OGH 1Ob70/23k

OGH1Ob70/23k23.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. H*, vertreten durch Dr. Andreas Schöppl und Mag. Klaus Waha, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 33 Cg 13/15x des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien (Streitwert 70.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Klägers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 29. März 2023, GZ 14 R 57/23i, 14 R 58/23m‑12, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00070.23K.0523.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Amtshaftung inkl. StEG

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die vom Kläger (einem Beamten) gegen die Beklagte wegen einer unterbliebenen Beförderung erhobene Amtshaftungsklage wurde rechtskräftig abgewiesen (1 Ob 223/16z). Am 23. 2. 2022 beantragte der Kläger die Bewilligung der Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Rechtsanwalts zur Einbringung einer Wiederaufnahmeklage, die er darauf stützte, dass in einem Zeitungsartikel vom 26. 1. 2022 über unsachliche Postenbesetzungen berichtet worden sei. Das Erstgericht wies den Verfahrenshilfeantrag ab und die gleichzeitig mit diesem übermittelte „Wiederaufnahmeklage“ zurück. Seinen gegen diese Zurückweisung erhobenen Rekurs zog der Kläger zurück. Seinem gegen die Abweisung des Verfahrenshilfeantrags erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge, wobei es darauf hinwies, dass der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2 Z 4 ZPO jedenfalls unzulässig sei. Der Kläger erhob dennoch einen solchen. Dessen Zurückweisung durch das Erstgericht wurde vom Rekursgericht mit Beschluss vom 23. 1. 2023 (dem Kläger zugestellt am 26. 1. 2023) bestätigt. Am 22. 2. 2023 brachte er (anwaltlich vertreten) eine Wiederaufnahmeklage ein.

[2] Das Erstgericht wies diese als verspätet zurück. Die vierwöchige Frist des § 534 Abs 1 ZPO sei zwar durch den Antrag des Klägers auf Beigebung eines Verfahrenshelfers unterbrochen worden. Mit rechtskräftiger Bestätigung der Abweisung dieses Antrags durch das Rekursgericht habe diese aber neu zu laufen begonnen, auch wenn der Kläger dessen Entscheidung mit einem unzulässigen Rechtsmittel bekämpft habe.

[3] Dagegen erhob der Kläger einen Rekurs, den er mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Wiederaufnahmeklage verband. Das Erstgericht wies diesen als verspätet zurück, wogegen der Kläger ebenfalls einen Rekurs erhob.

[4] Das Rekursgericht gab dem gegen die Zurückweisung der Wiederaufnahmeklage gerichteten Rekurs nicht Folge, änderte die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag insoweit ab, als es diesen abwies, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

[5] Es ging – ebenso wie das Erstgericht – davon aus, dass die Wiederaufnahmeklage verspätet sei. Zwar habe der Verfahrenshilfeantrag die vierwöchige Notfrist des § 534 Abs 1 ZPO unterbrochen. Die Unterbrechungswirkung sei aber mit Rechtskraft der zweitinstanzlichen Entscheidung, mit der die Abweisung des Antrags bestätigt wurde, weggefallen, auch wenn der Kläger dagegen ein weiteres Rechtsmittel erhob.

[6] Den Wiedereinsetzungsantrag erachtete das Rekursgericht zwar nicht als verspätet, allerdings komme diesem schon nach dem Antragsvorbringen keine Berechtigung zu. Der behauptete Rechtsirrtum des Klägers über eine weitere Anfechtbarkeit der Rekursentscheidung über die Verfahrenshilfe (und daher auch über die weiter andauernde Unterbrechung der Klagefrist) sei aufgrund der gegenteiligen Belehrung durch das Rekursgericht nicht bloß leicht fahrlässig gewesen.

Rechtliche Beurteilung

[7] Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist mangels Darlegung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

[8] 1. Der behauptete Rechtsmittelgrund der Nichtigkeit der Rekursentscheidung wurde geprüft; er liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 iVm § 528a ZPO). Eine gesetzmäßig ausgeführte Verfahrensrüge ist nicht erkennbar.

2. Zur verspäteten Wiederaufnahmeklage:

[9] 2.1. Nach herrschender – auch von den Vorinstanzen und dem Rechtsmittelwerber zugrunde gelegter – Ansicht wird die vierwöchige Frist des § 534 Abs 1 ZPO zur Einbringung einer Wiederaufnahmeklage durch einen Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwalts zur Verfahrenshilfe unterbrochen (M. Bydlinski in Fasching/ Konecny³ § 73 ZPO Rz 7; Jelinek in Fasching/Konecny 3 § 534 ZPO Rz 10; Kodek in Rechberger/Klicka 5 § 534 ZPO Rz 1). Die Unterbrechung endet – soweit hier relevant – mit Rechtskraft des Beschlusses, mit dem die Beigebung eines Rechtsanwalts versagt wird.

[10] 2.2. Nach § 528 Abs 2 Z 4 ZPO sind alle Entscheidungen des Gerichts zweiter Instanz über die Verfahrenshilfe absolut unanfechtbar und einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen (RS0052781 [T3]). Sie können selbst bei Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht an diesen herangetragen werden (RS0052781 [T9]).

[11] 2.3. Warum im vorliegenden Fall – entgegen der eindeutigen Bestimmung des § 528 Abs 2 Z 4 ZPO – ein außerordentlicher Revisionsrekurs gegen die Entscheidung des Rekursgerichts im Verfahrenshilfeverfahren zulässig gewesen sein soll, legt der Revisionsrekurswerber mit seinen unklaren Ausführungen zum „Anwendungsvorrang des Europarechts“ nicht nachvollziehbar dar. Verweise auf andere Schriftsätze sind unbeachtlich (RS0007029). Mit der rechtlichen Begründung des Rekursgerichts setzt sich der Kläger nicht näher auseinander. Er zeigt daher schon aus diesem Grund keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO auf (RS0043312 [T13]).

[12] 2.4. Soweit der Kläger – erstmals in dritter Instanz – argumentiert, dass er bereits mit seinem Verfahrenshilfeantrag vom 23. 2. 2022 (unvertreten) eine Wiederaufnahmeklage vorgelegt habe (wobei er diese aber selbst nur als „Beilage“ zu seinem Verfahrenshilfeantrag ansah), sodass deren neuerliche Einbringung durch einen Rechtsanwalt am 22. 2. 2023 nicht verspätet sein könne, ist ihm zu entgegnen, dass das Erstgericht diese (erste) Klage mangels anwaltlicher Unterfertigung rechtskräftig zurückwies. Deren „Verbesserung“ kommt daher nicht mehr in Betracht. Eine behauptete Nichtigkeit des Zurückweisungsbeschlusses hätte mit Rekurs geltend gemacht werden müssen (RS0007095). Tatsächlich zog der Kläger seinen dagegen erhobenen Rekurs jedoch zurück. Warum dieser Beschluss daher nicht rechtskräftig sein soll, ist nicht nachvollziehbar.

3. Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

[13] 3.1. Mit der rechtlichen Begründung des Rekursgerichts, das eine bloß leichte Fahrlässigkeit des Klägers an der Versäumung der Frist zur Einbringung der Wiederaufnahmeklage verneinte, setzt sich dieser nicht konkret auseinander. Er hält dessen Begründung, wonach ihm aufgrund der unmissverständlichen Rechtsbelehrung darüber, dass gegen den zweitinstanzlichen Beschluss im Verfahrenshilfeverfahren kein weiteres Rechtsmittel mehr zulässig sei, bloß unsubstanziiert entgegen, er habe aufgrund „unionsrechtlicher“ Erwägungen vertretbar davon ausgehen dürfen, dass § 528 Abs 2 Z 4 ZPO in dem von ihm eingeleiteten Verfahrenshilfeverfahren nicht anzuwenden sei. Damit legt er keine erhebliche Rechtsfrage dar. Verweise im Revisionsrekurs auf andere Schriftsätze sind – wie dargelegt – unbeachtlich. Warum ein Irrtum über die Rechtslage stets nur einen „minderen Grad des Verschuldens“ begründen soll, ist nicht nachvollziehbar. Es spielt für die Beurteilung der Vorwerfbarkeit des behaupteten Rechtsirrtums des Klägers auch keine Rolle, wann dieser aufgeklärt wurde.

[14] 3.2. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach den §§ 146 ff ZPO setzt eine Säumnis der Partei voraus. Demnach muss hier auf die Ausführungen des Klägers, wonach er die Frist zur Einbringung der Wiederaufnahmeklage nicht versäumt habe, weil deren Unterbrechung nicht bereits mit der Entscheidung der zweiten Instanz über seinen Verfahrenshilfeantrag weggefallen wäre und er außerdem bereits gemeinsam mit diesem eine Wiederaufnahmeklage eingebracht habe, nicht weiter eingegangen werden.

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