European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E119921
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Die häusliche Gemeinschaft der Eltern des Kindes ist zumindest seit Juli 2015 aufgehoben, das Scheidungsverfahren ist anhängig. Der überwiegende Aufenthalt des Kindes ist bei der Mutter. Das Durchschnittsmonatseinkommen des Vaters betrug im Jahr 2015 4.568 EUR netto und 2016 4.484 EUR netto; jenes der Mutter betrug 2015 2.287 EUR und 2016 2.469 EUR (jeweils netto). Von Juli bis Dezember 2015 übte der Vater das Kontaktrecht zum Kind an insgesamt 50 Tagen aus. Von April bis einschließlich Dezember 2015 zahlte er die Kosten des Horts (641 EUR), die Kosten der – von den Eltern einvernehmlich gewählten – Privatschule (1.320 EUR). Er leistete 1.476 EUR für die Wohnung, 160 EUR für eine Projektwoche und 262,50 EUR an Unterhaltsbeitrag am 15. Dezember 2015. Weiters erbrachte er 2015 Taschengeldzahlungen und kaufte dem Kind Kleidung und Bücher. Im Jahr 2016 fanden 110 Kontakttage statt. In diesem Jahr nahm der Vater sein Kontaktrecht überwiegend in der Form wahr, dass das Kind (jedes zweite Wochenende) von Donnerstag bis Montag morgens bei ihm war und er es Montag in der früh zur Schule brachte. Außerdem verbrachte er mit dem Kind Semester-, Oster- und Sommerferien. Bei der Feststellung der im Jahr 2016 erfolgten 110 Kontakttage sind stundenweise Betreuungen (etwa das Bringen des Kindes zur Schule am Montagmorgen) nicht berücksichtigt.
Das Erstgericht verpflichtete den Vater zur Zahlung eines Unterhaltsrückstands für den Zeitraum April bis Dezember 2015 in Höhe von 1.414,50 EUR sA, zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen von 362 EUR von 1. 1. 2016 bis 31. 12. 2016 und von 445 EUR ab 1. 1. 2017 bis auf weiteres (längstens bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes) sowie zur Zahlung eines Sonderbedarfs für die halben Schulkosten in Höhe von 75,63 EUR; die darüber hinausgehenden Mehrbegehren des Kindes für laufenden Unterhalt und Sonderbedarf wurden abgewiesen. Weiters sprach das Erstgericht aus, dass mit Rechtskraft dieses Beschlusses die am 13. 4. 2016 erlassene einstweilige Verfügung außer Kraft tritt. Rechtlich ging das Erstgericht– soweit für das Revisionsrekursverfahren noch wesentlich – davon aus, der nach der „Prozentmethode“ für 2015 bemessene (durch den zweifachen Regelbedarf begrenzte) monatliche Unterhaltsanspruch betrage unter Berücksichtigung des Jahreseinkommens des Vaters und des Familienbeihilfebezugs durch die Mutter im Zeitraum von 1. 4. 2015 bis 30. 6. 2015 monatlich 588 EUR und von 1. 7. 2015 bis 31. 12. 2015 monatlich 594 EUR. Im Vergleich zu einem Kontaktrecht im üblichen Ausmaß (von zwei Kontakttagen alle 14 Tage sowie einem vierwöchigen Ferienbesuchsrecht) sei ein Kontaktrecht im Ausmaß von 50 Tagen im Zeitraum von 1. 7. 2015 bis 31. 12. 2015 überdurchschnittlich. Unter Berücksichtigung der (gerundet) vier zusätzlichen Kontakttage im Monat sei der ab 1. 7. 2015 gegebene monatliche Unterhaltsanspruch von 594 EUR um 20 % auf 475 EUR zu mindern. Der Unterhaltsrückstand betrage demnach 4.614 EUR (588 x 3 = 1.764 zuzüglich 475 x 6 = 2.850), von dem die anrechenbaren Naturalunterhaltsleistungen (für das halbe Schulgeld, Wohnung, Hort, Projektwoche etc von insgesamt 3.199,50 EUR) als unterhaltsmindernd abzuziehen seien. Nach dem Vorbringen des Vaters zwischen 1. 7. 2015 und 31. 12. 2015 geleistete weitere Naturalleistungen (für Kleidung, Taschengeld, Bücher) seien hingegen nicht als unterhaltsmindernd zu berücksichtigen. Bei der Feststellung der Anzahl der Kontakttage im Jahr 2016 seien stundenweise Betreuungen, wie zB das Zurückbringen des Kindes am Morgen außer Acht zu lassen. Da die so errechneten 110 Betreuungstage ein Drittel des Jahres nicht erreichten, sei auch für das Jahr 2016 von der Anwendbarkeit der „Prozentjudikatur“ auszugehen. Umgerechnet auf das Monat ergäben sich für 2016 9,16 Betreuungstage. Im Vergleich zu einem Kontaktrecht im üblichen Ausmaß sei für 2016 demnach von (gerundet) zusätzlich fünf Kontakttagen monatlich auszugehen, was eine Reduktion der vom Vater zu leistenden monatlichen Unterhaltsbeträge im Ausmaß von 25 % rechtfertige.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge. Die Rechtsansicht, dass aufgrund des gegebenen überdurchschnittlichen Besuchskontakts für 2015 ein Abschlag von 20 % und für 2016 ein Abschlag von 25 % auf den nach der „Prozentmethode“ errechneten Geldunterhaltsanspruch gerechtfertigt sei, sei zu billigen. Bei Ermittlung der Anzahl der Kontakttage seien nur volle Betreuungstage zu berücksichtigen. Dass ein Elternteil das Kind am Montag morgen adäquat ausgerüstet zur Schule bringe und auch die Schulkosten zahle, führe nicht dazu, dass der Montag für diesen als weiterer Betreuungstag zu qualifizieren sei. Mit der Betreuung zusammenhängende alltägliche Kosten seien nicht geeignet, einen nach der Prozentmethode zustehenden Unterhaltsanspruch zweimal zu kürzen, einmal wegen der teilweisen Betreuung und ein zweites mal durch Anrechnung als Naturalunterhaltsleistung.
Infolge Zulassungvorstellung des Vaters ließ das Rekursgericht nachträglich den Revisionrekurs zu der Frage zu, ob es sich um einen dem Vater zuzurechnenden weiteren Betreuungstag handle, wenn dieser das Kind nach einem Wochenendkontakt am Montag morgen (ausgerüstet und versorgt) zur Schule bringt und außerdem die Schulkosten trägt.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.
1.1 Bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft des unterhaltsberechtigten Kindes und des unterhaltspflichtigen Elternteils ist Naturalunterhalt zu leisten, der nach § 231 Abs 2 Satz 1 ABGB vom Gesetz grundsätzlich als voller Unterhaltsbeitrag des betreffenden Elternteils gewertet und der Leistung von Geldunterhalt gleichgestellt wird (RIS‑Justiz RS0116443 [T6]).
1.2 Leben das Kind und der Unterhaltsschuldner nicht mehr im gemeinsamen Haushalt, wandelt sich der Naturalunterhaltsanspruch in einen Geldunterhaltsanspruch. Auf diesen Geldunterhaltsanspruch ergeben sich keine Auswirkungen, solange der geldunterhaltspflichtige Elternteil das Kind nur im Rahmen des üblichen Kontaktrechts in seinem Haushalt betreut und versorgt. Als üblich gilt nach ständiger Rechtsprechung ein Kontaktrecht von zwei Tagen alle zwei Wochen sowie von vier Wochen in den Ferien, insgesamt somit etwa von 80 Tagen pro Jahr (10 Ob 17/15w mwN; vgl Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht8 109). Starre Grenzen sind dabei allerdings nicht zu ziehen (vgl 1 Ob 209/08d – ein zusätzlicher halber Tag pro Woche ist vernachlässigbar).
1.3 Teilen die Eltern die Betreuung in einem Ausmaß, das ganz klar über den Rahmen der üblichen Kontakte des geldunterhaltspflichtigen Teils hinausgeht und leistet dieser während der verlängerten Kontakte Naturalunterhalt, ist nach der jüngeren ständigen Rechtsprechung der Geldunterhalt zu reduzieren (RIS‑Justiz RS0047452). Pro wöchentlichem Betreuungstag, an dem sich das Kind über das übliche Ausmaß hinaus beim zahlenden Elternteil aufhält, wird in der Regel ein Abschlag von etwa 10 % vom Geldunterhalt vorgenommen. Demnach ist ein Kontaktrechtstag pro Woche unterhaltsneutral, für jeden weiteren ist eine Minderung von 10 % angemessen (10 Ob 17/15w mwN). Dieser Ansatz bildet freilich nur eine Richtschnur und tendenziell eher die Untergrenze (RIS‑Justiz RS0128043). Maßgebliches Kriterium für die Minderung der Geldunterhaltspflicht ist, ob durch die Betreuungsleistungen eine nennenswerte Ersparnis des anderen Elternteils eintritt (etwa für Lebensmittel, Taschengeld, Wäsche und Freizeitaktivitäten; vgl RIS‑Justiz RS0047452 [T9] ua). Es ist also nicht von den Aufwendungen des Unterhaltspflichtigen, sondern ausschließlich von den ersparten Aufwendungen des anderen Elternteils auszugehen (RIS‑Justiz RS0047452 [T1]).
1.4 Demnach finden bei Errechnung der Anzahl der Kontakttage einzelne Stunden eines Aufenthalts beim anderen Elternteil grundsätzlich keine Berücksichtigung. Ein Wochenendaufenthalt von Freitag nach der Schule bis Sonntag schlägt sich daher nur in zwei Tagen nieder (5 Ob 2/12y). Reduziert sich ein neben dem üblichen, 14tägigen Wochenendbesuchsrecht eingeräumter weiterer „Besuchstag“ in Wahrheit auf ein bloßes Übernachtungsbesuchsrecht unter der Woche (bis zum Schulbeginn am nächsten Morgen), wurde von keiner nennenswerten Ersparnis des anderen Elternteils ausgegangen (3 Ob 96/12g).
1.5 Im vorliegenden Fall ist nicht erkennbar, dass bzw in welcher Weise sich die Mutter nennenswerte finanzielle Aufwendungen dadurch erspart, dass der Revisionsrekurswerber nach Ausübung seines Kontaktrechts am Montag morgen das Kind zur Schule bringt. Auch im Revisionsrekurs wird dazu kein Vorbringen erstattet. Vielmehr verweist der Revisionsrekurswerber nur auf seine eigenen Aufwendungen, indem er geltend macht, er müsse das Kind am Morgen für den Schultag vorbereiten und richtig ausrüsten; darüber hinaus zahle er das monatliche Schulgeld von 166 EUR. Wenn die Vorinstanzen mangels einer nach diesen Umständen erkennbaren Ersparnis der Mutter den Montag nicht als „vollen“ weiteren Betreuungstag des Revisionsrekurswerbers gezählt haben, findet diese Entscheidung in der bisherigen Rechtsprechung Deckung.
2. Die nach Erlassung des erstinstanzlichen Beschlusses erfolgte Neuregelung des Umfangs des Kontaktrechts (nach dem Vorbringen an jeden zweiten Wochenende von Mittwoch bis Montag) stellt eine neue Tatsache dar, die nur nach Maßgabe des § 49 Abs 3 AußStrG vom Rekursgericht zu berücksichtigen war. Eine die Grundlagen der Unterhaltsbemessung betreffende neue Tatsache bietet infolge der Möglichkeit eines Erhöhungs‑ oder Herabsetzungsantrags in der Regel keinen Neuerungsgrund (8 Ob 59/07w). Dafür, dass eine Berücksichtigung der Auswirkungen der neuen Kontaktregelung auf das laufende Verfahren ausnahmsweise doch erforderlich gewesen wäre, weil die Einbringung eines neuen Antrags für den Antragsteller einen wesentlichen Nachteil begründet (RIS‑Justiz RS0006893 [T11]), ergeben sich keine Anhaltspunkte aufgrund der Aktenlage.
3.1 Eine Unterhaltsverletzung ist nicht nur gegeben, wenn der Unterhaltspflichtige (gar) keinen Unterhalt leistet, sondern auch dann, wenn der Wert der dem Unterhalts-berechtigten zugekommenen Naturalunterhaltsleistungen unter jenem Betrag liegt, der ihm nach dem Gesetz als Geldunterhalt gebühren würde, wobei unbedeutende Abweichungen vernachlässigt werden können (1 Ob 10/03g). Ausgehend davon, dass die Haushaltsgemeinschaft der Eltern „zumindest“ seit Juli 2015 aufgelöst ist, hat das Erstgericht Feststellungen zum im Jahr 2015 vom Revisionsrekurswerber naturaliter geleisteten Unterhalt getroffen. Es hat einen Unterhaltsrückstand für den Zeitraum von April bis Dezember 2015 in Höhe von 1.414,50 EUR ermittelt, um den der Wert der vom Revisionsrekurswerber tatsächlich erbrachten Unterhaltsleistungen den errechneten Geldunterhaltsbetrag unterschritten hat. Auch mit dem Vorbringen, es sei ein rechtlicher Feststellungsmangel zu der schon vor der Haushaltstrennung erfolgten Unterhaltsverletzung gegeben, wird somit keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung aufgezeigt.
3.2 Die Vorinstanzen sind dem Grundgedanken, den zu leistenden Geldunterhalt dann zu reduzieren, wenn der Unterhaltspflichtige auch – über ein übliches Kontaktrecht hinaus – Naturalunterhalt leistet, nachgekommen, indem sie einen Abschlag von 20 % für das Jahr 2015 auf den nach der „Prozentmethode“ errechneten Geldunterhaltsanspruch tätigten. Ein nach der Prozentsatzjudikatur zustehender Unterhaltsanspruch kann aber – jedenfalls was die mit der Betreuung zusammenhängenden Kosten betrifft – nicht zweifach gekürzt werden, einmal durch aliquote Kürzung wegen der teilweisen Betreuung und ein zweites Mal durch Anrechnung konkreter Naturalleistungen (3 Ob 222/02x; 1 Ob 158/15i; 10 Ob 17/15w). Die Ansicht, dass Zahlungen des Revisionsrekurswerbers für Taschengeld, Kleidung und Bücher nicht – ein zweites Mal – als unterhaltsmindernd zu qualifizieren sind, hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung. Zahlungen zur regelmäßigen längerfristigen Bedürfnisbefriedigung (für Wohnung, Schule, Hort etc) wurden von den Vorinstanzen ohnedies als teilweise Erfüllung der Unterhaltspflicht berücksichtigt.
Mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs demnach als unzulässig zurückzuweisen.
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