OGH 1Ob75/11b

OGH1Ob75/11b21.6.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T*****, Australien, vertreten durch Dr. Gerald Albrecht, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei I*****, vertreten durch Dr. Friedrich J. Reif-Breitwieser Rechtsanwalt in Wien, wegen Testamentsanfechtung (Streitwert 25.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 17. Februar 2011, GZ 13 R 209/10s-120, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 26. Juli 2010, GZ 28 C 18/05f-116, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 502 Abs 3 ZPO ist die Revision - außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt zwar 5.000 EUR nicht aber 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht - wie hier - die ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt hat.

2. Hat das Berufungsgericht ausgesprochen, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig ist, so kann gemäß § 505 Abs 4 ZPO eine Revision nur erhoben werden, wenn der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteigt (außerordentliche Revision). Übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstands in zweiter Instanz wohl 5.000 EUR nicht aber insgesamt 30.000 EUR und hat das Berufungsgericht ausgesprochen, die ordentliche Revision sei mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig, so kann eine Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO (nur) einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde (Zulassungsvorstellung).

3. § 500 Abs 2 Z 1 ZPO verpflichtet das Berufungsgericht zu einem Bewertungsausspruch, wenn ein Entscheidungsgegenstand nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht. Der Bewertungsausspruch des Gerichts zweiter Instanz ist unanfechtbar und für den Obersten Gerichtshof bindend, wenn zwingende Bewertungsvorschriften nicht verletzt wurden, eine offenkundige Unter- oder Überbewertung nicht vorliegt oder eine Bewertung nicht überhaupt hätte unterbleiben müssen (RIS-Justiz RS0042450; RS0042617 [T20]; vgl auch RS0042385; RS0042515 und RS0042397). Eine Bewertung durch das Berufungsgericht hat etwa zu unterbleiben, wenn das Klagebegehren auf geldgleiche Ansprüche gerichtet ist, also Gegenstand des Verfahrens in zweiter Instanz zwar nicht unmittelbar die Leistung einer Geldsumme ist, dem Begehren aber doch eine ziffernmäßig bestimmte Forderung zu Grunde liegt (vgl dazu Pimmer in Fasching/Konecny² IV/1 § 500 ZPO Rz 14). Das ist bei einer Klage auf Feststellung, dass der Beklagten kein Erbrecht aufgrund eines Testaments zustehe (§§ 125 ff AußStrG 1854), nicht der Fall, sodass aus dem Verweis des Klägers auf einen angeblich höheren Wert des Nachlasses weder eine Unzulässigkeit des Bewertungsausspruchs noch eine Bindung des Berufungsgerichts zur Bewertung in einer bestimmten Höhe abgeleitet werden kann.

4. Das Berufungsgericht hat seinen Ausspruch an der vom Kläger als Ausdruck seines Interesses an der angestrebten Feststellung vorgenommenen Bewertung (§ 56 Abs 2 JN) orientiert. Ein Verstoß des Berufungsgerichts gegen das ihm vom Gesetzgeber eingeräumte Ermessen ist nicht erkennbar. Damit entzieht sich die von der zweiten Instanz vorgenommene Bewertung einer Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof.

5. Wird gegen eine Entscheidung, die nur mit Zulassungsvorstellung angefochten werden kann, eine ordentliche oder eine außerordentlicher Revision erhoben, so hat - auch wenn das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist - das Erstgericht dieses Rechtsmittel dem Berufungsgericht vorzulegen, weil derartige Rechtsmittel als Anträge iSd § 508 Abs 1 ZPO zu werten sind (RIS-Justiz RS0109623). Solange eine Abänderung des Zulassungsausspruchs durch das Berufungsgericht nicht erfolgt, mangelt es dem Obersten Gerichtshof an der funktionellen Zuständigkeit (7 Ob 18/11i). Ob die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens notwendig ist, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten.

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