OGH 2Ob186/07b

OGH2Ob186/07b27.9.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden, widerbeklagten und gefährdeten Partei Silvia R*****, vertreten durch Dr. Bernhard Waldhof, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte, widerklagende und gefährdende Partei Dr. Richard R*****, vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Ehescheidung und einstweiliger Verfügung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 19. Juli 2007, GZ 1 R 210/07z-13, womit (ua) die Rekursbeantwortung der beklagten Partei zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 399,74 (darin EUR 66,62 USt) bestimmten Kosten des außerordentlichen Revisionsrekurses binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Streitteile begehren mit ihrer zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klage und Widerklage die Scheidung ihrer Ehe. Mit Schriftsatz vom 26. 2. 2007 beantragte die klagende, widerbeklagte und gefährdete Partei (in der Folge: Klägerin) die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, womit zwei näher bezeichneten Banken für die Dauer des Ehescheidungsverfahrens sowie bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Aufteilung der ehelichen Ersparnisse untersagt werden sollte, mehr als die Hälfte der im Eigentum ihres Ehemannes (in der Folge: Beklagter) stehenden Guthaben und Einlagen auszubezahlen bzw Wertpapiere zu transferieren. Sie stützte den Sicherungsantrag „insbesondere" auf § 382 Abs 1 Z 8 lit c (zweiter Fall ) EO.

Dem Beklagten wurde der Sicherungsantrag mit der Aufforderung, sich binnen einer Woche zu äußern, am 5. 3. 2007 zugestellt. Nachdem innerhalb der gesetzten Frist keine Äußerung eingelangt war, wies das Erstgericht den Sicherungsantrag ab. Eine Gleichschrift des gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurses der Klägerin wurde dem Beklagten zugestellt. Dieser gab fristgerecht eine Rekursbeantwortung zur Post.

Das Rekursgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung, wies jedoch die Rekursbeantwortung des Beklagten zurück. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige, in der Hauptsache der „weitere Rechtszug" jedenfalls unzulässig und hinsichtlich der Zurückweisung der Rechtsmittelbeantwortung der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Gegen die Zurückweisung seiner Rekursbeantwortung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag, den zweitinstanzlichen Beschluss insoweit aufzuheben und der Klägerin die Kosten der Rekursbeantwortung aufzuerlegen.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist unzulässig. Vorauszuschicken ist, dass die Zurückweisung eines Rekurses durch das Rekursgericht auch im Provisorialverfahren nicht in analoger Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO, sondern nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des gemäß § 402 Abs 4 iVm § 78 EO anzuwendenden § 528 ZPO anfechtbar ist (5 Ob 159/99i; 5 Ob 262/03w; vgl RIS-Justiz RS0044501 [T12]). Dies muss um so eher gelten, wenn die Rekursbeantwortung zurückgewiesen wird (2 Ob 110/07a mwN). Es entspricht ferner der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass nach § 402 Abs 4, § 78 EO iVm § 528 Abs 3 und § 505 Abs 4 ZPO in familienrechtlichen Angelegenheiten nach § 502 Abs 5 ZPO einschließlich einstweiliger Verfügungen zur Sicherung des Aufteilungsanspruches nach § 382 Abs 1 Z 8 lit c zweiter Fall EO der außerordentliche Revisionsrekurs erhoben werden kann, auch wenn das Rekursgericht ausgesprochen hat, der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig; einer Abänderung des Zulassungsausspruches durch das Rekursgericht bedarf es dabei nicht (1 Ob 160/01p; RIS-Justiz RS0110049 [T6]). Es wäre daher auch der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes entbehrlich gewesen.

Das Rechtsmittel des Beklagten ist aber mangels Beschwer jedenfalls unzulässig:

Die Beschwer, also das Rechtsschutzinteresse des Rechtsmittelwerbers, muss sowohl bei Einlangen des Rechtsmittels als auch im Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung vorhanden sein. Sie fehlt, wenn die Entscheidung nur mehr theoretisch-abstrakte Bedeutung hätte (RIS-Justiz RS0002495; E. Kodek in Rechberger, ZPO³ vor § 461 Rz 9). Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass die in zweiter Instanz in der Sache siegreiche Partei durch die Zurückweisung ihrer Rechtsmittelbeantwortung nicht beschwert sein kann (4 Ob 98/91; 3 Ob 123/05t; 10 Ob 5/06t; 1 Ob 188/06p; 2 Ob 110/07a). Die Entscheidung des Rekursgerichtes ist rechtskräftig; einer meritorischen Entscheidung über den Revisionsrekurs käme somit nur mehr theoretisch-abstrakte Bedeutung zu. Das Interesse an einer für den Beklagten günstigen Kostenentscheidung allein vermag nach ständiger Rechtsprechung eine Beschwer nicht zu begründen (RIS-Justiz RS0002396).

Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher mangels Beschwer als unzulässig zurückzuweisen.

Der Antrag des Beklagten auf Zuspruch der Kosten des außerordentlichen Revisionsrekurses erfordert allerdings aus folgenden Erwägungen eine Entscheidung gemäß § 402 Abs 4, § 78 EO iVm § 50 Abs 2 ZPO:

Das Rekursgericht stützte seinen Ausspruch, dass der Revisionsrekurs in der Hauptsache jedenfalls unzulässig sei, erkennbar auf jene Rechtsprechung, wonach die Bestätigung der Abweisung eines Provisorialantrages gemäß § 402 Abs 2 EO nicht mehr anfechtbar ist, wenn der Gegner zum Antrag nicht einvernommen wurde (vgl dazu RIS-Justiz RS0012260). Diese Voraussetzung ist jedoch, wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, dahin zu verstehen, dass der Gegner der gefährdeten Partei von der Antragstellung noch gar nicht in Kenntnis gesetzt wurde (7 Ob 607/90 mwN; 6 Ob 88/04s). Schon mit der Zustellung des Provisorialantrages, jedenfalls soweit diese mit einer durch richterliche Anordnung eröffneten Äußerungsmöglichkeit verbunden ist, wird er aber in das zwischen dem Gericht und der gefährdeten Partei durch die Einbringung des Sicherungsantrages begründete verfahrensrechtliche Rechtsverhältnis einbezogen, sodass die Ausnahmeregelung des § 402 Abs 2 EO nicht mehr anzuwenden ist. In diesen Fällen ist auch das Rekursverfahren zweiseitig (vgl 7 Ob 598/90; 6 Ob 88/04s; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 vor §§ 514 ff ZPO Rz 137).

Hier wurde dem Beklagten der Sicherungsantrag der Klägerin zur Äußerung zugestellt. Bereits mit dieser Zustellung war die Voraussetzung seiner „Einvernahme" erfüllt. Das bedeutet, dass das Rekursverfahren gemäß § 402 Abs 1 EO zweiseitig zu gestalten war und auch der in § 402 Abs 2 EO normierte Rechtsmittelausschluss nicht zum Tragen kam. Mit der Zustellung der zweitinstanzlichen Entscheidung trat daher noch nicht deren Rechtskraft ein, weil die Klägerin ungeachtet des sie nicht bindenden Ausspruches über die Unzulässigkeit eines „weiteren Rechtszuges" zur Erhebung eines Revisionsrekurses berechtigt war. Unter diesen Umständen war dem Beklagten im Zeitpunkt der Einbringung des Revisionsrekurses das Rechtsschutzinteresse an der Berücksichtigung seiner Rekursbeantwortung im zweitinstanzlichen Rechtsmittelverfahren noch nicht abzusprechen.

Bei meritorischer Erledigung des infolge der dargelegten Abweichung von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zulässigen außerordentlichen Revisionsrekurses wäre diesem Folge zu geben und die Zurückweisung der Rekursbeantwortung ersatzlos zu beheben gewesen. Angesichts dieses hypothetischen Rechtsmittelerfolges sind dem Beklagten iSd § 50 Abs 2 ZPO die Kosten seines außerordentlichen Revisionsrekurses zuzusprechen.

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