht das vom Unternehmen des Mannes bezahlte Architektenhonorar von 50.400 EUR sowie die Kosten für die Wärmepumpe von 7.000 EUR als Geschenke bzw Zuwendungen Dritter dem Mann zugerechnet hätten. Diese Qualifikation ist in der Tat nicht nachvollziehbar:

[32] Nach den Feststellungen vereinbarte der Mann mit der GmbH, dass diese als Gegenleistung für ihre Beiträge berechtigt war, das zu errichtende Einfamilienhaus als Referenz für erneuerbare Energielösungen zu nutzen, den Betrieb der Energielösungen zu überwachen und zu messen und mit potentiellen Kunden zwischen 2011 und 2013 zu besuchen. Der (formal) von der GmbH erbrachten Leistung stand damit eine Gegenleistung gegenüber, die eine Qualifikation der (in der Sache ohnehin vom Mann erbrachten) Architektenleistung und der Wärmepumpe als Geschenk an den Mann ausschließt.

[33] Die Leistungen der GmbH im Wert von 57.400 EUR sind daher schon aus diesem Grund nicht wertverfolgend zugunsten des Mannes zu berücksichtigen. Auf die Frage, ob Eigenleistungen eines Ehegatten beim Schaffen von ehelichem Vermögen allein dadurch unter § 82 Abs 1 Z 1 EheG fallen könnten, dass sie von einem allein diesem Gatten zuzurechnenden Unternehmen erbracht werden, kommt es daher nicht an.

[34] 5. Schließlich kritisiert die Frau, dass ihr die Vorinstanzen Verzugszinsen nicht bereits ab 1. 3. 2018 (gemeint offenbar: 2016) zugesprochen haben.

[35] 5.1. Während der Aufteilungsanspruch als solcher bereits mit Rechtskraft der eheauflösenden Entscheidung entsteht, wird der konkrete Anspruch auf die vom Gericht auferlegte Ausgleichszahlung erst mit der Rechtskraft des entsprechenden gerichtlichen Beschlusses im Aufteilungsverfahren wirksam und zugleich fällig (dazu ausführlich 1 Ob 170/16f mwN). Ab Fälligkeit stehen Verzögerungszinsen schon aufgrund des Gesetzes zu (RS0115734). Während ursprünglich in der Rechtsprechung angenommen wurde, dass eine Verzinsung der Ausgleichszahlung nicht in Betracht komme (RS0106607), wurde später die Zuerkennung entweder einer höheren Ausgleichszahlung oder einer Wertsicherung oder einer Verzinsung der Ausgleichszahlung vor Fälligkeit als billig angesehen, wenn etwa bei besonders langer Verfahrensdauer damit ein möglicher Kaufkraftverlust und/oder notwendige Finanzierungskosten ausgeglichen werden sollten (RS0106607 [T1, T3]; RS0106145 [T2, T3, T4]). Eine Verzinsung der Ausgleichszahlung kann bei besonders langer Verfahrensdauer insbesondere dann der Billigkeit entsprechen, wenn unstrittig ist, dass ein Ausgleichsbetrag zu zahlen ist und der zur Zahlung Verpflichtete auch auf den an sich unstrittigen Betrag keinerlei Teilzahlungen leistet (RS0106607 [T2]). Ob eine Ausgleichszahlung vor Fälligkeit zu verzinsen oder wertzusichern ist, hängt im Regelfall von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0115734 [T3]).

[36] 5.2. Die Frau verweist angesichts der langen Verfahrensdauer darauf, dass sie weitaus weniger Einkommen als der Mann habe und sich bei ihrem Auszug aus der Ehewohnung eine neue Wohnung und Einrichtungsgegenstände habe anschaffen müssen. Dabei setzt sie sich aber nicht mit dem Argument des Rekursgerichts auseinander, dass der Wert der Liegenschaft vom Aufteilungsstichtag bis zum Zeitpunkt der erstgerichtlichen Beschlussfassung erheblich gestiegen sei, was sich auch in der Höhe der Ausgleichszahlung niederschlage. Aus welchem Grund trotz der beträchtlichen Wertsteigerung ein Ausgleich durch eine Verzinsung geboten sein sollte, erklärt sie nicht. Die Vorinstanzen haben die Ausgleichszahlung daher zutreffend nicht bereits ab dem Aufteilungsstichtag verzinst.

[37] 6. Da Feststellungen zum Liegenschaftswert ohne die nach Aufhebung der Ehegemeinschaft vom Mann getätigten Investitionen fehlen, die zur abschließenden Beurteilung der Höhe der Ausgleichszahlung erforderlich sind, bedarf es einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen.

[38] 7. In dem Zusammenhang ist deren Teilrechtskraft zu beachten:

[39] 7.1. Auch im außerstreitigen Regelungsverfahren ergangene Entscheidungen sind der Teilrechtskraft fähig, doch sind deren Grenzen unter Wahrung des Funktionszusammenhangs mit dem materiellen Recht von der regelnden Aufgabe des Gerichts her zu bestimmen (RS0007209). Der Grundsatz der Wahrung der Teilrechtskraft kommt daher dann nicht zur Geltung, wenn der unangefochten gebliebene Teil nur formell, inhaltlich aber nicht selbständig in Rechtskraft erwachsen konnte, weil er in einem untrennbaren Sachzusammenhang mit dem noch überprüfbaren Teil der Entscheidung steht (RS0007269). Im Verfahren über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse sind daher Teilregelungen nur insoweit zulässig und der Teilrechtskraft fähig, als diese nicht Ausgleichsmöglichkeiten, die noch bei der Endentscheidung berücksichtigt werden könnten, ausschließen (RS0007209 [T3]; RS0008537).

[40] 7.2. Das Rekursgericht ist von einer Teilrechtskraft von Punkt 1. des erstinstanzlichen Beschlusses (Zuweisung Ehewohnung) ausgegangen, weil die Parteien im Rekursverfahren nur die Höhe der Ausgleichszahlung bekämpft haben. Dem ist nicht entgegenzutreten, weil Anhaltspunkte dafür nicht vorliegen, dass sich der Mann die Ausgleichszahlung ohne Abänderung dieses Punkts nicht leisten könnte oder die Teilentscheidung die Möglichkeit der Endentscheidung zum sachgerechten Ausgleich beschnitten oder gar ausgeschlossen hätte (vgl 1 Ob 225/17w).

[41] 7.3. Überdies ist, weil der Mann gegen den Beschluss des Rekursgerichts kein Rechtsmittel mehr erhoben hat, der Zuspruch einer Ausgleichszahlung in Höhe von 113.000 EUR teilrechtskräftig geworden. Insoweit kann es zu keiner anderen Entscheidung durch das Außerstreitgericht mehr kommen (vgl 3 Ob 292/04v).

[42] 7.4. Daher sind die Beschlüsse der Vorinstanzen (einschließlich der Kostenentscheidungen) (nur) im Umfang des darüber hinausgehenden Begehrens der Frau auf Ausgleichszahlung aufzuheben, und nur insofern ist dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

[43] 8. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen sind wie folgt zusammenzufassen:

Die Wertsteigerung einer Sache, die ihre Ursache allein in Investitionen oder Arbeitsleistungen eines der Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft hat, ist von der Aufteilung ausgenommen.

Der Aufteilung ist daher der fiktive Wert der Sache zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz ohne die nach dem Aufteilungsstichtag getätigten Investitionen oder Aufwendungen nur eines Ehegatten zugrunde zu legen.

Auch die Aufwertung eines nach § 82 Abs 1 Z 1 EheG nur einem Ehegatten zuzurechnenden Beitrags zur Wertschöpfung richtet sich nach diesem fiktiven Wert.

[44] 9. Der Kostenvorbehalt beruht darauf, dass noch keine die Sache zur Gänze erledigende Entscheidung iSd § 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG vorliegt (RS0123011 [T5]).

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