European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00008.24A.0515.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Sexualdelikte
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – Mag. G* H* des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I./) und des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde relevant – am 6. September 2022 in S* B* H*
I./ mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie aufs Bett stieß, ihr die Unterhose herunterriss, ihre Hände packte und festhielt und trotz ihrer heftigen Gegenwehr mehrere Finger in ihre Vagina und ihren Anus einführte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider verfiel der in der Hauptverhandlung gestellte Antrag auf „Verlesung der Beilage“ in Form der fachlichen Stellungnahme der Familien- und Jugendgerichtshilfe (ON 51.5, 34) mangels Bezeichnung eines Beweisthemas zu Recht der Abweisung (§ 55 Abs 1 zweiter Satz StPO; RIS‑Justiz RS0099301).
[5] Das nachträglich dazu im Rechtsmittel erstattete Vorbringen ist unbeachtlich, weil die Antragsberechtigung stets auf den Antragszeitpunkt bezogen zu prüfen ist (RIS‑Justiz RS0099132 [T6], RS0099618).
[6] Die Mängelrüge bekämpft mit dem Einwand von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zwar nominell die Feststellungen zum diesbezüglichen objektiven und subjektiven Tatgeschehen (US 7 f), wendet sich aber inhaltlich ausschließlich gegen die Annahme der Glaubwürdigkeit der Belastungszeugen, auf deren Aussagen das Erstgericht diese Konstatierungen stützte.
[7] Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen kann unter dem Aspekt der Unvollständigkeit mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Der Bezugspunkt besteht dabei aber nicht in der Sachverhaltsannahme der Überzeugungskraft von Aussagen, sondern ausschließlich in den Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (RIS‑Justiz RS0106268 [T9], RS0119422 [T4]).
[8] Diesen Bezugspunkt verfehlt die Rüge, indem sie zunächst auf – unerhebliche Details des Tatgeschehens betreffende (siehe RIS-Justiz RS0117499 [T6]) – angebliche Widersprüche in den Aussagen des Opfers, das entgegen der Beschwerde neben S* H* belastende Angaben machte, hinweist, sodann ins Treffen führt, dass eine zerrisse Unterhose in den Deponaten der Zeugen S* H* und G* H* unerwähnt geblieben sei, S* H* vier Wochen nach seiner Vernehmung vom Opfer eine Eigentumswohnung geschenkt bekommen habe, dieses Einfluss auf sein Aussageverhalten geübt habe, der Angeklagte seinem Stiefsohn gegenüber nur von einer vaginalen (und nicht auch analen) Penetration gesprochen habe, das Opfer die Vergewaltigung weder in nach der Tat verfassten E‑Mails samt Verletzungsfotos noch in einer den Vorfall betreffenden Chatnachricht erwähnt habe und letztlich nur einen Tag danach Urlaubspläne mit ihrem außerehelichen Partner verfolgt habe. Der Beschwerdeführer legt insgesamt nicht dar, inwieweit diese Umstände von erheblicher Bedeutung für die Feststellung entscheidender Tatsachen sein sollten.
[9] Soweit die Rüge daraus und anhand einer eigenen Bewertung von Verfahrensergebnissen, wie etwa Spekulationen zur Manipulation eines Fotos über eine zerrissene Unterhose, den Feststellungen des Schöffengerichts entgegengesetzte Schlussfolgerungen einfordert, erschöpft sie sich in einem Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
[11] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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