OGH 1Ob305/03i

OGH1Ob305/03i10.2.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei Maria Eugenie P*****, vertreten durch Dr. Manfred Leimer, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte und gefährdete Partei Engelbert P*****, vertreten durch Dr. Günter Tews, Rechtsanwalt in Linz, wegen Erlassung einer Regelungsverfügung nach § 382 Z 8 lit c EO infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 10. Oktober 2003, GZ 15 R 348/03g-12, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 78 und § 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

2. Die klagende Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung gemäß § 78 und § 402 Abs 4 EO iVm § 521a Abs 2 und § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO selbst zu tragen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Soweit der § 382 Z 8 lit c EO die einstweilige Regelung der Benützung des ehelichen Gebrauchsvermögens - so auch im Zusammenhang mit einem Scheidungsverfahren wie hier - betrifft, bedarf es als Voraussetzung einer einstweiligen Verfügung keiner Gefahrenbescheinigung nach § 381 EO; erforderlich ist vielmehr nur die Dartuung eines Regelungsbedürfnisses. Der Zweck einer solchen Provisorialmaßnahme besteht in der Hintanhaltung eines mit der Auflösung der bisher verbundenen Lebensbereiche im partnerschaftlichen Sinn offenbar unvereinbaren Zustands. Sicherungsgegenstand ist daher der Anspruch der Ehegatten auf wechselseitige Wahrung persönlichkeitsbezogener Interessen bei Trennung deren einst verbundenen Lebensbereiche. Deshalb darf eine solche einstweilige Verfügung nur dann erlassen werden, wenn das Ergebnis der Abwägung der einander widerstreitenden Interessen der Ehegatten den Standpunkt der gefährdeten Partei stützt (RIS-Justiz RS0006043; RIS-Justiz RS0006053); diese Interessenabwägung ist von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles abhängig und wirft gewöhnlich keine erhebliche Rechtsfrage auf (9 Ob 124/01b).

2. Im Revisionsrekurs wird insbesondere ins Treffen geführt, das Rekursgericht habe die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs 1 Ob 15/03t und 6 Ob 57/97v missachtet.

Die Entscheidung 1 Ob 15/03t betrifft einen Antrag auf Regelung der abwechselnden Benützung eines Seegrundstücks durch die Parteien; sie spricht - im hier interessierenden Zusammenhang - lediglich aus, dass das Vorbringen, die gemeinsame Benützung dieses Grundstücks sei wegen der zwischen den Parteien "bestehenden Spannungen nicht möglich", zur schlüssigen Begründung eines Regelungsbedürfnisses genüge. Nicht erkennbar ist, weshalb das Rekursgericht diese Entscheidung missachtet haben sollte, hat doch die Antragsgegnerin, die aus der ehelichen Wohnung längst ausgezogen ist, nach den maßgebenden Tatsachen gar nicht die Absicht, die in ihrem Miteigentum stehende Liegenschaft, auf der sich das Haus mit der ehelichen Wohnung befindet, dauernd mitzubenützen. Sie will nur "weiterhin Zutritt zum ehelichen Haus haben, um auch eine gewisse Kontrolle ausüben zu können bzw um sich auch noch die dort befindlichen persönlichen Gegenstände abzuholen". Angesichts dessen ist nicht ersichtlich, dass die Überzeugung des Rekursgerichts, es fehle an Anhaltspunkten dafür, dass die Antragsgegnerin "in rechtsmissbräuchlicher" oder in einer für den Sicherungswerber "unzumutbaren Weise von einer Möglichkeit des Zutritts zum ehelichen Wohnhaus Gebrauch machen" werde, auf einer krassen Fehlbeurteilung der Umstände des Einzelfalls beruhen könnte. Nach der Entscheidung 6 Ob 57/97v beabsichtigte eine Frau nach der Scheidung in die eheliche Wohnung zur Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses zurückzukehren, obgleich sie sich dort schon mehr als drei Jahre nicht mehr aufgehalten hatte. Deshalb wurde vom Obersten Gerichtshofs in der Bejahung eines die Ehewohnung betreffenden Regelungsbedürfnisses des geschiedenen Ehemannes "keine aufgreifbare Fehlbeurteilung" erblickt. Dafür war auch maßgebend, dass die Rechtsmittelwerberin im Revisionsrekurs ein eigenes dringendes Wohnbedürfnis an der Ehewohnung nicht mehr geltend gemacht hatte. Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt ist mit dem hier zu beurteilenden nicht vergleichbar. Die Antragsgegnerin will nicht etwa zur Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses in die Ehewohnung zurückkehren, sondern strebt die Möglichkeit des Zutritts nur aus den zuvor genannten Gründen an. Da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Antragsgegnerin von dieser Möglichkeit künftig in einer für den Sicherungswerber unzumutbaren Weise Gebrauch machen werde, besteht - entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Ansicht - auch keine Notwendigkeit, die Antragsgegnerin als Liegenschaftsmiteigentümerin durch eine genaue Regelung der Zutrittszeiten einer ständigen Kontrolle durch ihren Ehegatten zu unterwerfen.

Der Sicherungswerber rügt schließlich noch als Feststellungsmangel, den Entscheidungen der Vorinstanzen sei nicht zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin angedroht habe, seiner hochwassergeschädigten Mutter und deren Ehegatten "die weitere Benützung des Hauses gerichtlich untersagen lassen zu wollen". Auch das sei für eine "ausgewogene Interessenabwägung" von Bedeutung.

Nach den getroffenen Feststellungen wurde das Haus der Mutter des Sicherungswerbers und ihres Ehegatten am 11. 8. 2002 überschwemmt, weshalb diese infolge der damals gegebenen Unbenützbarkeit ihres eigenen Hauses am 12. 8. 2002 in das "eheliche Haus" der Streitteile zogen, ohne dass die Antragsgegnerin, die dort selbst am 11. 8. 2002 ausgezogen war, vom Sicherungswerber "um ihre Zustimmung gefragt" wurde. Der Rechtsmittelwerber erstattete im Verfahren erster Instanz kein Vorbringen, aus welchen triftigen Gründen seine Mutter und sein Stiefvater bis zur Wiederbewohnbarkeit ihres eigenen Hauses wahrscheinlich auf längere Zeit auf eine andere Wohngelegenheit angewiesen sein werden (ON 4). Sollte daher die Antragsgegnerin als Liegenschaftsmiteigentümerin lange Zeit nach der Hochwasserkatastrophe 2002 tatsächlich beabsichtigen, gegen ihre Schwiegermutter und deren Ehegatten einen vollstreckbaren Räumungstitel zu erwirken, weil deren eigenes Haus entweder bereits wiederbewohnbar ist oder jedenfalls ohne weiteres schon wiederbewohnbar hätte gemacht werden können, so könnte das die beantragte Regelungsverfügung - selbst nach der im Sicherungsantrag ins Treffen geführten "moralischen Verantwortung" (ON 4) - nicht rechtfertigen.

In Zusammenfassung aller bisherigen Erwägungen ist somit festzuhalten, dass die angefochtene Entscheidung auf dem Boden der unter 1. referierten ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs erging und zumindest nicht als krasse Fehlbeurteilung der Umstände des Einzelfalls - als Voraussetzung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses - anzusehen ist.

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