European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00099.18H.1023.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Begründung:
Der Kläger begehrt mit seiner Säumnisklage den Zuspruch der Invaliditätspension mit dem Vorbringen, die beklagte Pensionsversicherungsanstalt habe über sein – als Antrag zu wertendes – Schreiben vom 24. 7. 1987 bescheidmäßig nicht entschieden.
Die Beklagte bestreitet und wendet ein, der Antrag des Klägers vom 7. 10. 1985 auf Invaliditätspension sei mit Bescheid vom 12. 9. 1986 mangels Erfüllung der Wartezeit abgelehnt worden. Dagegen sei keine Klage eingebracht worden. Das nachfolgende Schreiben des Klägers vom 24. 7. 1987 sei – wie sich aus der gesamten Korrespondenz ergebe – nicht als (neuer) Antrag auf Invaliditätspension zu werten.
Das Erstgericht wies die Klage in Form eines Urteils wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Rechtlich ging es – soweit für das Revisionsrekursverfahren wesentlich – davon aus, dass kein Antrag auf Zuerkennung der Invaliditätspension vorliege, über den die Beklagte zu entscheiden gehabt hätte, weshalb die Voraussetzungen für eine Säumnisklage nicht gegeben seien.
Diese Entscheidung wurde dem Klagevertreter am 3. 4. 2018 zugestellt. Das dagegen erhobene – als Berufung bezeichnete – Rechtsmittel wurde am 27. 4. 2018 im Wege des Elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) eingebracht.
Das Rekursgericht wies das als Rekurs behandelte Rechtsmittel des Klägers wegen Verspätung zurück. Rechtlich ging es davon aus, dass es sich bei der vom Erstgericht in Urteilsform erfolgten Zurückweisung der Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs um eine beschlussmäßige Erledigung handle. Habe das Erstgericht unrichtigerweise die Klage in Urteilsform zurückgewiesen, stehe dagegen nur das Rechtsmittel des Rekurses zu, eine dagegen erhobene „Berufung“ sei als Rekurs zu behandeln. Das Vergreifen in der Entscheidungsform beeinflusse die– hier 14tägige – Rechtsmittelfrist nicht. Auch Gerichtsfehler könnten nicht zur Verlängerung von Rechtsmittelfristen (Notfristen) führen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Klägers ist nicht berechtigt.
1. Richtet sich ein Rechtsmittel gegen einen Zurückweisungsbeschluss des Rekursgerichts, der auf die abschließende Verweigerung des Rechtsschutzes nach einer Klage hinausläuft, so ist nach ständiger Rechtsprechung für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsmittels § 519 Abs 1 Z 1 ZPO analog anzuwenden. Dies wurde auch für den Fall bejaht, dass eine Berufung vom Gericht zweiter Instanz in einen Rekurs umgedeutet und wegen Verspätung zurückgewiesen worden war (4 Ob 233/16t mwN). Das Rechtsmittel ist daher als „Vollrekurs“ zulässig.
2.1 Jede Leistungsklage in Sozialrechtssachen setzt entweder einen Bescheid oder eine Säumnis des Sozialversicherungsträgers voraus (RIS‑Justiz RS0085867). Eine Säumnis des Versicherungsträgers liegt vor, wenn der Versicherungsträger zur Entscheidung über den Antrag mittels Bescheid verpflichtet ist und den Bescheid nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Eingang des Antrags auf Zuerkennung der Leistung erlassen hat (§ 67 Abs 1 Z 2 lit b ASGG).
2.2 Wird eine Klage erhoben, obwohl die genannten Voraussetzungen nicht vorliegen, ist die Klage gemäß § 73 ASGG in jeder Lage des Verfahrens zurückzuweisen. Diese Bestimmung stellt klar, dass beim Fehlen einer der normierten Verfahrensvoraussetzungen der Rechtsweg verwehrt ist, weil eine Anrufung des Gerichts im Rahmen der sukzessiven Kompetenz nicht zulässig ist ( Neumayr in ZellKomm 3 § 73 ASGG Rz 1).
3. Im vorliegenden Fall hat die Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen für eine Säumnisklage vorliegen, erbracht, dass ein (neuerlicher) Antrag auf Zuerkennung der Invaliditätspension nicht vorliegt (was im Revisionsrekurs nicht mehr in Zweifel gezogen wird). Die sechsmonatige Entscheidungsfrist des Sozialversicherungsträgers konnte daher nicht zu laufen beginnen und keine Säumnis eintreten. Mangels Säumnis ist die Säumnisklage gemäß § 73 ASGG wegen fehlender Zulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen,
4. Die vom Gesetz dafür vorgesehene Entscheidungsform ist der Beschluss. Mit Urteil ist nur in der Sache selbst zu entscheiden, für alle anderen Entscheidungen – somit auch für die Zurückweisung einer Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs – ist die Beschlussform vorgesehen.
5.1 Das Erstgericht hat zwar unmissverständlich die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs infolge Fehlens der Voraussetzungen für eine Säumnisklage zurückgewiesen, sich dabei jedoch der unrichtigen Entscheidungsform, nämlich jener des Urteils bedient.
5.2 Gerichtsfehler – wie das Vergreifen in der Entscheidungsform – beeinflussen aber weder die Zulässigkeit noch die Behandlung des Rechtsmittels und die Rechtsmittelfrist. Maßgeblich ist allein die vom Gesetz vorgesehene Entscheidungsform (RIS‑Justiz RS0041880; RS0036324; RS0041859). Das Erstgericht konnte durch die Wahl der unrichtigen Entscheidungsform die unerstreckbare gesetzliche (14tägige) Rechtsmittelfrist gegen seine als Beschluss zu wertende Entscheidung nicht verlängern.
6. Das Rekursgericht hat daher zutreffend die als Rekurs zu behandelnde Berufung wegen Verspätung zurückgewiesen, weshalb dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben war.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten des Verfahrens liegen nicht vor, sodass schon aus diesem Grund ein ausnahmsweiser Kostenersatzanspruch an den Kläger nach Billigkeit im Sinn der zitierten Gesetzesstelle nicht in Betracht kommt.
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