OGH 1Ob145/99a

OGH1Ob145/99a22.10.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Werner Steinacher und Dr. Alfred Hammerer, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Spedition ***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Kammerlander, Piaty & Partner, Rechtsanwälte in Graz, wegen 94.770 S sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 18. Februar 1999, GZ 22 R 362/98h-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 23. Juni 1998, GZ 22 C 2061/97f-15, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 6.086,40 S (darin 1.014,40 S USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die beklagte Speditionsgesellschaft mbH erteilte der klagenden Software Beratungsgesellschaft mbH am 12. Dezember 1996 schriftlich den von der klagenden Partei vorformulierten Auftrag zur Lieferung und Installation von Hardware und einer näher bezeichneten Speditions-Software (im folgenden nur Programm) sowie zur Einschulung der Mitarbeiter der beklagten Partei in die Bedienung des Programms. Punkt 6. "Sonstiges" des Auftrags lautet: Ansonsten gelten die "Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Verkauf und Lieferung von Organisations-, Programmierleistungen u. Werknutzungbewilligungen von Softwareprodukten", empfohlen vom Fachverband der Unternehmensberatung und Datenverarbeitung der Wirtschaftskammer Österreich in der Fassung von August 1994 (im folgenden nur AGB).

Diese AGB enthalten ua folgende Bestimmungen:

"...

2.4 Individuell erstellte Software bzw. Programmadaptierungen bedürfen für das jeweils betroffene Programmpaket einer Programmabnahme spätestens 4 Wochen ab Lieferung durch den Auftraggeber. Diese wird in einem Protokoll vom Auftraggeber bestätigt. ... Läßt der Auftraggeber den Zeitraum von vier Wochen ohne Programmabnahme verstreichen, so gilt die gelieferte Software mit dem Enddatum des genannten Zeitraumes als abgenommen. Bei Einsatz der Software im Echtbetrieb durch den Auftraggeber gilt die Software jedenfalls als abgenommen. ...

5. Zahlung

...

5.4 Der Auftraggeber ist nicht berechtigt, Zahlungen wegen nicht vollständiger Gesamtlieferung, Garantie- oder Gewährleistungsansprüchen oder Bemängelungen zurückzuhalten.

...

8. Gewährleistung, Wartung, Änderungen

8.1 Mängelrügen sind nur gültig, wenn sie reproduzierbare Mängel betreffen und wenn sie innerhalb von 4 Wochen nach Lieferung der vereinbarten Leistung bzw. bei Individualsoftware nach Programmabnahme gemäß Pkt. 2.4 schriftlich dokumentiert erfolgen. Bei gerechtfertigter Mängelrüge werden die Mängel in angemessener Frist behoben, wobei der Auftraggeber dem Auftragnehmer alle zur Untersuchung und Mängelbehebung erforderlichen Maßnahmen ermöglicht.

...

9. Haftung

Der Auftragnehmer haftet für Schäden, sofern ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen werden, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften. Die Haftung für leichte Fahrlässigkeit ist ausgeschlossen.

Der Ersatz von Folgeschäden und Vermögensschäden, nicht erzielten Ersparnissen, Zinsverlusten und von Schäden aus Ansprüchen Dritter gegen den Auftragnehmer ist in jedem Fall, soweit gesetzlich zulässig, ausgeschlossen."

Es kann nicht festgestellt werden, daß die klagende Partei die AGB bei Anbotserstellung oder zusammen mit der Auftragsbestätigung der beklagten Partei zur Verfügung stellte. Die beklagte Partei forderte zu keiner Zeit die AGB von der klagenden Partei an.

Nach Beginn der Einschulung am 8. März 1997 war die beklagte Partei mit einem näher genannten Mitarbeiter der klagenden Partei, der die Einschulung durchführte, nicht zufrieden und es kam zu Differenzen. Die Geschäftsführer der Streitteile vereinbarten aufgrund dieser Schwierigkeiten am 9. April 1997 telefonisch, daß die beklagte Partei einen Teil der bisherigen Schulungen mit 25.000 S zuzüglich USt und Reisekosten (von 2.930 S) zu bezahlen habe. Es ist nicht feststellbar, daß diese Vereinbarung nur unter der Bedingung getroffen worden wäre, das System werde in weiterer Folge funktionieren, oder daß sonst Einschränkungen gemacht wurden. Als neuerlich Probleme auftraten und sich die Fertigstellung verzögerte, vereinbarten die Geschäftsführer der Streitteile in einem weiteren Gespräch am 25. April 1997, daß die beklagte Partei die übrigen Einschulungsleistungen der klagenden Partei mit 55.000 S zuzüglich USt, aber inklusive Reisekosten, abgelte. Diese Vereinbarung betraf Leistungen sowohl vor dem Gespräch als auch die noch zu erbringenden Einschulungstage. Es kann nicht festgestellt werden, daß die Zahlung der 55.000 S nur unter der Bedingung der Funktionsfähigkeit der Anlage und des Systems zugesagt oder sonst Einschränkungen gemacht worden wären. Zuletzt war am 7. Mai 1997 ein Mitarbeiter der klagenden Partei bei der beklagten Partei. Die beklagte Partei nahm danach zur Behebung der nach wie vor bestehenden Probleme die Leistungen der klagenden Partei nicht mehr in Anspruch, sondern wendete sich direkt an den Hersteller des Programms.

Das Erstgericht erachtete die Klageforderung mit 94.770 S (im April 1998 vereinbarte Schulungskosten abzüglich einer unbestrittenen Teilzahlung der beklagten Partei) als zu Recht, die von der beklagten Partei eingewendete Gegenforderung von 123.438 S (als einen Teil der durch den verspäteten "Programmstart" entstandenen Mehrarbeitszeit und der aufgelaufenen Telefonkosten) hingegen als nicht zu Recht bestehend, verhielt die beklagte Partei zur Zahlung von 94.770 S sA und wies einen Teil des Zinsenbegehrens unangefochten ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, daß die Aufrechnungseinrede der beklagten Partei abgewiesen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Die von der zweiten Instanz zugelassene Revision der beklagten Partei ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Unbestritten lieferte die klagende Partei der beklagten Partei eine funktionierende Computer-Hardware und ein von einem Dritten erstelltes Software-Progamm, Gegenstand des vorliegenden Rechtstreits sind nun nicht diese von der beklagten Partei bereits bezahlten Lieferungen, sondern die im April 1998 vereinbarten Entgeltsbeträge für die - von der beklagten Partei als völlig unzureichend beurteilten - Einschulung, die die beklagte Partei dann durch einen Dritten vornehmen ließ. Die beklagte Partei leitet daraus die mangelnde Fälligkeit der Klageforderung ab und macht eine Gegenforderung geltend. Nach dem Aktenstand hat die beklagte Partei weder den Vertragsrücktritt oder Wandlung ausgesprochen noch Verbesserung begehrt bzw konkrete Preisminderungsansprüche im Verfahren erhoben.

a) Mit der Rechtsnatur von Hardware- und Software-Lieferungsverträgen hat sich der Oberste Gerichtshof bereits in den Entscheidungen 3 Ob

2004/96v (SZ 69/127 = JBl 1997, 458 [Staudegger]) und 5 Ob 504,

505/96 (SZ 70/202 = JBl 1998, 577 [Staudegger]) eingehend

auseinandergesetzt. Rechtsfragen, die in diesem Zusammenhang zur Rechtsfortbildung relevant sein könnten, stellen sich hier nicht. Das Berufungsgericht ist ohnedies davon ausgegangen, daß nach dem Inhalt des Auftrags und dem sich darauf ergebenden Vertragswillen ein einheitliches, unteilbares Rechtsgeschäft über Geräte, Programm und die sonstigen Dienstleistungen vorliege.

b) Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) bedürfen nach stRspr, soweit - wie hier - keine besondere gesetzliche Regelung ihrer Geltung durch Gesetz oder Verordnung besteht (vgl die Beispiele bei Apathy in Schwimann2, § 864a ABGB Rz 1), zu ihrer Geltung der Einbeziehung in den Vertrag und sind nur anzuwenden, wenn sie durch einen entsprechenden Hinweis im Vertragstext - wie hier - oder zumindest stillschweigend zum Vertragsinhalt gemacht wurden (SZ 63/54 mwN; HS

25.405 = ecolex 1994, 465 ua, zuletzt 7 Ob 2407/96p; RIS-Justiz RS0014506; Rummel in Rummel2 § 864a ABGB Rz 2 f; Apathy aaO Rz 2; Koppensteiner in Straube2, vor § 343 HGB Rz 16). Ob vom Vertragspartner der Hinweis auf die AGB ausdrücklich zur Kenntnis genommen wurde (SZ 51/9 = JBl 1979, 32; JBl 1992, 316 uva; Rummel aaO Rz 2; Apathy aaO Rz 2) oder diese ihm vor Vertragsabschluß ausgehändigt wurden (Apathy aaO Rz 2), ist nicht entscheidend. Maßgeblich ist vielmehr nur, daß der Vertragspartner die Möglichkeit hatte, von deren Inhalt Kenntnis zu erlangen (JBl 1974, 473; SZ 60/75; HS 25.405, je mwN ua; Rummel aaO Rz 2 mwN; Apathy aaO Rz 2). Diese Möglichkeit bestand aber hier für die beklagte Partei.

Die Auffassung der Berufungsinstanz, den Vereinbarungen der Streitteile vom 9. und 25. April 1998 sei keine novierende Wirkung zugekommen, vielmehr sollten im Rahmen der bestehenden Vertragsbeziehung Ansprüche der klagenden Partei aufgrund aufgetretener Differenzen bereinigt werden, ist ebenso zu billigen (§ 510 Abs 3 ZPO) wie die Rechtsansicht, die am 9. April 1998 über die bisher erbrachten Leistungen der klagenden Partei getroffene vergleichsweise Regelung (Pauschalierung des der klagenden Partei gebührenden Entgelts) habe nur die Höhe ihres Anspruchs aus dem Auftrag enthalten, sodaß die vereinbarten AGB und die dort enthaltenen Regelungen weiter in Geltung blieben.

c) Nach § 864a ABGB werden Bestimmungen ungewöhnlichen Inhalts in AGB oder in Vertragsformblättern, die ein Vertragsteil verwendet, nicht Vertragsbestandteil, wenn sie dem anderen Teil nachteilig sind und er mit ihnen nach den Umständen, vor allem nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde, nicht zu rechnen brauchte, es sei denn, der eine Vertragsteil hat den anderen besonders darauf hingewiesen. Verstößt eine Vertragsbestimmung gegen diese Vorschrift, so gilt der Vertrag ohne sie. Als objektiv ungewöhnlich ist eine Klausel dann zu beurteilen, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, sodaß er nach den Umständen mit ihr vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht: Einer solchen Vertragsbestimmung muß somit eine Überrumpelungs- oder gar Übertölpelungseffekt innewohnen (HS 25.419 mwN uva). Die Beweislast für die Ungewöhnlichkeit des Inhalts von AGB eines Vertragsteils trifft den anderen Vertragsteil (WBl 1987, 242 = ZfRV 1990, 121 [Hoyer]). Die beklagte Partei hat aber im Verfahren erster Instanz keine Behauptungen dahin aufgestellt, die von der klagenden Partei im Verfahren geltend gemachten und eingangs wiedergegebenen Bestimmungen ihrer AGB seien unter Vollkaufleuten ungewöhnlich (§ 864a ABGB). Zur Anwendung der Unklarheitenregel des § 915 ABGB auf die AGB besteht schon deshalb kein Anlaß, weil die entsprechenden Revisionsausführungen neu sind.

Nach den AGB der klagenden Partei ist der Auftraggeber (hier: beklagte Partei) nicht berechtigt, Zahlungen wegen nicht vollständiger Gesamtlieferung, Garantie- oder Gewährleistungsansprüchen oder Bemängelungen zurückzuhalten. Im vertraglichen Ausschluß der "Zurückhaltung von Zahlungen" liegt entgegen der Auffassung der Revisionswerberin auch ein vertraglicher - zulässiger (SZ 43/7 ua) - Kompensationsausschluß (6 Ob 160/75 ua, zuletzt 3 Ob 540/92 = JBl 1993, 319; RIS-Justiz RS0033884). Zutreffend erkannte die zweite Instanz, daß nach stRspr (SZ 41/68 uva, zuletzt 8 Ob 2002/96m; RIS-Justiz RS0040726) bei einem vertraglichen Kompensationsausschluß die urteilsmäßige Entscheidung über die aufzurechnende Gegenforderung zu entfallen hat; die Aufrechnungseinrede ist vielmehr abzuweisen, ohne über den Bestand oder Nichtbestand der Gegenforderung abzusprechen.

Die beklagte Partei kann daher wegen der Geltung der AGB den von der klagenden Partei auf Grund der Vereinbarung vom April 1998 geforderten Schulungskosten weder mit - gar nicht konkret erhobenen - Preisminderungsansprüchen entgegentreten noch Schadenersatzansprüche als Gegenforderungen einwenden.

d) Damit kommt es nicht mehr darauf an, daß nach Lehre und Rspr der Haftungsausschluß für künftige Schadenersatzforderungen bei leichter Fahrlässigkeit grundsätzlich wirksam ist, sofern dadurch nicht auf den Ersatz gänzlich unvorhersehbarer oder atypischer Schäden verzichtet wird, mit denen nicht gerechnet werden konnte (SZ 64/29, SZ 69/134 ua, zuletzt 1 Ob 2374/96s = SZ 70/142; RIS-Justiz RS0038178). Daß solche Schäden vorliegen, wurde auch nicht behauptet. Die beklagte Partei bestreitet auch gar nicht, daß sie innerhalb der in den AGB genannten Frist keine schriftliche Mängelrüge erhob. Eine Mängelrügeverpflichtung als Gewährleistungsvoraussetzung ist kein "ungewöhnlicher Inhalt" iSd § 864a ABGB (HS 22.388). Auf den von der klagenden Partei behaupteten Vergleichscharakter der beiden Vereinbarungen vom April 1998 kommt es demnach nicht mehr an.

Demnach ist das Rechtsmittel zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 41 und 50 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels ausdrücklich hingewiesen.

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