European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E126118
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.725,84 EUR (darin 287,64 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Der Kläger verpflichtete sich im Oktober 1998 im anlässlich der einvernehmlichen Scheidung der Ehe mit der Beklagten geschlossenen Scheidungsfolgenvergleich, ihr einen monatlichen, wertgesicherten Unterhaltsbeitrag zu zahlen. Zum damaligen Zeitpunkt befanden sich beide bereits in Pension und bezogen jeweils ein Pensionseinkommen. Der Kläger hatte während aufrechter Ehe sein Dienstverhältnis beendet und neben einer Abfertigung von 1.250.000 S auch eine (kapitalisierte) „Firmenpension“ von 3,4 Mio S ausgezahlt erhalten. Diese Beträge hatte er bei zwei Lebensversicherern in Form von Einmalerlägen veranlagt, woraus er im Zeitpunkt der Scheidung – neben der Pensionszahlung – monatliche Rentenzahlungen erhielt.
Aus dem Einmalerlag der Abfertigung bei einem Lebensversicherer erhält der Kläger weiterhin eine monatliche Rente bis zu seinem Ableben ausgezahlt.
Aus dem Einmalerlag der „Firmenpension“ in den weiteren Rentenversicherungsvertrag erhielt der Kläger die monatliche Rente bis 31. 1. 2008. Vereinbart war, dass ab 1. 2. 2008 eine garantierte monatliche Bonusrente von 15.382 S zuzüglich Gewinnbeteiligung an ihn bis zu seinem Tod zur Auszahlung kommt. Im Jänner 2008 erhielt der Kläger vom Lebensversicherer die Information, dass die Rentenleistung ab 1. 2. 2008 bis zu seinem Ableben monatlich 1.797,43 EUR und (alternativ) der Kapitalablösewert samt Gewinnanteilen 206.920,27 EUR beträgt. Er entschloss sich, die Versicherungsleistung nicht als Rente, sondern als einmalige Kapitalablöse auszahlen zu lassen und erhielt im Februar 2008 206.920,27 EUR. Damit sind weitere Ansprüche aus diesem Rentenversicherungsvertrag „erloschen“.
Nach der Scheidung übernahm der Kläger die Berechnung der Wertsicherung des vereinbarten Unterhaltsbetrags und zahlte der Beklagten den derart angepassten (monatlichen) Unterhaltsbetrag von 752 EUR bis April 2018.
Der Kläger bezieht derzeit seine Alterspension und erhält aus dem weiterhin bestehenden Rentenversicherungsvertrag eine monatliche Leistung. Die Beklagte bezieht ihre Alterspension.
Der Kläger begehrt nun die Feststellung, dass der Unterhaltsanspruch der Beklagten aus dem Unterhaltsvergleich ab 1. 4. 2018 erloschen sei, hilfsweise die Herabsetzung auf einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 20 EUR. Während er im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses noch Versicherungsleistungen aus zwei Lebensversicherungsverträgen bezogen habe, beziehe er nunmehr lediglich sein Pensionseinkommen und eine Versicherungsleistung. Der weitere Lebensversicherungsvertrag sei mit der Zahlung eines Einmalbetrags im Jahr 2008 beendet worden.
Das Erstgericht wies sowohl das Haupt‑, als auch das Eventualbegehren ab. Die Entscheidung des Klägers im Jahr 2008, sich anstelle der Rentenzahlung auf Lebenszeit den Kapitalablösebetrag auszahlen zu lassen, beruhe auf seinem freien Willen, sei nicht äußeren Umständen geschuldet gewesen und ohne Abstimmung mit der Beklagten erfolgt. Eine berücksichtigungswürdige Änderung der Verhältnisse, die die begehrte Anpassung des Unterhaltsvergleichs und damit den Entfall der Unterhaltsverpflichtung des Klägers rechtfertigen könne, liege nicht vor. Im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses sei das Vermögen des Klägers bereits in „lebenslangen“ Rentenversicherungsverträgen angelegt gewesen und die monatlichen Renten seien als Einkommensbestandteil in der Unterhaltsbemessungsgrundlage berücksichtigt worden. Das einseitige Abgehen des Klägers von diesen Vergleichsvoraussetzungen zum Nachteil der Beklagten verletze den Anspannungsgrundsatz.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass die vom Kläger nicht mehr bezogenen Einkünfte aus dem im Zeitpunkt des Abschlusses des Unterhaltsvergleichs bestehenden – mittlerweile abgelösten – Lebensversicherungsvertrag weiterhin im Sinn der „Anspannungstheorie“ der Bemessung des Unterhaltsanspruchs der Beklagten zugrunde zu legen seien, weshalb keine Umstandsänderung eingetreten sei.
Das Berufungsgericht sprach nachträglich gemäß § 508 Abs 3 ZPO aus, dass die ordentliche Revision zur Frage der Anspannung eines Unterhaltspflichtigen aus der Auflösung eines Lebensversicherungsvertrags doch zulässig sei. Zwar halte es an seiner Rechtsansicht fest, erachte seine Beurteilung aber nicht für „irreversibel“.
Die vom Kläger gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Weder in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung noch im Rechtsmittel wird eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO angesprochen.
Rechtliche Beurteilung
1. Im Fall einer einvernehmlichen Scheidung gemäß § 55a EheG ist ein gesetzlicher Unterhalt nicht vorgesehen, sondern müssen die Ehegatten vorab die Unterhaltsfolgen vereinbaren, weil sonst die Ehe nicht geschieden werden darf (§ 55a Abs 2 EheG). § 69a Abs 1 EheG stellt den aus einer Vereinbarung nach § 55a Abs 2 EheG geschuldeten Unterhalt einem gesetzlichen Unterhalt gleich (vgl 3 Ob 115/00h = RIS‑Justiz RS0114671; RS0109251 [T2, T3]), insbesondere in Bezug auf die Umstandsklausel und die Anwendung des Anspannungsgrundsatzes (RS0109251 [T4]; RS0122822 [T1, T2]), soweit dieser Unterhalt den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessen ist (10 Ob 42/17z mwN = iFamZ 2018/24, 29 [zustimmend Deixler‑Hübner]).
2. Ob die Voraussetzungen für eine Anspannung im konkreten Fall gegeben sind oder nicht, richtet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls. Die in diesem Zusammenhang zu beantwortenden Rechtsfragen sind regelmäßig nicht von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität (RS0007096 [T1, T7]; RS0113751 [T4, T9]). Den Angespannten trifft die Behauptungs‑ und Beweislast für fehlendes Verschulden (vgl RS0006261 [T18]; RS0047536 [T4]).
3. Nach den Feststellungen beruhte die Entscheidung des Klägers, sich den zweiten Lebensversicherungsvertrag, mit dem er seine Firmenpension angelegt hatte, im Jahr 2008 als einmalige Kapitalablöse auszahlen zu lassen, auf seinem freien Willensentschluss, war nicht von äußeren Umständen – wie zB der Kündigung des Vertrags durch den Lebensversicherer – beeinflusst und erfolgte auch nicht in Abstimmung mit der Beklagten. Er brachte im erstinstanzlichen Verfahren keine berücksichtigungswürdigen Gründe vor, die seine Entscheidung, die monatlichen Rentenleistungen bis zu seinem Ableben nicht in Anspruch zu nehmen, rechtfertigen könnten. Die erstmals in der Berufung aufgestellte und in der Revision wiederholte Behauptung, er habe die Mittel aus diesem Lebensversicherungsvertrag zur Adaptierung seines Hauses benötigt, verstößt – worauf schon das Berufungsgericht hingewiesen hat – gegen das Neuerungsverbot (§§ 482 Abs 1, 504 Abs 2 ZPO) und ist unbeachtlich.
Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass ein Verzicht auf die Geltendmachung von dem Unterhaltsschuldner zustehenden Ansprüchen nicht zu Lasten des Unterhaltsberechtigten gehen dürfe (vgl RS0107086), für die Auszahlung des Kapitalablösebetrags anstelle der Rente auf Lebenszeit keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorgelegen seien und sein einseitiges Abgehen von den Grundlagen des Unterhaltsvergleichs zum Nachteil der Beklagten zur Anwendung des Anspannungsgrundsatzes führe, ist nicht zu beanstanden. Führt der unterhaltspflichtige Kläger durch sein Verhalten eine wesentliche Änderung seiner laufenden Einkünfte bewusst herbei, für die er keine berücksichtigungswürdigen Gründe nennt, liegt keine Fehlbeurteilung vor, wenn die Vorinstanzen (in Anwendung des Anspannungsgrundsatzes) jenes Einkommen zugrunde legten, das er aus dem zweiten Lebensversicherungsvertrag bei Auszahlung einer monatlichen Rente erzielt hätte. Dass auch in diesem Fall eine maßgebliche Änderung der Umstände stattgefunden hätte, behauptet der Revisionswerber nicht.
4. Da Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung nicht zu lösen sind, ist die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen. Ihr steht gemäß § 23 Abs 3 RATG nur der gesetzlich vorgesehene Einheitssatz von 50 % (anstatt der verzeichneten 150 %) zu.
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