OGH 10ObS142/07s

OGH10ObS142/07s18.12.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Hon.-Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Univ.-Prof. DI Hans Lechner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Peter Schönhofer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Karin K*****, vertreten durch Dr. Cornelia Sprung, Rechtsanwältin in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Witwenpension, Zinsen und Entschädigungsbetrag nach § 408 ZPO (8.350,78 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Juni 2007, GZ 9 Rs 84/07z-34, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 6. Februar 2007, GZ 1 Cgs 31/05p-30, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz im Kostenpunkt richtet, zurückgewiesen.

Im Übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin stellte am 22. 5. 2001 bei der beklagten Pensionsversicherungsanstalt einen Antrag auf Gewährung der Witwenpension nach ihrem am 10. 4. 2001 verstorbenen Ehegatten. Mit der am 2. 5. 2005 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte sie - infolge Säumnis der Beklagten mit der Bescheiderlassung - zunächst den Zuspruch der Witwenpension ab 1. 6. 2001, in eventu eine vorläufige Leistung.

Mit dem am 2. 8. 2005 eingelangten Schriftsatz brachte die Klägerin vor, dass ihr die beklagte Partei nunmehr (zufolge eines Schreibens vom 1. 7. 2005) ab dem 1. 5. 2001 eine vorläufige Pensionsleistung gewähre. Zugleich erklärte sie, das Klagebegehren auf die Gewährung einer Witwenpension ab Stichtag samt 10,25 % Zinsen ab jeweiliger Fälligkeit zu modifizieren; hilfsweise begehrte sie die Gewährung eines angemessenen Pensionsvorschusses oder einer Pensionsvorauszahlung samt Zinsen.

Mit Schriftsatz vom 12. 12. 2005 brachte die Klägerin vor, dass die beklagte Partei mit Bescheid vom 30. 11. 2005 den Anspruch der Klägerin auf Witwenpension ab 1. 5. 2001 anerkannt habe. Mit Schriftsatz vom 10. 1. 2006 erklärte sie, das Klagebegehren „infolge teilweiser Erfüllung" dahin zu ändern, dass sie den Zuspruch von 974 EUR (an noch nicht überwiesener Pension), 7.288,69 EUR (an kapitalisierten Zinsen) und 1.062,09 EUR (als Entschädigung gemäß § 408 ZPO für bereits verjährte Zinsen), jeweils samt Zinsen sowie Prozesskostenersatz begehre. Für den Fall, dass das Erstgericht davon ausgehe, dass ihr über den geleisteten Wertausgleich hinaus keine Zinsen zuzuerkennen seien, werde der gesamte Zinsenbetrag von 8.350,78 EUR sA als Entschädigungsbetrag gemäß § 408 ZPO geltend gemacht.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren in der letzten Fassung: Eine mutwillige Prozessführung liege nicht vor, zudem bestehe nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung gegen den Versicherungsträger kein Anspruch auf Verzugszinsen.

Das Begehren auf Zahlung von 974 EUR sA wurde mit Urteil (richtig: Beschluss) des Erstgerichtes vom 4. 4. 2006 (ON 23) rechtskräftig zurückgewiesen; in diesem Umfang erwuchs die Entscheidung in Rechtskraft.

Mit Urteil vom 6. 2. 2007 (ON 30) wies das Erstgericht das Begehren auf kapitalisierte Zinsen in Höhe von 7.288,69 EUR sA und Zuerkennung einer Entschädigungszahlung gemäß § 408 ZPO in Höhe von 1.062,09 EUR ab (Punkt 1.), und erkannte die beklagte Partei schuldig, der klagenden Partei gemäß § 408 ZPO einen Entschädigungsbetrag in Höhe von 8.350,78 EUR sA zu leisten (Punkt 2.); weiters wurde die beklagte Partei zum Ersatz der Prozesskosten verpflichtet.

Dabei ging es von folgendem Sachverhalt aus:

„Der Ehegatte der Klägerin, Dr. Karl K***** ist im Mai 2001 verstorben. Am 22. Mai 2001 beantragte die Witwe bei der Beklagten die Gewährung einer Witwenpension ab Mai 2001. Am 2. Mai 2005 brachte die Klägerin hg. eine Säumnisklage gegen die Beklagte wegen Gewährung einer Witwenpension bzw einer Pensionsvorauszahlung mit Stichtag 1. Juni 2001 ein. Die Beklagte hat dem Grunde nach den Anspruch der Klägerin nicht bestritten und der Höhe nach mit Bescheid vom 30. November 2005 zuerkannt. Mit Schreiben vom 1. Juli 2005 wurde seitens der Beklagten eine vorläufige Leistung ab 1. Mai 2001 gewährt, welche dem endgültig zuzuerkennenden Betrag der Witwenpension entsprach. Die Nachzahlung betrug gesamt 60.182,64 EUR.

Mit Bescheid vom 30. November 2005 wurde der Anspruch auf Witwenpension nach dem verstorbenen Dr. Karl K***** ab 1. Mai 2001 von der Beklagten anerkannt."

Rechtlich folgerte das Erstgericht, dass dem Versicherten gegenüber dem Versicherungsträger nach ständiger Rechtsprechung kein Anspruch auf die Zahlung von Verzugszinsen wegen verspäteter Leistung zustehe, weshalb das entsprechende Klagebegehren abzuweisen gewesen sei (diese Abweisung ist in Rechtskraft erwachsen).

Berechtigt sei allerdings das Eventualbegehren auf Leistung eines Entschädigungsbetrages nach § 408 ZPO. Mit Bescheid vom 1. 7. 2005 habe die beklagte Partei der Klägerin eine Pensionsvorauszahlung gewährt. Dazu habe die beklagte Partei selbst ausgeführt, dass das beharrliche Aufrechterhalten einer unrichtigen Rechtsansicht der zuständigen Leistungsabteilung Ursache für die fehlende Zahlung gewesen sei. Relevant für die Vorschusszahlung an die Klägerin sei lediglich ihre Eigenschaft als Witwe; diese sei nicht von einem durchzuführenden Verlassenschaftsverfahren abhängig. Die Beklagte habe zwischen Mai 2001 und Juli 2005 überhaupt keine Tätigkeit entfaltet und hiedurch den Prozess mutwillig herbeigeführt. Gemäß § 368 Abs 2 ASVG habe der Versicherungsträger einen Bescheid zu erlassen; könne er dies innerhalb der nach Abs 1 in Betracht kommenden Sechs-Monats-Frist nicht, weil der Sachverhalt noch nicht genügend geklärt sei, so habe er, wenn seine Leistungspflicht dem Grunde nach feststehe, die Leistung zu bevorschussen. Das Gericht komme daher zu dem Schluss, dass der Klägerin ein vom Gericht nach freier Überzeugung bestimmter Entschädigungsbetrag gemäß § 408 ZPO in der Höhe von 8.350,78 EUR samt 4 % Zinsen ab 28. 12. 2005 zustehe. Das Berufungsgericht gab der gegen die Zuerkennung des Entschädigungsbetrages gerichteten Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes insoweit im klagsabweisenden Sinn ab.

Ein Anspruch nach § 408 ZPO komme nur für die obsiegende Prozesspartei in Betracht, wenn die unterliegende Partei offenbar mutwillig Prozess geführt habe. Tatsächlich habe die Klägerin in dem Verfahren bloß in einem Verfahrensabschnitt obsiegt. Ihr Klagebegehren sei zunächst auf wiederkehrende Leistungen (Zuerkennung einer Witwenpension) gerichtet gewesen. Nachdem diesbezüglich während des laufenden Verfahrens von der beklagten Partei ein Bescheid erlassen worden sei, sei das Klagebegehren mit Schriftsatz vom 10. 1. 2006 (ON 15) implizit um diese wiederkehrenden Leistungen eingeschränkt worden. Gleichzeitig sei das Klagebegehren ausgedehnt bzw auf Leistung von 974 EUR sA zuzüglich kapitalisierter Zinsen und einen Entschädigungsbetrag abgeändert worden. Insoweit sei die Klägerin aber zur Gänze unterlegen, nachdem das Leistungsbegehren von 974 EUR sA rechtskräftig zurück- und das Klagebegehren auf kapitalisierte Zinsen nunmehr rechtskräftig abgewiesen worden sei. Da die Klägerin mit ihrem (eingeschränkten) Klagebegehren nicht obsiegt habe, komme auch die Zuerkennung eines Entschädigungsbetrages gemäß § 408 Abs 1 ZPO an sie nicht in Betracht.

Im Hinblick auf die Abänderung des Ersturteiles wurde die Kostenentscheidung - ausgehend vom Obsiegen der Klägerin im ersten Verfahrensabschnitt und vom Obsiegen der beklagten Partei im zweiten Verfahrensabschnitt ab der „Änderung" des Klagebegehrens auf Leistung, Zinsen und Entschädigungsbetrag - neu gefasst. Die Revision wurde mangels einer Rechtsprechung zur Frage der Zuerkennung eines Entschädigungsbetrages gemäß § 408 ZPO im Sozialrechtsverfahren und bei einem abschnittsweisen Obsiegen einer Partei für zulässig erklärt.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahingehend, dass „dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben und die erstinstanzliche Entscheidung auch im Kostenpunkt wieder hergestellt wird". Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, soweit die Entscheidung des Berufungsgerichtes über den Kostenpunkt bekämpft wird, und im Übrigen der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist, soweit damit auch die Entscheidung des Berufungsgerichtes über den Kostenpunkt bekämpft wird, unzulässig. Im Übrigen ist die Revision aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

In der Revision bestreitet die Klägerin ein Unterliegen ihrerseits:

Genau das, was sie mit ihrer Klage in der Hauptsache angestrebt habe, nämlich die Zuerkennung der Witwenpension und die Erbringung der entsprechenden Zahlungen, habe sie mit dem Verfahren erreicht; der zusätzlich geforderte Zinsenbetrag sei kein selbständiger Anspruch, sondern ein Nebenanspruch zur Hauptsache. Im Vergleich zu dem von der beklagten Partei letztlich (nach-)bezahlten Betrag von 60.182,64 EUR sei der letztlich nicht zugesprochene Betrag von 974 EUR nur marginal. Bei Vorliegen besonderer Umstände, die zudem das „herkömmliche" Verschulden überstiegen, seien die ansonsten vom Sozialversicherungsträger nicht zu leistenden Verzugszinsen aus dem Titel des Schadenersatzes zu ersetzen. Diese Voraussetzungen lägen vor, da die beklagte Partei den Prozess mutwillig herbeigeführt habe, indem sie schon im Verwaltungsverfahren beharrlich eine unrichtige Rechtsansicht aufrecht erhalten habe und 4 ½ Jahre überhaupt untätig geblieben sei, weil der Sachbearbeiter die Witweneigenschaft verkannt habe. Entgegen der gesetzlichen Verpflichtung habe sie nicht einmal einen Vorschuss geleistet.

Letztlich sei auch die Kostenentscheidung unrichtig (mit detaillierten Ausführungen zu einzelnen Kostenpositionen); die Verfahrenskosten des sozialgerichtlichen Verfahrens seien gemäß § 77 ASGG jedenfalls vom Versicherungsträger zu bezahlen.

Dazu hat der Senat erwogen:

1. § 408 ZPO gibt dem Gericht die Befugnis, im Zusammenhang mit offenbar mutwilliger Prozessführung über den eigentlichen Streitgegenstand hinaus auch über Schadenersatzansprüche aus der Durchsetzung des Rechtsschutzbegehrens zu erkennen. Somit kann der Bestimmung ein doppelter Zweck unterstellt werden: a) Sie schützt gegen mutwillige Inanspruchnahme der Zivilgerichte und b) erledigt den Streitfall auch bezüglich der schadenersatzrechtlichen Folgen (RIS-Justiz RS0041176; Fucik in Fasching/Konecny2 § 408 ZPO Rz 1). Hintergrund ist also, dass dem durch die mutwillige Prozessführung Geschädigten bei Vorliegen der in § 408 ZPO angesprochenen Konstellation die Rechtsverfolgung erleichtert wird (Oberhammer, wobl 1996, 116 [Anmerkung zu 3 Ob 544, 545/95, wobl 1996/27 = SZ 68/115]). Die Bestimmung schafft keinen neuen Schadenersatzanspruch, sondern setzt Schadenersatzansprüche nach bürgerlichem Recht voraus (RIS-Justiz RS0041173). Der Inhalt des Anspruchs richtet sich daher nach den §§ 1293 ff ABGB (Fucik in Fasching/Konecny2 § 408 ZPO Rz 1). Außer einem Antrag nach § 408 Abs 1 ZPO kann der durch mutwillige Prozessführung Geschädigte seinen Schaden daher auch mit selbständiger Klage geltend machen (RIS-Justiz RS0058535).

2. Inhaltliche Voraussetzungen sind

  1. a) der Prozesserfolg der siegreichen Partei und
  2. b) eine offenbar mutwillige Prozessführung der unterlegenen Partei. Nur wer im Prozess obsiegt, kann seine Ansprüche auf § 408 ZPO stützen (RIS-Justiz RS0041171; Fucik in Fasching/Konecny2 § 408 ZPO Rz 3), also der Kläger nur bei Stattgebung, der Beklagte nur bei Abweisung der Klage.

    Als erstes ist demnach die Frage zu beantworten, ob die Klägerin als siegreich anzusehen ist.

2.1. Im sozialgerichtlichen Verfahren geht mit der zulässigen Erhebung einer Säumnisklage die Entscheidungsbefugnis vom Versicherungsträger auf das Gericht über. Die Rolle des Versicherungsträgers wandelt sich von der einer Behörde in die einer Prozesspartei, weshalb - außer nach Sachverhaltsänderungen (§ 71 Abs 3 ASGG) bzw in Rechtsstreitigkeiten über die Wiederaufnahme der Heilbehandlung Unfallverletzter (§ 71 Abs 4 ASGG) - auch kein Bescheid mehr „nachgeschoben" werden kann (Fink, Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen [1995] 361, 422; Neumayr in ZellKomm § 67 ASGG Rz 16). Ein dennoch erlassener Bescheid ist aber nicht unbeachtlich, sondern wie jeder andere während eines gerichtlichen Verfahrens ergehende Bescheid zu behandeln, der entweder rechtskräftig oder durch Klageerhebung außer Kraft gesetzt wird (Fink, Die sukzessive Zuständigkeit 418 f; vgl auch 10 ObS 127, 128/95 = SSV-NF 9/62 und 10 ObS 130/98k = SSV-NF 12/98): Mit der Erlassung eines seinem Anspruch stattgebenden zweiten Bescheides verliert der Kläger sein Rechtsschutzinteresse an der gerichtlichen Entscheidung über seinen Anspruch auch im darüber noch anhängigen Verfahren (10 ObS 127, 128/95 = SSV-NF 9/62; RIS-Justiz RS0088954 [T2]).

2.2. In diesem Sinn ist die Klägerin nach Erhebung der Säumnisklage materiell mit ihrem Begehren auf Witwenpension durchgedrungen, weil eine Entscheidung durch das Gericht von der beklagten Partei dadurch verhindert wurde, dass sie einen dem Begehren stattgebenden Bescheid erließ und die zwischenzeitig fällig gewordenen Witwenpensionsleistungen nachzahlte.

In diesem Sinn ist die Klägerin als „obsiegend" iSd § 408 Abs 1 ZPO anzusehen; die vom Berufungsgericht herangezogene Begründung für die fehlende Berechtigung des Anspruchs auf einen Ersatzbetrag nach § 408 ZPO erweist sich als nicht stichhältig.

3. Die zweite inhaltliche Voraussetzung liegt in einer offenbar mutwilligen Prozessführung der unterlegenen Partei.

3.1. Die Rechtsprechung hat offenbaren Mutwillen im Zusammenhang mit einer Prozessführung (dazu näher Lindinger, Mutwillige Prozessführung im Schlichtungsstellenverfahren - Prozesskostenersatz im Außerstreitverfahren, immolex 2003, 105 [106]) zum einen im Zusammenhang mit der Einlassung in einen Rechtsstreit angenommen (1 Ob 34/24 = SZ 6/29 = RIS-Justiz RS0041197). Zum anderen kann sich die Mutwilligkeit erst im Verlauf des Rechtsstreits ergeben, zB aus dem Fehlen „ernst zu nehmender" Einwendungen (2 Ob 343/23 = SZ 5/157). Allerdings setzt Mutwillen immer das Bewusstsein der Unrichtigkeit des bezogenen Rechtsstandpunkts mit ein, so dass gutgläubige Prozessführung einen Ersatzanspruch nach § 408 ZPO ausschließt. Eine bloß fahrlässig abweichende Beurteilung des Anspruchs macht die Rechtsverfolgung bestenfalls fahrlässig, aber nicht mutwillig (Fucik in Fasching/Konecny2 § 408 ZPO Rz 3). Gutgläubige, wenn auch unrichtige Prozessführung trägt nur das Kostenrisiko in sich (4 Ob 173/78 = SZ 51/172; 1 Ob 223/03f = JBl 2004, 655 = RIS-Justiz RS0022840 [T11]): Das Recht jedes Staatsbürgers, bei Meinungsverschiedenheiten die Hilfe der Gerichte in Anspruch zu nehmen, darf nicht mit einer abschreckenden Verantwortlichkeit für

die Rechtsverteidigung belastet werden (3 Ob 161/97s = wobl 2000/154,

271 [M. Mohr] = immolex 2000/72, 111 [Kovanyi]). Wer einen gegen ihn

erhobenen Anspruch aus sachlichen Gründen bestreitet, handelt nicht schuldhaft. Seine Prozessführung zieht daher nur die Gefahr der Kostenersatzpflicht nach sich. Eine Schadenersatzpflicht der unterlegenden beklagten Partei ist somit nur gegeben, wenn sie bei gehöriger Aufmerksamkeit die Aussichtslosigkeit ihrer Prozessführung hätte erkennen können. Die Bestreitung muss also wider besseres Wissen oder unter Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt geschehen. Bei der Beurteilung der Verschuldensfrage ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die gutgläubige Anrufung des Gerichtes wird vermutet (3 Ob 161/97s = wobl 2000/154, 271 [M. Mohr] = immolex 2000/72, 111 [Kovanyi]). Die klagende Partei muss also konkret beweisen, dass die beklagte Partei das Fehlen der tatsächlichen Voraussetzungen für ihre Bestreitung oder die Unhaltbarkeit ihres Rechtsstandpunktes gekannt hat oder zumindest hätte kennen müssen (1 Ob 600/86 = SZ 59/159; Andexlinger, Schadenersatz wegen Prozeßführung, RdW 1986, 248).

3.2. Die Klägerin leitet ihren Ersatzanspruch allerdings nicht (allein) aus dem Prozessverhalten der beklagten Partei ab, sondern kombiniert dieses mit dem mutwilligen Verhalten im Verwaltungsverfahren vor Einbringung der Säumnisklage. Tatsächlich bieten die Feststellungen wenig Anlass für ein gravierendes „Fehlverhalten" der beklagten Partei im Sozialgerichtsverfahren, das noch dazu durch das Fehlen eines Versäumungsurteils gekennzeichnet ist (§ 75 Abs 1 ASGG).

Die Säumnisklage wurde am 2. 5. 2005 eingebracht. Die beklagte Partei hat dem Grunde nach den Anspruch der Klägerin nicht bestritten und der Höhe nach mit Bescheid vom 30. 11. 2005 zuerkannt. Mit Schreiben vom 1. 7. 2005 hat die beklagte Partei eine vorläufige Leistung ab 1. 5. 2001 gewährt, welche dem endgültig zuzuerkennenden Betrag der Witwenpension entsprach.

3.3. Der Wortlaut des § 408 Abs 1 ZPO und sein materiellrechtlicher Inhalt decken nur die mutwillige Prozessführung vor Gericht ab, nicht aber das Verhalten vor dem gerichtlichen Verfahren. Der Wortlaut geht auch konform mit dem schon erwähnten Zweck der Bestimmung, dem durch die mutwillige Prozessführung Geschädigten bei Vorliegen der in § 408 ZPO angesprochenen Konstellation die Rechtsverfolgung zu erleichtern. Das Gericht, vor dessen Augen mutwillig Prozess geführt wurde, soll sofort auch den gebührenden Schadenersatz zusprechen können, ohne dass durch die Verhandlung über diesen Antrag die Entscheidung in der Hauptsache aufgehalten wird. Gerade das wäre aber der Fall, müsste das Gericht in seine Erwägungen zu § 408 ZPO auch das - nicht unmittelbar beurteilbare - vorprozessuale Verhalten der unterlegenen Partei einbeziehen. Ein auf dieses Verhalten gestützter Schadenersatzanspruch kann nur selbständig geltend gemacht werden, nicht mit einem Antrag nach § 408 ZPO.

  1. 4. Damit muss die Revision der Klägerin erfolglos bleiben.
  2. 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse, die einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch an die Klägerin rechtfertigen könnten, wurden nicht geltend gemacht und sind auch aus der Aktenlage nicht ersichtlich. Sozialgerichtliche Verfahren sind im Übrigen von Gerichtsgebühren befreit (§ 80 ASGG).

    Dass die Verfahrenskosten des sozialgerichtlichen Verfahrens jedenfalls vom Versicherungsträger zu ersetzen seien, ist dem § 77 ASGG nicht zu entnehmen. Abgesehen vom Fall des § 77 Abs 3 ASGG hat der Versicherungsträger seine Kosten des Verfahrens unabhängig vom Verfahrensausgang selbst zu tragen (§ 77 Abs 1 Z 1 ASGG). Hinsichtlich der Kostenersatzansprüche des Versicherten differenziert § 77 Abs 1 Z 2 ASGG in der Form, dass der (ganz oder teilweise obsiegende) Versicherte Anspruch auf vollen Kostenersatz auf der Basis des Wertes des Ersiegten hat (lit a); nach lit b wird der Kostenersatzanspruch des vollständig unterliegenden Versicherten auf Billigkeit eingeschränkt, wobei als Kriterien die tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten des Verfahrens sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Versicherten angeführt sind.

    6. Soweit die Klägerin in ihrer Revision den Zuspruch ihrer Verfahrenskosten nach Billigkeit auch für das Verfahren erster und zweiter Instanz begehrt, ist die Revision unzulässig. Nach ständiger Rechtsprechung kann nämlich die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz über den Kostenpunkt auch in Sozialrechtssachen weder im Rahmen der Revision noch mit Rekurs bekämpft werden (10 ObS 241/99k = SSV-NF 13/118 mwN).

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