Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger erlitt am 26.6.1962 sowie am 12.2.1993 Arbeitsunfälle. Beim ersten Unfall erlitt er eine offene Verrenkung des Daumengrundgelenks links mit Durchtrennung der Strecksehne und Knochendefekten an beiden Knochenenden; beim zweiten Unfall einen offenen Bruch des linken Unterschenkels. Aufgrund der Folgen des ersten Unfalles wurde dem Kläger von der beklagten Partei eine Entschädigung im Ausmaß von 25 vH der Vollrente als Dauerrente gewährt, welche über Antrag des Klägers 1967 bescheidmäßig gemäß § 184 Abs 1 ASVG abgefunden wurde. Aus Anlaß des zweiten Unfalles bezog der Kläger eine vorläufige Versehrtenrente von 20 vH.
Aus unfallchirurgischer fachärztlicher Sicht besteht als Folge des ersten Unfalles vom 26.6.1962 bloß eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 10 vH, wobei dieser Zustand auch schon zum Zeitpunkt der Dauerrentengewährung bzw der Abfindung im Jahre 1967 so bestand. Die MdE aus dem zweiten Unfall vom 12.2.1993 beträgt 20 vH wobei weder eine Potenzierung noch teilweise oder völlige Überdeckung für Folgen der beiden Unfälle vorliegen; der Gesamtleidenszustand (aus beiden Unfällen) bewirkt eine MdE von 30 vH.
Mit dem bekämpften Bescheid vom 6.12.1994 gewährte die beklagte Partei dem Kläger für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 12.2.1993 eine vorläufige Rente von 20 vH; des weiteren wurde gemäß § 210 Abs 2 und 3 ASVG eine Gesamtrente als Dauerrente von 30 vH der Vollrente ab 1.1.1995 (in Höhe von monatlich S 500,--) festgestellt.
Mit seiner gegen diesen Bescheid gerichteten Klage stellte der Kläger das Begehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm für die Folgen der beiden Arbeitsunfälle eine Gesamtrente in gesetzlicher Höhe als Dauerrente ab 1.1.1995 zu gewähren.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei (im zweiten Rechtsgang) schuldig, dem Kläger für die Folgen der beiden Arbeitsunfälle eine Versehrtenrente im Ausmaß von 30 vH der Vollrente als Dauerrente ab 1.1.1995 (jedoch unter Berücksichtigung der gemäß § 184 Abs 1 ASVG erfolgten Abfindung) zu gewähren und die Prozeßkosten zu ersetzen; das Mehrbegehren (Gewährung einer 30 % der Vollrente übersteigenden Gesamtrente) wurde abgewiesen. Das Erstgericht beurteilte den eingangs zusammengefaßt wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, daß es hier um die Feststellung einer Gesamtrente im Sinne des § 210 ASVG und nicht um eine Neufeststellung der für den ersten Arbeitsunfall gewährten Versehrtenrente nach § 183 Abs 1 ASVG gehe. In einem solchen Falle sei von der Einschätzung der Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit ohne Bindung an die Grundlagen der Berechnung der zuvor gewährten Einzelrenten auszugehen.
Das Berufungsgericht gab der vom Kläger gegen die Abweisung seines Mehrbegehrens erhobenen Berufung keine Folge. Mit der nach § 210 ASVG zu bemessenden Gesamtrente sei keine unzulässige Herabsetzung der ursprünglichen Rente verbunden; diese sei allerdings im bisher tatsächlich gewährten Ausmaß (gleich ob dieses aus heutiger Sicht richtig sei oder nicht) anzurechnen.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, seiner Klage (gemeint: im vollen Umfange) stattzugeben. Das Rechtsmittel ist gemäß § 46 Abs 3 ASGG auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässig, jedoch nicht berechtigt. Die beklagte Partei hat hiezu auch eine Revisionsbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist zutreffend. Wird ein Versehrter neuerlich durch einen Arbeitsunfall (oder eine Berufskrankheit) geschädigt und beträgt die durch diese neuerliche Schädigung allein verursachte MdE mindestens 10 vH (hier: 20 vH), so ist nach § 210 Abs 1 ASVG die Entschädigung aus diesen mehreren Versicherungsfällen nach Maßgabe der Abs 2 bis 4 leg cit festzustellen, sofern die Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit 20 vH erreicht (was im vorliegenden Fall unbestritten ist; das insoweit zusprechende und dem Bescheid der beklagten Partei entsprechende Urteil des Erstgerichtes im zweiten Rechtsgang blieb seitens der beklagten Partei unbekämpft). Bei der Einschätzung, bei welcher eine Bindung an die Grundlagen der Berechnung der zuvor gewährten Einzelrenten durch die Versicherung nicht besteht (SSV-NF 2/114, 9/61), ist die Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit durch die mehreren Arbeitsunfälle zu berücksichtigen (§ 210 Abs 2 Satz 1 ASVG:
"ist die Rente nach dem Grad der durch alle Versicherungsfälle verursachten MdE festzustellen"), dh es ist nicht einfach der Grad der Versehrtheit durch die einzelnen Verletzungen zu beurteilen und dann eine Addition derselben vorzunehmen, vielmehr muß berücksichtigt werden, inwieweit sich die Unfallverletzungen in ihrer Gesamtheit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auswirken (SSV-NF 2/114, 9/61). Die medizinische MdE, die auch auf die Verhältnisse am allgemeinen Arbeitsmarkt Bedacht nimmt, ist im allgemeinen sodann auch die Grundlage für die rechtliche Einschätzung der MdE (SSV-NF 3/19, 6/130, 10 ObS 318/97f, 10 ObS 362/97a uva).
Der Revisionswerber argumentiert, daß durch die Bejahung einer Gesamtminderung von 30 vH samt Annahme einer auf den ersten Arbeitsunfall (aus dem Jahre 1962) entfallenden MdE von bloß 10 vH (gegenüber seinerzeit 25 vH) effektiv und "nach den Gesetzen der Logik" im Ergebnis eine nachträgliche Abänderung der ersten (seinerzeit abgefundenen) Rente vorgenommen werde, was unzulässig sei. Dem ist zu erwidern, daß es zwar zutrifft, daß eine früher unrichtige Einschätzung der MdE nicht im Wege des § 183 Abs 1 ASVG (zu Lasten des Versicherten) korrigiert werden kann (SSV-NF 3/86, 3/140), hier geht es jedoch - wie bereits die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben - nicht um einen Fall des § 183 ASVG (Neufeststellung einer Einzelrente), sondern einen solchen des § 210 ASVG (Entschädigung aus mehreren Versicherungsfällen im Wege einer Gesamtrente). Auch die seinerzeitige Rentenabfindung (nach § 184 ASVG), welche der Kläger als unumstößlichen zivilrechtlichen Vergleich ohne nachträgliche Änderungsmöglichkeit qualifiziert, bietet hiefür keinen Hinderungsgrund (vgl 10 ObS 53/97k zum einem Versicherungsträger in § 183 Abs 1 ASVG eingeräumten Recht zur Neufeststellung der Rente trotz eines vor dem Arbeits- und Sozialgericht geschlossenen gerichtlichen Vergleiches; umsomehr muß dies im Falle der Gesamtentscheidung nach § 210 ASVG gelten).
Wenn die Vorinstanzen - entsprechend der im zusammenfassenden Sachverständigengutachten eingeschätzten Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit von 30 vH - die gesamte Versehrtenrente in diesem Ausmaß zuerkannten, sind sie diesen Rechtsgrundsätzen gefolgt. Dem Berufungsgericht ist daher eine rechtliche Fehlbeurteilung nicht vorzuwerfen. Der Revision muß somit ein Erfolg versagt bleiben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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