OGH 10Os56/83

OGH10Os56/8329.4.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. April 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Lachner und Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Veith als Schriftführer in der Strafsache gegen Bernhard A und andere wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 und 15 StGB und anderer Delikte über den noch nicht erledigten Teil der Nichtigkeitsbeschwerde sowie die Berufung des Angeklagten Christian B und über die Berufung des Angeklagten Bernhard A gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht Wels vom 9. Dezember 1982, GZ 14 Vr 297/81-171, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, der Ausführungen der Verteidiger, Rechtsanwälte Dr. Ruggenthaler und Dr. Schmiedt, und des Vertreters der Generalprokuratur, Generanwalt Dr. Hauptmann, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Christian B wird (soweit sie nicht bereits mit dem Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 12. April 1983, GZ 10 Os 56/

83-6 erledigt wurde) Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin ergänzt, daß ihm gemäß § 38 StGB die Vorhaft vom 28. Juli 1981, 15,25 Uhr bis 21,15 Uhr auf die Strafe angerechnet wird. Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des weiteren Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem im zweiten Rechtsgang ergangenen Urteil wurden Bernhard Othmar A (geboren am 3. Juni 1960) und Christian B (geboren am 22. August 1962) des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142

Abs. 1, 143 (erster Fall) StGB schuldig erkannt, weil sie nach dem jeweils einhelligen Wahrspruch der Geschwornen in der Nacht zum 21. Juli 1981 in Wels in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) versucht hatten, dem Franz C (im Urteil ON 171 wiederholt unrichtig:

D;

vgl S 415 ff/I ua) mit Gewalt fremde bewegliche Sachen, nämlich ca 2.000 S Bargeld mit Bereicherungsvorsatz wegzunehmen. Das im ersten Rechtsgang am 4. Februar 1982

gefällte Urteil (ON 116) war bezüglich B zur Gänze (also im Wahrspruch, Schuldspruch, Strafausspruch) aufgehoben worden; desgleichen erfolgte - nach § 349 Abs. 2 StPO -

bezüglich A eine Teilaufhebung in Ansehung der Gesellschaftsqualifikation (OGH vom 27. Juli 1982, GZ 10 Os 56/82-11 = ON 139 dieses Strafaktes). Gegen das neuerliche Urteil haben beide Angeklagten Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung erhoben. Mit dem vom Obersten Gerichtshof am 12. April 1983

bei einer nichtöffentlichen Beratung gefaßten Beschluß, GZ 10 Os 56/83-6 (welcher Entscheidung auch der nähere, dem Schuldspruch zugrunde liegende Sachverhalt entnommen werden kann), wurde die (angemeldete, aber nicht ausgeführte) Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A (zur Gänze) zurückgewiesen, ebenso - partiell - jene des Angeklagten B mit Ausnahme jenes Teiles, in welchem der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z 13 StPO geltend gemacht wird.

Rechtliche Beurteilung

Im Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung war demnach nur mehr über diesen Abschnitt der Nichtigkeitsbeschwerde des B, sowie über die Berufungen der beiden Angeklagten abzusprechen. Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B kommt Berechtigung zu, weil das Gericht die von ihm in dieser Strafsache am 28. Juli 1981 von 15,25 Uhr bis 21,15 Uhr in polizeilicher Verwahrungshaft verbrachte Zeit nicht auf die Strafe angerechnet hat. Insoweit war demnach in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde diese zu Unrecht nicht berücksichtigte Vorhaft gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB anzurechnen.

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten A nach dem ersten Absatz des § 143 StGB - unter gleichzeitiger Festsetzung der Strafe für den in Rechtskraft erwachsenen Teil des im ersten Rechtsgang ergangenen Urteils des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht Wels vom 4.Febbruar 1982 - zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Jahren. Vom Ausspruch der Strafe werden daher folgende Straftaten erfaßt:

1.) Das am 28. September 1980 in Wels (im gemeinsamen Zusammenwirken mit dem bereits rechtskräftig Verurteilten Werner E) an Manfred F begangene Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB, wobei der Letztgenannte eine Gehirnerschütterung, mehrfache Hautabschürfungen und Quetschungen, einen Nasenbeinbruch ohne Verschiebung der Bruchstücke, ein Monokelhämatom beim linken Auge sowie eine Quetschung des linken Augapfels und einen Oberkieferbruch links mit Nervenquetschungen erlitt (Schuldspruch zu Pkt 1) in ON 116).

2.) Das in der Nacht zum 29. September 1980 in Wels mit Werner E in Gesellschaft als Beteiligter (§ 12 StGB) an Herbert G mit Gewalt und mit Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben begangene Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 (erster und dritter Fall) StGB, wobei sie ca 1.600 S Bargeld erbeuteten und G durch die ausgeübte Gewalt schwer verletzt wurde, indem er eine Brustkorbprellung, Prellungen und Abschürfungen im Gesicht, ein Lidhämatom am linken Auge, eine schwere Kontusion des linken Augapfels mit Vorderkammerblutung, flächigen Netzhautblutungen am hinteren Pol und einem hufeisenförmigen Netzhautriß, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Berufsunfähigkeit, erlitt (Schuldspruch zu Pkt 2) in ON 116).

3.) Das nach der zu 2.) beschriebenen Raubtat an G, teils im gemeinsamen Zusammenwirken mit E begangene Verbrechen der teils vollendeten und teils versuchten schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 und 15 StGB, das A dadurch verwirklicht hatte, daß er den G durch gefährliche Drohung mit dem Tode zur Unterfertigung einer Vollmacht, welche ihn zur Geldbehebung von dessen Lohnkonto berechtigte, nötigte und weiters, wiederum durch gefährliche Drohung mit dem Tode, zur Unterlassung der Anzeigeerstattung und der Erwirkung der ärztlichen Behandlung zu nötigen versucht hatte (Schuldspruch zu Pkt 3) und 4) in ON 116).

4.) Schließlich liegt A das bereits eingangs erwähnte, in Gesellschaft des Christian B als Beteiligter (§ 12 StGB) an Franz C verübte Verbrechen des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1 und 143 (erster Fall) StGB (somit zusammen mit der zu Punkt 2. oben angeführten Raubtat an Herbert G insgesamt das Verbrechen des teils vollendeten und teils versuchten schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster und dritter Fall und 15 StGB) zur Last.

Bei der Strafbemessung waren erschwerend eine allerdings nicht als sehr gravierend angesehene Vorverurteilung wegen des Vergehens des Diebstahls, weiters 'das Zusammentreffen von vier Verbrechen mit einem Vergehen' (richtig:

das Zusammentreffen von zwei Verbrechen - nämlich schwerer Raub und schwere Nötigung - mit einem Vergehen und die jeweilige Wiederholung der beiden Verbrechen), die zweifache Qualifikation zum schweren Raub, die brutale Vorgangsweise insbesondere beim Raub zum Nachteil des Herbert G und die Ausnützung des an Hilflosigkeit grenzenden Zustandes der beiden Raubopfer G und C, schließlich noch der relativ rasche Rückfall. Als mildernd wurden diesem Angeklagten das 'beinahe umfassende' Geständnis, das Alter unter 21 Jahren, soweit die Straftaten vor dem 3. Juni 1981 begangen worden waren, sowie der Umstand, daß es teilweise beim Versuch geblieben ist, zugebilligt. Der auf eine Herabsetzung des Strafmaßes abzielenden Berufung des Angeklagten A kommt keine Berechtigung zu.

Das Geschwornengericht hat zwar bei der Ermittlung der Strafzumessungsgründe - zu Gunsten des Angeklagten - übersehen, daß die von Franz C erlittenen Verletzungen (S 417/I) einen weiteren Erschwerungsumstand darstellen (12 Os 64/82 ua), ebenso aber auch der Umstand, daß er während der Anhängigkeit des Strafverfahrens wegen der am 28.

und 29. September 1980 verübten Straftaten neuerlich (einschlägig) straffällig geworden ist (EvBl 1976/229 ua). Es hat im übrigen aber den durchwegs schwerwiegenden Unrechtsgehalt der Straftaten im wesentlichen zutreffend gewürdigt und dabei ein Strafmaß gefunden, das im Hinblick auf die tat- und persönlichkeitsbezogene Schuld keineswegs als überhöht angesehen werden kann. Demgegenüber vermag der Berufungswerber keine neuen, bei der Strafzumessung in 1. Instanz etwa unberücksichtigt gebliebenen Milderungsgründe aufzuzeigen. Sein Vorbringen beschränkt sich vielmehr weitgehend darauf, die vom Erstgericht ohnedies herangezogenen Milderungsgründe nochmals nachhaltig zu unterstreichen und die Erschwerungsgründe abzuschwächen. Den zur Zeit der Tat bestehenden, die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand hat das Geschwornengericht zu Recht nicht als mildernd herangezogen, weil die durch den Alkoholkonsum bedingte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit durch den Vorwurf, den der Genuß dieses berauschenden Mittels den Umständen des gegebenen Falles nach begründet, aufgewogen wird.

Denn es war dieser Angeklagte, der damals nach seinen eigenen Angaben trotz seiner Arbeitslosigkeit häufig das Lokal 'X' besuchte (ua S 433/I), sowohl bei jenen Straftaten, die in der Nacht vom 28. auf den 29. September 1980 verübt worden waren, als auch bei der - zudem während der Anhängigkeit des Strafverfahrens wegen dieser Straftaten - am 21. Juli 1981 (an C) begangenen Straftat alkoholisiert (vgl ua Seite 71/II), was ebenso wie der Inhalt des Vorstrafaktes auf eine bei ihm vorliegende Neigung zur Begehung strafbarer Handlungen in alkoholisiertem Zustand schließen läßt. Bei dieser Sachlage konnte eine Ermäßigung des keineswegs überhöhten Strafmaßes nicht in Betracht gezogen werden, weshalb auch der unbegründeten Berufung des Angeklagten A ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Den Angeklagten B verurteilte das Erstgericht - unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB - zu zwei Jahren Freiheitsstrafe als Zusatzstrafe gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 15. Jänner 1982, GZ 12 Vr 1182/81-31. Bei der Strafbemessung wertete es drei wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Taten erfolgte Verurteilungen sowie den raschen Rückfallsals erschwerend, als mildernd hingegen das Alter unter 21 Jahren sowie den Umstand, daß es beim Versuch geblieben ist.

Auch der Berufung dieses Angeklagten, der eine Herabsetzung des Strafmaßes und die Gewährung der bedingten Strafnachsicht gemäß § 43 StGB begehrt, kommt keine Berechtigung zu.

Die Behauptung des Berufungswerbers, er habe die gegenständliche Straftat unter Einwirkung eines Dritten verübt, findet in der Aktenlage keine Deckung. Weitere ins Gewicht fallende Milderungsgründe liegen, dem Vorbringen in der Berufung zuwider, nicht vor. Ein Geständnis hat der Angeklagte B bis zuletzt nicht abgelegt. Die Hilfeleistung an den Beraubten erfolgte, um den Verdacht von sich abzulenken. Sie kann daher nicht weiters berücksichtigt werden. Auch sonst hat das Geschwornengericht bei diesem Angeklagten die Strafzumessungsgründe - von dem auch bei ihm übersehenen weiteren Erschwerungsgrund der leichten, von C erlittenen Verletzungen, an deren Zufügung er allerdings nicht selbst unmittelbar beteiligt war, abgesehen - zutreffend und vollständig festgestellt und unter weitgehender Gewährung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB ein - sogar unter der Hälfte des gesetzlichen Mindestmaßes gelegenes - Strafmaß gefunden, das keineswegs überhöht erscheint. Eine Strafermäßigung konnte daher nicht in Betracht gezogen werden. Im übrigen ist noch zu bemerken, daß das Erstgericht vorliegend zu Unrecht gemäß §§ 31, 40 StGB auf das oben angeführte Urteil des Kreisgerichtes Wels Bedacht genommen hat. In diesem Urteil waren nämlich seinerseits wieder gemäß §§ 31, 40 StGB die Urteile des Kreisgerichtes Wels vom 2. Juni 1980 (GZ 15 Vr 964/

79-31; und des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 13. November 1980 (AZ U 2212/80) berücksichtigt worden, denen Delikte zugrunde lagen, die vor der dem B hier angelasteten (am 21. Juli 1981 begangenen) Straftat abgeurteilt worden waren.

Eine Verbindung aller dieser Verfahren in erster Instanz gemäß § 56 StPO wäre mithin mit Rücksicht auf die Tatzeit im gegenständlichen Verfahren nicht möglich gewesen.

Aber auch die Gewährung der bedingten Strafnachsicht ist vorliegend ausgeschlossen. Bei Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu zwei Jahren ist gemäß § 43 Abs. 2

StGB eine bedingte Strafnachsicht möglich, wenn zu den allgemeinen Voraussetzungen nach dem ersten Absatz dieser Gesetzesstelle besondere Gründe hinzutreten, welche Gewähr für künftiges Wohlverhalten des Rechtsbrechers bieten. Um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für die Gewährung einer derartigen Rechtswohltat vorliegen, muß das Gericht eine Zukunftsprognose erstellen, in die es notwendigerweise auch das Verhalten des Rechtsbrechers nach der Straftat einzubeziehen hat. Bei dieser Prognoseerstellung kann es ohne Verstoß gegen die im Art 6 Abs. 2 MRK verankerte Unschuldsvermutung durchaus auch darauf Rücksicht nehmen, daß der Täter etwa in einem noch anhängigen Strafverfahren oder in anderem Zusammenhang gestanden hat, weitere Straftaten verübt zu haben und daraus Schlüsse auf das weitere Verhalten ziehen.

Der unbegründeten Berufung des Angeklagten B war daher ebenfalls ein Erfolg zu versagen.

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