OGH 10ObS71/23y

OGH10ObS71/23y24.7.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Annerl sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Elisabeth Schmied (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Veronika Bogojevic (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei MMag. Dr. M*, vertreten durch Mag. Gerhard Eigner, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau, 1080 Wien, Josefstädter Straße 80, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kinderbetreuungsgeld, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 26. April 2023, GZ 12 Rs 16/23 v‑32.2, womit das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 15. Dezember 2022, GZ 18 Cgs 83/22z‑28, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:010OBS00071.23Y.0724.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Sozialrecht, Unionsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts dahin abgeändert wird, dass es lautet:

Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei Kinderbetreuungsgeld in gesetzlicher Höhe als Ersatz des Erwerbseinkommens für den Zeitraum von 16. März 2022 bis 15. August 2022 zu zahlen, wird abgewiesen.“

Die klagende Partei hat die Kosten des Verfahrens selbst zu tragen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin ist Mutter des * 2022 geborenen D*.

[2] Die Klägerin hatte am 13. Februar 2021 eine Tochter geboren, die am 2. März 2021 verstarb. Die Klägerin hatte aufgrund der Geburt ihrer Tochter mit ihrer Dienstgeberin Mutterschaftskarenz vereinbart. Die Klägerin bezog von 20. April 2021 bis 31. August 2021 Arbeitslosengeld.

[3] Mit Bescheid vom 25. März 2022wies die beklagte Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau den Antrag der Klägerin vom 4. Februar 2022auf Zuerkennung des Kinderbetreuungsgelds als Ersatz des Erwerbseinkommens für den Zeitraum von 16. März 2022 bis 15. August 2022 ab.

[4] Das Erstgericht gab dem Antrag auf Zuerkennung von Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum von 16. März 2022 bis 15. August 2022 statt. Es ging vom eingangs gekürzt wiedergegebenen Sachverhalt aus. Streng nach dem Wortlaut des § 24 Abs 2 Satz 1 KBGG sei die Klägerin von 20. April 2021 bis 31. August 2021 nicht erwerbstätig gewesen. Sie sei aber auch nicht arbeitslos iSd AlVG gewesen, weil Arbeitslosigkeit im Fall des § 12 Abs 7 AlVG bloß fingiert werde. Den Fall, dass das erste Kind kurz nach der Geburt versterbe und Mütter daher bei zeitnaher Schwangerschaft zum zweiten Kind keinen Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld hätten, weil sie als arbeitslos iSd § 12 Abs 7 AlVG „gelten“ würden, habe der Gesetzgeber bei der Formulierung des § 24 KBGG nicht bedacht. Es liege daher eine planwidrige Lücke vor, die per Analogie zu schließen sei, auch um eine mittelbare geschlechtsspezifische Diskriminierung von Frauen, die von diesem Ausschluss mehrheitlich betroffen seien, zu verhindern.

[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Sozialrechtssache an das Erstgericht zurück. Die Tochter der Klägerin sei noch vor Antritt der Karenz verstorben, sodass eine wesentliche Voraussetzung für eine Karenz nach § 15 MSchG und eine Leistung nach § 12 Abs 7 AlVG nicht vorgelegen sei. Das Arbeitslosengeld sei daher zu Unrecht bezogen worden. Mangels Bindungswirkung der Mitteilung, mit der das Arbeitslosengeld gewährt worden sei, erübrige sich die Beantwortung der Frage, ob ein Leistungsbezug nach § 12 Abs 7 AlVG als eine der tatsächlichen Ausübung einer kranken‑ und pensionsversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gleichgestellte Situation anzusehen sei. Allenfalls sei jedoch von einer Erwerbstätigkeit der Klägerin iSd § 24 KBGG auszugehen, sei diese doch aufgrund des Todes ihres Kindes vor Ablauf der Zeit des Beschäftigungsverbots berechtigt bzw verpflichtet gewesen, auf ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Dazu würden Feststellungen fehlen.

[6] Das Berufungsgericht ließ den Rekursmangels Vorliegens höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu der vorliegenden Konstellation zu.

[7] Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin, in dem sie die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinn der Stattgabe des Klagebegehrens beantragt; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[8] In der Rekursbeantwortung beantragt die Beklagte eine Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen im Sinn einer Abweisung des Klagebegehrens; hilfsweise beantragt sie dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[9] Der Rekursist zulässig und berechtigt.

[10] 1. Der Oberste Gerichtshof kann gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO über einen Rekurs gegen einen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO durch Urteil in der Sache selbst erkennen, wenn die Sache zur Entscheidung reif ist, wobei diese Entscheidung auch zum Nachteil des Rekurswerbers ausfallen kann. Eine derartige Sachentscheidung des Obersten Gerichtshofs verstößt nicht gegen das Verschlechterungsverbot (RS0043853; RS0043939).

[11] 2. Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens hat ein Elternteil für sein Kind nach § 24 Abs 1 Z 2 KBGG, sofern dieser Elternteil in den letzten 182 Kalendertagen unmittelbar vor der Geburt des Kindes, für das Kinderbetreuungsgeld bezogen werden soll, durchgehend erwerbstätig gemäß § 24 Abs 2 KBGG war sowie in diesem Zeitraum keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten hat, wobei sich Unterbrechungen von insgesamt nicht mehr als 14 Kalendertagen nicht anspruchsschädigend auswirken.

[12] § 24 Abs 1 Z 2 KBGG sieht somit zwei Tatbestandsvoraussetzungen vor, einerseits das Vorliegen einer Erwerbstätigkeit (im Sinne des § 24 Abs 2 KBGG) und andererseits den Nichterhalt von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung im maßgeblichen Zeitraum. Ein Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld besteht nur, wenn diese Tatbestandsvoraussetzungen kumulativ vorliegen. Umgekehrt ist der Anspruch zu verneinen, wenn auch nur eine dieser Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt ist.

[13] 3. Die Rekursausführungen der Klägerin beziehen sich nur auf die zweite der genannten Tatbestandsvoraussetzungen, den Nichterhalt von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Auf diese Frage kommt es hier aber nicht entscheidend an.

[14] 3.1. Bereits im Verfahren erster Instanz brachte die – qualifiziert vertretene (§ 87 Abs 3 ASGG) – Klägerin vor, dass sie von 20. April 2021 bis 31. August 2021 eine „Ersatzleistung zum Karenzurlaubsgeld“ gemäß § 12 Abs 7 AlVG bezogen habe und ihr Dienstverhältnis nicht beendet, sondern karenziert gewesen sei (ON 10 Seite 2). Auch in der Berufungsbeantwortung hielt die Klägerin ausdrücklich fest, dass sie im betreffenden Zeitraum karenziert gewesen sei und § 12 Abs 7 AlVG nur eine „Fingierung“ einer Arbeitslosigkeit darstelle, um von Schicksalsschlägen betroffenen Personen für die Dauer der Beschäftigungslosigkeit während der Karenz eine soziale Absicherung für den Entfall des Kinderbetreuungsgelds wegen Ablebens des die Karenz und das Kinderbetreuungsgeld auslösenden Kindes zu gewähren.

[15] 3.2. Nach diesem Vorbringen ist dem Verfahren als unstrittig zugrunde zu legen, dass das Dienstverhältnis der Klägerin im betreffenden Zeitraum karenziert war, es also zwar weiter aufrecht bestand, aber einerseits die Verpflichtung der Klägerin zur Arbeitsleistung und andererseits die Verpflichtung ihrer Dienstgeberin zur Leistung jedes hiefür gebührenden Entgelts ruhten. Daraus ergibt sich aber, dass – unabhängig davon, ob die Tatbestandsvoraussetzung des Nichterhalts von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung als erfüllt anzusehen ist – die Klägerin innerhalb der letzten 182 Tage vor der Geburt des Kindes nicht durchgehend erwerbstätig im Sinne des § 24 Abs 2 KBGG war.

[16] 3.2.1. Unter Erwerbstätigkeit im Sinne des § 24 Abs 1 Z 2 KBGG ist nach § 24 Abs 2 KBGG die tatsächliche Ausübung einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen (kranken‑ und pensionsversicherungspflichtigen) Erwerbstätigkeit anzusehen; bestimmte Zeiten einer vorübergehenden Unterbrechung dieser Erwerbstätigkeit sind einer Erwerbstätigkeit gleichgestellt.

[17] 3.2.2. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kommt es beim Begriff der Erwerbstätigkeit iSd § 24 Abs 2 KBGG nicht auf Erwerbsabsicht oder Lohnsteuerabzug an, sondern es ist darauf abzustellen, ob eine „Erwerbstätigkeit“ ausgeübt wurde, die der Sozialversicherungspflicht unterlag, ob also aufgrund dieser Tätigkeit (vom Versicherten bzw dem Dienstgeber) Sozialversicherungsbeiträge geleistet werden mussten (RS0128183).

[18] Dementsprechend schaden etwa Zeiten einer Dienstfreistellung unter (zumindest teilweiser) Fortzahlung des Entgelts (10 ObS 5/21i SSV‑NF 35/17; 10 ObS 129/20y SSV‑NF 34/77; 10 ObS 99/20m SSV‑NF 34/65 zu § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG) nicht. Umgekehrt fehlt es an diesen Voraussetzungen beispielsweise bei einem Karenzurlaub unter Entfall der Bezüge (10 ObS 22/23t), einem unbezahlten Urlaub unter Wegfall der Pflichtversicherung (10 ObS 25/18a SSV‑NF 32/25) und bei Krankengeldbezug nach Erschöpfung der Entgeltfortzahlungspflicht (10 ObS 5/14d SSV‑NF 28/8). Auch bei Leistung des Präsenzdienstes oder einer Milizübung wurde eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit angenommen (10 ObS 38/19i SSV‑NF 33/43 zu § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG; 10 ObS 57/12y SSV‑NF 26/59), weil die – durch das aufrechte Dienstverhältnis begründete – Beitragspflicht des Versicherten und seines Dienstgebers ruht und die (durch das Dienstverhältnis begründete) Pflichtversicherung mit dem Antritt des Präsenzdienstes endet.

[19] Bei karenzierten Dienstverhältnissen, bei denen der Entgeltanspruch vorübergehend erlischt, fällt – sofern die Dauer der Karenz einen Monat übersteigt (§ 11 Abs 3 lit a ASVG) – die Sozialversicherungspflicht (im Fall der nach dem B‑KUVG kranken- und unfallversicherten Klägerin: die Teilversicherung in der Pensionsversicherung nach § 7 Z 4 ASVG) weg. Die Klägerin übte somit von 20. April 2021 bis 31. August 2021 keine (kranken- und pensionsversicherungspflichtige) Erwerbstätigkeit im Sinne des § 24 Abs 2 Satz 1 KBGG aus. Ob die Klägerin in diesem Zeitraum Arbeitslosengeld bezog, ist für diese Beurteilung irrelevant, weil eine dadurch allenfalls bewirkte Einbeziehung in die Kranken- (§ 40 Abs 1 AlVG) und Pensionsversicherung (§ 8 Abs 1 Z 2 lit b ASVG) nicht durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit begründet worden wäre (vgl 10 ObS 22/23t ErwGr 4.2.).

[20] 3.2.3. Auch eine der Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gleich-gestellte Zeit im Sinn des § 24 Abs 2 Satz 2 KBGG ist in diesem Zeitraum zu verneinen.

[21] 3.2.3.1. Nach dieser Bestimmung gelten als gleichgestellt Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser zuvor mindestens 182 Kalendertage andauernden Erwerbstätigkeit während eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften, sowie Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser zuvor mindestens 182 Kalendertage andauernden Erwerbstätigkeit zum Zwecke der Kindererziehung während Inanspruchnahme einer Karenz nach dem Mutterschutzgesetz oder dem Väter-Karenzgesetz oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften, bis maximal zum Ablauf des zweiten Lebensjahres eines Kindes.

[22] 3.2.3.2. Das Beschäftigungsverbot nach § 5 Abs 1 MSchG endete mit Ablauf des 19. April 2021, sodass am Beginn des maßgeblichen Beobachtungszeitraums (aufgrund des unstrittigen Beginns des neuerlichen Beschäftigungsverbots nach § 5 Abs 1 MSchG mit 2. November 2021) am 4. Mai 2021 kein Beschäftigungs-verbot nach dem MSchG (oder gleichartigen Rechtsvorschriften) mehr bestand.

[23] 3.2.3.3. Bei der Zeit von 4. Mai 2021 bis 31. August 2021 handelte es sich aber auch nicht um den zweiten Fall der nach § 24 Abs 2 Satz 2 KBGG der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gleichgestellten Zeit. Unabhängig davon, ob es sich bei der von der Klägerin zugestandenen Karenz um eine solche nach § 15 MSchG handelte, die mangels Begehrens der Dienstgeberin auf vorzeitigen Dienstantritt infolge Todes ihres Kindes nicht nach § 15f Abs 3 MSchG vorzeitig beendet wurde (Standpunkt der Klägerin), oder ob die Klägerin mit ihrer Dienstgeberin eine Freistellung unter Entfall der Bezüge vereinbarte (so die Mitteilung der Dienstgeberin der Klägerin; ON 17), wäre die vorübergehende Unterbrechung der Erwerbstätigkeit nicht zum Zwecke der Kindererziehung erfolgt.

[24] Nach den Gesetzesmaterialien zur KBGG‑Novelle BGBl I 2009/116, mit der das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld eingeführt wurde, sollen von diesem Fall (nur) Zeiträume erfasst werden, in denen die Erwerbstätigkeit unterbrochen wurde, um sich der Kindererziehung zu widmen, damit jene Eltern, die bereits ein älteres Kind haben und jene Eltern, die das Kinderbetreuungsgeld für ihr erstgeborenes Kind beziehen, denselben Zugang zu dieser Leistung haben (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP  16). Im maßgeblichen Beobachtungszeitraum widmete sich die Klägerin aber nicht der Kindererziehung und hatte nach dem Tod des Kindes auch keinen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld, der dem nunmehr zu prüfenden Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld entgegen stehen könnte und nach der Absicht des Gesetzgebers eine Gleichstellung erfordern würde.

[25] 3.2.3.4. Dem Erstgericht ist zweifellos darin zuzustimmen, dass der Tod des Kindes nach der Geburt einen tragischen Schicksalsschlag darstellt. Selbst wenn der Klägerin eine Rückkehr in das karenzierte Dienstverhältnis nach dem Tod ihres Kindes aber nicht möglich gewesen wäre (in welchem Fall eine soziale Absicherung in Form von Arbeitslosengeld iSd § 12 Abs 7 AlVG vorgesehen wäre), ist allein deswegen noch keine planwidrige Gesetzeslücke anzunehmen. Auf die Ursache, warum Zeiten einer Erwerbstätigkeit oder gleichgestellte Zeiten nicht (mehr) vorliegen, oder darauf, ob dies von dem betroffenen Elternteil verhinderbar gewesen wäre, stellt § 24 Abs 2 KBGG nämlich nicht ab. Auch im Fall eines Krankengeldbezugs nach Erschöpfung der Entgeltfortzahlungspflicht wird dementsprechend ein Wegfall der Voraussetzung des § 24 Abs 2 KBGG angenommen (10 ObS 5/14d SSV‑NF 28/8).

[26] 3.3. Dieses Ergebnis bewirkt – entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts und der Klägerin im Rekurs – keine unzulässige mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH liegt eine mittelbare Diskriminierung bei Anwendung einer nationalen Maßnahme vor, die zwar neutral formuliert ist, tatsächlich aber in einem wesentlich höheren Prozentsatz die Angehörigen eines Geschlechtes gegenüber den Angehörigen des anderen Geschlechtes benachteiligt, sofern diese Maßnahme nicht durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben (RS0115587). Eine Maßnahme stellt dann keine unzulässige Ungleichbehandlung dar, wenn sie durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

[27] Die hier zu beurteilende Maßnahme ist nicht der Ausschluss eines Anspruchs im konkreten Fall der Klägerin, sondern die Anspruchsvoraussetzung der Ausübung einer Erwerbstätigkeit im maßgeblichen Beobachtungszeitraum (vor der Geburt des Kindes bzw vor einer gleichgestellten Zeit). Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass für nicht erwerbstätige Elternteile das – wenn auch der Höhe nach ungünstigere – Kinderbetreuungsgeld als Konto zur Verfügung steht. Das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens soll jenen Eltern, die vor der Geburt über ein relativ hohes Erwerbseinkommen verfügt haben, die Möglichkeit geben, trotz kurzzeitigem Rückzug aus dem Erwerbsleben den bisherigen Lebensstandard aufrecht zu erhalten (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP  16). Damit wird die Inanspruchnahme von Kinderbetreuungsgeld für jene – wohl mehrheitlich männliche – Elternteile, die zuvor über ein höheres Einkommen verfügt haben, attraktiver, sodass solchen Elternteilen ein Anreiz gegeben wird, einen gleichwertigen Anteil an den Betreuungsaufgaben zu übernehmen (vgl Erwägungsgrund 11 der Richtlinie 2019/1158/EU zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige). Dies stellt ein rechtmäßiges Ziel dar, das ein Abstellen auf eine Ausübung einer Erwerbstätigkeit in einem bestimmten Zeitraum vor der Geburt des Kindes sachlich rechtfertigt. Zur Sicherstellung, dass dieser Anreiz nur jenen Personen zugute kommt, deren bisheriger Lebensstandard aufrecht erhalten werden soll, ist es auch angemessen und verhältnismäßig, wenn auf eine bestimmte Dauer der Erwerbstätigkeit zuvor abgestellt wird; ähnliche Regelungen finden sich daher auch auf unionsrechtlicher Ebene (vgl Art 5 Abs 4, Art 8 Abs 2 und Art 9 Abs 4 der Richtlinie 2019/1158/EU ). Selbst wenn die Anspruchsvoraussetzung der Ausübung einer Erwerbstätigkeit im Beobachtungszeitraum weibliche Elternteile mehrheitlich betreffen und diese daher gegenüber männlichen Elternteilen benachteiligen würde, würde diese Ungleichbehandlung somit keine unzulässige mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellen.

[28] 4.1. Zusammenfassend ist die Zeit, in der das Dienstverhältnis karenziert war und sich die Klägerin auch keiner Kinderbetreuung widmete, nicht als Zeit einer Erwerbstätigkeit oder als gleichgestellte Zeit im Sinn des § 24 Abs 2 KBGG anzusehen. Im maßgeblichen Beobachtungszeitraum war die Klägerin daher nicht im Sinn des § 24 Abs 1 Z 2 KBGG durchgehend erwerbstätig und es liegen auch nicht bloß Unterbrechungen von insgesamt nicht mehr als 14 Kalendertagen vor. Damit ist die Anspruchsvoraussetzung des § 24 Abs 1 Z 2 KBGG zu verneinen, ohne dass es darauf ankäme, ob die Klägerin in diesem Zeitraum eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung erhalten hat.

[29] 4.2. Infolge Spruchreife ist dem Rekurs Folge zu geben und die Entscheidung des Berufungsgerichts dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen wird.

[30] 4.3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Berücksichtigungswürdige Einkommens‑ und Vermögensverhältnisse der Klägerin, die einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht geltend gemacht und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich.

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