OGH 6Ob2014/96m

OGH6Ob2014/96m30.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Ablehnungssache des DDr.Walter H*****, vertreten durch Dr.Roman Moser, Rechtsanwalt in Thalgau, gegen alle Richter des Landesgerichtes Salzburg in den anhängigen Rechtssachen 1. Pflegschaftssache der minderjährigen Kinder Werner H***** und Wolfgang H*****, 20 P 115/92 des Bezirksgerichtes Salzburg

2. Kläger DDr.Walter H***** gegen die Beklagte Dr.Susanne H***** wegen Ehescheidung, 20 C 87/92i des Bezirksgerichtes Salzburg 3. Klägerin Dr.Susanne H*****, gegen den Beklagten DDr.Walter H***** wegen Unterhaltes und einstweiliger Verfügung 20 C 139/93p des Bezirksgerichtes Salzburg infolge Rekurses des DDr.Walter H***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 19.Dezember 1995, Nc 396/95i, 397/95m und 398/95h-2, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

DDr.Walter H***** lehnte in den im Spruch genannten Verfahren sämtliche Richter und Rechtspfleger des Landesgerichtssprengels Salzburg wegen zu besorgender Befangenheit ab. Als Ablehnungsgründe, von welchen alle Richter und Rechtspfleger im Sprengel des Landesgerichtes Salzburg betroffen seien, machte er geltend, es sei zu ungebührlichen Verfahrensverzögerungen gekommen. Ein Rekurs im Verfahren 22 Nc 7/94 sei nicht rechtzeitig vorgelegt worden, im Verfahren 20 P 115/92 des Bezirksgerichtes Salzburg über die Festsetzung des Unterhaltes für seine Kinder seien Werbungskosten entgegen der Gesetzeslage nicht als Abzugsposten anerkannt worden. In dem Verfahren seien seine Einwendungen nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt worden. Diese Umstände ließen Zweifel an der Unbefangenheit der Richter aufkommen, denn die Rechtsanwaltsanwärterin Dr.Christine B*****, die Tochter des Vizepräsidenten des Landesgerichtes Salzburg, die für Rechtsanwalt Dr.Franz K***** die Interessen der Gegenseite vertrete, sei von ihrem Vater rechtlich beraten worden. Da der Vizepräsident des Gerichtshofes auf verschiedenste Weise beachtlichen Einfluß auf die ihm unterstellten Richter und Rechtspfleger habe, sei deren Befangenheit insgesamt gegeben. Die einzelnen Personen müßten daher auch nicht namentlich genannt werden.

Der Vizepräsident des Landesgerichtes Salzburg Dr.Engelbert B***** hat in der Rechtssache 3 C 92/94 des Bezirksgerichtes Salzburg (21 R 450/95 des Landesgerichtes Salzburg) seine Befangenheit angezeigt und dargelegt, daß er mit seiner Tochter Rechtsprobleme erörtert und später festgestellt habe, daß auch Sachverhalte zur Sprache gekommen seien, die offensichtlich Bezug zum gegenständlichen Rechtsstreit gehabt hätten. Um auch nur Zweifel an der vollen Unbefangenheit zu vermeiden, erscheine es angezeigt, die geltend gemachte Befangenheit anzuerkennen, diese Rechtssache ihm als dem zuständigen Vorsitzenden des familienrechtlichen Rechtsmittelsenates abzunehmen und dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Vertreter zuzuweisen.

Das Oberlandesgericht Linz wies die Ablehnungserklärung gegen alle Richter des Landesgerichtes Salzburg zurück und sprach aus, daß über die Befangenheitsanzeige des Vizepräsidenten des Landesgerichtes Salzburg Dr.Engelbert B***** bzw den diesen betreffenden Ablehnungsantrag der zuständige Senat des Landesgerichtes Salzburg zu entscheiden habe.

Das Wesen der Befangenheit bestehe in der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive. Es sei herrschende Rechtsprechung, daß die Ablehnung eines ganzen Gerichtes nur durch die Ablehnung eines jeden Einzelnen seiner Richter unter Angabe detailierter, konkreter Ablehnungsgründe gegen jeden dieser Richter möglich sei. Eine bestimmte Rechtsmeinung eines Richters oder eines Senates bilde keinen Grund, die Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Es sei nicht Aufgabe des zur Beurteilung des Ablehnungsantrages berufenen Gerichtsorganes, eine Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Nur bei schwerwiegenden Verstößen gegen Verfahrensgrundsätze, insbesondere bei auffallender und damit bedenklicher Verletzung von Grundsätzen zum Schutz des Parteigehörs und dergleichen, die die Objetivität eines Richters mit Grund bezweifeln ließen, werde sich die Ablehnung im allgemeinen als berechtigt erweisen. Solche Verfahrensverstöße behaupte nicht einmal der Ablehnungswerber im einzelnen. Er lehne namentlich auch keine Richter, denen er ein derartiges Vorgehen vorwerfen könnte, ab. Aus der verzögerten Vorlage eines Rekurses könne keineswegs der Schluß gezogen werden, es handle sich um eine bewußte Vorgangsweise zum Nachteil des Ablehnungswerbers unter Mißachtung seiner Rechte.

Die Einflußnahme eines Vizepräsidenten eines Landesgerichtes auf andere Richter dieses Gerichtshofes beziehe sich nicht auf die Rechtsprechung. Die Richter seien in Ausübung ihres richterlichen Amtes unabhängig und weisungsfrei. Allein aus der Tatsache, daß der Vizepräsident des Landesgerichtes Salzburg mit seiner Tochter, die die Interessen der Ehefrau und der Kinder des Ablehnungswerbers vertrete, über die Rechtssache juristische Gespräche geführt habe, sei keine Befürchtung abzuleiten, daß nun alle Richter des Landesgerichtes Salzburg nicht unbefangen entscheiden könnten. Wegen einer allfälligen Befangenheit des Vizepräsidenten des Gerichtshofes könnten nicht die übrigen Richter des Gerichtshofes abgelehnt werden. Für deren Befangenheit lägen keinerlei stichhaltige Gründe vor.

Durch die Zurückweisung des Ablehnungsantrages gegen alle Richter des Landesgerichtes Salzburg sei die Bildung eines vorschriftsmäßigen Senates zur Entscheidung über die Befangenheitsanzeige des Vizepräsidenten Dr.Engelbert B***** ebenso möglich wie die Entscheidung über die Ablehnungserklärung hinsichtlich aller Richter und Rechtspfleger der Bezirksgerichte im Sprengel des Landesgerichtes Salzburg.

Rechtliche Beurteilung

Dem gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs des Ablehnungswerbers kommt keine Berechtigung zu.

Grundsätzlich kann nicht ein gesamter Gerichtshof pauschaliter abgelehnt werden, es ist nur eine Ablehnung aus persönlichen Gründen gegen einen oder mehrere bestimmte Richter möglich. Beinhaltet aber ein Ablehnungsantrag keine indifferente Pauschalablehnung des Gerichtshofes als Institution, sondern ist dem Antrag zu entnehmen, daß bei jedem einzelnen Richter im wesentlichen dieselben Ablehnungsgründe vorliegen, ist die namentliche Anführung aller betroffenen Richter entbehrlich. Letzteres behauptet der Ablehnungswerber, weil er meint, alle Richter des Landesgerichtes Salzburg seien in jenen Verfahren nicht ohne jeden Zweifel unbefangen, in denen die Tochter des Vizepräsidenten, mit welcher dieser Rechtsprobleme erörtert habe, die Gegenseite vertrete.

Ein Richter kann gemäß § 19 Z 2 JN in bürgerlichen Rechtssachen abgelehnt werden, wenn ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Ein Richter ist dann befangenen, wenn Umstände vorliegen die solche Zweifel nach objektiver Prüfung und Beurteilung rechtfertigen, dabei genügt es, daß eine solche Befangenheit mit Grund befürchtet werden muß. Daß der Vizepräsident des Gerichtshofes auf die anhängigen Verfahren des Ablehnungswerbers in irgendeiner Weise Einfluß genommen oder darüber auch nur mit den ihm nur in Justizverwaltungsangelegenheiten, keineswegs aber in der Rechtsprechung unterstellten Richtern des Gerichtshofes gesprochen hätte, schließt auch der Rechtsmittelwerber aus. Daß aber ein versierter Rechtsmittelrichter mit seiner juristisch noch nicht so erfahrenen Tochter, die Rechtsanwaltsanwärterin ist, Rechtsprobleme erörtert, ist wohl in keiner Weise bedenklich. Bezogen auf den konkreten Fall hat der Vizepräsident auch seine Befangenheit mitgeteilt, um jeden Anschein einer nicht vollständigen Objektivität zu vermeiden. Allen Richtern des Gerichtshofes ohne begründete Bedenken zu unterstellen, diese seien, wenn die Tochter des Vizepräsidenten in einem Verfahren als Parteienvertreterin auftrete, nicht zu einer selbstständigen und von dieser vertretenen Rechtsansicht auch abweichenden rechtlichen Beurteilung in der Lage und es sei deren Parteilichkeit zu befürchten, erscheint objektiv in keiner Weise gerechtfertigt. Die vom Ablehnungswerber vertretene Ansicht müßte dazu führen, daß kein Kind eines Richters in jenem Sprengel, in dem dieser tätig ist, eine Ausbildung zum Rechtsanwalt absolvieren könnte. Die vom Rechtsmittelwerber aus den anhängigen Verfahren vorgebrachten Anhaltspunkte für eine Befangenheit aller Richter des Landesgerichtes Salzburg stellen nicht einmal Ablehnungsgründe hinsichtlich der derzeit zuständigen Richter dar. Neben einzelnen, geringfügigen Verfahrensfehlern, die jedenfalls keine schwerwiegenden Verstöße gegen Verfahrensgrundsätze, insbesondere zum Schutz des Parteiengehöres darstellen könnten, zeigt der Ablehnungswerber nur von seiner Rechtsansicht abweichende Beurteilungen in einzelnen Rechtsfragen auf. Die Vertretung einer bestimmten Rechtsmeinung durch einen Richter aber ist selbst dann, wenn diese Rechtsauffassung von der herrschenden Rechtsprechung abgelehnt wird, kein Ablehnungsgrund. Das Oberlandesgericht Linz hat daher die Ablehnungsanträge zutreffend zurückgewiesen.

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