European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E129023
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen der §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Frau beantragte im Zuge eines anhängigen Scheidungsverfahrens die einstweilige Regelung der Benützung der Ehewohnung gemäß § 382 Abs 1 Z 8 lit c erster Fall EO. Der Mann äußerte sich dazu innerhalb der ihm eingeräumten Frist.
Das Rekursgericht bestätigte die diesen Antrag abweisende Entscheidung des Erstgerichts im Wesentlichen mit der Begründung, dass sich das fehlende Regelungsbedürfnis nach den Darlegungen der Antragstellerin bereits daraus ergebe, dass der Mann nicht beabsichtige, die von ihm seit Jahren nicht mehr benutzte Ehewohnung wieder zu benützen. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO unzulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
1. Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Frau ist nicht als Rechtsmittel gegen einen „Konformatsbeschluss“ jedenfalls unzulässig, weil die Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0012260), wonach die in § 402 Abs 1 EO normierte Ausnahme von der in § 528 Abs 2 Z 2 ZPO bestimmten Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gegen bestätigtende Beschlüsse gemäß § 402 Abs 2 EO dann nicht zum Tragen kommt, wenn dem Gegner der gefährdeten Partei – wie hier – Gehör gewährt wurde.
2. Gemäß §§ 402 Abs 4, 78 EO iVm §§ 528 Abs 3 und 505 Abs 4 ZPO kann in familienrechtlichen Angelegenheiten nach § 502 Abs 5 ZPO einschließlich einstweiliger Verfügungen zur Sicherung des Aufteilungsanspruchs oder zur einstweiligen Regelung der Benützung von Gegenständen des ehelichen Gebrauchsvermögens nach § 382 Abs 1 Z 8 lit c EO ein außerordentlicher Revisionsrekurs nach überwiegender Rechtsprechung auch dann erhoben werden, wenn das Rekursgericht ausgesprochen hat, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei (vgl 1 Ob 229/13b; RS0110049 [T6, T15]; Kodek in Angst / Oberhammer ³ § 382 EO Rz 66). Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses ist in diesem Fall ausschließlich nach § 528 Abs 1 ZPO zu beurteilen (RS0110049 [T16]), ohne dass es eines Ausspruchs des Rekursgerichts über den Wert des Streitgegenstands zweiter Instanz bedürfte (2 Ob 186/07b).
3. Die Regelungsverfügung gemäß § 382 Abs 1 Z 8 lit c erster Fall EO bedarf zwar keiner besonderen Gefahrenbescheinigung iSd § 381 EO (RS0006039 [T8]), setzt jedoch ein Regelungsbedürfnis voraus (RS0006043), das etwa dann anzunehmen ist, wenn der andere Teil ein Verhalten gezeigt hat, das das Zusammenleben in der Ehewohnung unzumutbar macht (RS0006043 [T5]; RS0111240). Die einstweilige Verfügung darf nur dann erlassen werden, wenn das Ergebnis einer Abwägung der einander widerstreitenden Interessen der Ehegatten den Standpunkt der gefährdeten Partei stützt (vgl RS0006053 [T3]). Die erforderliche Interessenabwägung ist dabei anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen und wirft regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage auf (RS0006039 [T3]; RS0006053 [T3]).
4. Zu 1 Ob 305/03i sah der Oberste Gerichtshof den Zweck der Provisorialmaßnahme nach § 382 Abs 1 Z 8 lit c erster Fall EO in der Hintanhaltung eines mit der Auflösung der bisher verbundenen Lebensbereiche im partnerschaftlichen Sinn offenbar unvereinbaren Zustands. Sicherungsgegenstand ist demnach der Anspruch der Ehegatten auf wechselseitige Wahrung persönlichkeitsbezogener Interessen bei Trennung ihrer einst verbundenen Lebensbereiche (vgl auch 9 Ob 124/01b). Der Senat hatte in der genannten Entscheidung keine Bedenken gegen die Verneinung eines Regelungsbedürfnisses in einem Fall, in dem der längst aus dem Haus mit der ehelichen Wohnung ausgezogene Ehegatte nicht beabsichtigte, dieses dauernd mitzubenützen, sondern nur weiterhin Zutritt zum ehelichen Haus haben wollte, „um auch eine gewisse Kontrolle ausüben zu können bzw sich dort befindliche persönliche Gegenstände abzuholen“. Dass bei dieser Sachlage keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Antragsgegnerin „in rechtsmissbräuchlicher oder einer für den Sicherungswerber unzumutbaren Weise“ von einer Möglichkeit des Zutritts zum ehelichen Wohnhaus Gebrauch machen würde, lasse keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung erkennen.
5. Die Revisionsrekurswerberin bezieht sich zwar auf die Rechtsprechung, wonach durch die Regelungsverfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit c erster Fall EO die persönlichkeitsbezogenen Interessen der Ehegatten (wechselseitig) gewahrt werden sollen. Sie vermag aber nicht darzulegen, warum das Rekursgericht bei der von ihm nach diesem Maßstab vorzunehmenden Beurteilung der Regelungsbedürftigkeit den ihm dabei zukommenden Spielraum überschritten hätte. Soweit sie argumentiert, dass es für sie unzumutbar wäre, würde der Antragsgegner jederzeit – ohne ihr Wissen und ohne Vorankündigung – die Ehewohnung betreten und damit ihre Privatsphäre beeinträchtigen, ist ihr ihr Antragsvorbringen entgegenzuhalten, wonach der Mann bereits seit Jahren aus der Ehewohnung ausgezogen sei, er nie in Aussicht gestellt habe, wieder in diese zurückkehren zu wollen, und seine Besuche immer nur nach vorheriger Absprache stattgefunden hätten. Dass das Rekursgericht ein Regelungsbedürfnis aufgrund dieser Behauptungen nicht bereits deshalb bejahte, weil die Rechtsvertreter des Mannes in einem an den Rechtsanwalt der Frau gerichteten Schreiben ganz allgemein den Standpunkt vertraten, ihr Mandant wäre berechtigt, die Ehewohnung auch ohne Zustimmung der Frau und ohne Ankündigung zu betreten, begegnet schon deshalb keinen Bedenken, weil im genannten (Anwalts‑)Schreiben auf den konkreten Wunsch des Mannes nach einer „gemeinsamen Begehung“ der Wohnung (um sich davon zu überzeugen, dass sich ein bestimmtes Bild noch in dieser befindet) Bezug genommen wurde. Anhaltspunkte dafür, dass der Mann von der Möglichkeit eines Zutritts zur Ehewohnung in einer für die Frau unzumutbaren Weise Gebrauch machen würde, können weder dem Antragsvorbringen noch der zur Bescheinigung des behaupteten Regelungsbedürfnisses vorgelegten Urkunde („Anwaltsschreiben“) entnommen werden. In der Beurteilung des Rekursgerichts, die Antragsgegnerin habe keine für sie unzumutbare Situation behauptet, welche die begehrte Regelungsverfügung erfordern würde, ist daher keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erkennen.
6. Dass die Vorinstanzen bereits aufgrund der Angaben der Frau in ihrem Sicherungsantrag ein Regelungsbedürfnis verneinten, begegnet somit keinen Bedenken, wobei die Revisionsrekurswerberin darauf hinzuweisen ist, dass das Rekursgericht bei seiner Entscheidung ohnehin das zur Bescheinigung des behaupteten unzumutbaren Verhaltens des Mannes vorgelegte (Anwalts‑)Schreiben berücksichtigte. Weitere Bescheinigungsmittel wurden zum Vorwurf, der Mann beabsichtige, gegen den Willen der Frau und ohne Absprache mit ihr die Ehewohnung zu betreten, nicht angeboten. Entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerberin besteht im Sicherungsverfahren keine Pflicht des Gerichts zur Erörterung des Sicherungsbegehrens, weil dies dem Wesen des Provisorialverfahrens widerspräche (vgl RS0005452 [T15]).
7. Da auch die weiteren Ausführungen im Revisionsrekurs keine Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht erkennen lassen, ist dieser – weil darin insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 2 ZPO angesprochen wird – ohne weitere Begründung zurückzuweisen (§§ 402 Abs 4, 78 EO iVm §§ 528a und 510 Abs 3 ZPO).
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