OGH 11Os12/16y

OGH11Os12/16y22.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. März 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Margreiter, LL.B., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Zakim F***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Geschworenengericht vom 23. Oktober 2015, GZ 37 Hv 80/15p‑69, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0110OS00012.16Y.0322.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde der Angeklagte Zakim F***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB (I./) und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1, Abs 2 Z 1 StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er am 21. Februar 2015 in L*****

I./ Rene E***** zu töten versucht, indem er ihm zumindest drei Messerstiche versetzte, wodurch dieser eine Stichwunde am linken Unterarm, eine Stichwunde in der rechten Gesäß-/Oberschenkelregion sowie eine Bauchstichverletzung links mit Durchstechung des querverlaufenden Dickdarmes, nahe an der linken Flexur, mit Anstich des Musculus iliopsoas (Muskelstrang neben der Wirbelsäule bzw der hinteren Becken-/Bauchregion) erlitt;

II./ Richard A***** vorsätzlich mit einem solchen Mittel und auf eine solche Weise, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist, am Körper verletzt, indem er ihm Messerstiche versetzte, wodurch dieser eine Stichwunde an der Oberschenkel-Innenseite links und eine Stichwunde an der Gesäßregion links erlitt.

Die Geschworenen haben die anklagekonform zu I./ an sie gestellte Hauptfrage nach (versuchtem) Mord (§§ 15, 75 StGB) bejaht. Die für den Fall der Verneinung der Hauptfrage gestellten Eventualfragen 1./ (in Richtung des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB), 2./ (in Richtung des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1, Abs 2 Z 1 StGB) und 3./ (in Richtung des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB) blieben folgerichtig unbeantwortet. Weiters verneinten die Laienrichter die zu II./ gestellte Hauptfrage (in Richtung des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB), bejahten die Eventualfrage 4./ und ließen die Eventualfrage 5./ (in Richtung des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB) unbeantwortet.

Die Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit auf Z 5 und 6 des § 345 Abs 1 StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z 5), der Schwurgerichtshof hätte ‑ dem Antrag (ON 68 S 120) des Angeklagten zuwider ‑ trotz unzureichender Begründung des zur Hauptfrage 1./ ergangenen Wahrspruchs der Geschworenen in deren Niederschrift (§ 331 Abs 3 StPO), wonach der Angeklagte wissen musste, dass ein Bauchstich tödlich sein kann und unter Berücksichtigung der einen Tötungsvorsatz bestreitenden Verantwortung des Genannten kein Moniturverfahren angeordnet, verfehlt den Bezugspunkt dieses Nichtigkeitsgrundes, der auf in der Hauptverhandlung gestellte Anträge abzielt, während das Moniturverfahren außerhalb derselben stattfindet (§§ 319, 340 Abs 1 StPO; RIS‑Justiz RS0116945). Die Ablehnung von im Rahmen der Anhörung nach § 332 Abs 4 StPO gestellten Anträgen, den Geschworenen die Verbesserung des Wahrspruchs aufzutragen, ist weder unter dem Blickwinkel der Z 5 noch der Z 10 des § 345 Abs 1 StPO von Bedeutung.

Auch ein allfälliger Widerspruch zwischen Niederschrift und Wahrspruch ohne (diesen betreffenden) Verbesserungsauftrag ist im Übrigen unter dem Aspekt der Nichtigkeitsgründe nicht relevant (RIS‑Justiz RS0118546; Philipp, WK‑StPO § 331 Rz 13a; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 69). Das Gesetz verlangt von den Laienrichtern weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht eine „anfechtungsfeste“ Begründung ihres Wahrspruchs (RIS‑Justiz RS0101019). Folgerichtig kann der Inhalt der in § 331 Abs 3 StPO bezeichneten Niederschrift nur über Anfechtung aus Z 10 ‑ deren Voraussetzungen aktuell nicht vorliegen (12 Os 60/12h) ‑ zur Urteilsnichtigkeit führen (Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 71).

Die gesetzmäßige Ausführung einer Fragenrüge (Z 6) ‑ hier in Richtung §§ 15, 76 StPO ‑ erfordert die deutliche und bestimmte Bezeichnung der vermissten Fragestellung und des sie indizierenden Tatsachensubstrats in der Hauptverhandlung samt Angabe der Fundstellen in den Akten (RIS‑Justiz RS0119418, RS0119417, RS0117447, RS0100860). Beruft sich der Nichtigkeitswerber bei der Kritik an der Unterlassung der Aufnahme einer Eventualfrage in den Fragenkatalog auf ein in der Hauptverhandlung vorgekommenes Verfahrensergebnis, darf er den Nachweis der geltend gemachten Nichtigkeit nicht bloß auf der Grundlage einzelner, isoliert aus dem Kontext der Gesamtverantwortung gerissener Sätze führen (vgl 15 Os 201/98, 11 Os 30/02), sondern hat vielmehr die Verantwortung in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen. Durch selektives Betonen einzelner Aussageteile unter Außerachtlassen des Zusammenhangs wird die Indizwirkung für eine angestrebte Zusatzfrage nicht dargetan (RIS‑Justiz RS0117447 [T2, T4]; RS0100464).

Das Vorbringen des sich weder mit einer vorsätzlichen Tötung noch mit einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung verantwortenden (ON 68 S 18, 23 f, 54, 81, 116, 118) Beschwerdeführers genügt diesen Anforderungen nicht: Sie stützt sich nämlich bloß auf aus dem Kontext gelöste Angaben des Angeklagten anlässlich seiner tatsachengeständigen Verantwortung vor der Polizei (ON 2 S 119 ff), auf einzelne Passagen aus seiner insbesondere zur Verwendung eines Messers gänzlich leugnenden, wechselseitige Tätlichkeiten bekundenden Einlassung in der Hauptverhandlung (ON 68 S 16) sowie auf Zeugenaussagen über eine „Schlägerei“ (ON 68 S 51) und „totales Chaos“ (ON 68 S 59).

Ausgehend davon orientiert sich auch die gegen die unterlassene Stellung einer auf Notwehr (§ 3 Abs 1 StGB), deren allfällige Überschreitung (§ 3 Abs 2 StGB) sowie auf die irrtümliche Annahme einer rechtfertigenden Notwehrsituation (§ 8 StGB) abzielenden eigentlichen Zusatzfrage geübte (beide Schuldsprüche betreffende) Kritik nicht an den Prozessgesetzen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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