European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0170OS00017.15A.0914.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Der Angeklagten Sanja M***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde ‑ soweit hier von Bedeutung ‑ Sanja M***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB (A) und des Vergehens der Bestechung nach §§ 12 zweiter Fall, 307 Abs 1 StGB (B) schuldig erkannt.
Danach hat sie zwischen 3. März und 3. April 2012 in Wien
(A) mit dem Vorsatz, dadurch die Gemeinde Wien an ihrem Recht auf Einhebung der Parkometerabgabe zu schädigen, den abgesondert verfolgten Manuel H*****, der als Vertragsbediensteter der Stadt Wien für die Ausstellung von Ausnahmebewilligungen gemäß § 45 Abs 4 StVO (iVm § 43 Abs 2a Z 1 StVO; [„Parkpickerl“]) zuständig war, mithin einen (im strafrechtlichen Sinn) Beamten der Gemeinde Wien, wissentlich dazu bestimmt (§ 12 zweiter Fall StGB), seine Befugnis, im Namen der Gemeinde als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch zu missbrauchen, dass er „Original-Parkpickerl ohne entsprechenden formellen Antrag sowie (damit einhergehend) ohne Prüfung der von der Gemeinde Wien im Sinne einer effektiven und zielführenden Parkraumbewirtschaftung erstellten Voraussetzungen für die von“ ihr „gewünschten Bezirke gegen Bezahlung eines nicht den standardmäßigen Tarifen entsprechenden, geringeren Betrages herstellte und“ den solcherart eingehobenen Betrag „nicht an die Gemeindekasse abführte, sondern für private Zwecke verwendete“, indem sie zweimal Ilija P***** in Kenntnis des Tatplans Kennzeichen samt dem gewünschten Bezirk und der gewünschten Gültigkeitsdauer von zwei Jahren mitteilte, nachdem sie von Armin S***** dazu beauftragt worden war;
(B) Ilija P***** durch die zu A beschriebene Handlung dazu bestimmt, Manuel H***** als Amtsträger für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäfts einen Vorteil für diesen zu gewähren, indem sie 150 Euro anlässlich der Bestellung der „Parkpickerl“ in Aussicht stellte und nach deren Übergabe tatsächlich zahlte, wobei sie wusste, dass ein Teil davon an Manuel H***** weitergeleitet würde.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.
Mit dem Einwand, die Feststellung, Ilija P***** habe der Beschwerdeführerin mitgeteilt, er kenne jemanden beim Magistrat, „der Originalparkpickerl ausstelle, auch wenn man die Voraussetzungen hiefür nicht erfüllt“ (US 6), stehe im Widerspruch zur Vernehmung des Genannten als Beschuldigten, macht die Mängelrüge Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) der Sache nach gar nicht geltend. Diese wäre nämlich nur bei unrichtiger Wiedergabe des Inhalts einer Aussage oder einer Urkunde in den Entscheidungsgründen gegeben (RIS-Justiz RS0099492).
Die ‑ mit Blick auf die subjektive Tatseite leugnende ‑ Verantwortung der Beschwerdeführerin haben die Tatrichter erörtert und mit mängelfreier Begründung als unglaubwürdig verworfen (US 11 ff), weshalb das Urteil auch nicht unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist.
Mit einer allfälligen krankheitsbedingten Beeinträchtigung der Aussagefähigkeit des Ilija P***** hat sich der Schöffensenat ebenfalls auseinandergesetzt (US 12 f). Unvollständigkeit liegt daher auch in diesem Zusammenhang nicht vor. Das von der Beschwerde ins Treffen geführte Sachverständigengutachten (ON 69), welches Ilija P***** am 27. Juli 2014 Verhandlungsunfähigkeit (wegen eines „massiv eingeschränkten“ Gesundheits- und Allgemeinzustandes, rascher Ermüdbarkeit und eingeschränkter Konzentrationsfähigkeit) attestierte, enthält keine Aussage über dessen Aussagefähigkeit bei den Vernehmungen als Beschuldigter im Herbst 2013, weshalb es sich nicht um ein der Annahme seiner Glaubwürdigkeit entgegenstehendes, mithin erörterungsbedürftiges Beweismittel handelte (RIS‑Justiz RS0098646).
Bei den Erwägungen des Erstgerichts zur Schulbildung der Beschwerdeführerin, deren beruflicher Tätigkeit (welche den ‑ Urkundenvorlagen voraussetzenden ‑ Abschluss von Verträgen mit Kunden umfasst) und deren Wissen, dass Azra S***** die Bedingungen für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nicht erfüllte, handelt es sich bloß um die sachverhaltsmäßige Bejahung als erheblich beurteilter Umstände, die ‑ neben dem „objektiven Geschehensablauf“ (US 12) ‑ erst in ihrer Gesamtschau und nicht je für sich als notwendige Bedingung die (unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstandende) Grundlage der Feststellungen zur subjektiven Tatseite bilden. Einzelne dieser Annahmen sind einer Kritik aus Z 5 entzogen ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 410).
Mit aus dem festgestellten Umstand, dass zunächst ein Parkkleber für den falschen Gemeindebezirk hergestellt wurde (US 7), gezogenen eigenständigen Schlussfolgerungen zur subjektiven Tatseite bekämpft die Beschwerdeführerin bloß unzulässig die Beweiswürdigung des Schöffengerichts.
Da sich die Rechtsrüge (Z 9 lit a) darin erschöpft, die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite erneut als offenbar unbegründet zu kritisieren (der Sache nach Z 5 vierter Fall), kann auf die Beantwortung der Mängelrüge verwiesen werden.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Bleibt anzumerken, dass die rechtlich verfehlte ‑ von der Beschwerdeführerin nicht beanstandete ‑ Annahme mehrerer Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt (RIS-Justiz RS0121981) für eine amtswegige Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO keinen Anlass bietet. Der Subsumtionsfehler stellt nämlich per se keinen Nachteil im Sinn der genannten Bestimmung dar ( Ratz , WK-StPO § 290 Rz 23). Die aggravierende Wertung des Zusammentreffens „von zwei Verbrechen und einem Vergehen“ (US 16) wiederum bedeutet keine Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO, weil der solcherart angenommene Erschwerungsgrund des § 33 Abs 1 Z 1 StGB schon durch die Tatwiederholung und die ungleichartige Idealkonkurrenz vorliegt (RIS-Justiz RS0116020, RS0116878). Angesichts dieser Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Berufung allerdings nicht an die verfehlte Subsumtion gebunden (RIS-Justiz RS0118870).
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