European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00137.16B.0830.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung dazu bestehe, ob eine Natural-unterhaltsleistung durch Wohnungsgewährung auch dann vorliege, wenn die Wohnungsüberlassung nicht ausschließlich aufgrund eines familienrechtlichen Verhältnisses erfolge, sondern aufgrund eines Bestandvertrags (zu einem ortsunüblich geringen Mietzins), wobei der Unterhaltspflichtige Mitvermieter sei und ein solcher Bestandvertrag auch zwischen nicht verheirateten Personen zustande kommen könnte.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung der ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.
1.1. Hat der Unterhaltsberechtigte nicht für die Kosten der Wohnversorgung aufzukommen, so bedarf er regelmäßig nicht mehr des gesamten festgesetzten Geldunterhalts, um seinen vollständigen Unterhalt zu decken (RIS‑Justiz RS0047254). Nach gefestigter jüngerer Rechtsprechung ist der fiktive Mietwert einer dem Unterhaltsberechtigten überlassenen Wohnung wegen der damit verbundenen Verminderung des Unterhaltsbedarfs ganz oder teilweise als Naturalunterhalt anzurechnen (zuletzt 4 Ob 85/16b mwN; RIS‑Justiz RS0047254 [T11]). Anerkannt ist die Anrechnung einer fiktiven Mietersparnis auch dann, wenn der Unterhaltsschuldner nur Miteigentümer der dem Unterhaltsberechtigten zur Verfügung stehenden Wohnung ist (RIS‑Justiz RS0121283 [T2]). Auch wenn der unterhaltspflichtige Ehegatte bei aufrechter Ehe grundlos aus der Ehewohnung auszieht, kommt es zur Anrechnung der Naturalleistung auf den Geldunterhaltsanspruch des in der Wohnung zurückbleibenden anderen Ehegatten, wenngleich nur zur Hälfte (RIS‑Justiz RS0114742).
1.2. Nachdem der Beklagte Mitte Jänner 2005 mit einstweiliger Verfügung aus der Ehewohnung weggewiesen worden war, wohnte die Klägerin weiterhin darin mit den beiden gemeinsamen minderjährigen Kindern. Der Beklagte war alleiniger Mieter dieser Wohnung, die der Klägerin im nachehelichen Aufteilungsverfahren mit in Rechtskraft erwachsenem Beschluss vom 10. 5. 2012 allein zugewiesen wurde. Er ist gleichzeitig zu 5/12‑Anteilen Miteigentümer der Liegenschaft, auf der sich die vormalige Ehewohnung befindet. Nach der Zuweisung dieser Wohnung schloss die Klägerin mit den Miteigentümern, vertreten durch die Hausverwaltung, einen Mietvertrag über die von ihr bewohnten Räumlichkeiten ab und sie bezahlt ab 1. 1. 2013 die vereinbarte monatliche Miete von 266,36 EUR. Weiters zahlt sie die Kosten für Gas und Strom für die Wohnung.
1.3. Die Vorinstanzen berücksichtigten bei der von der Klägerin angestrebten Geldunterhaltsfestsetzung im Zeitraum bis zum 31. 12. 2012 die vom Beklagten getragenen anteiligen Wohnungskosten als Naturalunterhaltsleistungen. Gegen die Höhe des angerechneten monatlichen Naturalunterhalts wendet sich der Beklagte in der Revision nicht. Eine korrekturbedürftige Fehlentscheidung liegt insofern auch nicht vor, zumal es entscheidend von den Umständen im Einzelfall abhängt, in welchem konkreten Ausmaß Naturalunterhalt anzurechnen ist (4 Ob 42/10w mwN; = RIS‑Justiz RS0047254 [T13]; 4 Ob 85/16b; 2 Ob 39/08m = RS0121283 [T1]).
Entgegen der Meinung des Beklagten steht gerade nicht fest, dass die Klägerin deshalb eine besonders günstige Mietwohnung erlangte, weil er Miteigentümer der Liegenschaft ist. So resultiert der von der Klägerin ab 1. 1. 2013 zu zahlende Mietzins aus der von ihr mit den (von der Hausverwaltung vertretenen) Miteigentümern der Liegenschaft getroffenen Vereinbarung und nicht aus der Stellung des Beklagten als Minderheitseigentümer. Eine eigene Wohnversorgung der unterhaltsberechtigten Klägerin könnte aber nur dann unterhaltsmindernd sein, wenn sie für die Wohnung keine Kosten aufwenden muss (vgl 7 Ob 179/11s; Gitschthaler , EF‑Z 2014/79, 129 [Glosse zu 8 Ob 64/13i]). Wenn die Vorinstanzen ab dem Zeitpunkt der Mietzinszahlungen durch die Klägerin eine weitere Naturalunterhaltsleistung des Beklagten nicht mehr berücksichtigten, weil sie diese Wohnung kraft eigenen Rechts als Hauptmieterin benützt, deckt sich diese Beurteilung mit der Rechtsprechung. Der fiktive Mietwert ist in diesem Fall nicht vom errechneten Unterhalt abzuziehen, weil die unterhaltsberechtigte Klägerin ja selbst die Kosten für die Wohnung trägt.
2.1. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO stellt sich daher nicht. Die Revision ist damit unzulässig und zurückzuweisen.
2.2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50 und 40 ZPO. Die Klägerin hat auf die mangelnde Zulässigkeit der Revision nicht hingewiesen, sodass ihr mangels zweckentsprechender Rechtsverteidigung kein Kostenersatz zusteht (RIS‑Justiz RS0035962 [T16]; RS0035979 [T9]). Der in zweiter Instanz ausgesprochene Kostenvorbehalt nach § 52 Abs 1 und 2 ZPO erfasst nur die vom Prozesserfolg in der Hauptsache abhängigen Kosten und steht der Kostenentscheidung im Zwischenstreit über die Zulässigkeit der Revision nicht entgegen (RIS‑Justiz RS0129365 [T1]).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)