OGH 1Ob62/10i

OGH1Ob62/10i1.6.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. med. dent. Susana L*****, vertreten durch Dr. Thomas J. Ruza, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Wiener Linien GmbH & Co KG, Wien 3, Erdbergstraße 202, vertreten durch Dr. Georg Mittermayer, Rechtsanwalt in Wien, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Lessky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 10.000 EUR sA und Feststellung (Streitwert 4.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Dezember 2009, GZ 15 R 142/09a-41, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 16. März 2009, GZ 31 Cg 208/07h-35, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, jeweils binnen 14 Tagen der beklagten Partei die mit 908,64 EUR (darin enthalten 151,44 EUR USt) sowie der Nebenintervenientin die mit 906,48 EUR (darin enthalten 151,08 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin rutschte als Fahrgast der Beklagten in einer U-Bahnstation auf einer mit Hundekot verschmierten Stelle aus und verletzte sich dabei. Die Verschmutzung bestand erst seit kurzer Zeit. Die Beklagte hatte die Nebenintervenientin mit der Reinigung der U-Bahnstation beauftragt.

Die Vorinstanzen haben eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten durch die Beklagte verneint.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil die von der Beklagten im U-Bahnbetrieb vorgesehene Organisation der Reinigungs- und Kontrollmaßnahmen Bedeutung für den Massenverkehr habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist entgegen diesem nicht bindenden Ausspruch nicht zulässig.

1.) Die Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurden geprüft; sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

2.) Ein Beförderungsunternehmen trifft die vertragliche Nebenpflicht, die Sicherheit seiner Fahrgäste zu gewährleisten (RIS-Justiz RS0021735), was auch die Verpflichtung umfasst, Zugänge oder Abgänge zu bzw von den Verkehrsmitteln in einem Zustand zu erhalten, der die gefahrlose Benützung ermöglicht (2 Ob 35/97d ua). Ebenso wie die deliktische ist auch die vertragliche Verkehrssicherungspflicht nicht zu überspannen (RIS-Justiz RS0023487). Sie soll keine vom Verschulden unabhängige Haftung des Sicherungspflichtigen zur Folge haben (RIS-Justiz RS0023950). Die Verkehrssicherungspflicht findet ihre Grenzen in der Zumutbarkeit möglicher Maßnahmen der Gefahrenabwehr (RIS-Justiz RS0023397). Umfang und Intensität von Verkehrssicherungspflichten richten sich danach, in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen können (RIS-Justiz RS0023726).

3.) Der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0110202), was genauso für die vertragliche Verkehrssicherungspflicht des beklagten Beförderungsunternehmens gilt (5 Ob 145/07w). Die Entscheidung des Berufungsgerichts wäre daher nur im Fall einer vom Obersten Gerichtshof zu korrigierenden Fehlbeurteilung revisibel. Das trifft bei den festgestellten Kontroll- und Reinigungsmaßnahmen nicht zu. Die sehr große und stark frequentierte U-Bahnstation wird sowohl während des Tages als auch während der Nacht kontrolliert und gründlich gereinigt. Einmal pro Woche findet eine Nassreinigung statt, die im konkreten Fall in der Nacht vor dem Unfalltag vorgenommen wurde. Eine lückenlose, ununterbrochene Kontrolle und Reinigung der U-Bahnstation, die eine völlige Freiheit von verschmutzten, rutschigen Stellen garantieren würde, hat das Berufungsgericht in vertretbarer Weise als unzumutbare Überspannung einer Verkehrssicherungspflicht gewertet. Eine Verunreinigung des Bodens durch Hundekot tritt nach dem festgestellten Sachverhalt in dieser U-Bahnstation durchschnittlich rund einmal täglich auf, was nicht zur Annahme einer besonderen Gefahrenquelle zwingt, die zusätzliche Sicherungsmaßnahmen indiziert hätte.

Da die Revision der Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt, ist sie als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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