OGH 17Os17/18f

OGH17Os17/18f11.9.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ertl, LL.M., als Schriftführer in der Strafsache gegen Sasa Z***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Bestechung nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 307 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Franz P***** und Robert N***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. Februar 2018, GZ 14 Hv 10/16i‑145, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0170OS00017.18F.0911.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier von Bedeutung – Franz P***** und Robert N***** jeweils eines Verbrechens der Bestechung nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 307 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB (B/I) und der Freiheitsentziehung nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 99 Abs 1 und 2 erster und dritter Fall StGB (B/II) sowie jeweils eines Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 105 Abs 1 StGB (B/II) schuldig erkannt.

Danach haben sie am 10. April 2015 in Wien

B/I versucht, Miloje D***** im Wege des (zugleich verurteilten) Sasa Z***** durch telefonische Aufforderung dazu zu bestimmen, einem (unbekannt gebliebenen) serbischen Polizeibeamten, mithin einem Amtsträger (§ 74 Abs 1 Z 4a lit b StGB), für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäfts, nämlich die widerrechtliche Festnahme des Zarko Zi*****, einen Vorteil, dessen Wert 50.000 Euro übersteigen sollte, in Form der Zahlung von 100.000 Euro zu versprechen, indem sie Z***** mit der Durchführung des Vorhabens beauftragten und die Zahlung von 100.000 Euro für D***** und weiteren 100.000 Euro für den serbischen Polizeibeamten in Aussicht stellten;

II/ durch die zu B/I beschriebene Tat und die am 11. April 2015 an Z***** erfolgte Übergabe von Unterlagen über (behauptete) Forderungen gegen Zi***** versucht, den serbischen Polizeibeamten (indirekt) dazu zu bestimmen, Z*****,

widerrechtlich gefangen zu halten, wobei die Freiheitsentziehung länger als einen Monat aufrecht erhalten „und unter solchen Umständen hätte begangen werden soll, dass sie für Zi***** mit besonders schweren Nachteilen verbunden gewesen wäre“,

durch die widerrechtliche Festnahme und das anschließende Gefangenhalten, somit durch Gewalt, zu einer Handlung, nämlich zur Zahlung von insgesamt 800.000 Euro an N***** und P***** zu nötigen:

Rechtliche Beurteilung

Die von P***** und N***** jeweils aus Z 5 und 9 lit a, von Letzterem auch aus Z 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden sind nicht im Recht.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten P*****:

Die Mängelrüge kritisiert die Feststellungen zum Bedeutungsinhalt des vom Beschwerdeführer am 10. April 2015 mit Z***** geführten Telefonats als offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall). Dabei nimmt sie zum einen nicht Maß an der Gesamtheit der Erwägungen der Tatrichter (vgl RIS‑Justiz RS0119370), die darauf verweisen, dass sich der Beschwerdeführer – wie aus einem überwachten Telefongespräch erhellt (US 12 iVm ON 6 S 69 f) – als ehemaliger Kriminalbeamter durchwegs „bewusst sehr knapp ausdrückte“ (US 10), und aus dem Verhalten des Beschwerdeführers schlossen, dass dieser von N***** über den Plan bereits vorinformiert gewesen sei, weshalb eine Besprechung im Detail mit Z***** nicht notwendig gewesen sei (US 8). Im Übrigen vermag die Rüge nicht aufzuzeigen, dass die Interpretation des Wortlauts dieses Telefongesprächs durch das Erstgericht gegen die Kriterien logischen Denkens oder grundlegende Erfahrungssätze verstoßen hätte (RIS‑Justiz RS0118317), sondern bekämpft bloß die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Die weitere Mängelrüge behauptet Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall), weil das Erstgericht Beweisergebnisse nicht erörtert habe, denen zufolge Z***** nur bei Erfüllung bestimmter Bedingungen zur weiteren Tatausführung bereit gewesen sei. Sie spricht damit keine entscheidende Tatsache an (vgl aber RIS‑Justiz RS0117499), weil der Beschwerdeführer mit dem oben erwähnten Telefonat bereits eine Bestimmungshandlung (gegenüber Z*****) setzte und es für seine Strafbarkeit auf die Ausführungsnähe in Bezug auf die angesonnene Tat nicht ankommt (RIS-Justiz RS0089881; Fabrizy in WK 2 StGB § 12 Rz 73). Im Übrigen haben die Tatrichter den Inhalt eines später zwischen N***** und Z***** geführten Telefonats und dessen Erklärungsversuche ohnehin berücksichtigt (US 12 und 36), daraus aber nicht die vom Beschwerdeführer gewünschten Schlüsse gezogen (vgl RIS‑Justiz RS0099455).

Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) begründet nur die unrichtige Wiedergabe des Inhalts von Beweismitteln, nicht deren Wertung im Rahmen freier Beweiswürdigung (RIS‑Justiz RS0099431). Die – vom Beschwerdeführer im Übrigen ohne Hinweis auf konkrete Verfahrensergebnisse geäußerte – Kritik, es seien Feststellungen nicht getroffen worden, verfehlt daher den Anfechtungsrahmen des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes.

Die weitere Argumentation der Mängelrüge (der Sache nach Z 9 lit a), der Beschwerdeführer habe die von Z***** vorgeschlagene Vorgangsweise nicht für durchführbar gehalten, zeigt keine Verfahrensergebnisse auf, die Feststellungen zur negativen Tatbestandsvoraussetzung der Versuchsuntauglichkeit nach § 15 Abs 3 StGB indiziert hätten (RIS‑Justiz RS0118580). Im Übrigen ging das Erstgericht gerade nicht davon aus, dass die Festnahme und Anhaltung des Zi***** in Serbien nach dem Tatplan im Rahmen eines ordnungsgemäß geführten Verfahrens, sondern widerrechtlich (aus Sicht des serbischen Polizeibeamten pflichtwidrig) hätte erfolgen sollen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) geht mit ihrer Argumentation mangelnder „Ausführungsnähe“ des dem Beschwerdeführer angelasteten Verhaltens nicht von den Feststellungen zur von diesem bereits gesetzten Bestimmungshandlung aus (US 8 f; RIS‑Justiz RS0099810).

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten N*****:

Die Urteilsannahmen zum Motiv des Beschwerdeführers für das inkriminierte Verhalten betreffen keine entscheidende Tatsache (RIS‑Justiz RS0088761) und bilden daher keinen Bezugspunkt der Anfechtung mit Mängelrüge (RIS‑Justiz RS0117499).

Mit der Verantwortung der Angeklagten, es sei (ausschließlich) ein legales Vorgehen gegen Zi***** in Serbien geplant gewesen, haben sich die Tatrichter ausführlich auseinandergesetzt (vgl etwa US 17, 20 f und 25 f) und mit mängelfreier Begründung dargelegt, weshalb sie dies als Schutzbehauptung verwarfen. Der Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) geht daher ins Leere. Ebenso wurden die sonstigen Angaben der Angeklagten im Zusammenhang mit deren Einschätzung mangelnder Realisierbarkeit des Tatplans sowie des Zeugen Zi***** im Urteil ausführlich erörtert. Die Kritik an einzelnen Urteilserwägungen zur Unglaubwürdigkeit dieser Aussagen bekämpft bloß die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird kein Begründungsmangel im Sinn der Z 5 behauptet (RIS‑Justiz RS0117445).

Ein solcher wird auch mit der mehrfach geäußerten Kritik, das Erstgericht lasse erkennen, dass es von Funktionsuntüchtigkeit des Rechtstaats in Serbien ausgehe, nicht angesprochen. Im Übrigen wird auf die Beantwortung des entsprechenden Einwands des Mitangeklagten verwiesen.

Ob Z***** selbst oder – wie von diesem behauptet – jemand anderer mit D***** telefoniert hat, ist für die Strafbarkeit des Beschwerdeführers ohne Bedeutung (vgl im Übrigen US 10 und 35).

Während der Hauptverhandlung von der Vorsitzenden zu allfälligen strafrechtlichen Konsequenzen der von Z***** präsentierten Version des Geschehens angestellte Erwägungen stellen kein im Urteil erörterungsbedürftiges Beweisergebnis dar.

Soweit der Beschwerdeführer erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (Z 5a) ausschließlich aus dem zur Mängelrüge (Z 5) erstatteten Vorbringen ableitet, vernachlässigt er den wesensmäßigen Unterschied der einzelnen Nichtigkeitsgründe und verfehlt damit die gesetzmäßige Darstellung (RIS‑Justiz RS0115902).

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) – ohne indizierende Verfahrensergebnisse konkret zu bezeichnen (vgl RIS‑Justiz RS0118580 [T13]) – Feststellungen dahingehend fordert, dass Z***** schon vor dem Gespräch mit dem Beschwerdeführer fest zur Tat entschlossen gewesen sei („omnimodo facturus“), bekämpft sie bloß die gegenteiligen Urteilskonstatierungen (vgl RIS-Justiz RS0099810), denen zufolge Z***** den Tatplan zwar entwickelt, dessen Ausführung jedoch von der Beauftragung durch P***** und N***** abhängig gemacht habe (US 5 f; vgl RIS‑Justiz RS0089598, RS0089607; Fabrizy in WK 2 StGB § 12 Rz 55 f). Zudem legt sie nicht dar, weshalb der von ihr reklamierte Umstand für die Strafbarkeit des dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Verhaltens von Bedeutung sein soll (vgl zum strafbaren [fehlgeschlagenen] Bestimmungsversuch RIS‑Justiz RS0109797).

Auch die weiteren Überlegungen der Rechtsrüge zu fehlender Ausführungsnähe dieses Verhaltens verfehlen mangels Bezugnahme auf den Urteilssachverhalt (vgl US 6 f) ebenso die prozessordnungsgemäße Darstellung wie die Behauptung untauglichen Bestimmungsversuchs, die keine dahingehende Feststellungen indizierenden Verfahrensergebnisse benennt. Im Übrigen kann auf die Beantwortung des vom Mitangeklagten erstatteten Rechtsmittelvorbringens verwiesen werden.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Bleibt anzumerken, dass das Erstgericht die Taten bei allen drei Angeklagten zu Unrecht auch der Qualifikation nach § 99 Abs 2 dritter Fall StGB subsumierte. Zwar können auch finanzielle Auswirkungen derartige schwere Nachteile darstellen ( Schwaighofer in WK 2 StGB § 99 Rz 42; Kienapfel/Schroll StudB BT I 4 Rz 99 Rz 31; Leukauf/Steininger/Tipold , StGB 4 § 99 Rz 23). Die Qualifikation ist jedoch nur dann erfüllt, wenn die besonders schweren Nachteile Folge der (spezifischen) Umstände der Freiheitsentziehung, nicht – wie hier nach dem Urteilssachverhalt (US 7, 9 und 12) – eines (angestrebten) vom Opfer mit Hilfe der Freiheitsentziehung abgenötigten Verhaltens sind (vgl Schmoller , SbgK § 99 Rz 65). Da sich dieser Subsumtionsfehler (Z 10) bei keinem der Angeklagten auf den Strafrahmen auswirkte und auch sonst keine nachteilige Wirkung nach sich zog (vgl Ratz , WK‑StPO § 290 Rz 22 ff), sah sich der Oberste Gerichtshof nicht zu amtswegiger Wahrnehmung veranlasst. Das Oberlandesgericht ist bei der Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten P***** und N***** angesichts dieser Klarstellung insoweit nicht an den fehlerhaften Schuldspruch gebunden (RIS-Justiz RS0118870).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte