Spruch:
Dem Rekurs der Klägerin wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin bekämpft mit der beim Landesgericht Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht eingebrachten Klage einen abweislichen Bescheid der beklagten Partei betreffend die Wiedergewährung einer Versehrtenrente ab dem 12.8.1996 aus einem Arbeitsunfall vom 23.9.1978. Die Behauptung in der Klage, daß die Parteien die Abtretung dieser Sozialrechtssache an das Landesgericht Salzburg aufgrund einer vereinfachten Delegation gemäß § 31a JN vereinbart hätten, erwies sich in der Folge als unrichtig (ON 4 und 8).
Nachdem sich der nach der Geschäftsverteilung des Landesgerichtes Feldkirch zuständige Richter Dr.***** unter Hinweis auf gemeinsamen Schulbesuch mit der Klägerin und Freundschaft zum Klagevertreter (dem Bruder der Klägerin) für befangen erklärt hatte, würde die Rechtssache mit Beschluß des Präsidenten des Landesgerichtes Feldkirch dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Vertreter Dr.W***** zugewiesen. Der Beschluß wurde dem Klagevertreter am 10.6.1997 zugestellt. Dieser beantragte mit zwei am selben Tag verfaßten und zur Post gegebenen Schriftsätzen vom 3.7.1997 einerseits die Einvernahme des Verhandlungsrichters in einem früheren Cgs-Verfahren des Landesgerichtes Feldkirch, Dr.S*****, "zum gesamten Vorbringen" und darüber hinaus (mittels separaten Schriftsatzes) die Ablehnung sämtlicher Richterinnen und Richter einschließlich des Präsidenten und des Vizepräsidenten des Landesgerichtes Feldkirch wegen Befangenheit im Sinne des § 19 Z 2 JN. Er begründete seinen Antrag damit, daß durch die beantragte Vernehmung eines Richters dieses Gerichtshofes ein Mitglied desselben in die gegenständliche Rechtssache "involviert" sei; außerdem bestünden freundschaftliche Beziehungen dieses Zeugen sowie auch eines Großteils der Richter des Landesgerichtes Feldkirch (einschließlich des nunmehr zuständigen Verhandlungsrichters) zum früheren Klagevertreter RA Dr.***** P*****, gegen den wegen mangelhafter Vertretung zwischenzeitlich ein Schadenersatzverfahren beim Landesgericht Innsbruck anhängig sei.
Der gemäß § 23 letzter Fall JN zur Entscheidung hierüber zuständige Gerichtshof OLG Innsbruck wies mit dem bekämpften Beschluß den dargelegten Antrag auf Ablehnung sämtlicher Richter/innen als nicht gerechtfertigt zurück. Soweit freundschaftliche Kontakte mit RA Dr.P***** ins Treffen geführt würden, sei ein Zusammenhang mit der gegenständlichen Sozialrechtssache nicht ersichtlich, zumal der genannte Rechtsanwalt in das gegenständliche Verfahren "in keinster Weise involviert" sei. Beim Zeugen und Richterkollegen Dr.S***** handle es sich um den Verhandlungsrichter in einer früheren, inzwischen rechtskräftig entschiedenen Sozialrechtssache wegen desselben Anlaßfalles, der somit nur über den Gang dieses Verfahrens Auskunft geben könne; allein dieser Umstand könne aber keine Befangenheit begründen; dies ungeachtet der Tatsache, daß der nunmehr zuständige Verhandlungsrichter kollegiale und freundschaftliche Kontakte zu Dr.S***** unterhalte. Abgesehen davon begehre die Klägerin im jetzigen Verfahren auch nur eine Versehrtenrente ab dem 12.8.1996, also ab einem ganz anderen Zeitraum.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der auf die Rekursgründe der Mangelhaftigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, ihrem Ablehnungsantrag stattzugeben und die Rechtssache an das Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht zuzuweisen; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt; schließlich wird beantragt, die beklagte Partei zum Kostenersatz zu verpflichten.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig - weil er sich nicht gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichtes als zweite Instanz, mit der die Zurückweisung einer Ablehnung bestätigt wurde, richtet, wogegen ein weiterer Rechtszug unzulässig wäre (EvBl 1991/36, RZ 1992/47, 1 Ob 2030/96b, 9 ObA 2168/96f, 3 Ob 52/97m, 3 Ob 70/97h, 10 ObS 228/97w) - , jedoch nicht berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof, der gemäß § 11 Abs 4 ASGG durch einen Dreiersenat zu entscheiden hat, hat hiezu folgendes erwogen:
Zwar kann nach ständiger Rechtsprechung von einer Partei nicht ein gesamter Gerichtshof pauschal abgelehnt werden, sondern bedarf es hiezu der (grundsätzlich detaillierten) Angabe von Ablehnungsgründen hinsichtlich jeder einzelnen Person (4 Ob 553/94, 6 Ob 2014/96m); beinhaltet jedoch ein Ablehnungsantrag keine indifferente Pauschalablehnung eines Gerichtshofes als Institution, sondern ist dem Antrag zu entnehmen, daß bei jedem einzelnen Richter desselben im wesentlichen dieselben Ablehnungsgründe vorliegen, ist die namentliche Anführung aller betroffenen Richter entbehrlich (6 Ob 2014/96m). Letzteres behauptet die Ablehnungswerberin jedenfalls insoweit, als sie meint, alle Richter/innen des Landesgerichtes Feldkirch seien in der dort anhängigen Sozialrechtssache deswegen nicht ohne Zweifel unbefangen, weil der als Zeuge beantragte frühere Verhandlungsrichter ein Mitglied ihres Gremiums sei, zu welchem (seitens sämtlicher Kollegen) freundschaftliche Beziehungen bestünden.
Des weiteren ist vorauszuschicken, daß dem Antrag auch nicht die Bestimmung des § 21 Abs 2 JN entgegensteht. Danach kann ein Richter von einer Partei wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr abgelehnt werden, wenn sich die Partei bei dem Richter, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Nach der Aktenlage ist zwar der von der Klägerin am 3.7.1997 ohne Geltendmachung eines Ablehnungsantrages gestellte Beweisantrag zur Einvernahme des Zeugen Dr.Dieter S***** zeitlich vor dem (chronologisch späteren) Ablehnungsantrag wegen Befangenheit ordnungsnummernmäßig einjournalisiert; tatsächlich ist er jedoch zeitgleich mit diesem verfaßt, zeitgleich zur Post gegeben worden und ebenfalls zeitgleich beim Erstgericht eingelangt. Damit kann aber nicht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin in Kenntnis der geltend gemachten Ablehnungsgründe bereits (Beweis-)Anträge gestellt hätte.
Die Rekursausführungen sind jedoch inhaltlich nicht berechtigt. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit liegt nicht vor. Sie wird zu Unrecht darin erblickt, daß das Oberlandesgericht nicht von Amts wegen alle Akten eingeholt und seiner Entscheidung zugrundegelegt habe, "die die Klägerin in der vorliegenden Sozialrechtssache "angedeutet" hat bzw jene, die überhaupt gerichtsanhängig gemacht worden sind (gemeint wohl: durch die Klägerin als jeweils ebenfalls klagende Partei), außerdem jene, die den Verfahren nach §§ 101 ASVG zugrunde liegen". Die angeführte Fundstelle "Fasching, Lehrbuch2 Rz 161 aE" trifft hiezu überhaupt keine Aussage. Die Behauptung, aus früheren (teilweise offenbar bereits rechtskräftig erledigten) Verfahren dieses Gerichtshofes, weiters des Landesgerichtes Innsbruck, des Oberlandesgerichtes Innsbruck und teilweise sogar aus Verwaltungsakten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (welche nunmehr im Rekurs mit deren Aktenzahlen aufgelistet sind), ließe sich eine "abstrakte Eignung für relevante Aufschlüsse über die konkreten Befangenheitsgründe erbringen", ist zu unsubstantiiert um darauf näher eingehen zu können. Darüber hinaus handelt es sich hiebei auch um Neuerungen, die im Rekursverfahren auch in einer Ablehnungssache unbeachtlich bleiben müssen.
Unter dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung werden die Ausführungen des Oberlandesgerichtes zur mangelnden "Involviertheit" des RA Dr.P*****, dessen freundschaftliche Kontakte zur Richterschaft erneut bekräftigt werden, als "schon im Ansatz völlig verfehlt" bezeichnet. Abgesehen davon, daß die diesbezüglichen Ausführungen im bekämpften Beschluß auch nach Auffassung des erkennenden Senates des Obersten Gerichtshofes zutreffend erscheinen, müssen die vorgebrachten Argumente schon daran scheitern, daß der genannte Rechtsanwalt weder Partei des gegenständlichen Verfahrens ist, sein Verfahren (gestützt auf Schadenersatzansprüche der Klägerin wegen mangelhafter Vertretung) beim Gerichtshof eines anderen Bundeslandes anhängig ist, der Genannte (jedenfalls bisher) von keiner der Parteien der vorliegenden Sozialrechtssache überhaupt als Zeuge namhaft gemacht wurde und schließlich auch dessen (behauptete) Fehlleistungen aus einer Zeit resultieren, die weit vor dem mit der gegenständlichen Sozialrechtsklage begehrten Beginn einer Versehrtenrente (nämlich ab dem August 1996) liegen. Die behaupteten "Tatbestands- und Reflexwirkungen im Schadenersatzprozeß" auf dieses Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht stehen jedenfalls in keinerlei Bezug zu den behaupteten Befangenheitsgründen. Sie bilden vielmehr den (unzulässigen) Versuch, rechtliche Argumente zur Begründetheit des behaupteten Anspruches bereits jetzt einer tatsächlich erst in der Zukunft zu fällenden Sachentscheidung vorwegzunehmen.
Was schließlich die Situation im Zusammenhang mit der Zeugeneinvernahme des früheren Verhandlungsrichters Dr.S***** betrifft, vermag der Umstand allein, daß (allenfalls) das Gericht hiezu eine Beweiswürdigung vorzunehmen haben wird, keineswegs die (vom betroffenen Verhandlungsrichter selbst im übrigen ausdrücklich negierte) Behauptung einer "emotionalen Komponente" zu rechtfertigen. Dazu kommt, daß noch unklar ist, ob der bloß beantragte, jedoch mangels Beweisbeschlusses noch nicht zur Beweisaufnahme vorgesehene Zeuge als Beweismittel in Frage kommen wird, handelt es sich doch bei der gegenständlichen Bescheidklage um eine solche, die einen völlig anderen Zeitraum betrifft als Gegenstand des von diesem Richter früher geführten Verfahrens war, sodaß sich auch die (im übrigen nicht näher substantiierten) "Glaubwürdigkeits"probleme bei der Beweiswürdigung nicht stellen. Es ist auch objektiv in keiner Weise gerechtfertigt, dem Verhandlungsrichter erster Instanz sowie darüber hinaus allen Richtern/innen des Gerichtshofes ohne begründete Bedenken zu unterstellen, diese seien, wenn ein Kollege von ihnen in einem Verfahren als Zeuge (nicht in eigener, privater, sondern ausschließlich dienstlicher Sache) auftrete, nicht zu einer objektiven, fairen und unbefangenen Beurteilung in der Lage und es sei deren Parteilichkeit zu befürchten. Daß das Bestehen eines kollegialen Verhältnisses des zur Entscheidung berufenen Gerichtshofes zu einem abgelehnten Richterkollegen allein weder deren Befangenheit noch auch etwa die Zweckmäßigkeit einer Delegierung zu begründen vermag, hat der Oberste Gerichtshof erst vor kurzer Zeit erneut mit dem Argument bekräftigt, daß der Gesetzgeber selbst im § 23 JN die Entscheidungspflicht des Gerichtshofes, welchem der abgelehnte Richter angehört, normiert und damit das Vorliegen eines kollegialen Verhältnisses nicht als entscheidungshindernd ansieht (8 Ob 3/95, 8 Nd 1/95). Nichts anderes kann auch im hier zur Beurteilung anstehenden Fall gelten. Daß hiedurch - wie abschließend im Rechtsmittel pauschal behauptet wird - "kein objektives Verfahren nach den Kriterien des Art 6 MRG" gewährleistet sei, vermag der erkennende Senat bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht nachzuvollziehen.
Dem Rekurs war daher aus allen diesen Erwägungen ein Erfolg zu versagen (vgl auch jüngst 10 ObS 276/97d).
Das Kostenersatzbegehren muß schon daran scheitern, daß im Ablehnungsverfahren eine Kostenersatzpflicht generell nicht vorgesehen ist (SZ 63/24, 3 Ob 175/97z); darüber hinaus gilt § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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