Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die am 15. 6. 1992 geborene Klägerin bewohnt gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern eine Wohnung im dritten Stock eines Mehrparteienhauses ohne Lift. Die Wohnung wird automatisch zentral beheizt. Küche, WC und Badezimmer mit Badewanne sind in der Wohnung vorhanden. Das nächste Lebensmittelgeschäft befindet sich in unmittelbarer Nähe der Wohnung.
Die Klägerin leidet an einem frühkindlichen Autismus und steht deswegen in Betreuung der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde in Graz. Ihre Mutter hat eine Ausbildung für die Betreuung von autistischen Kindern absolviert. Wegen einer Fehlstellung insbesondere im Bereich beider Füße wird die Klägerin auch orthopädisch und physiotherapeutisch behandelt. Sie wird zweimal wöchentlich vom Vater nach Graz gefahren, und zwar einmal zu einer Gruppentherapie und einmal zu einer Einzeltherapie beim Verein „L*****". Es liegt eine ausgeprägte geistige Retardierung mit autoaggressiven Handlungen (Kratzeffekten) vor. Die Klägerin besucht eine Integrationsklasse an der Hauptschule in T*****, wo sie jeweils in der Früh mit dem Autobus hingebracht und danach wieder nach Hause geführt wird.
Die Klägerin benötigt Fremdhilfe für die tägliche Körperpflege (einschließlich Ganzkörperpflege), die Zubereitung von Mahlzeiten, das Einnehmen von Mahlzeiten (sie muss gefüttert werden), die Verrichtung der Notdurft, das An- und Auskleiden, die Medikamenteneinnahme, die Herbeischaffung von Nahrungsmitteln und Medikamenten, die Wohnungsreinigung und die Wäschepflege. Ein Pflegebedarf an Mobilitätshilfe im engeren Sinn ist ebenso wenig erforderlich wie ein solcher für die Herbeischaffung von Heizmaterial.
Im Bereich der Mobilitätshilfe im weiteren Sinn besteht aufgrund von Fahrten nach Graz und K***** ein erhöhter Pflegebedarf von zusätzlich 25 Stunden pro Monat, somit insgesamt 35 Stunden monatlich.
Die Pflege der Klägerin ist noch koordinierbar, jedoch untertags hochfrequent und auch während der Nachtstunden regelmäßig zu leisten. Ein Pflegeplan kann eingehalten werden. Hilfestellungen sind erforderlichenfalls in einem angemessenen Zeitraum zu erbringen. Die Klägerin leidet unter Schlafstörungen (allenfalls auch Angstzuständen) und muss immer wieder von ihren Eltern in Form von Gesprächen und durch Verabreichung von Tees beruhigt werden. Während der Tagesstunden ist ein außergewöhnlicher hochfrequenter Pflegebedarf gegeben.
Hilfestellung erfährt die Klägerin von ihren Eltern, Geschwister und einer von der Lebenshilfe Leoben beigestellten Hilfsperson, die vier bis fünf Stunden pro Woche ins Haus kommt.
Die beschriebenen Verhältnisse gelten für die Zeit ab 19. 6. 2007.
Aufgrund des Erhöhungsantrags vom 19. 6. 2008 sprach das Land Steiermark der Klägerin mit Bescheid vom 21. 8. 2007 ab 1. 7. 2007 Pflegegeld der Stufe 4 zu.
Das Erstgericht verpflichtete das Land Steiermark zur Leistung von Pflegegeld der Stufe 5. Dabei ging es von folgendem monatlichen Pflegebedarf aus:
Tägliche Körperpflege und
Ganzkörperpflege 25 Stunden
Zubereitung der Mahlzeiten 30 Stunden
Einnehmen von Mahlzeiten 30 Stunden
Verrichten der Notdurft 30 Stunden
An- und Auskleiden 20 Stunden
Einnahme von Medikamenten 3 Stunden
Herbeischaffen von Nahrungsmitteln
und Medikamenten sowie der Bedarfs-
güter des täglichen Lebens 10 Stunden
Reinigung der Wohnung und der
persönlichen Gebrauchsgegen-
stände 10 Stunden
Pflege der Leib- und Bettwäsche 10 Stunden
Mobilitätshilfe im weiteren Sinn 35 Stunden
Gesamtaufwand pro Monat 203 Stunden
Der außergewöhnliche Pflegebedarf liege im Erfordernis einer dauernden Bereitschaft einer Pflegeperson.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil im Sinne eines Zuspruchs von Pflegegeld der Stufe 4 in Höhe von 632,70 EUR monatlich unter Anrechnung des halben Erhöhungsbetrags der Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder im Betrag von 60 EUR monatlich ab.
Gleichlautend mit § 4 Abs 3 BPGG sei nach § 4 Abs 5a stmk PGG bei der Beurteilung des Pflegebedarfs von Kindern und Jugendlichen nur jenes Ausmaß an Pflege zu berücksichtigen, das über das erforderliche Ausmaß von gleichaltrigen nicht behinderten Kindern und Jugendlichen hinausgehe. In seiner zum Stichtag 1. 7. 2007 geltenden Fassung habe das stmk PGG (ebenso wie das BPGG) keine bestimmte Altersgrenze enthalten. In den Gesetzesmaterialien zur Novellierung des BPGG mit BGBl I 1998/111 werde aber festgehalten, dass auch nicht behinderte Kinder und Jugendliche bis etwa zum 14. Lebensjahr üblicherweise sämtliche Hilfsverrichtungen - mit Ausnahme der Mobilitätshilfe im weiteren Sinn - nicht selbständig durchführen könnten, weshalb ein Hilfsbedarf bei diesen Verrichtungen im Regelfall erst nach diesem Zeitpunkt zu berücksichtigen sein werde (RV 1186 BlgNR 20. GP 11 f).
Mit Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 8. 10. 2007, LGBl 2007/90, sei die Einstufungsverordnung zum stmk PGG (EinstV) mit Wirkung ab 31. 10. 2007 durch Einfügung eines Abs 4 in § 2 geändert worden, wonach zur Abdeckung des Mehraufwands der Pflege für mehrfach behinderte Kinder zum Zweck der Mobilitätshilfe im weiteren Sinn bei Vorliegen eines Härtefalls bis zum vollendeten 15. Lebensjahr die Zeitwerte gemäß Abs 3 für eine Einzelverrichtung 50 Stunden betragen dürften; monatlich dürfe der gesamte Zeitwert 50 Stunden nicht überschreiten.
Da die Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung das 15. Lebensjahr bereits vollendet gehabt habe und die genannte Neuregelung in der EinstV während des Verfahrens in Kraft getreten sei, sei auf die Klägerin das Pflegegeldrecht für Erwachsene anzuwenden; entscheidend sei nämlich die Rechtslage zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz. Eine Überschreitung der Fixwerte der einzelnen Hilfsverrichtungen komme somit nicht in Betracht. Gemäß § 2 Abs 3 der EinstV sei demgemäß für jede Hilfsverrichtung ein auf einen Monat bezogener fixer Zeitwert von zehn Stunden anzunehmen. Die vom Erstgericht vorgenommene Überschreitung der Maximalgrenze von 50 Stunden monatlich komme jedenfalls nicht in Betracht, und zwar weder für die Rechtslage vor der angeführten Änderung der EinstV noch danach, zumal zwar für eine Einzelverrichtung (beispielsweise die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn) der Zeitwert 50 Stunden betragen dürfe, dann jedoch kein weiterer Zeitwert für eine weitere Hilfsverrichtung hinzukommen könne. Die Obergrenze für den gesamten Pflegebedarf der Hilfsverrichtungen betrage nämlich jedenfalls 50 Stunden monatlich.
Gehe man diesen Grundsätzen folgend davon aus, dass bei der Klägerin im Hinblick auf die von der EinstV vorgesehene Regelung im Rahmen der Mobilitätshilfe im weiteren Sinn nur der gesetzlich vorgesehene fixe Zeitwert von zehn Stunden monatlich in Anschlag gebracht werden könne, so reduziere sich das Gesamtausmaß des Pflegebedarfs auf ein solches von 178 Stunden durchschnittlich monatlich, womit der als Anspruchsvoraussetzung für ein Pflegegeld der Stufe 5 erforderliche zeitliche Wert von mehr als 180 Stunden monatlich in der gesamten Zeit ab 1. 7. 2007, sowohl bis 30. 10. 2007 als auch ab 31. 10. 2007, nicht erreicht werde. Demgemäß komme ein Zuspruch von Pflegegeld der Stufe 5 nicht in Betracht, selbst wenn ein außergewöhnlicher Pflegeaufwand erforderlich sei.
Überdies sei die landesgesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Ausweitung des Hilfsbedarfs für Mobilitätshilfe im weiteren Sinn auf maximal 50 Stunden (bei fehlender Notwendigkeit der übrigen Hilfsverrichtungen) an weitere Voraussetzungen geknüpft. So müsse es sich um ein Kind mit Mehrfachbehinderung handeln; außerdem müsse ein „Härtefall" vorliegen, der wiederum nur dann gegeben sei, wenn eine Überschreitung der in § 1 Abs 3 und 4 EinstV festgelegten Richtwerte und Mindestwerte um mehr als das Doppelte vorliege. Diese Anspruchsvoraussetzung sei bei der Klägerin nach dem festgestellten Pflegebedarf nicht gegeben, weshalb ein Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 5 mit Inkrafttreten der Verordnung LGBl 2007/90 jedenfalls ausscheide.
Es sei aber auch eine Anspruchsgrundlage für die Zeit ab dem Stichtag 1. 7. 2007 bis 30. 10. 2007 zu verneinen, und zwar selbst für den Fall, dass in diesem Zeitraum auf die Klägerin noch nicht Erwachsenenpflegegeldrecht anzuwenden sei. Abgesehen davon, dass die beklagte Partei in ihrer Berufung die vom Erstgericht ausgewiesenen ziffernmäßigen Zeitwerte der einzelnen Betreuungs- und Hilfsverrichtungen ohnehin bekämpft habe und auch zutreffend ausführe, dass der allein maßgebliche pflegebedingte Mehraufwand der Klägerin im Vergleich mit einem gesunden gleichaltrigen Menschen nicht festgestellt worden sei, sei der gesamte Pflegebedarf aus rechtlichen Gründen zu reduzieren. In Bezug auf die Mahlzeitenzubereitung könne der vom Erstgericht angenommene Wert von 30 Stunden monatlich nicht als Mehraufwand im Vergleich zu einem gesunden Kind betrachtet werden. Nach ständiger (auch) höchstgerichtlicher Judikatur seien Personen im vergleichbaren Alter der Klägerin nicht in der Lage, die Mahlzeiten selbständig zubereiten, wenngleich von ihnen durchaus eine ins Gewicht fallende Mithilfe erwartet werden könne und auch den üblichen Gepflogenheiten im Familienverband entspreche. Ein überwiegender Teil des für die Zubereitung von Mahlzeiten erforderlichen Aufwands sei bei der Beurteilung des Pflegegeldanspruchs der Klägerin als normaler altersbedingter Pflegeaufwand auszuscheiden und ein - über das erforderliche Ausmaß bei gleichaltrigen gesunden Kindern hinausgehender - pflegegeldrelevanter Mehraufwand von maximal zehn Stunden monatlich für die Zubereitung von Mahlzeiten anzusetzen.
Dies führe dazu, dass sich der für die Betreuungshandlung der Mahlzeitenzubereitung anzusetzende zeitliche Wert um 20 Stunden reduziere, womit - ausgehend von dem in Bezug auf die Hilfsverrichtung der Mobilitätshilfe im weiteren Sinn jedenfalls auszuscheidenden Pflegeaufwand von 15 Stunden - insgesamt ein Pflegebedarf von 168 Stunden (203 - 15 - 20) durchschnittlich monatlich verbleibe. Damit fehle es auch für diesen Zeitraum an einer Berechtigung der von der Klägerin angestrebten und vom Erstgericht zuerkannten Pflegegeldstufe 5.
Die Revision sei mangels einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil eine Klarstellung zu § 2 Abs 4 und § 2a der EinstV zum stmk PGG angebracht ist; sie ist auch im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.
In der Revision werden zusammengefasst folgende Punkte aufgeworfen:
a) Durch die Heranziehung der im Erwachsenenpflegegeldrecht geltenden Fixwerte ab Vollendung des 15. Lebensjahres komme es ohne Veränderung im wirklichen Pflegebedarf zu einer Kürzung des für das Pflegegeldrecht maßgeblichen Pflegebedarfs, dies noch dazu vor dem Hintergrund, dass sich der Unterschied zwischen gesunden über 15-jährigen Jugendlichen und behinderten Jugendlichen dieser Altersgruppe immer stärker auspräge. Es sei daher notwendig, eine Überschreitung der Fixwerte zuzulassen, im Fall der Klägerin speziell bei der Mobilitätshilfe im weiteren Sinn, wo einem monatlichen Fixwert von 10 Stunden ein wirklicher Pflegebedarf im Ausmaß von 35 Stunden gegenüberstehe.
b) Das Vorliegen eines Härtefalls sei vom Berufungsgericht ungeprüft verneint worden; dies sei ohne Sachverhaltsergänzung unzulässig.
c) Das Berufungsgericht habe weiters in Bezug auf die Zubereitung von Mahlzeiten ohne eigene Erhebungen und damit unzulässigerweise eine Stundenreduktion vorgenommen, was auch insoweit widersprüchlich sei, als die Klägerin einerseits dem Erwachsenenpflegegeldrecht unterworfen werde, andererseits aber dann doch zum Teil (nämlich in Bezug auf die Zubereitung von Mahlzeiten) wieder wie ein Kind behandelt werde.
Dazu hat der Senat erwogen:
1. Zur Gesetzes- bzw Verordnungslage:
1.1. Nach dem seit 1. 1. 1999 in Kraft stehenden § 4 Abs 5a stmk PGG (StPGG) ist „bei der Beurteilung des Pflegebedarfes von Kindern und Jugendlichen ... nur jenes Ausmaß an Pflege zu berücksichtigen, das über das erforderliche Ausmaß von gleichaltrigen nicht behinderten Kindern und Jugendlichen hinausgeht".
1.2. Mit der Verordnung LGBl 2007/90 wurde die EinstV zum stmk PGG ua durch Einfügung eines Abs 4 in § 2 sowie eines § 2a geändert. Nach § 2 Abs 4 EinstV können „zur Abdeckung des Mehraufwandes der Pflege für mehrfachbehinderte Kinder zum Zweck der Mobilitätshilfe im weiteren Sinn ... bei Vorliegen eines Härtefalls bis zum vollendeten 15. Lebensjahr die Zeitwerte gemäß Abs. 3 für eine Einzelverrichtung 50 Stunden betragen. Monatlich darf der gesamte Zeitwert 50 Stunden nicht überschreiten." Nach § 2a EinstV („Härteklausel") liegt ein Härtefall vor, „wenn die im Gutachten festgestellten Zeitwerte die in § 1 Abs. 3 und 4 festgelegten Richtwerte und Mindestwerte um mehr als das Doppelte überschreiten".
Nach § 9 Abs 3 EinstV tritt die Einfügung dieser beiden Neuregelungen (§ 2 Abs 4 und § 2a EinstV) „mit dem der Kundmachung folgendem Tag, das ist der 31. Oktober 2007, in Kraft".
1.3. Eine Änderung der Rechtslage ist in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in dritter Instanz, zu beachten (RIS-Justiz RS0031419 [T7]). Ob eine Rechtsänderung für ein laufendes Verfahren zu beachten ist, ist grundsätzlich nach den Übergangsbestimmungen zu beurteilen (RIS-Justiz RS0031419 [T16]). Fehlt es - so wie hier in Bezug auf die Änderung der EinstV zum stmk PGG mit dem Landesgesetz LGBl 2007/40 - an einer Übergangsbestimmung, ist eine neue Norm erst ab ihrem Inkrafttreten anzuwenden. Bei Dauerrechtsverhältnissen ist demnach der Dauertatbestand erst ab der Rechtsänderung nach der neuen Rechtslage zu beurteilen (6 Ob 263/04a = RIS-Justiz RS0031419 [T24]). Insoweit entspricht die pauschale Aussage des Berufungsgerichts, dass generell die Rechtslage zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz (hier: 28. 5. 2008) maßgebend sei, nicht der höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Vielmehr ist zwischen der bis 30. 10. 2007 einerseits und ab 31. 10. 2007 andererseits geltenden Rechtslage zu differenzieren.
2. Zum Anspruch für die Zeit vom 1. 7. 2007 bis 30. 10 . 2007:
2.1. Für diesen Zeitraum ist auf die bereits unter 1.1. erwähnte Regelung des § 4 Abs 5a stmk PGG Bezug zu nehmen, wonach „bei der Beurteilung des Pflegebedarfes von Kindern und Jugendlichen ... nur jenes Ausmaß an Pflege zu berücksichtigen [ist], das über das erforderliche Ausmaß von gleichaltrigen nicht behinderten Kindern und Jugendlichen hinausgeht". So wie das BPGG enthält das stmk PGG keine Definitionen der Begriffe „Kinder" und „Jugendliche". Anzumerken ist, dass das Vbg PGG in diesem Zusammenhang den Begriff „Minderjährige" verwendet; das TPGG stellt nur auf die Vollendung des 14. Lebensjahres ab. Die übrigen Landespflegegeldgesetze entsprechen für den hier maßgeblichen Zeitraum der Diktion des BPGG („von Kindern und Jugendlichen"). In der Entscheidung 10 ObS 172/01v (= SSV-NF 15/106) hat der Oberste Gerichtshof ohne nähere Ausführungen ausdrücklich auf die „Minderjährigkeit" abgestellt. Für die Gleichstellung des Gruppenbegriffs „Kinder und Jugendlichen" mit „Minderjährigen" spricht im Übrigen (auch) der Umstand, dass § 132a Abs 2 ASVG - in Bezug auf Jugendlichenuntersuchungen - als Jugendliche „Personen nach Vollendung des 15. Lebensjahres" bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres definiert.
2.2. Um der Vorschrift des § 4 Abs 5a stmk PGG zu entsprechen, ist es daher notwendig, bei den einzelnen pflegegeldrelevanten Verrichtungen - auch bei der Zubereitung von Mahlzeiten - auf Tatsachenebene und nicht auf Ebene der rechtlichen Beurteilung „konkret-individuell" den tatsächlichen Mehraufwand im Vergleich zu einem gesunden gleichaltrigen Jugendlichen zu erheben (RIS-Justiz RS0115907). Nur der bei behinderten Minderjährigen auftretende „pflegebedingte Mehraufwand" ist durch Gewährung von Pflegegeld auszugleichen; der altersbedingte Pflegeaufwand ist demgegenüber bei der Beurteilung des Pflegegeldanspruchs auszuscheiden (RIS-Justiz RS0106555 [T13]; Greifeneder/Liebhart, Pflegegeld2 [2008] Rz 636).
2.3. Da es auf den konkret zu ermittelnden behinderungsbedingten Mehraufwand ankommt, haben für die Einstufung von behinderten Kindern und Jugendlichen Richt-, Mindest- und Fixwerte keine Geltung (Greifeneder/Liebhart, Pflegegeld2 Rz 637). Bei den Hilfsverrichtungen ist aber zu beachten, dass der gesamte Zeitaufwand für alle Hilfsverrichtungen mit höchstens 50 Stunden pro Monat festgelegt werden darf (10 ObS 68/05f = SSV-NF 19/63).
2.4. Schon im Hinblick auf das Fehlen genauer Feststellungen zum konkret-individuellen pflegebedingten Mehraufwand ist eine Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen notwendig.
3. Zum Anspruch für die Zeit ab 31. 10 . 2007:
3.1. Für diesen Zeitraum blieb § 4 Abs 5a stmk PGG unverändert. Geändert wurde die EinstV zum stmk PGG in Form der Einfügung eines Abs 4 in § 2 sowie eines § 2a (siehe 1.2.). Würde man § 2 Abs 4 der EinstV als ganz allgemeine nähere Determinierung des § 4 Abs 5a stmk PGG verstehen, wäre die Bestimmung eindeutig gesetzwidrig, weil es an einer Verordnungsermächtigung fehlt und die Bestimmung die Reichweite des § 4 Abs 5a stmk PGG massiv einschränken würde. Die Regelung der EinstV kann aber gesetzeskonform interpretiert werden, indem man sie so versteht, dass jedenfalls unter den angeführten Voraussetzungen (Mehrfachbehinderung, Härtefall, 15. Lebensjahr noch nicht vollendet) die Fixwerte für eine einzelne Hilfsverrichtung 50 Stunden betragen dürfen, im Übrigen aber der Inhalt des § 4 Abs 5a stmk PGG nicht berührt wird.
Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass der am 20. 3. 2009 versandte Entwurf eines Gesetzes mit dem das Steiermärkische Pflegegeldgesetz geändert wird (FA11A-73-2/2003-87), eine klarere Fassung des § 4 Abs 5a stmk PGG vorsieht, damit „(entsprechend der Judikatur des Obersten Gerichtshofes) bei der Beurteilung des Pflegebedarfes von Kindern und Jugendlichen nur jenes Ausmaß an Pflege zu berücksichtigen ist, das über das erforderliche Ausmaß von gleichaltrigen nicht behinderten Kindern und Jugendlichen hinausgeht". Weiters wird entsprechend der seit 1. 1. 2009 geltenden Neuregelung in § 4 Abs 3 Satz 3 BPGG ein Erschwerniszuschlag vorgeschlagen.
3.2. Im Hinblick auf die weiterhin geltende Regelung des § 4 Abs 5a stmk PGG bedarf es daher auch für den Zeitraum ab 31. 10. 2007 genaueren Feststellungen zum konkret-individuellen pflegebedingten Mehraufwand, weshalb auch insoweit eine Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen notwendig ist.
4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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