OGH 14Os71/15w

OGH14Os71/15w4.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. August 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Zonsics in der Strafsache gegen Novica S***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Geschworenengericht vom 20. Mai 2015, GZ 13 Hv 46/15f-28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0140OS00071.15W.0804.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Novica S***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB (I), zweier Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 und Z 3 StGB (II), zu II/1 auch nach § 15 StGB, sowie des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (III) schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er am 6. März 2015 in L*****

(I) Milos P***** vorsätzlich zu töten versucht, indem er mit einem Messer mit einer spitz zulaufenden, scharf geschliffenen, etwa 15 cm langen Klinge zwei Mal wuchtige Stichbewegungen gezielt gegen dessen Brustkorb und Oberkörper ausführte und dabei schrie, dass er ihn erstechen bzw schlachten werde, wobei er den Genannten lediglich deshalb verfehlte, weil dieser den Messerstichen aufgrund seiner äußerst athletischen Fähigkeiten auszuweichen und in das angrenzende Zimmer und in weiterer Folge aus der Wohnung zu flüchten vermochte;

(II) seine Tochter Zaklina S***** durch gefährliche Drohung mit ihrem und dem Tod einer Sympathieperson (1 und 2) und durch Gewalt (2) zu einer Handlung und Unterlassung genötigt (2) und zu nötigen versucht (1), die besonders wichtige Interessen der Genötigten verletzte, und zwar

1) zum Beenden ihrer Liebesbeziehung zu Milos P*****, indem er ihr nur wenige Minuten vor der zu (I) dargestellten Tat eine Nachricht folgenden Inhalts übermittelte: „Okay, Nur dass ich vom Arzt zurück komme, ich werde ihn erstechen, jetzt reicht es mit allem“,

2) zur Abstandnahme davon, ihn zurückzuhalten und ihn daran zu hindern, ihren Lebensgefährten Milos P***** mit erhobenem Messer zu verfolgen und durch Versetzen von Messerstichen zu töten, indem er sie im Zuge der unter Punkt (I) dargestellten Tat zunächst rücklings gegen eine Mauer und eine Tür stieß, ihr die Messerspitze gegen den Hals und den oberen Brustkorbbereich hielt und dabei äußerte: „Du hast mir nichts zu sagen. Willst du, dass ich dich ersteche?“;

(III) Zaklina S***** durch die unter II/2 dargestellte Tat vorsätzlich am Körper verletzt (Hämatom und Schürfwunde).

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4 und 10a des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Die Verfahrensrüge (Z 4) erblickt Nichtigkeit ausschließlich in dem Umstand, dass die Zeugin Zaklina S***** nicht zur Hauptverhandlung geladen wurde. Die Verletzung einer der in § 345 Abs 1 Z 4 StPO taxativ aufgezählten oder in (nach Inkrafttreten der StPO erlassenen) Nebengesetzen enthaltenen, ausdrücklich bei sonstiger Nichtigkeit zu beobachtenden Bestimmungen, die nach ständiger Rechtsprechung alleine den in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrund darstellen würde (RIS-Justiz RS0099118, RS0099128, RS0099088; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 193), wird damit nicht deutlich und bestimmt geltend gemacht.

Unter dem Aspekt einer Aufklärungsrüge (Z 10a; vgl dazu Ratz , WK-StPO § 281 Rz 477 ff) kommt dem Vorbringen ebensowenig Berechtigung zu, weil der Beschwerdeführer nicht darlegt,

wodurch er an der Ausübung seines Rechtes, die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen,

gehindert war (RIS-Justiz RS0114036, RS0115823).

Im Übrigen hat die Zeugin im Ermittlungsverfahren anlässlich ihrer ‑ in Anwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers durchgeführten ‑ Befragung im Rahmen der Tatrekonstruktion (§ 149 Abs 1 Z 2 StPO) ausdrücklich auf ihre Befreiung von der Aussagepflicht nach § 156 Abs 1 Z 1 StPO verzichtet und im Anschluss an die Vernehmung erklärt, „in Hinkunft ... zum verfahrensgegenständlichen Sachverhalt … keine Aussage mehr erstatten“ zu wollen (ON 6 AS 4 und 9), womit auch die gesetzlichen Voraussetzungen zur Vorführung der Ton- und Bildaufnahmen und zur Verlesung des Protokolls über ihre Vernehmung in der Hauptverhandlung vorlagen (§ 252 Abs 1 Z 2a StPO [vgl RIS‑Justiz RS0110798]).

Dem Beschwerdestandpunkt zuwider kann nämlich die ‑ an keine besonderen Förmlichkeiten gebundene ‑ Erklärung eines Zeugen, von dem ihm zustehenden Aussageverweigerungsrecht Gebrauch zu machen, schon vor der Hauptverhandlung wirksam abgegeben werden. Nur in den - hier gerade nicht vorliegenden - Fällen, dass das Gericht, dem alleine diese Beurteilung obliegt (RIS‑Justiz RS0111315; Kirchbacher , WK-StPO § 252 Rz 74), die Erklärung für nicht unmissverständlich, unbedenklich oder endgültig erachtet oder dass in einem ‑ hier gar nicht gestellten ‑ Antrag auf (neuerliche) Vernehmung des Zeugen Anhaltspunkte vorgebracht werden, welche dessen nunmehrige Aussagebereitschaft plausibel erscheinen lassen, hat die Abklärung der Aussagebereitschaft nach § 248 Abs 1 erster Satz StPO ‑ gegebenenfalls nach § 250 Abs 3 StPO ‑ in der Hauptverhandlung zu erfolgen (RIS-Justiz RS0117928, RS0121344).

Mit dem Hinweis auf Passagen aus der Verantwortung des Beschwerdeführers, aus denen die Tatsachenrüge (Z 10a) dessen „offenkundige Intention …, das harmonische Familienleben, insbesondere die Beziehung zu seiner Tochter und seinen Enkelkindern aufrecht zu halten“, ableitet, die „mit der Annahme eines versuchten Mordes … nicht vereinbar“ sei, gelingt es ihr nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§§ 344, 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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