OGH 11Os223/83

OGH11Os223/8325.1.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Jänner 1984 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Helige als Schriftführers in der Strafsache gegen Hildegard A und einen anderen wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den § 142 Abs. 1, 143 StGB über die vom Angeklagten Josef B gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 15.März 1983, GZ 20 i Vr 9.535/82-86, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Maurer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Ersten Generalanwaltes Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO das erstgerichtliche Urteil dahin ergänzt, daß der Angeklagten Hildegard A gemäß dem § 38 Abs. 1 Z 1 StGB auch die am 19.August 1982 von 3,45

Uhr bis 15,45 Uhr erlittene Vorhaftzeit auf die zu verbüßende Strafe

angerechnet wird.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Josef B auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurden die am 7.März 1942 geborene beschäftigungslose Hildegard A und der am 26.Mai 1950 geborene beschäftigungslose Josef B des Verbrechens des schweren Raubes nach den § 142 Abs. 1, 143 StGB schuldig erkannt und zu Freiheitsstrafen verurteilt, und zwar Hildegard A zu einer Freiheitsstrafe (als Zusatzstrafe) in der Dauer von fünf Jahren und Josef B zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Jahren.

Die Angeklagte A ließ das Urteil in Rechtskraft erwachsen. Der Angeklagte B bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 5 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde sowie den Strafausspruch mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte B ist zur Geltendmachung des von ihm in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes nicht legitimiert.

Voraussetzung zur (berechtigten) Ausführung des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 des § 345 Abs. 1 StPO - ebenso wie jenes der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO -

ist ein in der Hauptverhandlung gestellter Antrag des Beschwerdeführers (oder ein in der Hauptverhandlung vorgebrachter Widerspruch gegen ein Zwischenerkenntnis). Daran mangelt es vorliegend.

Der schriftliche Beweisantrag vom 16.Dezember 1982, mit dem die Vernehmung der Christine C als Zeugin begehrt wurde (ON 63 d.A) und auf den die Nichtigkeitsbeschwerde Bezug nimmt, wurde nämlich nicht vom Nichtigkeitswerber, sondern von der Mitangeklagten A eingebracht und von deren Verteidiger in der Hauptverhandlung vom 1.März 1983 wiederholt (S 466/I. Bd. d.A). In der gemäß dem § 276 a StPO fortgesetzten Hauptverhandlung vom 15.März 1983 wurde dieser Antrag 'aufrecht erhalten' (S 502/I. Bd. d.A); diese Erklärung stammt vom Verteidiger der Angeklagten A, weil von der Verteidigerin des Beschwerdeführers ein derartiger Antrag bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht gestellt worden war und demnach von ihr nicht 'aufrecht erhalten' werden konnte. Der Angeklagte B oder seine Verteidigerin schlossen sich diesem Antrag nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls, dessen Berichtigung nicht begehrt wurde und von dessen Inhalt daher auszugehen ist, auch niemals an.

Dem Umstand, daß nach dem Urteil erster Instanz das Vollmachtsverhältnis zwischen dem Angeklagten B und seiner Verteidigerin gelöst wurde und der bisherige Verteidiger der Angeklagten A im Rechtsmittelverfahren auch vom Angeklagten B als gewählter Verteidiger bestellt wurde (ON 98 und 105 d. A), kommt in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu. Nur am Rande sei noch bemerkt, daß der Schwurgerichtshof den in Rede stehenden Beweisantrag zutreffend wegen Unerreichbarkeit des Beweismittels abweisen durfte, weil die Sicherheitsbehörde die Christine C trotz mehrfacher Vorführungsversuche nicht stellig machen konnte (S 449/I. Bd., ON 81, ON 90 und S 496/I. Bd. d.A) und hiezu ausdrücklich mitteilte, daß der derzeitige Aufenthaltsort der Zeugin unbekannt sei (S 21/II. Bd. d.A). Daß sie - wie im Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung behauptet wurde - nur auf Urlaub und die Urlaubsadresse bekannt gewesen sei, läßt sich den Akten nicht entnehmen.

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B kann somit kein Erfolg beschieden sein.

Aus Anlaß dieser Nichtigkeitsbeschwerde mußte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugen, daß dem erstgerichtlichen Urteil eine von Amts wegen wahrzunehmende materiellrechtliche Nichtigkeit in der Bedeutung des § 345 Abs. 1 Z 13 StPO anhaftet:

Die Angeklagte A wurde im Zusammenhang mit dem den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildenden Raub am 30.August 1982 um 8,30 Uhr festgenommen (S 5/I. Bd. d.A). Die von diesem Zeitpunkt beginnende Verwahrungs- und Untersuchungshaft dieser Angeklagten wurde in dem gesondert geführten Verfahren AZ 1 d E Vr 9.487/82 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien mit dem Urteil dieses Gerichtes vom 24.September 1982, GZ 1 d E Vr 9.487/82-12, angerechnet und Hildegard A sogleich nach Verkündung dieses sofort in Rechtskraft erwachsenen Urteils in Strafhaft übernommen, in der sie bis nach dem eingangs genannten Urteil des Geschwornengerichtes vom 15.März 1983 verblieb, was sich aus den vom Obersten Gerichtshof beigeschafften Akten AZ 1 d E Vr 9.487/82 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ergibt.

Den vorliegenden Akten AZ 20 i Vr 9.535/82 des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien läßt sich jedoch entnehmen, daß Hildegard A überdies am 19.August 1982 von 3,45 Uhr bis 15,45 Uhr in polizeilicher Verwahrungshaft war, und zwar wegen jenes Diebstahls, der Gegenstand des Verfahrens AZ 1 d E Vr 9.487/82 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien bildete, das zum vorliegenden Verfahren im Verhältnis des § 56 StPO stand (weshalb vorliegend über Hildegard A auch eine Zusatzstrafe verhängt wurde). Eine Anrechnung dieser Vorhaftzeit unterblieb im Verfahren AZ 1 d E Vr 9.487/82 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien. Sie wäre daher im Urteil des Geschwornengerichtes anzurechnen gewesen, zumal diese Haftzeit auch aktenkundig war (S 6/I. Bd. d.A).

Das erstgerichtliche Urteil war daher gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO insoweit zu ergänzen, wobei dem nichts verschlägt, daß die Vorhaftzeit ein Ausmaß von 24 Stunden nicht erreicht (vgl. hiezu zuletzt 12 Os 66, 67/83, 11

Os 115/83, 11 Os 104/83, 10 Os 56/83, 13 Os 37/83, 9 Os 187/82 u. a.m.).

Der Angeklagte B begehrt in seinem Berufungsantrag, die Strafe in ihrem Ausmaß wesentlich herabzusetzen, brachte aber hiezu in der schriftlichen Berufungsausführung nur vor, sein Verteidiger werde die Berufung wegen Strafe beim Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung ausführen. Mit dem gestellten Antrag ist aber immerhin erkennbar, worauf die Berufung abzielt, sodaß damit dem Erfordernis der Erklärung, durch welche Punkte des Erkennntnisses sich der Berufungswerber beschwert finde, entsprochen wurde (vgl. Foregger-Serini, StPO 3 , Erläuterung IV zu § 294).

Das Erstgericht wertete bei diesem Angeklagten als erschwerend die einschlägigen, die Voraussetzungen des § 39 StGB erfüllenden Vorstrafen, als mildernd keinen Umstand und hielt in Abwägung dieser Umstände die über diesen Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Jahren als der Persönlichkeit des Täters und dem Schuldgehalt der Tat angemessen.

Der Berufung des Angeklagten B kommt keine Berechtigung zu. Auch im Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung konnten keine dem Berufungswerber zugutezuhaltenden Milderungsgründe vorgebracht werden.

Das Erstgericht stellte die Strafzumessungsgründe richtig und vollständig fest: Die über den Angeklagten B verhängte Freiheitsstrafe entspricht dem hohen Unrechtsgehalt der sorgfältig geplanten Tat und dem Verschuldensgrad des Berufungswerbers, dessen Persönlichkeit durch wiederholte, zum Teil empfindliche Vorstrafen gekennzeichnet wird.

Der Berufung konnte darum kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenentscheidung fußt auf der im Spruch genannten Gesetzesstelle.

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