European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0170OB00013.21T.0712.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben, und dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Der Kläger ist Masseverwalter im Konkurs der S* GmbH (idF: Schuldnerin). Er ficht die Einbringung eines Teilbetriebs dieser Gesellschaft in die Beklagte an. Diese Einbringung war mit Vertrag vom 21. September 2017 zum Stichtag 31. Dezember 2016 erfolgt.
Die Gesellschaften waren bei Einbringung und sind auch derzeit über die Person des Ing. * H* (idF: Ing. H) miteinander verbunden:
- An der Schuldnerin waren bei Abschluss des Einbringungsvertrags Ing. H zu einem Prozent und eine (inzwischen ebenfalls insolvente) * H* GmbH (idF H GmbH) zu 99 % beteiligt. Alleingesellschafter der H GmbH war wiederum Ing. H.
- Alleingesellschafterin der Beklagten war bei Abschluss des Vertrags die Schuldnerin. Derzeit ist Alleingesellschafterin der Beklagten eine ungarische Gesellschaft, deren Alleingesellschafter wiederum Ing. H ist.
[2] Im Einbringungsvertrag vertrat Ing. H sowohl die Schuldnerin als auch die Beklagte. Die Einbringung erfolgte nach § 19 Abs 2 Z 5 UmgrStG ohne Gewährung neuer Anteile an der übernehmenden Gesellschaft.
[3] Die Gründung der Beklagten und die Einbringung des Teilbetriebs diente der Vorbereitung des Einstiegs eines Investors. Gespräche darüber hatten im März 2017 begonnen, wobei man für Mitte September das „Signing“ und bald darauf das „Closing“ in Aussicht genommen hatte. Dann kam es jedoch zu einer Verzögerung, die der Steuerberater der Schuldnerin gegenüber Ing. H als „kritisch“ für die Schuldnerin bezeichnete. Da das Investment „nicht vom Tisch war“, entschied Ing. H in Absprache mit dem Steuerberater, die Einbringung des Teilbetriebs in die Beklagte „vorzuziehen“, damit beim Einstieg des Investors alles „fertig“ sei.
[4] Zum Einstieg des Investors kam es nicht. Vielmehr wurde über das Vermögen der Schuldnerin am 2. November 2017 ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet, das am 22. Mai 2018 nach Bestätigung eines Sanierungsplans aufgehoben wurde. Mit Vertrag vom 5. Oktober 2018 trat die Schuldnerin die Anteile an der Beklagten zum Preis von 4 Mio EUR an die ungarische Gesellschaft ab. Am 3. April 2019 wurde neuerlich ein Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Verwalter bestellt. Er trat wegen Nichtzahlung eines Kaufpreisteils vom Vertrag mit der ungarischen Gesellschaft zurück.
[5] Der Kläger ficht die Einbringung des Teilbetriebs nach § 28 Z 1 und 2 IO und § 29 Z 1 IO an. Zunächst begehrte er (mit Stufenklage) Rückübertragung des Teilbetriebs, in weiterer Folge änderte er sein Begehren wegen Untunlichkeit der Rückübertragung (§ 39 Abs 1 IO) auf Zahlung von 13.465.331,79 EUR (Buchwert des Teilbetriebs). Die Einbringung sei unentgeltlich erfolgt, weswegen sie (auch) unmittelbar nachteilig sei. Die (unmittelbare) Nachteiligkeit ergebe sich auch daraus, dass die eingebrachten Werte nun anderen Gläubigern, nämlich jenen der Beklagten, zur Verfügung stünden. Dies habe Ing. H als Geschäftsführer der Schuldnerin beabsichtigt. Der Kaufpreis für die Veräußerung des Geschäftsanteils an die ungarische Gesellschaft sei zu gering gewesen und noch dazu durch Aufrechnungen getilgt worden. Daher sei die angefochtene Rechtshandlung auch mittelbar nachteilig. Die Beklagte habe den Anfechtungsanspruch im ersten Insolvenzverfahren anerkannt.
[6] Die Beklagte wendet ein, dass die Gläubiger durch die Einbringung wegen der dadurch bewirkten Wertsteigerung des Geschäftsanteils nicht benachteiligt worden seien; aus demselben Grund liege auch keine unentgeltliche Verfügung vor. Auch mittelbare Benachteiligung liege nicht vor, weil (schon) der tatsächlich gezahlte Kaufpreisteil angemessen gewesen sei. Tatsächlich sei der Teilbetrieb nur 100.000 EUR wert gewesen. Das vom Kläger genannte Anerkenntnis sei nicht konstitutiv gewesen und habe sich zudem nur auf das erste Insolvenzverfahren bezogen. Die Beklagte habe auf den Teilbetrieb Aufwendungen gemacht, die sie gegen das Herausgabebegehren „aufrechnungsweise“ einwende.
[7] Das Erstgericht sprach aus, dass die Klageforderung zu Recht und die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe. Auf dieser Grundlage gab es dem Klagebegehren in der Hauptsache und einem Teil des Zinsenbegehrens statt, ein Zinsenmehrbegehren wies es rechtskräftig ab. Die Einbringung sei mangels Gegenleistung unentgeltlich erfolgt. Die Werterhöhung des Geschäftsanteils um den Wert des eingebrachten Teilbetriebs ändere nichts an der (unmittelbaren) Gläubigerbenachteiligung: Erst wenn die übernehmende Tochtergesellschaft sämtliche eigenen Verbindlichkeiten bezahlt habe, komme ihr Vermögen der einbringenden Muttergesellschaft und/oder deren Gläubigern zu. Diese „eigenen“ Verbindlichkeiten reduzierten somit den Befriedigungsfonds der Gläubiger der einbringenden Muttergesellschaft. Mittelbare Nachteiligkeit ergebe sich aus der Veräußerung des Geschäftsanteils der Schuldnerin an der Beklagten an die ungarische Gesellschaft. Der Zahlungsanspruch sei angesichts des unstrittigen Buchwerts berechtigt. Wegen der Umstellung auf das Zahlungsbegehren fehle den Gegenforderungen eine Grundlage.
[8] Das Berufungsgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe, und ließ die ordentliche Revision nicht zu.
[9] Die Einbringung sei unentgeltlich erfolgt. Ein Geschäftsanteil sei schwieriger zu verwerten als einzelne Sachen. Er bilde daher keinen den eingebrachten Sachen gleichwertigen Befriedigungsfonds. Darin liege eine unmittelbare Benachteiligung. Eine mittelbare Benachteiligung ergebe sich daraus, dass die Schuldnerin ihren Geschäftsanteil an der Beklagten der ungarischen Gesellschaft übertragen habe. Die „Gegenleistung“ für das durch die anfechtbare Handlung aufgegebene Vermögen sei daher nicht mehr in der Masse vorhanden. Der Anspruch bestehe daher dem Grunde nach zu Recht. Allerdings stehe nur der tatsächliche Wert des Teilbetriebs zu, der im fortgesetzten Verfahren zu ermitteln sei. Die Revision sei nicht zulässig, weil keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage erheblicher Bedeutung vorliege.
[10] In ihrer außerordentlichen Revision macht die Beklagte geltend, dass keine unentgeltliche Verfügung vorliege, weil die Einbringung zu einer entsprechenden Werterhöhung des Geschäftsanteils geführt habe. Aus demselben Grund liege auch keine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung vor. Die Verwertung eines Geschäftsanteils sei wesentlich einfacher als die einzelner Sachen und Rechte. Die Veräußerung des Geschäftsanteils an der Beklagten durch die Schuldnerin sei ein eigenes, vom Kläger nicht angefochtenes Rechtsgeschäft. Sie könne daher keine mittelbare Benachteiligung durch die angefochtene Einbringung bewirken.
[11] Der Kläger verweist in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung auf die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Die Einbringung sei ohne Gegenleistung erfolgt, was beiden beteiligten Gesellschaften bewusst gewesen sei. Die Beklagte habe kein Vermögensopfer erbracht, was aber Voraussetzung dafür wäre, die ihr gemachte Zuwendung nicht als unentgeltlich zu qualifizieren. Ein entgeltfremder Gesellschaftsvertrag liege nicht vor, da es sich bei der Einbringung nicht um eine Sacheinlage gehandelt habe.
[12] Die Revision ist zulässig, weil Rechtsprechung zur Anwendung von § 29 IO auf die Einbringung eines Teilbetriebs in eine Tochtergesellschaft der Schuldnerin fehlt. Sie ist im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[13] 1. § 29 IO kann den Anfechtungsanspruch nicht tragen.
[14] 1.1. Nach § 29 Z 1 IO sind, von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen, „unentgeltliche Verfügungen“ des Schuldners anfechtbar, die er in den letzten zwei Jahren vor Insolvenzeröffnung vorgenommen hat. Als zugrunde liegende Wertung wird regelmäßig genannt, dass der unentgeltliche Erwerber weniger schützenswert sei als der entgeltlich Erwerbende (so schon die Denkschrift zur Einführung einer Konkursordnung, einer Ausgleichsordnung und einer Anfechtungsordnung [1914] 36; später Bartsch/Pollak, Konkursordnung [1937] 187; Koziol/Bollenberger in Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht4 I [2000] § 29 KO Rz 2; Rebernig in Konecny, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen § 29 IO Rz 1). König/Trenker (Die Anfechtung nach der IO6 [2020] Rz 9.1/1) verweisen zudem darauf, dass „Großzügigkeit“ nicht zu Lasten der Gläubiger gehen dürfe.
[15] 1.2. In Rechtsprechung und Lehre wird das Vorliegen einer unentgeltlichen Verfügung einerseits (objektiv) durch das Fehlen einer konditional, kausal oder synallagmatisch verbundenen Gegenleistung charakterisiert (3 Ob 240/09d mwN; König/Trenker, Anfechtung Rz 9.3; Rebernig in Konecny, Insolvenzgesetze § 29 Rz 3). Andererseits wird aber auch betont, dass der Tatbestand von § 29 Z 1 IO nur erfüllt ist, wenn Zweck der Leistung Freigebigkeit ist (RIS‑Justiz RS0033054), sodass es auf den (subjektiven) Willen des Leistenden ankommt (3 Ob 240/09d; 3 Ob 244/09t; 3 Ob 167/11x; König/Trenker, Anfechtung Rz 9.13; Rebernig in Konecny, Insolvenzgesetze § 29 Rz 3; Koziol/Bollenberger in Buchegger, Insolvenzrecht4 § 29 Rz 4).Diese oft nebeneinander stehenden Begründungslinien sind nicht leicht vereinbar: Einerseits soll festgestelltes Fehlen von Schenkungsabsicht die Anfechtung schon auf der Tatsachenebene ausschließen (3 Ob 167/11x); andererseits soll es für die Beurteilung der Unentgeltlichkeit (offenbar allein) auf den „objektiven Sachverhalt“ ankommen (9 ObS 19/89). Vermittelnd wird ausgeführt, dass ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung oder gar das Fehlen einer Gegenleistung Schenkungsabsicht „indiziert“ (König/Trenker, Anfechtung Rz 9.14; 6 Ob 175/01f). In der jüngeren Lehre scheint sich die Meinung durchzusetzen, dass „zumindest im Zweifel“ die „objektive Bewertung“ maßgebend ist (König/Trenker, Anfechtung Rz 9.14; Rebernig in Konecny, Insolvenzgesetze § 29 IO Rz 6; vgl für das deutsche Recht Klinck, Die Anfechtung unentgeltlicher Leistungen im Spiegel der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, ZIP 2017, 1589 ff).
[16] 1.3. Auf dieser Grundlage ist die hier strittige Einbringung eines Teilbetriebs ohne Gewährung neuer Anteile zu beurteilen.
[17] (a) Diese Vorgangsweise wird steuerrechtlich in § 19 UmgrStG vorgezeichnet: Grundsätzlich muss die Einbringung ausschließlich gegen Gewährung von neuen Anteilen an der übernehmenden Körperschaft erfolgen, um ertragssteuerliche Nachteile (Gewinnrealisierung unter Anwendung von § 6 Z 14 lit b EStG) zu vermeiden (Huber/Grün in Wundsam/Zöchling/Huber/Khun, UmgrStG6 [2022] § 12 Rz 18; Furherr in Kofler,UmgrStG11 [2022] § 19 Rz 1). Die Gewährung neuer Anteile kann allerdings in den in § 19 Abs 2 UmgrStG genannten Fällen unterbleiben. Diese Bestimmung erfasst einerseits bestimmte Abfindungen, Zuzahlungen und Anteilsaufgaben (Z 1 bis 4), andererseits das Unterbleiben der Gewährung neuer Anteile ua dann, wenn der Einbringende – wie hier – unmittelbar oder mittelbar Alleingesellschafter der übernehmenden Körperschaft ist (Z 5).
[18] (b) Die letztgenannte Regelung wird in der gesellschaftsrechtlichen Praxis vor allem bei Ausgliederungen in Anspruch genommen, um die sonst erforderliche Anwendung der Vorschriften über die Sachgründung bzw die Kapitalerhöhung zu vermeiden (Rüffler, Lücken im Umgründungsrecht [2002] 422; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 [2007] § 6a Rz 3; van Husen in WK GmbH-Gesetz3 § 6a Rz 3). Diese Vorgangsweise ist – außer bei Überschuldung des eingebrachten Teilbetriebs – gesellschaftsrechtlich unbedenklich (Koppensteiner/Rüffler und van Husen aaO) und wird in der Rechtsprechung akzeptiert (RIS‑Justiz RS0115150).
[19] (c) Richtig ist, dass der 6. Senat des Obersten Gerichtshof die dargestellte Vorgangsweise mehrfach als „unentgeltliche“ Zuwendung bezeichnet hat (6 Ob 4/01h, weitere Entscheidungen in RIS‑Justiz RS0115149). Allerdings hat er gleichzeitig darauf hingewiesen (6 Ob 4/01h; weitere Entscheidungen in RIS‑Justiz RS0115150), dass
„die übertragende Gesellschaft auf Grund ihrer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungan der übernehmenden Gesellschaft keine Vermögenseinbußen erleidet [...]. Die Aufgabe des Eigentums am eingebrachten Betrieb wird durch die Erhöhung des Werts der Beteiligung […] an der übernehmenden Gesellschaft ausgeglichen (Hügel, Umgründungsbilanzen Rz 4.60). Eine Einlagenrückgewähr erfolgt nicht. Den Gläubigern wird weder Haftungsvermögen noch der Schuldner entzogen, weil durch die Einbringung – wie eingangs schon ausgeführt – keine Gesamtrechtsnachfolge bewirkt wird.“
[20] Unter Unentgeltlichkeit versteht der 6. Senat daher nur das (formale) Fehlen einer Gegenleistung; ein für jede unentgeltliche Zuwendung konstitutives Vermögensopfer erbringt der Einbringende aber auch nach Ansicht dieses Senats nicht.
[21] (d) Diese Auffassung wird in der gesellschaftsrechtlichen Lehre geteilt (Stanek, Die Kapitalerhaltung bei Einbringungen ohne Anteilsgewähr gemäß § 19 Abs 2 Z 5 UmgrStG, GesRZ 2018, 158 [159] mwN; in diesem Sinn schon Rüffler, Lücken 423): Bei der Einbringung kommt es zu keiner Vermögenseinbuße des übertragenden Alleingesellschafters, da das eingebrachte Vermögen in Höhe seines Verkehrswerts den Beteiligungsansatz an der Tochtergesellschaft erhöht. Es liegt daher nur eine betraglich neutrale Umschichtung des abgehenden Verkehrswerts auf den Beteiligungsansatz der Tochter und somit keine Vermögenseinbuße vor. Ähnlich wird aus steuerrechtlicher Sicht ausgeführt, dass der Einbringende unverändert am eingebrachten Vermögen beteiligt sei, eine Änderung ergebe sich nur in der gesellschaftsrechtlichen Struktur (Umgründungssteuer-Richtlinien 2002, Rz 1062). Insbesondere komme es zu keiner Verschiebung stiller Reserven, weil diese aufgrund der Beteiligung weiter dem Einbringenden zuzurechnen seien (UmgrStRL Rz 1061, 1063; Furherr in Kofler, UmgrStG11 § 19 Rz 81).
[22] (e) Das Fehlen einer Vermögenseinbuße beim Einbringenden schließt es bei der im Anfechtungsrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise von vornherein aus, eine unentgeltliche Zuwendung iSv § 29 Z 1 IO anzunehmen. Denn die Anwendung dieser Bestimmung setzt jedenfalls ein Vermögensopfer des Schuldners voraus (Bartsch/Pollak, Konkursordnung 187). Liegt es nicht vor, stellt sich weder die Frage einer Gegenleistung noch jene der Schenkungsabsicht.
[23] (f) Wohl nur in der Begründung anders ist die Auffassung von König/Trenker (Anfechtung Rz 9.27 FN 1622): Es sei „äußerst genau“ zu prüfen, ob der Einbringende wirklich „uneigennützig“ und nicht doch – zur Wertsteigerung seiner Beteiligung, zur Sanierung seiner Gesellschaft oder aus anderen Gründen – causa societatis handle. Damit verschieben diese Autoren die Prüfung auf die Ebene der Schenkungsabsicht. Selbst wenn man dem folgte, lag hier ein solcher Grund nach den Feststellungen des Erstgerichts vor (Ausgliederung zur Vorbereitung des Einstiegs eines Investors); Freigebigkeit ist nicht einmal ansatzweise zu erkennen. Auch bei Abstellen auf die Absicht des Handelnden wäre daher keine unentgeltliche Verfügung iSv § 29 Z 1 IO anzunehmen.
[24] (g) Entschiede man anders, wäre jede in den letzten zwei Jahren vor Insolvenzeröffnung nach § 19 Abs 2 Z 5 UmgrStG erfolgte Einbringung ohne weitere subjektive Voraussetzungen anfechtbar.
[25] Dafür fehlte eine sachliche Rechtfertigung. Denn wäre dieselbe Einbringung anlässlich einer Gründung oder Kapitalerhöhung (§ 52 GmbHG) erfolgt und daher mit der Übernahme von Stammanteilen verbunden gewesen, bestünde wegen der dann erbrachten Gegenleistung der Gesellschaft kein Zweifel an der Entgeltlichkeit (Trenker, Insolvenzanfechtung gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen [2012] 171; ebenso für das deutsche Recht Gleim, Ist die Übertragung von Vermögensgegenständen [assets] durch eine Gesellschafterin auf ihre [Tochter‑]GmbH nach § 134 InsO anfechtbar? ZIP 2017, 1000 [1003 f]). Die wirtschaftlich in jeder Hinsicht gleichwertige Vorgangsweise nach § 19 Abs 2 Z 5 UmgrStG muss – anders als von Gleim, ZIP 2017, 1004 ff, angenommen – zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs gleich behandelt werden. Ob das auch bei Überschuldung der übernehmenden Gesellschaft gilt, kann hier offen bleiben.
[26] 1.4. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass die Einbringung eines Teilbetriebs in eine Gesellschaft, an der der Einbringende unmittelbar oder mittelbar allein beteiligt ist, den Tatbestand des § 29 Z 1 IO, jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn – wie im hier zu beurteilenden Fall – die übernehmende Gesellschaft nicht überschuldet ist.
[27] 2. Ob die Anfechtung nach § 28 Z 1 IO berechtigt ist, kann nicht abschließend beurteilt werden.
[28] 2.1. Nach dieser Bestimmung sind Rechtshandlungen anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor der Insolvenzeröffnung in der dem anderen Teil bekannten Absicht vorgenommenen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen. Die Anfechtung setzt daher einerseits die (objektive) Benachteiligung der Gläubiger und andererseits die darauf gerichtete Absicht der für den Schuldner handelnden Person – hier also des Ing. H – voraus. Weiters muss diese Absicht dem anderen Teil bekannt sein.
[29] Lag Absicht vor, wäre das letztgenannte Erfordernis hier jedenfalls erfüllt, weil Ing. H die Rechtshandlung als Vertreter beider Teile vorgenommen hat. Sein Bewusstseinsstand ist daher auch der Beklagten zuzurechnen (7 Ob 534/89; König/Trenker, Anfechtung Rz 7.46). Damit spielt die in der Klage ebenfalls erwähnte Anfechtung nach § 28 Z 2 IO (bloßes Kennenmüssen der Benachteiligungsabsicht) keine eigenständige Rolle.
[30] 2.2. Nach der Rechtsprechung trifft den Verwalter die Beweislast für die Gläubigerbenachteiligung nur bei jenen Anfechtungstatbeständen, in denen sie ausdrücklich als Anfechtungserfordernis genannt wird (4 Ob 306/98y SZ 71/210; RIS‑Justiz RS0111465, RS0111464). Daraus wird abgeleitet, dass der Beweis der Nachteiligkeit für die Anwendung von § 28 Z 1 IO nicht erforderlich ist (König/Trenker, Anfechtung Rz 7.50; Rebernig in Konecny, Insolvenzgesetze § 28 IO Rz 10; beide mwN).
[31] Ungeachtet dessen ist schon hier festzuhalten, dass die Einbringung im Einzelfall dazu führen kann, dass Gläubiger der übernehmenden Gesellschaft vorrangig auf das eingebrachte Vermögen zugreifen, was zulasten der Gläubiger des Einbringenden ginge; diesen ist der unmittelbare Zugriff auf die Vermögenswerte verwehrt. Weiters benachteiligt die Einbringung eines Teilbetriebs in eine Gesellschaft im Regelfall auch deswegen die Gläubiger des Einbringenden, weil die exekutive Verwertung eines Geschäftsanteils schwieriger ist als jene von körperlichen Sachen (so ausdrücklich 3 Ob 51/10m; König/Trenker, Anfechtung Rz 5.24 [unter dem Titel Befriedigungstauglichkeit], Trenker, Insolvenzanfechtung 162 ff; ebenso die herrschende Ansicht in Deutschland, Kayser/Freudenberg in MüKo InsO4 § 129 InsO Rz 132).
[32] Zwar könnte sich im Einzelfall auch Gegenteiliges ergeben, was Trenker (Insolvenzanfechtung 166) im – auch hier vorliegenden – Fall der Alleingesellschafterstellung des Einbringenden für möglich hält. Das könnte etwa dann zutreffen, wenn ein Teilbetrieb in ein bereits werbendes Unternehmen eingebracht wird und Synergieeffekte zu einer überproportionalen Erhöhung des Werts dieses Unternehmens (also der übernehmenden Gesellschaft) führen. Bei der Einbringung in eine neu gegründete, bisher nicht geschäftlich tätige Gesellschaft werden dem Wert der eingebrachten Sachen aber regelmäßig zumindest die Gründungskosten gegenüberstehen. In diesem Fall wird jedenfalls der erste Anschein für Nachteiligkeit sprechen.
[33] 2.3. Auf dieser Grundlage ist nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens Gläubigerbenachteiligung anzunehmen. Fraglich ist allerdings die nach § 28 Z 1 IO erforderliche Benachteiligungsabsicht.
[34] (a) Dabei genügt nach ständiger Rechtsprechung bedingter Vorsatz; der Handelnde muss daher die Benachteiligung der Gläubiger (nur) ernstlich für möglich halten und sich damit abfinden (RIS‑Justiz RS0043680; König/Trenker, Anfechtung Rz 7.26; Rebernig in Konecny, Insolvenzgesetze § 28 IO Rz 12; beide mwN). Ob das zutrifft, ist grundsätzlich eine Tatfrage (RIS‑Justiz RS0043680); rechtliche Beurteilung ist nur, ob die festgestellten Vorstellungen des Handelnden als Benachteiligungsabsicht iSd § 28 KO zu werten sind (RIS‑Justiz RS0064178). Die Beweislast trifft den Kläger (RIS‑Justiz RS0064172).
[35] (b) Ob Absicht in diesem Sinn vorliegt, kann nicht abschließend beurteilt werden. Das Erstgericht hat zwar festgestellt, dass die Einbringung des Teilbetriebs der Vorbereitung des Einstiegs eines Investors diente. Das schließt jedoch – vor allem angesichts der bald darauf erfolgten Insolvenzeröffnung – nicht aus, dass Ing. H eine Benachteiligung der Gläubiger der Schuldnerin ernsthaft für möglich hielt und sich damit abfand. Dazu hat das Erstgericht weder eine positive noch eine negative Feststellung getroffen.
[36] 3. Diese Erwägungen führen zur Aufhebung in die erste Instanz.
[37] 3.1. Das Erstgericht wird konkrete Feststellungen zur vom Kläger behaupteten Benachteiligungsabsicht zu treffen haben. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, wie realistisch der Einstieg des Investors noch war und ob aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation der Schuldnerin nicht doch auch die zumindest temporäre Vereitelung von Vollstreckungsmaßnahmen ein (weiteres) Motiv für die Einbringung bildete. Ob dafür eine Ergänzung des Verfahrens erforderlich ist, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen überlassen. Wird Benachteiligungsabsicht (zumindest im Sinn von dolus eventualis) festgestellt, bestünde der Anspruch dem Grunde nach zu Recht.
[38] 3.2. Zur Klarstellung ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass sich zwar eine mittelbare Benachteiligung der Gläubiger auch daraus ergeben könnte, dass die Schuldnerin den Geschäftsanteil an der Beklagten später an eine ungarische Gesellschaft übertrug. Sowohl die Benachteiligungsabsicht als auch deren Kenntnis müssen aber im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung – hier also der Einbringung – vorliegen (RIS‑Justiz RS0064273; König/Trenker, Anfechtung Rz 7.26; Rebernig in Konecny, Insolvenzgesetze § 28 IO Rz 21, 27; beide mwN). Angesichts der zeitlichen Abfolge ist es kaum vorstellbar, dass Ing. H zu diesem Zeitpunkt, also noch vor dem ersten Insolvenzverfahren, schon den nach dessen Aufhebung erfolgten Verkauf und dessen allenfalls nachteilige Folgen für die Gläubiger bedacht haben könnte.
[39] 3.3. Sollte Benachteiligungsabsicht nicht erweisbar sei, wäre zu prüfen, ob – wie vom Klägerbehauptet – ein über das erste Insolvenzverfahren hinausreichendes konstitutives Anerkenntnis vorliegt. Auch dazu fehlen bisher die erforderlichen Feststellungen.
[40] 4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.
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