OGH 13Os16/09s; 15Os15/11m (RS0124740)

OGH13Os16/09s; 15Os15/11m11.3.2024

Rechtssatz

Die Erneuerungsmöglichkeit (auch ohne vorangegangene EGMR-Entscheidung) bedeutet keine unzulässige Beschränkung des aus dem Recht auf ein faires Verfahren (Art 6 Abs 1 MRK) iVm der Präambel der Konvention abgeleiteten Anspruchs auf Rechtssicherheit, maW auf Respektierung der - nach Maßgabe nur des innerstaatlichen Rechtsschutzsystems zu beurteilenden - Rechtskraft von Entscheidungen durch den Staat selbst. In Strafsachen ist die Aufhebung eines grundrechtswidrigen Schuldspruchs des untergeordneten Strafgerichts zum Vorteil des Angeklagten stets möglich. Wurde hingegen über zivilrechtliche Ansprüche im Strafverfahren entschieden, ist die Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft grundsätzlich auch unter dem Aspekt einer iSd Art 1 des 1. ZPMRK geschützten Position zu prüfen: Bei untrennbar mit einem Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) verbundenen Zusprüchen (§ 366 Abs 2 StPO) prävaliert im Strafverfahren der Schutz des Angeklagten; für den Privatbeteiligten allenfalls nachteilige Wirkungen einer Aufhebungsentscheidung wären als Schadenersatzansprüche im Amtshaftungsverfahren geltend zu machen. Wird hingegen ausnahmsweise im Strafverfahren über - vertragsautonom iSd Art 6 MRK betrachtet - zivilrechtliche, nicht akzessorische Ansprüche entschieden (§§ 6 ff, 9 f MedienG), ist die Entscheidung in der Sache, also auch die Aufhebung der Entscheidung des untergeordneten Strafgerichts jedenfalls dann möglich, wenn der Antragsgegner (als zuvor am Verfahren Beteiligter) einen Erneuerungsantrag unter den oben dargestellten strikten Voraussetzungen gestellt hat, gleichviel, ob die Aufhebung in Stattgebung dieses Antrags oder einer aus dessen Anlass erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes erfolgt. Lediglich bei einer nicht von einem Antrag nach § 363a StPO begleiteten Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes (oder einem Antrag gemäß § 362 Abs 1 Z 2 StPO) kann von dem Ermessen iSd § 292 letzter Satz StPO nicht Gebrauch gemacht werden, während die Feststellung der zum Nachteil eines Verfahrensbeteiligten sich auswirkenden Gesetzes-(Konventions-)verletzung stets (auch zugunsten des Privatanklägers bzw Antragstellers im vorangegangenen Verfahren) möglich ist, weil durch sie die geschützte Rechtsposition eines anderen Verfahrensbeteiligten - iS etwa eines Verstoßes gegen das Verbot der reformatio in peius - nicht tangiert wird. Diese höchstgerichtliche Feststellung einer Gesetzesverletzung hat im Übrigen Bindungswirkung in einem allfälligen Amtshaftungsverfahren und ist solcherart geeignet, die Opfereigenschaft iSd Art 34 MRK zu beseitigen.

Normen

MedienG §6
MedienG §7
MedienG §7a
MedienG §7b
MedienG §7c
MedienG §9
MedienG §10
MRK Art6 II1a
MRK Art6 II5c
MRK Art34
1.ZPMRK Art1 V3
StPO §23
StPO §292
StPO §362 Abs1 Z2
StPO §363a
StPO §366 Abs2 C

13 Os 16/09sOGH16.04.2009
15 Os 15/11mOGH16.03.2011

Vgl auch

15 Os 39/11sOGH04.05.2011

Vgl auch; Beisatz: Wenn der Schuldspruch (hier: Offizialdelikt) unverändert bestehen bleibt und die Gesetzesverletzung nur das Adhäsionserkenntnis betrifft, steht einer Zuerkennung konkreter Wirkung nach § 292 Abs 2 letzter Satz StPO Art 1 des 1. ZPMRK entgegen, soweit der Privatbeteiligte auf die Rechtskraft des Zuspruches vertrauen durfte. (T1)

15 Os 52/10aOGH04.05.2011

Vgl; Beisatz: Hier: Fragen des Kostenersatzes. (T2)

15 Os 75/11kOGH29.06.2011

nur: Wurde über zivilrechtliche Ansprüche im Strafverfahren entschieden, ist die Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft grundsätzlich auch unter dem Aspekt einer im Sinn des Art 1 des 1. ZPMRK geschützten Position zu prüfen: Bei untrennbar mit einem Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) verbundenen Zusprüchen (§ 366 Abs 2 StPO) prävaliert im Strafverfahren der Schutz des Angeklagten. (T3)<br/>Beisatz: Wenn die Gesetzesverletzung nur den Kostenbestimmungsbeschluss betrifft, steht der Zuerkennung konkreter Wirkung nach § 292 Abs 2 letzter Satz StPO Art 1 des 1. ZPMRK entgegen, soweit der Privatankläger auf die Rechtskraft des Zuspruchs vertrauen durfte. (T4)

15 Os 106/10tOGH29.06.2011

Vgl auch

15 Os 11/12zOGH22.08.2012

Vgl; Auch Beis wie T1

12 Os 16/13iOGH04.07.2013

nur T3; Beis wie T4

15 Os 91/13sOGH21.08.2013

Vgl; nur T3

17 Os 19/14vOGH12.05.2014

Vgl auch; Beisatz: Zwar ist eine Durchbrechung der Rechtskraft von ‑ ausnahmsweise im Strafverfahren ergangenen ‑ Entscheidungen über (ausschließlich) zivilrechtliche Ansprüche in Stattgebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wegen des damit verbundenen Eingriffs in eine durch Art 1 1. ZPMRK geschützte Rechtsposition (und den sich aus Art 6 Abs 1 MRK ergebenden Anspruch auf Rechtssicherheit) in der Regel nicht möglich. Vorliegend kommt aber zum Tragen, dass der Sachverständige seinen Honoraranspruch ‑ ungeachtet dessen Charakters als „civil right“ ‑ unter der Einschränkung einer allfälligen Rückzahlungsverpflichtung gemäß § 42 Abs 3 GebAG erworben hat. Eine solche Verpflichtung besteht nämlich dann, wenn die Gebühr vor Eintritt ihrer rechtskräftigen Bestimmung gezahlt und durch einen nachträglichen Beschluss oder eine Rechtsmittelentscheidung herabgesetzt wurde. (T5)

15 Os 75/13pOGH23.04.2014

Vgl

15 Os 70/13bOGH19.03.2014

Vgl

15 Os 63/13yOGH27.05.2014

Auch

15 Os 74/13sOGH27.05.2014

Auch

13 Os 22/14fOGH05.06.2014

Auch; nur T3

12 Os 164/14fOGH15.01.2015

Auch; nur T3

15 Os 73/15xOGH10.06.2015

Auch

13 Os 36/15sOGH10.06.2015

Auch; nur T3; Beis wie T1

15 Os 154/14gOGH26.08.2015

Vgl

15 Os 115/14xOGH07.10.2015

Auch

12 Os 113/16hOGH22.09.2016

Auch; nur T3

12 Os 98/16bOGH22.09.2016

Auch; nur T3

13 Os 133/16gOGH22.02.2017

Vgl aber

12 Os 33/17wOGH18.05.2017

Auch; nur T3

13 Os 37/17sOGH17.05.2017

Auch

14 Os 25/18kOGH06.03.2018

Auch; Beis wie T1

15 Os 86/18pOGH12.12.2018

Auch

11 Os 143/19tOGH10.12.2019

Vgl; nur T3

15 Os 42/20wOGH23.10.2020

Vgl

12 Os 53/21tOGH29.07.2021

Vgl

11 Os 113/21hOGH02.11.2021

Vgl

15 Os 41/22aOGH18.10.2022

Vgl

15 Os 109/23bOGH11.03.2024

vgl

Dokumentnummer

JJR_20090416_OGH0002_0130OS00016_09S0000_003

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