OGH 14Os137/13y

OGH14Os137/13y5.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. November 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Buchner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Tayfun K***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 17. Mai 2013, GZ 37 Hv 188/12s-22, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Tayfun K***** jeweils eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (1) und der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF BGBl I 2001/130 (2) schuldig erkannt.

Danach hat er im Juli oder August 2003 in London

(1) mit der am 5. September 1992 geborenen, mithin unmündigen, Sabrina H***** den Beischlaf unternommen;

(2) Sabrina H***** mit Gewalt, indem er sie niederdrückte, mit seinen Armen fixierte und ihr den Mund zuhielt, zur Duldung des Beischlafs genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Antrag (ON 18 S 34 f) auf Ladung und neuerliche Befragung der (bereits kontradiktorisch vernommenen) Sabrina H***** zu Recht abgewiesen. Die Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit einer Beweisperson ist als solche keine entscheidende Tatsache. Gleichwohl kann eine Beweisaufnahme zu diesem Thema geboten sein, wenn sie auf für die Glaubwürdigkeitsbeurteilung erhebliche Tatsachen abzielt, etwa auf eine (aus objektivierter Verleumdung oder falscher Beweisaussage sich ergebende) Falschbezichtigungstendenz dieser Person (RIS-Justiz RS0098429, RS0120109; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 340 und 350). Der hier gegen die - zumal einzige - Tatzeugin erhobene Vorwurf der (versuchten) Bestimmung einer anderen Zeugin zu falscher Beweisaussage über (nicht von der Anklage erfasste) Fälle sexuellen Missbrauchs durch den Angeklagten könnte ein unter diesem Gesichtspunkt erhebliches Beweisthema darstellen. Dem Antragsvorbringen zuwider ist jedoch deren Aussage (vgl ON 8 S 7) kein Anhaltspunkt für ein derartiges Vorgehen des Tatopfers zu entnehmen, weshalb das Begehren auf (im Hauptverfahren) unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet war (RIS-Justiz RS0118444). Die Problematik fehlenden Vorbringens zur - trotz angekündigter Inanspruchnahme der Aussagebefreiung nach § 156 Abs 1 Z 2 StPO (ON 6 S 2 und ON 20 S 17) gegebenen - Aussagebereitschaft der Sabrina H***** (vgl die für diese sprechenden Angaben ihrer Mutter ON 18 S 16) stellt sich daher nicht (vgl RIS-Justiz RS0117928). Der vom Beschwerdeführer angestellte Vergleich mit der Ladung der Zeugin Melanie A***** geht schon deshalb ins Leere, weil diese bei ihrer Vernehmung durch die Kriminalpolizei ausdrücklich auf ihr Recht auf Aussagebefreiung nach § 156 Abs 1 Z 1 StPO verzichtet hatte (ON 8 S 5). Im Übrigen steht die Richtigkeit der Begründung einer abweisenden Entscheidung über einen Beweisantrag nicht unter Nichtigkeitssanktion (RIS-Justiz RS0121628).

Der Antrag auf „Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens“ zum Beweis dafür, „dass die Aussagen der Sabrina H*****, der Angeklagte hätte sie sexuell missbraucht, nicht auf tatsächlich Erlebtem basieren“ (ON 18 S 35), wurde zu Recht abgewiesen. Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugenaussagen haben ausschließlich die Tatrichter auf Grund ihres persönlichen Eindrucks in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) vorzunehmen. Lediglich in Ausnahmefällen - etwa bei festgestellter abwegiger Veranlagung in psychischer oder charakterlicher Hinsicht, Entwicklungsstörungen oder sonstigen Defekten - erfordert die Lösung dieser Frage die Beiziehung eines Experten (RIS-Justiz RS0097733). Aus vom Beschwerdeführer anlässlich der Antragstellung behaupteten „großteils widersprüchlichen Aussagen“ dieser Zeugin und nicht konkretisierten „Ausführungen des Gutachters Dr. D*****“ (bei dessen neurologischer und psychiatrischer Untersuchung übrigens „sich ein weitgehend unauffälliger altersgemäßer Befund“ des Tatopfers zeigte [vgl ON 10 S 31]) ist eine Ausnahmesituation in diesem Sinn nicht abzuleiten.

Die Mängelrüge macht im Wesentlichen Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) der Entscheidungsgründe in Bezug auf die Annahme der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit der Zeugin Sabrina H***** geltend. Sie scheitert jedoch, weil sie als Bezugspunkt der Kritik keine Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen wählt (14 Os 98/12m; 13 Os 94/11i; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 432). Dies betrifft hiezu angeführte Aussagen dieser Zeugin dazu, welche Kleidung sie während der Tat getragen, wie lange die Reise, auf der sich die Tat ereignete, gedauert, ob sie nach der Tat die Hilfe einer Psychologin in Anspruch genommen, wie oft und unter welchen Umständen sie den Beschwerdeführer nach der Tat getroffen, inwieweit sie ihren Freundinnen von der Tat erzählt oder sich ihr Verhalten nach dieser verändert habe sowie einzelne Passagen aus dem neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachten (vgl dessen im vorigen Absatz wiedergegebene Schlussfolgerung zum im Zeitpunkt der Begutachtung aktuellen Zustand der Zeugin).

Mit dem pauschalen Verweis auf die im Rahmen der Mängelrüge relevierten Beweisergebnisse weckt die Tatsachenrüge (Z 5a) keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen, sondern bekämpft abermals die Überzeugung des Erstgerichts von der Glaubwürdigkeit des Tatopfers nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung (vgl RIS-Justiz RS0099649).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 2 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a StPO.

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