OGH 15Os74/13s

OGH15Os74/13s27.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Mai 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Medienrechtssache des Antragstellers Mag. Karl‑Heinz G***** gegen den Antragsgegner Ö***** wegen § 10 MedienG, AZ 113 Hv 76/12t des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des genannten Gerichts vom 21. Juni 2012 (ON 6) und jenes des Oberlandesgerichts Wien vom 6. Dezember 2012 (ON 16) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes sowie über den Antrag des Antragsgegners auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO iVm § 14 Abs 3 MedienG in Ansehung dieser Urteile nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Knibbe und des Vertreters des Antragsgegners Dr. Korn zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0150OS00074.13S.0527.000

 

Spruch:

 

In der Medienrechtssache des Antragstellers Mag. Karl-Heinz G***** gegen den Antragsgegner Ö***** wegen § 10 MedienG, AZ 113 Hv 76/12t des Landesgerichts für Strafsachen Wien, verletzen das Urteil dieses Gerichts vom 21. Juni 2012 und des Oberlandesgerichts Wien vom 6. Dezember 2012, AZ 18 Bs 361/12p, §§ 10 Abs 3 und 17 Abs 1 MedienG.

Diese Urteile werden aufgehoben und es wird in der Sache selbst erkannt:

Der Antrag des Antragstellers Mag. Karl-Heinz G***** vom 29. Mai 2012 auf Anordnung der Veröffentlichung einer nachträglichen Mitteilung wird abgewiesen.

Mit seinem Antrag auf Erneuerung des Verfahrens wird der Antragsgegner auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Antragsteller fallen die Kosten des Verfahrens zur Last.

Die vom Antragsteller dem Antragsgegner zu ersetzenden Kosten des Verfahrens erster Instanz werden mit 886,03 Euro (darin enthalten 147,67 Euro USt); jene des Verfahrens zweiter Instanz mit 1.814,33 Euro (darin enthalten 220,89 Euro USt) bestimmt.

 

Gründe:

In der Medienrechtssache des Antragstellers Mag. Karl‑Heinz G***** gegen den Antragsgegner Ö***** wegen § 10 MedienG, AZ 113 Hv 76/12t des Landesgerichts für Strafsachen Wien, wurde mit Urteil vom 21. Juni 2012 (ON 6) dem Antragsgegner als Medieninhaber des R***** (unter Auferlegung näher bestimmter Verfahrenskosten) die Veröffentlichung nachstehender nachträglicher Mitteilung in dem genannten Rundfunkprogramm aufgetragen:

„Sie haben am 15. Juli 2010 in Ihrem R***** in der Sendung 'Z*****' unter der Überschrift 'Druck auf G***** steigt' Folgendes berichtet:

Für Karl-Heinz G***** geht es bereits morgen an einer Nebenfront weiter: mit dem Prozess gegen seinen ehemaligen Mitarbeiter Michael Ra*****. Dieser hatte den B*****Verkauf als abgekartetes Spiel bezeichnet, G***** klagte ihn wegen übler Nachrede. Noch bevor hier ein Urteil absehbar ist, bringt das Verfahren schon weitere Unannehmlichkeiten für G*****. Er hatte nämlich ausgesagt, zu M***** keinen Kontakt zu haben ‑ was laut Verteidigung allerdings Abhörprotokolle der Polizei widerlegen. Die Staatsanwaltschaft prüft nun den Vorwurf der falschen Zeugenaussage.

Dieses von der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) zum Aktenzeichen 12 St 8/11x gegen Mag. Karl‑Heinz G***** geführte Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der falschen Beweisaussage (§ 288 des Strafgesetzbuches) wurde nunmehr von der WKStA eingestellt, weil kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung bestand.“

Dabei beurteilte das Erstgericht einen (vor Einlangen des Veröffentlichungsbegehrens) am 12. April 2012 (in der Sendung „Z*****“) ausgestrahlten Beitrag des Inhalts: „Ermittlungen eingestellt. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen Ex‑Finanzminister G***** wegen des Vorwurfs der Falschaussage eingestellt. Ein ehemaliger Mitarbeiter hatte G***** beschuldigt, vor Gericht falsche Angaben über Kontakte G*****s zu Walter M***** gemacht zu haben“ nicht als gleichwertige redaktionelle Mitteilung nach § 11 Abs 1 Z 8 MedienG. Im Übrigen sei der Nachweis der Richtigkeit der nachträglichen Mitteilung gemäß § 10 Abs 3 MedienG erbracht worden, weil die vom Antragsteller (in Form eines Computerausdrucks oder einer Fotokopie desselben) vorgelegte im elektronischen Rechtsverkehr übersendete Verständigung der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption das in dieser Bestimmung geforderte besondere Amtszeugnis „ersetze“, wobei im Übrigen dem Antragsteller stets eine Wahlfreiheit zwischen den darin genannten beiden Beweismitteln zukäme.

Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Antragsgegners wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO iVm § 489 Abs 1 StPO und § 14 Abs 3 MedienG) gab das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht mit Urteil vom 6. Dezember 2012, AZ 18 Bs 361/12p (ON 16 des Hv‑Akts), nicht Folge.

Nach den hier relevanten Begründungserwägungen habe das Erstgericht das Vorliegen einer gleichwertigen redaktionellen (richtig:) Mitteilung im Sinn der auf nachträgliche Mitteilungen analog anzuwendenden Bestimmung des § 11 Abs 1 Z 8 MedienG zu Recht verneint. Denn mit dem Begriff der Gleichwertigkeit werde auf § 13 Abs 2 bis 7 MedienG verwiesen, sodass die redaktionelle Mitteilung auch einen Hinweis darauf zu enthalten habe, auf welche Nummer oder Sendung sie sich beziehe, woraus sich ergebe, dass ein dem Medienkonsumenten erkennbarer Bezug auf die inkriminierte Berichterstattung erforderlich sei. Vorliegend sei aber in dem in Rede stehenden Sendungsbeitrag vom 12. April 2012 weder auf den Primärbeitrag vom 15. Juli 2010 hingewiesen noch auch nur erwähnt worden, dass im periodischen Medium O***** überhaupt über das Ermittlungsverfahren berichtet worden war.

Das Erstgericht habe auch den Nachweis der Richtigkeit der begehrten nachträglichen Mitteilung im Sinn des § 10 Abs 3 MedienG zutreffend bejaht. Denn die Verständigung der Staatsanwaltschaft von der Einstellung des Ermittlungsverfahrens „ersetze“ aus folgenden Erwägungen das dort geforderte besondere Amtszeugnis:

Die Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft sei der materiellen Rechtskraft fähig und daher eine das Verfahren beendigende Entscheidung im Sinn der in Rede stehenden Bestimmung. Die Judikatur, wonach nur die Vorlage des Originals oder einer beglaubigten Urkunde zum Nachweis gemäß § 10 Abs 3 MedienG ausreiche, könne nicht mehr aufrechterhalten werden. Nach § 81 Abs 1 StPO habe nämlich die Bekanntmachung von Erledigungen des Gerichts und der Staatsanwaltschaft ‑ mithin auch deren Verständigung von einer Verfahrenseinstellung ‑ durch mündliche Verkündung, durch Zustellung einer Ausfertigung (§ 79 GOG), durch Telefax oder im elektronischen Rechtsverkehr nach Maßgabe des § 89a GOG zu erfolgen. Die in den §§ 89a bis 89g GOG und in der Verordnung des Bundesministeriums für Justiz über den elektronischen Rechtsverkehr (ERV 2006) enthaltenen Vorschriften über die Übermittlung der Erledigung im elektronischen Rechtsverkehr würden gemäß § 34a Abs 5 StAG auch für den elektronischen Rechtsverkehr mit der Staatsanwaltschaft gelten. Ein Dokument aber, das gesetzeskonform im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs übersendet werde, könne und müsse nicht mit dem Originalabdruck des Gerichtssiegels und der Originalunterschrift des beurkundenden Beamten versehen sein.

Gegen die Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Wien und des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht brachte der Antragsgegner einen am 23. Mai 2013 beim Obersten Gerichtshof eingelangten, auf die Behauptung einer Verletzung im Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung nach Art 10 MRK gestützten Antrag auf Verfahrenserneuerung gemäß § 363a StPO per analogiam (RIS-Justiz RS0122228) iVm § 14 Abs 3 MedienG ein.

 

Rechtliche Beurteilung

Die Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Wien und des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht stehen  ‑ wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 23 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt ‑ , soweit damit das Vorliegen der formellen Anspruchsvoraussetzungen nach § 10 Abs 3 MedienG bejaht wurde, mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Die Verständigung von der Einstellung des Strafverfahrens (oder deren Ausdruck nach Empfang im elektronischen Rechtsverkehr) stellt weder ein besonderes Amtszeugnis noch eine Ausfertigung der das Verfahren beendigenden Entscheidung iSd § 10 Abs 3 MedienG dar. Die mit dem Erfordernis eines Amtszeugnisses sowie einer Ausfertigung der das Verfahren beendigenden (gerichtlichen) Entscheidung zum Ausdruck gebrachte Formstrenge für den Nachweis der Richtigkeit einer nachträglichen Mitteilung (vgl jeweils mwN Rami in WK² MedienG § 10 Rz 14; Brandstetter/Schmid MedienG² § 10 Rz 9; Litzka/Strebinger, MedienG5 § 10 Rz 4; Hanusch, MedienG § 10 Rz 2; Röggla in Röggla/Wittmann/Zöchbauer, Medienrecht ‑ MedienG § 10 Rz 4) bezweckt gerade eine erhöhte Garantie an Authentizität des vorzulegenden Schriftstücks, die eine bloße Verständigung gemäß § 194 Abs 1 StPO (oder deren Ausdruck) nicht zu gewährleisten vermag (zum Ganzen: RIS‑Justiz RS0129162).

Das Landesgericht für Strafsachen Wien und das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht haben demnach den von § 10 Abs 3 MedienG ‑ als formelle Voraussetzung des von § 10 Abs 1 MedienG eingeräumten Veröffentlichungs‑ anspruchs ‑ geforderten Nachweis der Richtigkeit der begehrten nachträglichen Mitteilung rechtsirrig bejaht; der Antrag wäre vielmehr abzuweisen gewesen. Die in Rede stehenden Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Wien und des Oberlandesgerichts Wien verletzen aus diesem Grund §§ 10 Abs 3 und 17 Abs 1 MedienG.

Der Oberste Gerichtshof sah sich veranlasst, die für den Antragsgegner, dem gemäß § 14 Abs 3 erster Satz MedienG die Rechte des Angeklagten (vgl § 292 letzter Satz StPO) zukommen, nachteiligen Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Wien und des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht aufzuheben und den Antrag des Antragstellers Mag. Karl‑Heinz G***** auf Anordnung der Veröffentlichung der nachträglichen Mitteilung abzuweisen. Mit Blick auf die fristgerechte Stellung des Erneuerungsantrags des Antragsgegners (Art 35 Abs 1 MRK) steht dem Art 1 des 1. ZPMRK nicht entgegen (RIS‑Justiz RS0124740, RS0124838, RS0124798 [T2]). Dass die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes erst außerhalb der Sechsmonatsfrist des Art 35 Abs 1 MRK erhoben wurde, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang.

Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass die hier befasst gewesenen Gerichte eine gleichwertige redaktionelle Mitteilung (§ 11 Abs 1 Z 8 MedienG) zu Unrecht verneint haben:

§ 12 Abs 2 MedienG ‑ wonach dem Veröffentlichungsbegehren [§ 12 Abs 1 MedienG] auch dadurch entsprochen werden kann, dass in dem Medium eine gleichwertige redaktionelle Richtigstellung, Ergänzung oder Mitteilung veröffentlicht wird ‑ stellt solcherart unterschiedslos auf Gegendarstellungen und nachträgliche Mitteilungen ab, wogegen sich die Bestimmung des § 11 Abs 1 Z 8 MedienG über den Ausschluss der Veröffentlichungspflicht bei Veröffentlichung einer gleichwertigen redaktionellen Richtigstellung oder Ergänzung vor Einlangen der Gegendarstellung dem Wortlaut nach bloß auf Letztere bezieht. Da aus dem gesetzlich intendierten Rechtsschutz des Betroffenen (vgl § 10 Abs 2 MedienG) resultierende Gründe für eine Ungleichbehandlung einer redaktionellen Rehabilitierung desselben vor und nach dem Einlangen seines Veröffentlichungsbegehrens sowie weiters der Regelungsinstitute der Gegendarstellung und der nachträglichen Mitteilung nicht auszumachen sind, ist die somit zu konstatierende planwidrige Regelungslücke durch analoge Anwendung des § 11 Abs 1 Z 8 MedienG auf nachträgliche Mitteilungen über den Ausgang eines Strafverfahrens (§ 10 MedienG) zu schließen. Die Pflicht zur Veröffentlichung einer nachträglichen Mitteilung besteht demnach nicht, wenn vor Einlangen eines darauf gerichteten Veröffentlichungsbegehrens bereits eine gleichwertige redaktionelle Mitteilung veröffentlicht worden ist (vgl Brandstetter/Schmid, MedienG² § 11 Rz 16; jeweils mwN Höhne in Berka/Heindl/Höhne/Noll, Praxiskommentar MedienG³ § 11 Rz 1 und Rz 17; aA Rami in WK² MedienG § 11 Rz 30).

Die Veröffentlichung einer gleichwertigen redaktionellen Mitteilung gemäß § 11 Abs 1 Z 8 MedienG beseitigt somit ‑ mit der Konsequenz einer den Veröffentlichungsanspruch (§ 10 Abs 1 MedienG) erledigenden gehörigen Veröffentlichung (§§ 14 Abs 1, 17 Abs 1 MedienG) ‑ die Pflicht zur Veröffentlichung einer nachträglichen Mitteilung. Der Begriff der Gleichwertigkeit wird im Gesetz weder ausdrücklich noch durch Verweis auf andere Normen definiert. Gemeint ist damit die Herstellung einer publizistischen Gleichwertigkeit (Rami in WK² MedienG § 11 Rz 32). Diese ist (bei der nachträglichen Mitteilung) erzielt, wenn der wesentliche Inhalt des Veröffentlichungsbegehrens mit gleichem Veröffentlichungswert dem gleichen Leserkreis zur Kenntnis gebracht wird (Höhne in Berka/Heindl/Höhne/Noll, MedienG³ § 11 Rz 17).

Die vom Oberlandesgericht vertretene Ansicht, mit dem Begriff der Gleichwertigkeit werde generell auf § 13 Abs 2 bis 7 MedienG verwiesen (S 8 f der Berufungsentscheidung), ist in dieser Allgemeinheit schon deshalb unzutreffend, weil sich der erste Satz des § 13 Abs 2 MedienG eindeutig nur auf eine „Gegendarstellung“ oder „Nachträgliche Mitteilung“ aufgrund eines Veröffentlichungsbegehrens beziehen kann.

Bei einer am Zweck der Norm (vgl auch § 10 Abs 2 MedienG) orientierten Auslegung des in Rede stehenden Begriffs ist zu beachten, dass dem Anspruch nach § 10 MedienG weder Tadels‑ noch Übelsfunktion zukommt, sondern er lediglich auf die Rehabilitation des Betroffenen sowie die Komplettheit der Berichterstattung gerichtet ist (RIS‑Justiz RS0123459 [T1]; Höhne in Berka/Höhne/Noll/Polley, MedienG³ § 10 Rz 1; Brandstetter in Schmid, MedienG² § 10 Rz 1). Im Gegensatz zur Gegendarstellung, zu der derjenige berechtigt ist, der von einer bereits im Zeitpunkt des Erscheinens unrichtigen oder unvollständigen Tatsachenmitteilung betroffen ist, dient die nachträgliche Mitteilung der Rehabilitation desjenigen, der Gegenstand eines richtigen Berichts über den Verdacht einer strafbaren Handlung oder die Einleitung eines Strafverfahrens geworden ist.

Da es bei der Gegendarstellung um die ‑ streng kontradiktorische (Rami in WK² MedienG § 9 Rz 20; Höhne in Berka/Höhne/Noll/Polley, MedienG³ § 9 Rz 28 ff) ‑ Replik auf eine konkrete Tatsachenmitteilung geht, die auch einem Korsett zeitlicher Befristungen unterliegt (vgl § 11 Abs 1 Z 10 MedienG), während eine nachträgliche Mitteilung auch noch Jahre nach der Primärveröffentlichung verlangt werden kann, hat bei ihr die Bezugnahme auf den ursprünglichen Bericht eine Informationsfunktion, ermöglicht sie dem Konsumenten doch ‑ zeitnah ‑ Vergleich und Beurteilung von These und Antithese.

Die Pflicht zur Veröffentlichung einer nachträglichen Mitteilung (§ 10 Abs 1 MedienG) wiederum kann durch die Veröffentlichung einer redaktionellen Mitteilung (§§ 11 Abs 1 Z 8, 12 Abs 2 MedienG) beseitigt werden, weil dem Rechtsschutzinteresse des Betroffenen besser gedient wird, wenn das Medium selbst berichtet, als wenn der Betroffene sich zu Wort meldet (743 BlgNR 15. GP, 8; Brandstetter/Schmid, MedienG² § 12 Rz 14). Denn durch die journalistische Aufmachung und die (verpflichtende) Identifikation des Mediums mit der redaktionellen Mitteilung wird den Rehabilitierungsinteressen des Betroffenen völlig Rechnung getragen (Höhne in Berka/Höhne/Noll/Polley, MedienG³ § 11 Rz 17).

Diese unterschiedliche Zielrichtung der Rechtsinstitute im Auge behaltend zeigt sich, dass ‑ entgegen der Ansicht der Generalprokuratur ‑ eine sachliche Differenzierung zwischen Gegendarstellung und nachträglicher Mitteilung einerseits sowie nachträglicher und redaktioneller Mitteilung andererseits geboten ist. Demgemäß ist eine Bezugnahme auf die Primärveröffentlichung in der redaktionellen Mitteilung zur Erreichung des intendierten Rechtsschutzes nicht erforderlich. Sie dient nämlich weder der medialen Rehabilitation des Betroffenen, die bereits durch die ‑ die zur Information des Medienpublikums notwendigen Umstände enthaltende ‑ Mitteilung der Verfahrenseinstellung bzw des Freispruchs erzielt wird, noch der Komplettheit der Berichterstattung. Damit ist übrigens bloß gemeint, dass über einen medialen Sachverhalt (ein Strafverfahren) umfassend und vollständig berichtet werden soll, also nicht nur über die Einleitung des Verfahrens, sondern auch über dessen Abschluss. Die Angabe einer Bezugsveröffentlichung trägt dazu nichts bei, hat sie doch ‑ unabhängig davon, ob sich der Rezipient an die Erstveröffentlichung erinnern kann oder nicht ‑ für diesen keinerlei Informationswert.

Die hier befasst gewesenen Gerichte haben daher den Sendebeitrag des Antragsgegners vom 12. April 2012 zu Unrecht bereits mangels Hinweises darauf, dass vom Medieninhaber überhaupt über das Ermittlungsverfahren berichtet worden war, als nicht gleichwertige redaktionelle Mitteilung angesehen.

Abschließend wird angemerkt, dass die vorliegend aufgetragene nachträgliche Mitteilung der gesetzlich geforderten inhaltlichen Beschränkung auf das zu dem angestrebten Rechtsschutz Erforderliche (§ 10 Abs 2 MedienG) ‑ sowie auch dem Verhältnismäßigkeitsgebot des Art 10 Abs 2 MRK ‑ entsprochen hat.

Mit ihrem Erneuerungsantrag war der Antragsgegner auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Kosten des Verfahrens erster Instanz auf § 19 Abs 3 MedienG, hinsichtlich jener zweiter Instanz auf § 14 Abs 3 dritter Satz MedienG iVm § 390a Abs 1 StPO. Die ziffernmäßige Bestimmung der vom Antragsteller dem Antragsgegner zu ersetzenden Kosten erster und zweiter Instanz erfolgt gemäß § 19 Abs 6 und Abs 7 MedienG im jeweils mit Kostenverzeichnis begehrten Umfang.

Zwar wurde der für den Antragsgegner günstige Verfahrensausgang mittels Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes herbeigeführt und dieser mit dem Erneuerungsantrag auf die in der Sache erkennende Entscheidung verwiesen (vgl zur Kostenersatzpflicht RIS‑Justiz RS0126968), doch wäre der Antrag ‑ wie dargelegt ‑ inhaltlich berechtigt gewesen. Mangels entsprechenden Begehrens des Vertreters des Antragsgegners waren ihm keine Kosten für das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof zuzusprechen (vgl Rami in WK² MedienG § 20 Rz 11).

Im Verfahren über eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes besteht keine Kostenersatzpflicht (RIS‑Justiz RS0110754).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte