BVwG L519 1300467-5

BVwGL519 1300467-510.6.2016

BFA-VG §9 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
VwGVG §28 Abs2
BFA-VG §9 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:L519.1300467.5.00

 

Spruch:

1. L519 1316388-3/22E

2. L519 1300466-5/22E

3. L519 1401914-4/19E

4. L519 1415870-2/19E

5. L519 1300468-5/20E

6. L519 1300467-5/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Armenien, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2015, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG idgF stattgegeben und

gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG idgF festgestellt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG 2005 idgF in diesem Verfahren auf Dauer unzulässig ist.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Armenien, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.06.2015, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG 2013 idgF

stattgegeben und gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG 2013 idgF festgestellt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG 2005 idgF in diesem Verfahren auf Dauer unzulässig ist.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Armenien, vertreten durch die Mutter und gesetzliche Vertreterin XXXX, diese wiederum vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.06.2015, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG 2013 idgF

stattgegeben und gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG 2013 idgF festgestellt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG 2005 idgF in diesem Verfahren auf Dauer unzulässig ist.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

4.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Armenien, vertreten durch die Mutter und gesetzliche Vertreterin XXXX, diese wiederum vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.06.2015, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG 2013 idgF

stattgegeben und gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG 2013 idgF festgestellt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG 2005 idgF in diesem Verfahren auf Dauer unzulässig ist.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

5.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, StA. Armenien, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.8.2015, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG 2013 idgF

stattgegeben und gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG 2013 idgF festgestellt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG 2005 idgF in diesem Verfahren auf Dauer unzulässig ist.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

6.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Armenien, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.8.2015, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG 2013 idgF

stattgegeben und gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG 2013 idgF festgestellt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG 2005 idgF in diesem Verfahren auf Dauer unzulässig ist.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als "bP1" bis "bP6" bezeichnet), sind Staatsangehörige von Armenien und brachten nach illegaler Einreise am 23.1.2010 (bP1), am 13.10.2009 (bP2 und bP3) bzw. am 4.3.2010 (bP4) sowie am 11.11.2009 (bP 5 und bP 6) bei der belangten Behörde Anträge auf internationalen Schutz ein.

Hinsichtlich der bP stellten dies (mit Ausnahme der bP 4) die zweiten Asylanträge dar. Die ersten Anträge wurden bereits mit Entscheidungen des Asylgerichthofes vollinhaltlich rechtskräftig abgewiesen.

Die bP3 und bP4 sind die gemeinsamen mj. Kinder der bP1 und der bP2, wobei die bP4 in Österreich geboren wurde. Die bP 5 und bP 6 sind die Eltern der bP 2.

I.2. Auch die zweiten Anträge der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit Bescheiden der belangten Behörde gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status von Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien verfügt (Spruchpunkt III.).

I.3. Gegen diese abweisenden Bescheide der belangten Behörde wurden Beschwerden eingebracht, welche nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.11.2014 (bP 1 bis bP 4) bzw. 13.10.2014 (bP 5 und bP 6) hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. gem. §§ 3 und 8 Abs. 1 Z.1 Asylgesetz 2005, BGBl. I. Nr. 2005/100 als unbegründet abgewiesen wurden. Die Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung wurden gem. § 75 Abs. 20 Asylgesetz 2005 an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

In diesen Erkenntnissen wurde rechtskräftig festgestellt, dass die bP in ihrem Herkunftsstaat keiner Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Gesinnung ausgesetzt wären.

Ebenso wurde rechtskräftig festgestellt, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen in Bezug auf den Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würden oder für sie als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würden.

Letztlich wurde festgehalten, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen mit keinem unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben verbunden sind. Aufgrund der Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 19 und 20 AsylG wurde das Verfahren daher zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an die belangte Behörde zurückverwiesen.

I.4. Mit im Spruch genannten Bescheiden wurden den bP Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 und § 57 AsylG nicht erteilt.

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG, 9 BFA-VG und § 52 Abs. 2 FPG wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig ist.

Gemäß § 55 Abs. 1 - 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

I.5. Gegen diese im Spruch angeführten Bescheide wurden mit im Akt ersichtlichen Schriftsätzen innerhalb offener Frist Beschwerden erhoben.

Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass die bP bestens integriert wären und durch die Rückkehrentscheidung ein unzulässiger Eingriff in Rechte aus Art. 8 EMRK bestehen würde.

I.6. Am 19.10.2015 wurde mit der bP 1 und bP 2 neuerlich eine mündliche Verhandlung durchgeführt und wurde ihnen damit die Möglichkeit gegeben, abschließend ihre Interessen iS des Art. 8 EMRK darzulegen.

I.7. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnissen vom 14.04.2016 (Ra 2016/21/0029 betreffend bP 1- bP 4; Ra 2016/21/0033 betreffend bP 5 und bP 6) die außerordentlichen Revisionen der bP hinsichtlich § 57 AsylG als unzulässig zurückgewiesen. Im Übrigen wurden die angefochtenen Erkenntnisse des BVwG vom 24.11.2015 (bP 5 und bP 6) sowie vom 30.11.2015 (bP 1 - bP 4) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Bei den bP handelt es sich um armenische Staatsangehörige, die zur Volksgruppe der Jesiden gehören. Die bP sind damit Drittstaatsangehörige.

Die bP1 und die bP2 bekennen sich zum christlichen Glauben, die bP2 ist seit 7.2.2010 und die bP 6 seit 13.12.2009 Mitglied der Baptistengemeinde. Die bP 1 und 2 helfen in der Kirchengemeinde mit, die bP 2 ist auch beim Elternverein engagiert. Die bP1 und die bP2 sind standesamtlich nicht verheiratet. Der Beziehung entstammen die gesunden 7 bzw. 6 Jahre alten bP3 und bP4. Die bP 5 besucht seit 3 Jahren die Baptistengemeinde.

Die bP 2, bP 5 und bP 6 reisten 2006 in Österreich ein. Die bP 1 reiste im August 2007 in Österreich ein, die Kinder bP 3 und 4 wurden in Österreich geboren.

Die bP1 hat die Grundschule besucht und spricht neben Armenisch auch jesidisch und deutsch jedenfalls auf A2-Niveau.

Die bP2 hat ebenfalls die Grundschule besucht und spricht neben Armenisch ebenfalls jesidisch und Deutsch auf B1-Niveau.

Die bP3 geht in die Vorschule, die bP4 in den Kindergarten. Sie sprechen neben Deutsch auch Jesidisch. Die bP 4 besucht einen Fußballverein.

Die bP5 hat die Grundschule besucht und spricht neben jesidisch auch armenisch. Kenntnisse der deutschen Sprache waren hingegen nicht feststellbar. In Armenien war sie zuletzt Landwirt.

Die bP6 hat ebenfalls die Grundschule besucht. Sie spricht neben jesidisch und armenisch auch deutsch auf A2 -Niveau. Sie hat in Armenien ebenfalls in der Landwirtschaft gearbeitet.

Die bP5 ist ein 48-jähriger Mann mit folgendem aktuellen Krankheitsbild: Depressionen, Bluthochdruck, chronische Kopfschmerzen. Im Juni 2006 hatte die bP5 eine Stammganglienblutung mit Ventrikeleinbruch bei AVM li. und im Juli 2006 eine Nachblutung. Im August 2006, Juli 2008 und im Juli 2010 erfolgten Gamma-Knife-Bestrahlungen. Es besteht eine beinbetonte spastische Hemiparese rechts. Eine Hepatitis C wurde ausgeheilt.

Die bP5 ist im Besitz eines Behindertenpasses der Republik Österreich vom 4.11.2008. Der Grad der Behinderung wurde mit 80 % festgelegt.

Außer der bP2 lebt ein weiters volljähriges Kind der bP 5 und 6 in Österreich. Darüber hinaus leben 2 Brüder der bP 6 in Österreich, die im Besitz einer Rot-Weiss-Rot-Karte sind, mit ihren Familien im Bundesgebiet.

5 oder 6 Stiefgeschwister der bP 5 leben in Armenien. Mehrere Onkel und Tanten der bP 5 leben ebenso in Armenien. Entfernte Verwandte der bP 1 leben ebenso in Armenien.

Die Identität der bP 1 bis bP 4 steht fest. Die Identität der bP 5 und 6 steht nicht fest.

Die bP sind strafrechtlich bislang unbescholten.

Die bP 2 sowie bP 5 und bP 6 sind noch keiner sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit in Österreich nachgegangen. Die bP 1 hat bereits zweimal als Saisonarbeitskraft und damit für insgesamt ein Jahr gearbeitet.

II.2. Beweiswürdigung:

Beweis erhoben wurde durch Einsichtnahme in die Verfahrensakte des BFA sowie die Akte des BVwG, die Erstellung von Auszügen aus den zugänglichen Datenbanken die bP betreffend und die Berücksichtigung der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Beweismittel.

Der oben wiedergegebene Sachverhalt stellt sich im Lichte dessen als unstrittig dar, zumal die oben getroffenen Feststellungen des Gerichtes zum Teil bereits Gegenstand der Feststellungen in den vorangegangenen Verfahren waren und im darüber hinaus gehenden Teil dem Vorbringen der bP entsprechen.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Mit BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 2 BFA-G obliegt dem BFA u.a. die Erteilung von Aufenthaltstiteln aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen iSd 7. Hauptstücks des AsylG 2005 und die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen iSd 8. Hauptstücks des FPG.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF sowie § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde als gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

II.3.1. Rechtliche Grundlagen

§ 55 AsylG 2005, Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK:

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von

Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

§ 57 AsylG 2005, Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz:

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von

Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.

§ 58 AsylG 2005, Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln:

§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels

gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und

2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.

§60 AsylG, Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen

Gemäß § 60 Abs. 1 AsylG dürfen Aufenthaltstitel (iSd 7. Hauptstücks des AsylG) einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 und 3 FPG besteht, oder

2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht.

§ 52 FPG, Rückkehrentscheidung:

§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit

Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

§ 9 BFA-VG, Schutz des Privat- und Familienlebens:

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine

Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.

Art. 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

II.3.2. Die belangte Behörde kam in der bekämpften Entscheidung zum Ergebnis, dass im gg. Fall angesichts des von ihr durchgeführten Ermittlungsverfahrens und der darauf gestützten Feststellungen die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß § 55 AsylG iVm § 9 BFA-VG an die bP nicht gegeben waren. Auch das BVwG kam in den Entscheidungen vom 24.11.2015 bzw. vom 30.11.2015 zu dieser Ansicht.

II.3.3. Der Verwaltungsgerichtshof hielt in seiner Entscheidung vom 14.04.2016, Zl. 2016/21/0029 betreffend die bP 1 bis bP 4 fest (bP = Revisionswerber):

12 Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 2. Oktober 2012, Zl. 2012/21/0044, oder - aus jüngster Zeit - das Erkenntnis vom 17. März 2016, Ro 2015/22/0016 (Rz 4)).

13 Vor diesem Hintergrund ist in Bezug auf die Zweitrevisionswerberin zunächst zu konstatieren, dass auch das BVwG davon ausging, es seien "Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige

Integration ... in sprachlicher und gesellschaftlicher Hinsicht ...

erkennbar". Unter dem Aspekt "Grad der Integration" hielt das BVwG in diesem Zusammenhang u.a. fest, dass sie die deutsche Sprache weitgehend beherrsche und in der "baptistischen Glaubensgemeinschaft" gut vernetzt sei. Von einem völligen Fehlen jeglicher Integration kann daher keine Rede sein.

14 Zwar befand sich die Zweitrevisionswerberin bei Erlassung des nunmehr angefochtenen Erkenntnisses im Dezember 2015 noch nicht zehn Jahre in Österreich. Dass ihr auf einen zehnjährigen Inlandsaufenthalt einige wenige Wochen fehlten, kann allerdings nicht maßgeblich sein. Einerseits hat der Verwaltungsgerichtshof nämlich seine zuvor angeführte Rechtsprechung zu einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt eines Fremden auch auf Fälle übertragen, in denen die Aufenthaltsdauer knapp unter zehn Jahren lag (siehe das zuvor genannte Erkenntnis vom 17. März 2016, Ro 2015/22/0016; in diesem Sinn vor allem die Erkenntnisse vom 10. Dezember 2013, Zl. 2012/22/0151, vom 9. September 2014, Zl. 2013/22/0247, vom 16. Dezember 2014, Zl. 2012/22/0169, und vom 10. November 2015, Ro 2015/19/0001, Punkt 7.3. der Entscheidungsgründe). Andererseits darf fallbezogen nicht ausgeklammert werden, dass die Zweitrevisionswerberin bereits 15-jährig nach Österreich einreiste und mithin schon - besonders prägende - Jugendjahre in Österreich verbrachte. Hiezu kommt, dass sie nach ihrem unbestrittenen Vorbringen Armenien bereits 2001 (somit mit zehn oder elf Jahren) verließ und sich zunächst zwei Jahre in Russland und ab 2003 in Deutschland aufhielt, wo sie auch die Schule besuchte. Vor diesem Hintergrund ist den privaten Interessen der - unbescholtenen - Zweitrevisionswerberin an einem weiteren Verbleib in Österreich der Vorrang zu geben.

15 Dieses, bezüglich der Zweitrevisionswerberin gewonnene Ergebnis muss auch auf ihre beiden in Österreich geborenen und hier Schule bzw. Kindergarten besuchenden Kinder, den siebenjährigen Drittrevisionswerber und den sechsjährigen Viertrevisionswerber, durchschlagen. Es ist aber auch bezüglich des Erstrevisionswerbers, der sich bei Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses etwa acht Jahre und drei Monate in Österreich aufhielt, von Relevanz, weil die dem angefochtenen Erkenntnis zu Grunde liegende Prämisse, gegenüber allen Familienmitgliedern würden Rückkehrentscheidungen erlassen, weshalb kein Eingriff in das Familienleben der Revisionswerber vorliege, nicht mehr zutrifft.

16 Nach dem Gesagten ist das angefochtene Erkenntnis, soweit es die vom BFA erlassenen Rückkehrentscheidungen bestätigt (und damit auch hinsichtlich der Nichterteilung von Aufenthaltstiteln nach § 55 AsylG 2005) mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Es war daher im genannten Umfang samt den auf die Erlassung der Rückkehrentscheidungen aufbauenden Absprüchen nach § 52 Abs. 9 und § 55 FPG gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben (zum Umfang der Aufhebung siehe etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2015, Ra 2015/21/0119).

Der Verwaltungsgerichtshof hielt in seinen Entscheidungen vom 14.04.2016, Zl. Ra 2016/21/0033 betreffend die bP 5 und bP 6 (bP 5 ist Erstrevisionswerber, bP 6 Zweitrevisionswerberin) fest:

12 Das BVwG ging zwar - auch - in Bezug auf die Zweitrevisionswerberin davon aus, dass sie "keine qualifizierten Anknüpfungspunkte" zu Österreich aufweise. Es stellte aber fest, dass sie Deutsch auf A2-Niveau beherrsche, dass insoweit eine gewisse Verständigung im Alltag möglich sei und dass sie in eine "Baptistengemeinde" integriert sei. Außerdem hilft die Zweitrevisionswerberin gemäß den Feststellungen des BFA in seinem Bescheid vom 27. August 2015 u.a. drei älteren Damen im Haushalt. Von einem völligen Fehlen jeglicher Integration kann daher keine Rede sein.

13 Zwar befand sich die Zweitrevisionswerberin bei Erlassung des nunmehr angefochtenen Erkenntnisses noch nicht zehn Jahre in Österreich. Dass ihr auf einen zehnjährigen Inlandsaufenthalt einige Wochen fehlten, kann allerdings nicht maßgeblich sein. Einerseits hat der Verwaltungsgerichtshof nämlich seine Rechtsprechung zu einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt eines Fremden auch auf Fälle übertragen, in denen die Aufenthaltsdauer knapp unter zehn Jahren lag (siehe auch dazu das zuvor genannte Erkenntnis vom heutigen Tag, Ra 2016/21/0029 bis 0032). Andererseits ist fallbezogen zu berücksichtigen, dass die Zweitrevisionswerberin sehr engen Kontakt zu ihrer Tochter und deren Familie hält. Mit dem schon wiederholt genannten Erkenntnis Ra 2016/21/0029 bis 0032 wurden aber Rückkehrentscheidungen diese Familie betreffend aufgehoben, was - auch wenn die Beziehung zur Tochter und insbesondere den Enkelkindern kein rechtlich relevantes Familienleben begründet - jedenfalls die privaten Interessen der Zweitrevisionswerberin an einem Verbleib in Österreich nicht ganz unmaßgeblich verstärkt. Dass es auch einen regelmäßigen Kontakt zu zwei in Österreich aufenthaltsberechtigten Brüdern gibt (zur Relevanz dieses Umstandes im gegenständlichen Kontext siehe etwa das hg. Erkenntnis vom 9. September 2014, Zl. 2013/22/0247), sei in diesem Zusammenhang nur mehr der Vollständigkeit halber erwähnt.

14 Im Ergebnis ist dem BVwG damit in Bezug auf die Zweitrevisionswerberin eine den Maßstäben der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht gerecht werdende Interessenabwägung anzulasten. Das muss auch auf ihren Ehemann, den Erstrevisionswerber, durchschlagen. Hinsichtlich diesem ist aber noch ergänzend darauf hinzuweisen, dass seine gesundheitlichen Probleme - aus dem Akteninhalt ist ersichtlich, dass es wegen der zerebralen Probleme des Erstrevisionswerbers am 17. Juni 2015 zu einer vierten neuroradiochirurgischen Behandlung mit dem "Gamma Knife" gekommen ist, wobei laut Entlassungsbericht eine MRT-Kontrolle in zwei Jahren angeordnet wurde - in die Abwägung nach § 9 BFA-VG hätten miteinbezogen werden müssen (vgl. dazu nur das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2015, Ra 2015/21/0119, Punkt 2.2. der Entscheidungsgründe).

15 Nach dem Gesagten ist das angefochtene Erkenntnis, soweit es die vom BFA erlassenen Rückkehrentscheidungen bestätigt (und damit auch hinsichtlich der Nichterteilung von Aufenthaltstiteln nach § 55 AsylG 2005) mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Es war daher im genannten Umfang samt den auf die Erlassung der Rückkehrentscheidungen aufbauenden Absprüchen nach § 52 Abs. 9 und § 55 FPG gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben (zum Umfang der Aufhebung siehe etwa das zuletzt genannte Erkenntnis vom 16. Dezember 2015, Ra 2015/21/0119).

II.3.4 Im Hinblick auf die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels an die bP iSd § 55 AsylG folgerte der Verwaltungsgerichtshof demnach, dass die Interessensabwägung durch das BVwG nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. In einer Zusammenschau und Gegenüberstellung kam der VwGH zum Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts der bP deren private Interessen in Österreich nicht überwiegt und die Erteilung eines Aufenthaltstitels iSd § 55 AsylG gemessen am Maßstab des Art. 8 EMRK daher in Betracht komme.

Es stehen demgemäß der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen die bP die Tatsachen des bereits fast 10 Jahre andauernden Aufenthalts der bP 2 sowie bP 6 und deren damit verbundene Integration sowie die besondere Integration der bP 2 und bP 6 gegenüber, welche auf alle bP durchschlägt. Weiters wurde auch festgehalten, dass jedenfalls die privaten Interessen der bP 6 auch dadurch gestärkt werden, dass gegen die bP 2 (Tochter der bP 6, private Beziehungen zwischen Mutter, Tochter und Enkelkinder) keine Rückkehrentscheidung erlassen werden kann und dies entsprechend zu berücksichtigen ist. Zusätzlich ist die Erkrankung der bP 5 im Rahmen des Privatlebens zu berücksichtigen.

II.3.5. Vor dem Hintergrund des nunmehr fast zehnjährigen und insofern im Hinblick auf diese bloße Dauer zu Gunsten der bP 2 und 6 zu wertenden faktischen Aufenthalts im Bundesgebiet und deren integrativen Merkmalen (Deutschkenntnisse, ehrenamtliches Engagement bzw. Engagement in der Baptistenkirche) vollzog sich gemäß VwGH damit bereits eine nachhaltige Integration der bP 2 und dadurch abgeleitet auch der bP 6, welche auf die anderen bP bzw. Familienmitglieder durchschlägt.

Im Ergebnis vollzog sich somit aufgrund des Aufenthalts der bP 2 und bP 6 eine maßgebliche Integration im Bundesgebiet, welche sich auf alle Familienmitglieder im Rahmen der einheitlichen Entscheidungen betreffend allen Familienmitgliedern auswirkt und war betreffend der gesamten Familie im Hinblick auf die nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotene Interessensabwägung zwischen öffentlichen und privaten Interessen zugunsten der privaten Interessen zu entscheiden.

In einer Gesamtabwägung der für das Privatleben der bP in Österreich maßgeblichen Aspekte mit den öffentlichen Interessen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und des wirtschaftlichen Wohles des Landes gelangte das erkennende Gericht sohin letztlich nach Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zum Ergebnis, dass das Interesse der bP an der Fortsetzung ihres in Österreich etablierten Privatlebens das öffentliche Interesse an der Beendigung seines Aufenthalts iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt bereits überwiegt.

Zudem war aus den Feststellungen oben abzuleiten, dass die durch eine Rückkehrentscheidung drohende Verletzung des Privatlebens der bP (insbesondere der bP 2) im Bundesgebiet auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach iSd § 9 Abs. 3 BFA-VG nicht bloß vorübergehend sind.

II.4. Sohin war der Beschwerde spruchgemäß stattzugeben und festzustellen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen die bP gemäß § 9 Abs. 1 und 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.

II.5. Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG ist vom Bundesamt ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK iSd § 55 AsylG zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung aufgrund des §9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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