OGH 3Ob51/10m

OGH3Ob51/10m26.5.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.‑Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. D***** M*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Ing. H***** K*****, AZ 15 S 41/08h des Bezirksgerichts Vöcklabruck, gegen die beklagte Partei H***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Rudolf Franzmayr, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen 17.500 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 18. November 2009, GZ 22 R 293/09h‑15, womit das Urteil des Bezirksgerichts Vöcklabruck vom 4. August 2009, GZ 19 C 647/08d‑11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.117,08 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 186,18 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Am 18. Juli 2008 eröffnete das Erstgericht das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des einzigen Gesellschafters und Geschäftsführers der Beklagten, einer Gesellschaft mbH. Der Kläger wurde zum Masseverwalter bestellt.

Mit am 12. Dezember 2007 zugestellten und unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Beschluss des Landesgerichts Wels vom 24. Oktober 2007, wurde der Schuldner verpflichtet, seiner geschiedenen Ehegattin eine Ausgleichszahlung von 56.600 EUR zu zahlen, zuzüglich insgesamt 14.615,08 EUR Verfahrenskosten.

Im Jänner 2008 verkaufte der Schuldner seinen PKW und leistete mit dem hiebei erzielten Kaufpreis von 17.500 EUR den noch offenen Teil der von ihm übernommenen Stammeinlage der Beklagten in gleicher Höhe gemäß dem von ihm gefassten Beschluss vom 7. Februar 2008 zur notwendigen Verbesserung der Liquidität des Unternehmens und aufgrund der schlechten Bilanzergebnisse der letzten Jahre. Am 19. Februar 2008 überwies er 17.500 EUR auf das Geschäftskonto der Beklagten, welches bis dahin mit 13.000 EUR überzogen war. Zu diesem Zeitpunkt war er als Privatperson bereits zahlungsunfähig. Bei Unterbleiben der Überweisung wäre die Beklagte zahlungsunfähig geworden, weil für die nächsten zwei bis drei Monate kein Zahlungseingang auf dem Geschäftskonto zu erwarten war.

Der Schuldner hatte damals nur eine weitere Gläubigerin, nämlich seine geschiedene Ehegattin, der er die genannte Ausgleichszahlung schuldete. Die Beklagte bildete damals die einzige Erwerbsquelle des Schuldners. Wegen der wirtschaftlichen Notwendigkeit erschien ihm die Zahlung an die Beklagte wichtiger als die Zahlung an seine geschiedene Ehegattin. Überdies ging er davon aus, gegenüber ihr eine Gegenforderung von 31.424,64 EUR zu haben.

Der Kläger focht die Zahlung des Schuldners an die Beklagte von 17.500 EUR mit dem Vorbringen an, der Schuldner sei zum Zahlungszeitpunkt, innerhalb von sechs Monaten vor Konkurseröffnung, bereits zahlungsunfähig gewesen. Die Beklagte sei durch diese Rechtshandlung vor allen anderen Gläubigern des Schuldners begünstigt worden. Die Rechtshandlung sei überdies in der der Beklagten bekannten Absicht vorgenommen worden, die übrigen Gläubiger zu benachteiligen.

Die Beklagte wendete ein, die Einzahlung der offenen Stammeinlage sei aus wirtschaftlichen Gründen unbedingt erforderlich gewesen, weil die Bank gedroht habe, keinen weiteren Kredit zu gewähren, was die Zahlungsunfähigkeit der Beklagten zur Folge gehabt hätte. Gemäß § 25 GmbHG sei der Schuldner als Geschäftsführer der Gesellschaft ihr gegenüber verpflichtet gewesen, sorgfältig zu handeln und überdies zum Ersatz verpflichtet, wenn entgegen den Vorschriften des GmbHG und des Gesellschaftsvertrags Gesellschaftsvermögen verteilt werde, namentlich Stammeinlagen oder Nachschüsse an Gesellschafter gänzlich oder teilweise zurückgegeben würden, wie dies der Fall wäre, wenn die einbezahlte Stammeinlage an die Konkursmasse des Schuldners zurückbezahlt würde. Es sei daher der Beklagten die Rückzahlung der Stammeinlage verwehrt. Auf die Einzahlung der Stammeinlage seien die Anfechtungsbestimmungen der KO nicht anzuwenden. Eine Rückzahlung der Stammeinlage sei aufgrund der derzeit bestehenden schlechten wirtschaftlichen Situation der Beklagten sowohl aus Sicht ihres Gesellschafters als auch objektiv wirtschaftlich nicht vertretbar und würde die Beklagte in ernsthafte wirtschaftliche Probleme (Insolvenzgefahr) bringen. Überdies würde sie zu einer weiteren Konkursforderung der Beklagten gegenüber dem Schuldner führen.

Das Erstgericht gab dem Anfechtungsbegehren statt. Die Anfechtungsvoraussetzungen des § 31 KO seien erfüllt (für die Gläubiger nachteiliges Rechtsgeschäft, Zahlungsunfähigkeit dem anderen Teil bekannt und Rechtshandlung innerhalb der letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung). Der Umstand, dass den Schuldner gegenüber der Beklagten Verpflichtungen getroffen haben, ändere nichts an der Anwendbarkeit des § 31 KO, zumal dies auch auf die Forderung der anderen Gläubigerin des Schuldners zugetroffen habe.

Das Berufungsgericht bestätigte die Klagestattgebung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung dazu fehle, ob von der Gesellschaft der gesellschaftsrechtliche Grundsatz der Kapitalerhaltung dem aus der Anfechtung einer Einlageleistung nach den §§ 28 ff KO resultierenden Leistungsanspruch des Masseverwalters entgegengehalten werden könne.

Gemäß § 31 Abs 1 Z 2 und Abs 4 KO seien nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach dem Antrag auf Konkurseröffnung vorgenommene Rechtshandlungen, durch die ein anderer Konkursgläubiger Sicherstellung oder Befriedigung erlange, und alle vom Gemeinschuldner mit anderen Personen eingegangenen, für die Gläubiger nachteiligen Rechtsgeschäfte anfechtbar, wenn dem anderen Teil die Zahlungsunfähigkeit oder der Eröffnungsantrag bekannt gewesen sei oder bekannt sein habe müssen und die anfechtbare Rechtshandlung nicht früher als sechs Monate vor Konkurseröffnung vorgenommen worden sei. Gemäß § 30 Abs 1 Z 3 und Abs 2 KO sei eine nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit vorgenommene Sicherstellung oder Befriedigung eines Gläubigers anfechtbar, wenn sie zu Gunsten anderer als naher Angehöriger vorgenommen worden sei, diesem die Absicht des Gemeinschuldners, sie vor den anderen Gläubigern zu begünstigen, bekannt gewesen sei oder bekannt habe sein müssen und die Begünstigung nicht früher als ein Jahr vor der Konkurseröffnung stattgefunden habe. Jede Anfechtung setze sowohl Befriedigungstauglichkeit als auch Gläubigerbenachteiligung voraus, wobei Befriedigungstauglichkeit hier unstrittig gegeben sei. Leiste eine natürliche oder juristische Person eine Einlage in das Vermögen einer Kapitalgesellschaft, stehe den Gläubigern des Gesellschafters als Exekutionsobjekt nicht mehr der Leistungsgegenstand, sondern ausschließlich der Geschäftsanteil des Gesellschafters zur Verfügung, dessen Wert im Anspruch auf den Bilanzgewinn und den Liquidationserlös bestehe. Das Versprechen und die nachfolgende Leistung einer Einlage in das Vermögen einer Kapitalgesellschaft führe geradezu typischerweise zur Schmälerung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger des Gesellschafters, wenn der Wert der von der Gesellschaft erbrachten Leistung den Wert der Leistung des Schuldners erheblich unterschreite und/oder der an die Stelle der als Einlage hingegebenen Sachen tretende Geschäftsanteil des Gesellschafters ungleich schwerer verwertbar sei, wie dies bei einer in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindlichen Kapitalgesellschaft wie in diesem Fall offenkundig sei.

Die §§ 30, 31 KO wollten die objektive Begünstigung eines Gläubigers durch Befriedigung oder Sicherstellung verhindern; sie sollen dazu dienen, die Gleichbehandlung der Gläubiger zu sichern. Der Anfechtungserfolg solle die Konkursmasse so stellen, als ob der Konkurs schon bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit eröffnet worden wäre. Dem entsprechend soll ein Gläubiger jene Zahlung oder Sicherstellung, die er von seinem Schuldner nach Eintritt der Insolvenzvoraussetzungen, aber noch vor Einleitung des Konkursverfahrens erlangt habe, das die gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger sicherstellen solle, wieder in den der Befriedigung aller Gläubiger dienenden Fonds zurückstellen.

Wegen der auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung bestünden im Recht der Kapitalgesellschaften strikte Regeln für die Kapitalaufbringung und ‑erhaltung. Die Gesellschafter haben nur Anspruch auf den Bilanzgewinn; jede andere Leistung aus dem Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter sei verboten und bewirke einen Rückforderungsanspruch der Gesellschaft. Der daraus resultierende Interessenkonflikt zwischen den Gläubigern des Gesellschafters und den Gläubigern der Gesellschaft sei evident. Der Entzug von Vermögen der Gesellschaft zur Wiederherstellung des Befriedigungsfonds der Gläubiger des Gesellschafters beeinträchtige gleichzeitig den Befriedigungsfonds und damit auch die Interessen der Gläubiger der Gesellschaft. Aus dieser Vermögensbindung dürfe aber nicht abgeleitet werden, dass die einbezahlte Stammeinlage in jedem Fall einer Auszahlungssperre unterliegen würde. Die gegenüber dem Gesellschafter bestehende Auszahlungssperre greife nämlich dort nicht, wo die Rückzahlung auf insolvenzrechtliche Bestimmungen gestützt werde. Ihr Zweck sei nicht die Rückführung der Zahlung in das Vermögen des Gesellschafters, sondern die Befriedigung seiner Gläubiger. Das Verbot der Einlagenrückgewähr hindere den Masseverwalter daher nicht an der Anfechtung der Einlagenleistung.

Die anfechtbare Zahlung könne nicht als Erfüllung beurteilt werden, es handle sich in Wahrheit um eine bloße Scheinzahlung. Durch eine anfechtbare Einlageleistung eines Gesellschafters werde auch nicht die freie Verfügung der Geschäftsführer über die geleistete Einlage erwirkt. Die Rückerstattung der Einlage als Folge der Konkursanfechtung führe damit lediglich dazu, dass der Schuldner seine Einlageschuld der Gesellschaft gegenüber nicht erfüllt habe. Mit der erfolgreichen Anfechtung der bloß anfechtbar getilgten Forderung lebe diese wieder auf. Die Gesellschaft, an die die Einlage erbracht worden sei und die sie nunmehr wieder zurückzuzahlen habe, habe ihrerseits die Möglichkeit, die Deckungslücke in der Kapitalaufbringung mit Hilfe des Kaduzierungsverfahrens gemäß § 66 GmbHG sowie mit der Deckungshaftung nach § 70 GmbHG zu schließen. Das Erfordernis eines Kaduzierungsverfahrens bestehe auch im Fall des Konkurses des Gesellschafters. In diesem haben Aufforderung und Erklärung an dessen Masseverwalter zu ergehen. Das Kaduzierungsverfahren sei schließlich auch dann zulässig, wenn die GmbH nur einen einzigen Gesellschafter habe. Das Schicksal der GmbH ‑ die Einleitung und Durchführung des Kaduzierungsverfahrens führe bei der Einmann‑Gesellschaft zur deren Auflösung ‑ sei von der Zulässigkeit der Anfechtung und Rückzahlung der Einlage bei erfolgreicher Anfechtung zu trennen, die anfechtbare Einzahlung des Alleingesellschafters sei als Scheinzahlung keine Erfüllung der Verbindlichkeit, woran auch der Umstand nichts ändere, dass hier eine subsidiäre Ausfallshaftung der übrigen Gesellschafter für den von der Gesellschaft an den Masseverwalter zurückgestellten Betrag nach § 70 Abs 1 GmbHG nicht zum Tragen kommen könne.

Im vorliegenden Fall sei auch der Anfechtungstatbestand des § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall erfüllt, weil der Schuldner nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit den noch offenen Teil der übernommenen Stammeinlage einbezahlt habe, die Beklagte durch diese als Rechtshandlung zu wertende Einlageleistung als Konkursgläubigerin des späteren Gemeinschuldners Befriedigung erlangt habe ‑ die Forderung der GmbH auf Leistung der ausständigen Zahlung auf die Stammeinlage sei keine im Konkursverfahren bevorrechtete Forderung, sondern als Konkursforderung anzumelden ‑, dem Schuldner als alleinigen Geschäftsführer der Beklagten und damit auch der Beklagten selbst sei die Zahlungsunfähigkeit bekannt gewesen und die Rechtshandlung sei innerhalb der letzten sechs Monate vor der Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens gesetzt worden. Auch die Voraussetzungen für eine Anfechtung wegen subjektiver Begünstigung nach § 30 Abs 1 Z 3 KO seien erfüllt, weil der Schuldner bei der von ihm nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit vorgenommenen Befriedigung der Beklagten auch mit der Absicht gehandelt habe, diese vor seiner weiteren Gläubigerin zu begünstigen, was der Beklagten (zwangsläufig infolge Identität von Begünstiger und Organ der Begünstigten) bekannt gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Anfechtungsklage anstrebt, ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Zu der auch noch in dritter Instanz in diesem Verfahren strittig gebliebenen Frage, ob die Regeln für die Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung im Recht der Kapitalgesellschaften dem Anfechtungsrecht des Masseverwalters im Insolvenzverfahren des Gesellschafters entgegengehalten werden können, schließt sich der Oberste Gerichtshof der zutreffenden Auffassung des Berufungsgerichts an.

Die in der Lehre (im Anschluss an die überwiegende deutsche Lehre und Rsp) auch in Österreich überwiegend vertretene Meinung löst das Spannungsverhältnis zwischen den Kapitalerhaltungsvorschriften und den Regeln der Konkursanfechtung in Richtung eines Vorrangs letzterer. Die Möglichkeit der Konkurs‑ bzw Gläubigeranfechtung wird somit anerkannt. Das Verbot der Einlagenrückgewähr betreffe das Verhältnis der Gesellschaft und ihrer Gläubiger zum Gesellschafter, während es bei der Anfechtung um Interessen Dritter gehe. Dritte und somit auch Gläubiger des Gesellschafters seien aber grundsätzlich nicht, sondern vielmehr nur in Aufnahmefällen von den Kapitalerhaltungsregeln erfasst. Die Schranke der Kapitalerhaltung greift nur für unmittelbare oder mittelbare Vermögensleistungen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter ein, die auf dem Gesellschaftsvertrag beruhen. Stützt sich hingegen die Zahlung auf einen anderen Titel, so ist ein Kapitalfluss von der Gesellschaft an den Gesellschafter oder ihm nahe stehende Personen jedenfalls zulässig ( Kalss/Eckert in Kodek/Konecny , Insolvenz‑Forum 2007, 83 mwN, insb auch zur deutschen Lehre und Rsp). Die Regeln der Kapitalerhaltung gelten also nicht unbeschränkt, sondern betreffen nur das Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft. Es sind die Gesellschafter, die durch das Prinzip der beschränkten Haftung privilegiert werden und nur sie müssen sich im Interesse des Rechtsverkehrs an ihren Beitrittsversprechen unter Verpflichtung zur Kapitalaufbringung und -erhaltung festhalten lassen. Bei der Anfechtung geht es aber nicht um den Gesellschafter, sondern um Gläubiger, denen in keiner Weise gesellschaftsvertragliche Pflichten ihres Schuldners zuzurechnen sind ( König in Kodek/Konecny , Insolvenz‑Forum 2007 145 f mwN, vgl auch ders , Anfechtung 4 Rz 2/26 mwN). Der Rechtserwerb der GmbH aus der anfechtbaren Einlageleistung hat im Verhältnis zum Masseverwalter oder zum Gläubiger deshalb keinen Bestand, weil sich die GmbH kraft tatsächlicher oder vermuteter Kenntnis von der Benachteiligungsabsicht des Schuldners (einbringenden Gesellschafters) diese zurechnen lassen muss. Die Folge einer zulässigen Konkursanfechtung liegt darin, dass die anfechtbare oder angefochtene Einlageleistung eines Gesellschafters keine Erfüllungswirkung hat, und es wird daher auch nicht die freie Verfügung des Geschäftsführers nach § 10 GmbHG erwirkt. Die Gesellschaft, an die die Einlage erbracht wird und die nunmehr wieder zurückzuzahlen ist, hat die Möglichkeit, die Deckungslücke in der Kapitalaufbringung mit Hilfe eines Kaduzierungsverfahrens gemäß § 66 GmbHG zu schließen. Da die Einlage zurückgezahlt wird, wird sie somit als nicht rechtzeitig erbracht qualifiziert, was die Gesellschaft berechtigt, das Kaduzierungsverfahren mit dem im § 66 GmbHG vorgesehenen Prozedere einzuleiten ( Kalss / Eckert aaO mwN). Aus den nachfolgenden Rechtsfolgen für die Gesellschaft, insbesondere dann, wenn die Einlageleistung des einzigen Gesellschafters angefochten wird, darf nicht auf die Unzulässigkeit der Anfechtung und Rückzahlung der Einlage geschlossen werden ( Kalss/Eckert aaO 84).

Zum Vorrang des Anfechtungsrechts gegenüber den Kapitalerhaltungsvorschriften bei der GmbH bekennen sich auch Rebernig (in Konecny/Schubert , Komm zu den Insolvenzgesetzen Rz 37 zu § 27 KO mwN) und Rebernig/Schmitzberger (in GeS 2009, 184 mwN).

Die gegenteilige Auffassung vertritt (zum Sonderfall eines eigenkapitalersetzenden Darlehens, vgl aber hiezu auch Dellinger , Konkursanfechtung als Korrektiv des Eigenkapitalersatzrechts in der Konzerninsolvenz, ZIK 1996, 149 ff) lediglich Karollus (ohne eigene Begründung in Kapitalersetzende Leistungen, jüngste Entwicklungen und Zukunftsperspektiven, ÖBA 1997, 105 [112, FN 62], wo er sich auf Ulmer in Hachenburg , GmbHG 8 § 2 Rn 134 f beruft, welcher aber inzwischen der hM beigetreten ist [in Ulmer/Habersack/Winter , GmbHG § 2 Rn 134 ff]).

Die deutsche Rsp gewährt dem Anfechtungsrecht gegenüber den Kapitalerhaltungsregeln seit langem Vorrang. Der schuldrechtliche Anfechtungsanspruch, der darauf gerichtet sei, den in anfechtbarer Weise weggebenen Vermögensteil wieder dem Schuldnervermögen zuzuordnen und damit die Gläubigerbenachteiligung rückgängig zu machen, stelle weder den Bestand der GmbH noch den Beitritt des Gesellschafters unmittelbar in Frage. Nach Rückgewähr des anfechtbar eingebrachten Gegenstands müsse die Gesellschaft gegen den Gesellschafter wegen der nunmehr fehlenden Stammeinlage vorgehen. Ein Vorrang des Grundsatzes der Kapitalerhaltung könnte Schuldner dazu verlocken, ihr Vermögen vor dem Zugriff ihrer Gläubiger durch Einbringung in eine GmbH in Sicherheit zu bringen (BGH IX ZR 153/93 = NJW 1995, 659 mwN).

Die von der Revisionswerberin gegen die Auffassung der Vorinstanzen ins Treffen geführten Argumente vermögen nicht zu überzeugen.

Aus dem Schweigen des Gesetzgebers zur möglichen Kollision der Kapitalerhaltungsvorschriften einerseits und dem Anfechtungsrecht andererseits, etwa im Zusammenhang mit der Zulassung der Gründung von Ein‑Personen‑Gesellschaften, lässt sich mangels erkennbaren Problembewusstseins nichts ableiten.

Das Bestehen von Anfechtungsmöglichkeiten schafft generell für die Dauer der jeweiligen Anfechtungsfrist eine gewisse Rechtsunsicherheit, welche aber im Interesse der Gläubigergleichbehandlung in Kauf zu nehmen ist. Die Revisionswerberin vermag nicht darzulegen, warum dieser allgemein vorhandene „Nachteil“ des Anfechtungsrechts gerade in diesem Fall zum Ausschluss der Anfechtung führen soll.

Das Argument, bei der Ein‑Personen‑GmbH stünde dem Kaduzierungsverfahren mangels Vorhandenseins mehrerer Gesellschafter von vornherein ein Hindernis entgegen, weshalb nicht auf diese Möglichkeit der Schließung der Deckungslücke in der Kapitalaufbringung verwiesen werden dürfe, überzeugt nicht. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass das Kaduzierungsverfahren auch dann zulässig ist, wenn die GmbH nur einen einzigen Gesellschafter hat (8 Ob 277/00v = SZ 73/210 mwN).

Wenn die Beklagte einwendet, der vorliegend zu beurteilenden Anfechtung fehle die stets erforderliche Befriedigungstauglichkeit, ist ihr entgegenzuhalten, dass weder neues Tatsachenvorbringen noch neue Einreden rechtlicher Natur in dritter Instanz vorgebracht werden dürfen, wenn die diese begründenden Tatsachen im erstinstanzlichen Verfahren nicht erörtert wurden (RIS‑Justiz RS0042025, RS0016473 und RS0043575). Die Befriedigungstauglichkeit der vom Kläger verfolgten Anfechtung war im erstinstanzlichen Verfahren offensichtlich unstrittig. Ausgehend vom Beklagtenvorbringen, wonach eine Rückzahlung der Stammeinlage aufgrund der bestehenden schlechten wirtschaftlichen Situation der Beklagten sowohl aus Sicht ihres Gesellschafters als auch objektiv wirtschaftlich nicht vertretbar wäre und die Beklagte in ernsthafte wirtschaftliche Probleme, verbunden mit einer ernsthaften Insolvenzgefahr, bringen würde, liegt sie geradezu auf der Hand.

Die Revision releviert fehlende Befriedigungstauglichkeit (gemeint wohl auch im Sinne fehlender Gläubigerbenachteiligung), weil mit der Rückzahlung der Einlage an die Masse dieser dann nur mehr ein wertgeminderter Geschäftsanteil des Gemeinschuldners verbleibt. Dass die Gläubigerbenachteiligung, also für die hier vorgenommene Anfechtung nach den §§ 30, 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO allgemeine Anfechtungsvoraussetzung, fehlt, hat der Anfechtungsgegner zu behaupten und zu beweisen ( Rebernig aaO, Rz 83 zu § 27 KO mwN). Im Verfahren erster Instanz hat die Beklagte nur behauptet, dass die Bank angedroht habe, die Kreditlinie zu sperren, was Zahlungsunfähigkeit zur Folge gehabt hätte. Die Einlagezahlung wäre also notwendig gewesen. Keine Behauptung wurde aufgestellt, dass der Geschäftsanteil gleich oder mehr wert wäre als die angefochtenen 17.500 EUR und dass der Geschäftsanteil leicht verwertbar wäre. Letzteres ist keinesfalls der Fall, weil das Kaduzierungsverfahren und ein allfälliger Verkauf des Geschäftsanteils (§ 76 GmbHG) jedenfalls aber eine Erschwerung (Verzögerung) der Zugriffsmöglichkeiten der Gläubiger bedeutet, also aus diesem Grund Gläubigerbenachteiligung bejaht werden kann (vgl RIS‑Justiz RS0050591; Rebernig aaO, Rz 64 und 66 zu § 27 KO mwN).

Es ist daher festzuhalten: Gegenüber der Anfechtung der Einlagenleistung des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft durch den Masseverwalter im Insolvenzverfahren des Gesellschafters kann sich die Gesellschaft nicht auf die Kapitalerhaltungsregeln, insbesondere das Verbot der Einlagenrückgewähr, berufen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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