OGH 14Os22/18v

OGH14Os22/18v6.3.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. März 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Albu als Schriftführer in der Strafsache gegen Dragutin S***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 6. Dezember 2017, GZ 11 Hv 119/17m‑40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00022.18V.0306.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dragutin S***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (1) und des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28a Abs 1 zweiter Fall SMG (2) schuldig erkannt.

Danach hat er in S***** und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift

1/ in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge ein- und ausgeführt, indem er von Dezember 2016 bis zum 9. August 2017 wiederholt insgesamt 12.730 Gramm Cannabiskraut (1.464 Gramm Delta‑9‑THC), 170 Gramm Kokain (144 Gramm Reinsubstanz) und 160 Gramm Heroin (6,5 Gramm Diacetylmorphin) von Slowenien nach Österreich importierte und davon 11.700 Gramm Cannabiskraut, 150 Gramm Kokain und 150 Gramm Heroin weiter in die Bundesrepublik Deutschland ausführte;

2/ am 9. August 2017 1.030 Gramm Cannabiskraut (120 Gramm Delta‑9‑THC), 20 Gramm Kokain (17 Gramm Reinsubstanz) und 10 Gramm Heroin (0,4 Gramm Diacetylmorphin) mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er das Suchtgift zum Zweck der Auslieferung an seine Abnehmer in der Karosserie seines Pkw versteckt mit sich führte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 5a, 9 lit a, 10 und 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Der Antwort auf die Mängelrüge ist voranzustellen, dass diese sich größtenteils in einer unzulässigen Kritik an den beweiswürdigenden Erwägungen zu den vom Beschwerdeführer ein- und ausgeführten Suchtgiftmengen sowie seinen darauf gerichteten Vorsatz erschöpft. Soweit davon abgesehen in Z 5 genannte Nichtigkeitskategorien deutlich und bestimmt angesprochen werden ist im Einzelnen zu erwidern:

Die Ableitung der Feststellung zur Qualität des Suchtgifts bei sämtlichen Lieferungen aus dem Reinheitsgehalt der am 9. August 2017 sichergestellten Teilmenge ist nicht widersprüchlich (Z 5 dritter Fall). Die Tatrichter verwiesen nämlich auf die Verantwortung des Beschwerdeführers, sein (stets gleicher) Abnehmer habe sich nur bei der ersten von insgesamt 26 Lieferungen (keineswegs bei mehreren wie die Rüge behauptet) über die mangelnde Qualität des Cannabiskrauts beschwert, danach nicht mehr (US 7). Die Annahme gleichbleibenden Reinheitsgehalts verstößt davon ausgehend nicht gegen die Gesetze folgerichtigen Denkens oder grundlegende Erfahrungssätze (RIS-Justiz RS0117402). Eine allenfalls niedrigere Qualität (nur) bei der ersten Lieferung wäre mit Blick auf die Konstatierungen zu den ansonsten transportierten Suchgiftmengen und zum Vorsatz des Beschwerdeführers für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage nicht entscheidend.

Weshalb die Feststellung, der Beschwerdeführer habe aus finanzieller Not nach seiner Haftentlassung dem Vorschlag, Suchtgift von Slowenien nach Deutschland zu transportieren, zugestimmt (US 3), mit den Konstatierungen zu einem (von vornherein) auf Tatbildverwirklichung in Teilmengen, die kontinuierliche Tatbegehung über einen längeren Zeitraum, den daran geknüpften Additionseffekt und die Überschreitung der 25-fachen Grenzmenge gerichteten Vorsatz (nach den zuvor genannten Kriterien) im Widerspruch stehen soll, macht das weitere Vorbringen nicht klar. Im Übrigen schmuggelte der Beschwerdeführer nach dem Urteilssachverhalt ohnehin bei jeder einzelnen Fahrt ein die Grenzmenge übersteigendes Suchtgiftquantum (US 3 f), sodass die Subsumtion nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG hier einen sogenannten „Additionsvorsatz“ gar nicht voraussetzt.

Der Einwand von Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) behauptet gar nicht unrichtige Wiedergabe des Inhalts eines Beweismittels (RIS-Justiz RS0099431), sondern erschöpft sich ein weiters Mal bloß in eigenständigen Beweiswerterwägungen.

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) das Vorbringen der Mängelrüge „aus advokatorischer Vorsicht“ wiederholt, vernachlässigt sie den wesensmäßigen Unterschied der einzelnen Nichtigkeitsgründe, die demnach getrennt und unter Beachtung der Besonderheiten der einzelnen Nichtigkeitskategorien auszuführen sind (RIS-Justiz RS0115902). Sie argumentiert zudem größtenteils nicht „aus den Akten“, unterlässt also die Bezugnahme auf konkrete Beweismittel (RIS-Justiz RS0117446). Mit dem Hinweis auf die – von den Tatrichtern ohnehin erörterte (US 7) – Verantwortung des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung und behauptete „Ungenauigkeiten“ des Protokolls über die Beschuldigtenvernehmung (ON 28 S 13 ff) weckt die Rüge keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.

Das im Rahmen der Rechts- und „aus advokatorischer Vorsicht“ auch der Subsumtionsrüge (Z 9 lit a und 10) vorgebrachte Argument, das zu Punkt 2 des Schuldspruchs angelastete Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel werde durch das Verbrechen des Suchtgifthandels verdrängt, legt nicht dar, weshalb der im (erweiterten) Inverkehrsetzungsvorsatz des § 28 Abs 1 SMG zum Ausdruck kommende Unwert als regelmäßig mit der Aus- und Einfuhr großer Suchtgiftmengen verwirklicht vom Gesetzgeber bereits mit dem Strafsatz des § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG berücksichtigt worden sein soll (vgl Ratz , WK 2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 58; im Übrigen RIS-Justiz RS0111410 [insbesondere T9]; aA Schwaighofer in WK 2 SMG § 28a Rz 53 f). Welche Bedeutung die Unterscheidung von ein- oder mehrtätigem Zusammentreffen strafbarer Handlungen hier für die Frage von Scheinkonkurrenz haben soll, wird nicht klar.

Die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) macht einen Verstoß gegen das „Verbot der Doppelverwertung“ geltend, weil das Erstgericht die „schädliche Neigung“ (nämlich „die Gleichgültigkeit gegenüber dem Rechtsgut der körperlichen Integrität und des Vermögens“) sowohl im Rahmen des Erschwerungsgrundes nach § 33 Abs 1 Z 2 StGB als auch „aus Gründen der Spezialprävention“ berücksichtigt habe. Sie behauptet damit aber gar nicht, dass entgegen § 32 Abs 2 erster Satz StGB Umstände als erschwerend herangezogen wurden, die bereits die Strafdrohung bestimmten.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Bleibt anzumerken, dass das Erstgericht den Beschwerdeführer zu Punkt 1 verfehlt mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels schuldig erkannte, denn § 28a Abs 4 Z 3 SMG normiert eine besondere Art von Zusammenrechnungsgrundsatz (vergleichbar § 29 StGB), sodass – schon nach bisheriger Rechtsprechung – auch bei gleichartiger Realkonkurrenz und mehrfachem Überschreiten der 25‑fachen Grenzmenge stets nur ein einziges Verbrechen begründet wird (RIS-Justiz RS0117464; vgl zudem 12 Os 21/17f, EvBl 2018/13, 83 [zu den Konsequenzen der Wortfolge „übersteigenden Menge“ für die Tatbildverwirklichung nach § 28a Abs 1 SMG durch sukzessiv begangene Taten]). Amtswegige Wahrnehmung dieses Subsumtionsfehlers nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO war jedoch nicht geboten, weil dieser per se keinen Nachteil im Sinn dieser Bestimmung darstellt. Die aggravierende Wertung „mehrerer Verbrechen mit einem Vergehen“ wiederum bedeutet keine Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO, weil der Erschwerungsgrund des § 33 Abs 1 Z 1 StGB jedenfalls gegeben ist ( Ratz , WK‑StPO § 290 Rz 24; vgl 17 Os 17/15a; 13 Os 122/12h). Angesichts dieser Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Berufung nicht an die verfehlte Subsumtion gebunden (RIS‑Justiz RS0118870).

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