BVwG L512 1420618-2

BVwGL512 1420618-217.12.2014

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:L512.1420618.2.00

 

Spruch:

L512 1420618-2/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX alias XXXX, StA. der islamischen Republik Pakistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.05.2012, Zl. 11 07.636-BAI, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.11.2014, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, BGBl I 2005/100 idgF als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 idgF wird das Verfahren insoweit zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Pakistan, (in weiterer Folge "Pakistan" genannt) brachte nach illegaler Einreise am 21.07.2011 bei der belangten Behörde einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF am 21.07.2011 Folgendes vor:

Er sei in Pakistan geboren, sei verwitwet und Sunnit. Seine Eltern, sein Bruder und seine beiden Schwestern würden in Pakistan leben. Er habe 12 Jahre lang die Schule in Pakistan besucht. Von 2003 bis 2010 sei er als Volksschullehrer tätig gewesen. Er habe Pakistan illegal, schlepperunterstützt per Flugzeug verlassen.

Zum Fluchtgrund führte der BF an, er sei Mitglied der mittlerweile verbotenen Vereinigung Sipahe-Sahaba gewesen. Als er gemerkt habe, dass die Aktivitäten dieser Vereinigung illegal und moralisch nicht vertretbar waren, habe er diese verlassen. Er sei von 1990 bis 2001 Mitglied gewesen. Jetzt sei die Vereinigung wieder erstarkt und habe gewollt, dass der BF dieser wieder beitrete. Weil der BF dies abgelehnt habe, sei sein Leben gefährdet gewesen. Die Vereinigung habe nämlich ein verbreitetes Netzwerk. Über dieses sei der BF mit dem Tod mehrfach bedroht worden. Andere Fluchtgründe habe er nicht [Aktenseite (AS) 13 ff.].

Vor einem Organwalter der belangten Behörde bestätigte der BF am 25.07.2011 seine bisherigen Angaben und führte zudem aus, dass er nach der Schule im Jahr 1999 eine eigene Schule in seinem Heimatdorf gegründet habe. Er sei bis 2009 Vorsitzender dieser Schule gewesen. Er habe mit seiner Familie in Pakistan Kontakt, es gehe ihnen gut. Er sei von 1990 bis 2001 Mitglied der Sipah-Sahaba gewesen. Damals sei er Student gewesen. Sie wären ins College gekommen und hätten den BF gefragt, ob er zum Verein kommen wolle. Seine Daten seien aufgenommen worden, er habe jedoch keine Mitgliedskarte bekommen. 2001 habe es keine Probleme gegeben, als der BF die Vereinigung verlassen habe.

Zum Fluchtgrund befragt gab der BF an, vor 3 Jahren wäre er von Leuten dieser verbotenen Organisation in seiner Schule angesprochen worden, ob er sich ihnen wieder anschließen würde. Der BF habe jedoch erklärt, dass er eine große Verantwortung habe auch seinen alten Eltern gegenüber. Zudem habe er auch gesagt, dass er sich mit ihren Aktivitäten nicht identifizieren könne. 2008 und 2009 wären sie 6 bis 7 Mal in die Schule gekommen. Die Gespräche wären immer gleich abgelaufen. Seit den letzten 1 1/2 Jahren hätten Drohungen begonnen. Es habe keine persönlichen Kontakte gegeben, sondern telefonische Drohungen. Es wären ca. 15 Anrufe gewesen. In der Zeit der Anrufe habe es keine konkreten Übergriffen gegen den BF gegeben. Die Leute, die den BF in der Schule besucht hätten, habe der BF namentliche gekannt. Der BF habe keine Hilfe bei den Behörden gesucht, da man von der Regierung keine Hilfe erwarten könne, da alles korrupt sei. Der BF sei in seinem Heimatland nicht vorbestraft, sei dort weder festgenommen noch verhaftet worden. Er habe auch dort keine strafbaren Handlungen begangen, sei kein Mitglied einer politische Partei gewesen, hätte keine Probleme mit der Polizei, einem Gericht oder anderen staatlichen Behörden gehabt und sei weder aufgrund seiner Religion, seiner Volksgruppe noch seiner Rasse verfolgt. Er sei nicht in einen anderen Landesteil oder eine andere Stadt gezogen, da sie den BF überall finden könnten (AS 37 ff.).

I.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.07.2011, Az.: 11 07.636-BAT gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan verfügt (Spruchpunkt III.).

I.3. Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes wurde rechtzeitig Beschwerde erhoben. Es wurden die Anträge gestellt,

Der Bescheid des Bundesasylamtes wurde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie wegen unrichtiger und fehlender Sachverhaltsfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung bekämpft. Zusammengefasst wurde ausgeführt, dass das Bundesasylamt von sich aus Ermittlungen in Pakistan durchführen hätte müssen. Es würden Feststellungen zu der mittlerweile verbotenen Vereinigung Sipahe-e-Sahaba fehlen. Die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes sei nicht nachvollziehbar und stütze sich das Bundesasylamt nur auf Mutmaßungen. Der BF könne von der Polizei keine Hilfe erwarten. Die staatlichen Behörden wären nicht in der Lage den BF effektiven Schutz zu bieten. Es fehlen zudem Länderfeststellungen zu den konkreten Problemen des BF sowie der Schutzfähigkeit der staatlichen Behörden. Es wurden zudem Quellen zur Lage in Pakistan zitiert und teilweise wiedergegeben. Es stehe für den BF keine innerstaatliche Fluchtalternative offen, da der Staat den BF nicht schützen könne und die Existenzgrundlage des BF dadurch vernichtet werde. Eine Abschiebung wurde eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung iSd Art 3 EMRK darstellen. Beantragt wurde die Einholung eines länderkundlichen Sachverständigengutachtens zum Beweis, dass dem BF bei seiner Rückkehr eine aussichtlose und existenzbedrohende Lebenssituation drohe. Das Interesse am Verbleib in Österreich sei höher zu werten als das staatliche Interesse an der Ausweisung.

I.4. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 16.02.2012, Zl. E9 420.618-1/2011-7E wurde der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass das Bundesasylamt den maßgeblichen Sachverhalt nicht festgestellt habe. Die belangte Behörde habe Ermittlungen in Bezug auf das Wirken der erwähnten Vereinigung, insbesondere in Bezug auf ihren Einfluss und auf ihre "Rekrutierungsaktivitäten bzw. Rekrutierungsmodalitäten" oder das behauptete landesweite Netzwerk, wodurch es der Vereinigung möglich wäre, den BF ausfindig zu machen, vermissen lassen.

I.5. Nach Einholung von Informationen über die verbotene Organisation Sipah-e-Sahaba via Staatendokumentation des Bundesasylamtes wurde der BF erneut durch einen Organwalter des Bundesasylamtes einvernommen. Hier gab der BF zusammengefasst an, dass die Schreibweise seines Vornamens sowie sein Geburtsdatum geändert werden solle. Er sei, als er den ersten Brief erhalten habe, zur Polizei gegangen. Die Polizei hätte zum BF gesagt, er solle dies nicht so ernst nehmen. Der BF wisse, dass die Polizei nicht jedem helfen könne. Diese Leute hätten sogar hohe Politiker getötet, obwohl diese unter Polizeischutz standen. Es würde keinen sicheren Ort außerhalb des Punjabs für Paschtunen geben.

I.6. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan verfügt (Spruchpunkt III.).

I.6.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde Teile des Vorbringens des BF als unglaubwürdig. So sei es glaubwürdig, dass der BF Mitglied der mittlerweile verbotenen Vereinigung Sipahe-e-Sahaba war und auch vor 3 Jahren neuerlich kontaktiert worden sei. Absolut unglaubwürdig seien jedoch die Angaben, dass der BF 6 bis 7 Mal in der Schule aufgesucht und angesprochen worden sei, sich dieser Vereinigung wieder anzuschließen und auch telefonisch mit dem Umbringen bedroht worden wäre. Nach allgemeiner Lebenserfahrung würde eine verbotenen Organisation nicht versuchen eine unwillige Person mit Zwang zur Mitgliedschaft zu überreden. Zudem habe sich die BF trotz des Umstandes, dass er die Personen, die ihn aufsuchten, namentlich kannte, nicht an Behörden gewandt, was für die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens spreche. Ebenfalls unglaubwürdig bzw. nicht plausibel sei der Sachvortrag des BF, dass die Vereinigung von der Regierung unterstützt werde. Wie aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu entnehmen sei, habe die Regierung großes Interesse gegen die Mitglieder dieser Vereinigung vorzugehen. Der BF habe zudem äußerst vage und nicht nachvollziehbare Angaben getätigt (AS 110 ff.).

I.6.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan traf die belangte Behörde Feststellungen.

I.6.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Ebenso stelle eine Ausweisung keinen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf ein Privat- und Familienleben des BF dar.

I.7. Mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz wurde nunmehr vom BF rechtzeitig Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde erhoben.

Es wurden die Anträge gestellt,

Der BF wiederholte erneut sein bisheriges Vorbringen bzw. den Verfahrensgang und erläuterte dazu, dass er detaillierte, konkrete und schlüssige Angaben über das Erlebte getätigt habe. Die Großfamilie des BF sei eine einflussreiche und sehr religiöse Familie in der Region, alle seien gebildet und allgemein geachtet, weshalb viele Menschen großen Wert auf die Meinung dieser Familie legen würden. Da die Organisation Sipah-e-Sahaba immer darauf Bedacht war, möglichst viel Rückhalt in der Bevölkerung zu haben, sei es für sie von großer Bedeutung wenn ein Oberhaupt einer einflussreichen, traditionsbewussten, religiösen Familie (in dem Fall der BF) diese ideell und auch sonst unterstütze. Aus der Anfragebeantwortung und anderen Berichten gehe hervor, dass die Regierung nicht wirksames gegen die Organisation unternehmen könne. Es wurde eine Anberaumung einer öffentlichen Verhandlung beantragt. Der BF legte ein Schreiben von 5 Personen vor (AS 463 ff.).

I.8. Für den 24.11.2014 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Verhandlung.

I.8.1. Mit Schreiben vom 24.10.2014 wurde dem BF eine Aufforderung zur Mitwirkung im Beschwerdeverfahren und zur Vorlage von Dokumenten und Beweismitteln übermittelt. Den Verfahrensparteien wurden zudem mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts ebenfalls vom 24.10.2014 aktuelle Länderberichte zur Lage in Pakistan zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich bis zum Zeitpunkt der anberaumten Verhandlung schriftlich bzw. in der Verhandlung mündlich hierzu zu äußern.

I.9. Mit Schreiben vom 12.11.2014 teilte die belangte Behörde (nunmehr das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) mit, dass die Teilnahme eines informierten Vertreters an der Verhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei. Ungeachtet dessen wurde aufgrund der gegebenen Aktenlage die Abweisung gegenständlicher Beschwerde beantragt und um Übersendung des aufgenommen Verhandlungsprotokolls ersucht.

I.10. Mit Schriftsatz vom 14.11.2014 wurde erläuterte, dass den Feststellungen zur allgemeinen Lage in Pakistan nichts hinzuzufügen sei, der Staat sei nicht in der Lage seine eigenen Bürger zu schützen. Zum Nachweis der Integration des BF wurden Unterlagen vorgelegt.

I.11. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung (OZ 30) bestätigte der BF seine im Verfahren bekannt gegebene geänderte Identität und dass er verhandlungsfähig sei. Zum Gesundheitszustand befragt führte der BF an, er habe Schlafstörungen und Magenprobleme.

Zur Einvernahmesituation im bisherigen Verfahren führte der BF an, er habe damals alles gesagt. Er habe die Wahrheit gesagt und bleibe bei der Wahrheit.

I.12. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

II.1.1. Der Beschwerdeführer

Bei dem BF handelt es sich um einen männlichen, pakistanischen Staatsbürger, welcher die Sprachen punjabi, urdu, englisch und ein wenig arabisch spricht. Der BF gehört dem Mehrheitsglauben der Sunniten an. Der BF ist ein verwitweter, arbeitsfähiger Mann mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage. Er stammt aus der Provinz Punjab. Der BF leidet an Schlafstörungen und Magenproblemen.

Die Eltern, ein Bruder, zwei Schwestern und zwei Onkel des BF leben in Pakistan.

Die Identität des BF steht nicht fest.

Der BF hat in Österreich keine Verwandten und lebt auch sonst mit keiner nahe stehenden Person zusammen. Er möchte offensichtlich sein künftiges Leben in Österreich gestalten und hält sich seit seiner Antragstellung am 21.07.2011 im Bundesgebiet auf. Er reiste rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein. Der BF befindet sich in Grundversorgung. Er arbeitet freiwillig beim Projekt XXXX mit, indem er großteils Gartenarbeiten durchführt. Der BF hat Deutschkurse besucht und spricht Deutsch auf B2 Niveau. Der BF geht Stockschießen. Der BF hat Bekannte in Österreich. Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Pakistan:

Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Baluchistan, Khyber Pakhtunkhwa (ehemals North West Frontier Province) und den "Federally Administered Tribal Areas" (FATA). Die pakistanische Verfassung bestimmt, dass die vom Parlament beschlossenen Gesetze in den FATA nur gelten, wenn dies der Präsident explizit anordnet. Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan (die früheren "Northern Areas") und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), den auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bislang von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 10.2013a).

Die pakistanische Bevölkerung wird vom CIA World Factbook mit Stand Juli 2013 auf über 193 Millionen geschätzt. Pakistan ist damit der sechstbevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 11.9.2013).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete. 60 Sitze sind für Frauen, 10 weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre (AA 10.2013a).

Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform verabschiedet, die von einem parteiübergreifenden Parlamentsausschuss seit Juni 2009 vorbereitet worden war. Ziel war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die nach zahlreichen Eingriffen der Militärherrscher Zia-ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten bei gleichzeitiger Einschränkung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung (AA 10.2013a).

Die Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen am 11. Mai 2013 war überraschend hoch. In vielen Wahlkreisen blieben die Lokale wegen des großen Ansturms länger offen. Unter den Wartenden befanden sich ungewöhnlich viele junge Wähler und Frauen. Eine Wahlhelferin in einer zum Wahllokal umfunktionierten Mädchenschule in Rawalpindi, erklärte, eine so hohe Beteiligung habe sie in ihrer langen Karriere noch nie gesehen. Die Tehrik-e Taliban Pakistan hatten am Freitag einmal mehr zum Wahlboykott aufgerufen (NZZ 11.5.2013). Die mit der Al-Kaida verbündete TTP (Tehrik-e-Taliban Pakistan) hält die Wahl für unislamisch und hatte für den Wahltag Selbstmordanschläge angekündigt. Die Wahl fand deshalb unter großen Sicherheitsvorkehrungen statt, mehr als 620.000 Polizisten, Paramilitärs und Soldaten waren im Einsatz (Die Zeit 11.5.2013). Rund ein Drittel der Wahlkreise wurde als riskant eingestuft. Noch nie war eine Parlamentswahl in Pakistan so blutig wie diese. Doch die Wähler haben bewiesen, dass ihnen die Demokratie wichtig ist und sie sich von Extremisten nicht einschüchtern lassen (NZZ 11.5.2013).

Drohungen der Taliban hatten die Wahlkampagnen der ANP, der PPP (Pakistan People's Party), und der MQM (Muttahida Qaumi Movement) geschwächt. Ein Sprecher der Taliban warnte pakistanische Wähler, Veranstaltungen dieser säkularen Parteien fern zu bleiben. Alle drei Parteien sind säkular und waren in der Regierungskoalition. Die ANP, welche die Regierung in Khyber Pakhtunkhwa führte, war am stärksten betroffen. Die durch die Drohungen eingeschränkten Zugangsmöglichkeiten zu den Wählern erschwerten es für diese Parteien die Unbeliebtheit, die sie während ihrer Regierungszeit erlangten, wieder auszugleichen (BBC 5.4.2013).

Insgesamt starben zwischen 1. Jänner und 15.Mai laut Daten des Sicherheitsinstituts PIPS bei 148 Anschlägen, die spezifisch politische Führer, politische Aktivisten, Kandidaten, Parteibüros und Wahllokale betrafen, 170 Menschen in Pakistan. Die Hauptlast der Anschläge entfiel auf die bis zur Übergangsregierung in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa regierende und an der nationalen Regierungskoalition beteiligte ANP, mit 37 Anschlägen, gefolgt von unabhängigen Kandidaten, der PPP und der in Karatschi regierenden MQM. Die konservativen Parteien blieben allerdings nicht verschont, Aktivisten und Kandidaten der Pakistan Muslim League-Nawaz (PML-N), der Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI), der islamistischen Jamiat Ulema-e-Islami, Jamaat-e-Islami, belutschische nationalistische Parteien sowie einige kleinere Parteien waren, etwas seltener, ebenfalls von Attacken betroffen (PIPS 5.2013).

Bei den Wahlen wurde die bisherige Regierungspartei Pakistan Peoples Party (PPP) von der Pakistan Muslim League-N (PML-N) unter Nawaz Sharif abgelöst. Die PML-N erreichte bei den Wahlen eine absolute Mehrheit der Mandate. Zweitstärkste Partei in der Nationalversammlung wurde die ehemalige Regierungspartei PPP, dicht gefolgt von der PTI des ehemaligen Cricket-Stars Imran Khan. Die MQM (Muttahida Quami Movement), mit ihren Hochburgen in den beiden Großstädten der Provinz Sindh, Karachi und Hyderabad, stellt jetzt die viertstärkste Fraktion im Parlament. Am 5. Juni 2013 wurde Nawaz Sharif vom Parlament zum Ministerpräsidenten gewählt. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass eine zivile Regierung eine volle Legislaturperiode (2008 - 2013) regieren konnte und dass der demokratische Wechsel verfassungsgemäß ablief (AA 10.2013a). Erst im Herbst 2008 war Pakistan zu demokratischen Verhältnissen zurückgekehrt, nachdem der seit 1999 regierende Militärherrscher Musharraf das Land verlassen hatte, um einem drohenden Amtsenthebungsverfahren zuvorzukommen (AA 2.11.2012).

Ebenfalls am 11. Mai 2013 fanden die Wahlen zu den vier Provinzversammlungen statt. In Punjab, der bevölkerungsreichsten Provinz (ca. 50% der Bevölkerung Pakistans), errang die PML-N mehr als zwei Drittel der Mandate. In Sindh konnte die PPP ihre Vormachtstellung verteidigen, in Khyber-Pakhtunkhwa errang die PTI die meisten Mandate und führt dort nun eine Koalitionsregierung. Die Regierung von Belutschistan wird nunmehr von einem Chief Minister der belutschischen Nationalistenpartei NP geführt, die eine Koalition mit PML-N und weiteren Parteien eingegangen ist (AA 10.2013a).

Am 30. Juli 2013 wählten beide Kammern des Parlaments und Abgeordnete der Provinzparlamente mit großer Mehrheit den PML-N Politiker Mamnoon Hussain zum neuen pakistanischen Staatsoberhaupt, der am 9. September 2013 vereidigt wurde. Hussain löst Asif Ali Zardari im Amt des Staatspräsidenten ab, der als erstes Staatsoberhaupt in der Geschichte Pakistans seine Amtszeit geordnet beenden konnte. Der verfassungsmäßige Machtübergang sowohl in der Regierung als auch im Amt des Staatsoberhaupts hat die Demokratie in Pakistan erheblich gestärkt (AA 10.2013a).

Ministerpräsident Nawaz Sharif hat wirtschafts- und finanzpolitische Themen sowie die Verbesserung der Beziehungen zu den Nachbarstaaten Afghanistan und Indien zu den Schwerpunkten seiner Amtszeit erklärt. Bereits wenige Monate nach seinem Amtsantritt rückt allerdings auch die Sicherheitslage in Pakistan, und insbesondere die Bedrohung durch die islamistischen Extremisten der pakistanischen Taliban (TTP), wieder in den Vordergrund. Eine Allparteienkonferenz am 9. September 2013 hat die Regierung einvernehmlich mandatiert, mit den Taliban in Gespräche einzutreten. Dieser Dialogansatz wurde allerdings bereits wenige Tage nach der Konferenz durch mehrere blutige Taliban-Anschläge in Frage gestellt (AA 10.2013a).

Sicherheitslage

Pakistan ist mit einer erheblichen terroristischen Bedrohung durch die Taliban und andere jihadistische Gruppen konfrontiert, die sich in den vergangenen Jahren zur zentralen Bedrohung des Landes entwickelt haben (AA 2.11.2012). Die pakistanischen Taliban, die Lashkar-e-Jhangvi, die Belutschistan Liberation Army und andere bewaffnete Gruppen zielen auf Sicherheitskräfte und Zivilisten, unter anderem Mitglieder religiöser Minderheiten, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, Aktivisten und Journalisten (AI 5.2013; vgl. USDOS 19.4.2013). Die westlichen Grenzgebiete zu Afghanistan - Belutschistan, die FATA (Federal Administered Tribal Areas) und Khyber Pakhtunkhwa - leiden seit Jahren an Gewalt zwischen Militanten und Regierungskräften (Reuters 11.4.2013).

In den vergangenen Jahren hatten Taliban-Gruppen in Teilen der Stammesgebiete an der Grenze zu Afghanistan eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und ihre extrem konservative Interpretation der Scharia durchgesetzt. Wesentliche Menschenrechte und Grundfreiheiten werden in diesen Gebieten verletzt. Dabei kommt es auch immer wieder zu Auseinandersetzungen mit Lashkars (Bürgerwehren der Stämme) (AA 2.11.2012). Das Heranziehen von Stammesmilizen, die die Menschenrechte verletzten, um militärische Ziele zu erreichen, ging auf Kosten der Rechte von IDPs und anderer Bürger (Brookings Institution 11.2011).

Das Hauptaugenmerk der Armee liegt mehr und mehr auf der Bekämpfung der Taliban und anderer jihadistischer Gruppen. Seit Ende April 2009 haben sich die militärischen Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den Taliban verschärft. Zuvor hatten die Taliban eine Vereinbarung mit der Provinzregierung von Khyber-Pakhtunkhwa im Februar 2009 genutzt, um die Herrschaft im Swat-Tal zu übernehmen und anschließend in zwei Nachbardistrikte vorzurücken. Mit einer Offensive im April 2009 beendete die Armee die Taliban-Herrschaft im Swat-Tal. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war (AA 10.2013a; vgl. Reuters 11.4.2013). Die meisten Taliban-Kämpfer sind in entlegenere Gebiete der sog. "Stammesgebiete" ausgewichen. Gleichzeitig haben sie Pakistan im Jahr 2009 mit einer Welle von Terroranschlägen überzogen, die sich zumeist gegen Einrichtungen der Sicherheitskräfte richtete (Armee, Polizei und ISI), der aber auch viele unbeteiligte Zivilisten zum Opfer fielen (AA 2.11.2012).

Die pakistanische Regierung steht in dieser Auseinandersetzung vor großen Herausforderungen: Einerseits müssen, um die militärischen Erfolge zu konsolidieren und einer Rückkehr der Taliban vorzubeugen, in den zurück gewonnenen Gebieten funktionierende zivile Verwaltungsstrukturen etabliert werden, das gilt v.a. für das Rechtssystem. Außerdem muss die große Zahl der Binnenvertriebenen bewältigt und die wirtschaftliche Entwicklung dieser Gebiete vorangetrieben werden (AA 10.2013a). Schließlich wird die Verbreitung der Taliban in den Grenzgebieten auf Jahre der Vernachlässigung und schlechter Regierungsführung sowie auf die Unsicherheit in Afghanistan zurückgeführt (Reuters 11.4.2013).

In Teilen der FATA finden darüber hinaus weiterhin immer wieder Gefechte statt (AA 10.2013a). Die Armee führt hier Militäroperationen durch, um die Taliban und al Qaida Militante zu vertreiben. Dies vertreibt weiterhin Menschen aus der FATA, auch aus Gebieten, die offiziell als von Militanten befreit erklärt wurden (Reuters 11.4.2013).

Regierungsstrategie ist es, kurz vor Militäroperationen gegen Taliban die Bevölkerung der jeweils betroffenen Agency bzw. Region zu informieren, das bedeutet die Agency wird "notified". Nach den Militäroperationen wird die Zone "denotified" und damit vom Militär als sicher für die Rückkehr erklärt und somit für die Rückkehr freigegeben. Das Militär arbeitet in diesem Prozess mit den Zivilbehörden zusammen, die zum Teil bei der Rückkehr unterstützen (BAA 6.2013).

Die Taliban reagieren auf die Militäroperationen weiterhin mit Terroranschlägen, von denen v.a. Khyber-Pakhtunkhwa und die FATA betroffen sind, die sich aber auch gegen Ziele in pakistanischen Großstädten wie z.B. Karachi, Lahore und Faisalabad richten (AA 10.2013a; vgl. Reuters 11.4.2013). Der regionale Schwerpunkt terroristischer Anschläge liegt allerdings sehr deutlich in Khyber-Pakhtunkhwa, den Stammesgebieten FATA und in Belutschistan; dort sind auch die meisten Opfer zu beklagen (AA 24.10.2013; vgl. Reuters 11.4.2013). Die Anschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Scharia-Auslegung der Taliban folgen, wie z.B. die Sufis (AA 10.2013a).

Insgesamt gab es im Jahr 2011 in Pakistan 1.966 terroristische Anschläge mit 2.391 Todesopfern. Terroristischen Anschläge, militärische Operationen, Drohnen, ethno-politische Gewalt, Gewalt zwischen verschiedenen Stämmen und grenzüberschreitende Gewalt zusammen genommen, wurden im Jahr 2011 in Pakistan bei 2.985 Zwischenfällen 7.107 Menschen getötet. Die Gewaltvorfälle gingen damit um 12% im Vergleich zu 2010 zurück (22% im Vergleich zu 2009), die Zahl der Todesopfer um 29% (PIPS 4.1.2012).

2012 führten militante nationalistisch und konfessionell motivierte Gruppen in Pakistan 1.577 Terrorattacken aus, welche 2.050 Menschen töteten, bei 501 Anschlägen gab es keine Opfer. In 202 sektiererischen - gegen andere muslimische Konfessionen gerichteten -Terrorakten verschiedener Gruppen, wie der TTP (Tehreek-i Taliban) wurden 537 Menschen getötet (PIPS 4.1.2013).

Terroranschläge, Operationen durch die Sicherheitskräfte und deren Zusammenstöße mit Militanten, ethnopolitische Gewalt, Drohnenangriffe, Gewalt zwischen den Stämmen und zwischen den Militanten, interreligiöse Zusammenstöße, religiös-kommunale Gewalt, grenzübergreifende Zusammenstöße und Attacken sowie Zusammenstöße zwischen kriminellen Banden bzw. zwischen diesen und der Polizei zusammengerechnet, wurden 2012 5.047 Menschen bei 2.217 solchen Gewaltvorfällen getötet. Der Trend eines Rückgangs der Anzahl der Vorfälle von Gewalt und Todesopfer, der 2010 begann, hielt 2011 und 2012 an (PIPS 4.1.2013).

Zielgerichtete Anschläge auf Personen oder Gruppen, die sich gegen die TTP aussprechen, hielten an. Neben Trauerumzügen wurden vermehrt auch Moscheen zu Anschlagszielen, die von Mitgliedern von Pro-Regierungsmilizen aufgesucht werden. Die Anschläge konzentrieren sich auf die Provinz Khyber-Paschtunistan (KPK) und die FATA (HSS 5.4.2012). Im dritten Quartal 2012 weitete die TTP ihre Angriffe auf pakistanische Sicherheitskräfte und ihre Einrichtungen aus. Nicht nur in der vorwiegend betroffenen Provinz Khyber-Pakhtunkhwa, sondern auch in anderen Landesteilen kommt es zu Anschlägen. Schiiten sind weiterhin Ziel von Angriffen (HSS 10.10.2012).

Die Taktiken der Terroristen waren divers, der größte Anteil aller Anschläge, 587 bzw. 37 Prozent, waren gezielte Tötungen (in diesem Wert sind 177 Fälle politisch motivierter gezielter Tötungen nicht inkludiert). Andere signifikante Taktiken waren u.a. improvisierte Sprengsätze (375) und ferngezündete Bomben (139) (PIPS 4.1.2013).

Bis Ende 2012 sind die Vorfälle von Terror und Gewalt, Terroranschläge und Opferzahlen insgesamt zurückgegangen. So führten staatliche Maßnahmen in einigen kritischen Regionen zur Verbesserung der Lage. Im Swat-Tal und in Südwasiristan ist ein Erfolg der Militäroperationen sichtbar. Den Drohnenangriffen der USA im Grenzgebiet zu Afghanistan fielen einige hohe Führer der Taliban zum Opfer, dies schadete besonders den strategischen Kapazitäten der Extremisten. Die Bevölkerung hat die Militanten satt. Der Staat geht gegen die Militanten vor, für eine substantielle Verbesserung der Unsicherheiten fehlt eine breitere, konsistente Strategie. Die distriktweise Auswertung der digitalen Datenbank zeigt allerdings, dass die roten Zonen, jene Distrikte, die von einer hohen Anzahl sicherheitsrelevanter Gewaltvorfälle betroffen sind, über die letzten Jahre zurückgegangen sind (BAA 6.2013).

Die Sicherheitsstruktur, die lange nicht den wachsenden Einfluss von Extremisten auf das Land erkennen wollte, sieht diesen nun formal als Bedrohung. Zwischen den einzelnen Behörden mangelt es jedoch an Koordination und Vertrauen. Die öffentliche Meinung ist noch geteilt, wie mit den Terroristen in den Stammesgebieten umgegangen werden soll. Trotzdem reduzierten die militärischen Offensiven im Swat und in Südwasiristan die Terror-Bedrohung. Ernste Sicherheitsherausforderungen bleiben der Anstieg der Gewalt zwischen den muslimischen Glaubensrichtungen; die verstärkten ethnopolitischen Spannungen in Karatschi; die TTP und ihre Verbündeten; die Situation in Belutschistan (PIPS 4.1.2013).

Die Regierung ergreift zum Schutz der Bevölkerung einige Maßnahmen. Das pakistanische Militär führte in der FATA Anti-Terrorismus Maßnahmen durch (USDOS 19.4.2013). 107 operative Militärschläge wurden im Jahr 2012 in dieser Region durchgeführt. 79 Suchoperationen gegen Terroristen verzeichnet PIPS für 2012 im ganzen Land, 27 in Khyber Pakhtunkhwa, 24 in der FATA, elf in Belutschistan und vier im Sindh. Dabei wurden hohe Mengen an Sprengstoff, Selbstmordjacken und Waffen gefunden. 1.287 mutmaßliche Militante wurden 2012 verhaftet, allerdings nur wenige davon verurteilt. Oft werden Verdächtige ohne Verfahren verhaftet oder aufgrund mangelnder Beweise wieder freigelassen (PIPS 4.1.2013). Es wurden auch Maßnahmen ergriffen um die Verbindungen zwischen den Terroristen zu schwächen und Rekrutierungen durch militante Organisationen zu verhindern. Große Waffenarsenale wurden in städtischen Gebieten, wie Islamabad und Karatschi, ausgehoben, Gang-Mitglieder und TTP Kommandanten, die logistische Unterstützung für Militante in Stammesgebieten boten, wurden in Karatschi verhaftet, Selbstmordattentäter wurden vor der Tat verhaftet und Anschlagspläne vereitelt (USDOS 19.4.2013). Mindestens 14 Anschläge konnten z.B. auch im August 2013 vereitelt werden (PIPS 11.9.2013). Ein weiterer Weg der Bekämpfung ist die Kontrolle und Beschneidung des internationalen Geldflusses zu diesen Organisationen (BAA 6.2013).

Die Vorwahlzeit war allerdings von überdurchschnittlich stark ausgeprägter terroristischer Gewalt geprägt. Militante Kräfte versuchten die politische Lage zu destabilisieren, um die Wahlen zu verhindern. Bereits zum Jahresende 2012 kulminierten Anschläge und Attentate in einer Gewaltwelle. Obwohl Ende November landesweit die Sicherheitsmaßnahmen anlässlich des Aschura-Festes in einem außergewöhnlich starken Ausmaß erhöht wurden, kam es zu zahlreichen Anschlägen, bei denen dutzende Menschen starben (BAA 6.2013). In einer landesweiten Welle der Gewalt starben in der vorletzten Woche des Jahres 2012 mindestens 75 Menschen durch Anschläge. Beobachter verbinden die drastische Zunahme der Gewalt mit den Parlamentswahlen. Auch im 4. Quartal 2012 standen viele Attentate im Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten. Die meisten Angriffe ereigneten sich in Karatschi, doch auch in der Provinz Belutschistan starben zahlreiche Menschen (HSS 17.1.2013).

Der Anstieg der Gewalt hielt 2013 weiter an. Die ersten beiden Monate 2013 verzeichneten darüber hinaus einen außergewöhnlich hohen Anstieg der interkonfessionellen Gewalt (BAA 6.2013). Mindestens 92 Tote, davon 86 Angehörige der schiitischen Hazara Minderheit, forderte ein Doppelanschlag in einer Billardhalle in einem Hazara-Viertel der belutschischen Provinzhauptstadt Quetta am 10. Jänner. Der Anschlag, zu dem sich die sunnitische Extremistengruppe Lashkar-i-Jhangvi bekannte, war der schwerste seit fast zwei Jahren und der blutigste Anschlag auf die schiitische Minderheit in Pakistan bisher (BAA 6.2013; vgl. Spiegel 11.1.2013, Dawn 11.1.2013b). Insgesamt wurden im Jänner von PIPS 215 Anschläge mit 321 Toten verzeichnet (PIPS 13.2.2013; Anmerkung; wissenschaftliches Institut - zur Methodik siehe BAA 6.2013). Von der NGO CRSS wird nach ihrer endgültigen Auswertung die Zahl der Toten durch verschiedene Arten sicherheitsrelevanter Gewalt für Jänner mit 591 angegeben (CRSS 25.9.2013).

Für Februar 2013 verzeichnete PIPS 129 Terroranschläge mit 247 Toten, sowie insgesamt 492 Tote bei 183 unterschiedlichen relevanten Gewaltvorfällen in Pakistan. Sektiererische Anschläge stiegen im Februar, hauptsächlich in Quetta und Karatschi (PIPS 11.3.2013). Von CRSS wird nach der endgültigen Auswertung die Zahl der Toten durch sicherheitsrelevante Gewalt für Februar mit 454 angegeben (CRSS 25.9.2013). Allein bei einem erneuten Anschlag in einer überwiegend von schiitischen Hazara bewohnten Enklave in Quetta starben am 16. Februar mindestens 84 Personen. Es kam zu weiten Protestaktionen (BAA 6.2013; vgl. NYT 17.2.2013).

Nach dem Höhepunkt im Jänner und Februar nahm diese interkonfessionelle Kategorie des Terrors in den nächsten beiden Monaten ab, im April sank die Zahl signifikant. Nichtsdestotrotz traf ein weiterer der größeren Anschläge der Vorwahlzeit am 3. März ebenfalls die schiitische Minderheit, diesmal in Karatschi, 48 Menschen starben bei einem Anschlag auf ein schiitisches Viertel (BAA 6.2013). Insgesamt wurden im März laut PIPS 152 Terroranschläge in ganz Pakistan durchgeführt mit 220 Toten, zusammengenommen gab es 206 berichtete Vorfälle von Gewalt mit 504 Toten. Der Zuwachs geht hauptsächlich auf die nationalistische Gewalt in Belutschistan und die Taliban in Khyber Pakhtunkhwa zurück (PIPS 11.4.2013). Von CRSS wird nach der endgültigen Auswertung die Zahl der Toten durch Gewaltvorfälle für März mit 570 angegeben (CRSS 25.9.2013).

Im April verzeichnete PIPS 198 Anschläge mit 183 Toten, insgesamt starben bei 253 relevanten Sicherheitsvorfällen 404 Personen in Pakistan. Entsprechend der Vorwahlzeit war ein hoher Anteil (56 Anschläge) auf politische Ziele - politische Parteien, Kandidaten, Wahlkampfbüros und Wahlveranstaltungen (PIPS 8.5.2013). Von CRSS wird die Zahl der Toten durch Gewalt für April mit 429 angegeben (CRSS 25.9.2013).

Im Mai wurden vom PIPS 197 Terroranschläge in ganz Pakistan berichtet mit 242 Toten, alle sicherheitsrelevante Gewaltvorfälle zusammen forderten 514 Todesopfer (PIPS 13.6.2013). CRSS spricht für Mai von 622 Toten durch Gewalt (CRSS 25.9.2013). Unter den zivilen Opfern befand sich eine hohe Zahl politischer Kandidaten, politischer Aktivisten und Unterstützern aller Parteien (CRSS 18.6.2013; vgl. PIPS 13.6.2013).

Zwischen 1. Jänner und 15. Mai starben insgesamt bei 148 spezifisch auf politische Führer, politische Aktivisten, Kandidaten, Parteibüros und Wahllokale gerichtete Anschlägen, laut Daten des Sicherheitsinstituts PIPS, 170 Menschen in Pakistan, die meisten davon im April und Mai. Zusätzlich zu terroristischen Anschlägen wurden 97 Vorfälle von Gewalt und Zusammenstöße zwischen den Aktivisten und Anhänger verschiedener Parteien im selben Zeitraum aufgezeichnet, bei denen 128 Menschen starben (PIPS 5.2013).

Im Juni zählte PIPS 130 Anschläge mit 283 Toten und insgesamt 202 Gewaltvorfälle mit 510 Toten (PIPS 8.7.2013). CRSS gibt für Juni 616 Todesopfer durch Gewalt an (CRSS 25.9.2013).

Für Juli verzeichnete PIPS 122 Anschläge, die 208 Todesopfer forderten. Insgesamt gab es bei 179 verschiedensten Gewaltvorkommnissen 399 Tote (PIPS 8.8.2013). Nach der Auswertung wird die Zahl der Toten durch Gewalt von CRSS für Juli mit 572 angegeben (CRSS 25.9.2013).

Für August berichtet PIPS von insgesamt 124 terroristischen Anschlägen mit 171 Todesopfern. Alle sicherheitsrelevante Gewalt zusammen genommen starben in 227 Gewaltvorfällen 272 Menschen (PIPS 11.9.2013). CRSS verzeichnete im August 432 Todesopfer in verschiedenen Arten der Gewalt (CRSS 25.9.2013). Es gab insgesamt einen starken Rückgang der Gewaltvorfälle im August 2013, der Rückgang der im Wahljahr stark angestiegenen Gewalt begann ab Juni. In Khyber Pakhtunkhwa und FATA fiel die Gewalt stark, in Belutschistan und Sindh (Karatschi) nahm sie allerdings stark zu (CRSS 25.9.2013; vgl. PIPS 11.9.2013).

Im September stiegen aufgrund zweier großer Anschläge in Peschawar die Opferzahlen in Khyber Pakhtunkhwa stark an. Insgesamt wurden im September landesweit 135 Anschläge mit 270 Toten verzeichnet, bei allen 219 Gewaltvorfällen zusammen 380 Tote (PIPS 14.10.2013). Von CRSS wurden 493 Todesopfer recherchiert (CRSS 21.10.2013).

Es werden 2013 immer wieder auch Schulen und andere Infrastruktureinrichtungen in der FATA, in Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa zerstört (z.B. CRSS 11.2.2013). Außerdem kommt es in Teilen von Khyber Pakhtunkhwa, FATA, Belutschistan und Karatschi 2013 immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Militanten (z.B. PIPS 8.5.2013).

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Regionale Verteilung der Gewalt

Die verschiedenen Provinzen leiden an unterschiedlichen Formen und Intensitäten der Gewalt. Die Aktivitäten der Talibangruppen beschränken sich hauptsächlich auf den Nordwesten Pakistans, allerdings wurden sie in den letzten Jahren auch in der Wirtschaftsmetropole Karatschi sichtbar (CRSS 13.7.2013). Die westlichen Grenzgebiete sind geplagt von Gewalt. Die Gebiete, die in erster Linie betroffen sind, sind Khyber Pakhtunkhwa und die FATA, die eine starke Talibanpräsenz aufweisen, sowie Belutschistan, in dem militante Stammesgruppen aufständische Gewaltakte verüben. Der Rest von Pakistan ist von sporadischen terroristischen Attacken betroffen, indem sich etwas der militanten Gewalt auch in andere Teile Pakistans ergießt mit Selbstmordanschlägen in den Städten und bewaffneten Attacken auf das Militär (Reuters 11.4.2013 vgl. AA 24.10.2013).

Insgesamt divergiert somit die Sicherheitslage stark zwischen und innerhalb einzelner Provinzen. Der Vertreter des PIPS erläutert, dass die - mit um die 90 Millionen Einwohner bevölkerungsreichste Provinz Punjab als sicher eingestuft werden kann, auch Sindh ist sicher, mit Ausnahme von Karatschi, das ein Hotspot der Gewalt ist, außerdem versuchen terroristische Gruppen den Inneren Sindh zu infiltrieren. Islamabad gilt ebenfalls als relativ sicher. Doch Anschläge kommen auch in diesen Gebieten vor. Die paschtunischen Gebiete in Belutschistan sind relativ sicher, die belutschischen stark unsicher. In Khyber Pakhtunkhwa ist die Sicherheitslage kritisch - nur wenige Distrikte sind sicher, während andere schwer von Anschlägen gezeichnet sind. Belutschistan, die FATA, Khyber Pakhtunkhwa und die Metropole Karatschi sind somit die kritischen Gebiete Pakistans (BAA 6.2013). Auf Belutschistan, die FATA und Khyber Pakhtunkhwa entfielen im Jahr 2011 1.827 von insgesamt 1.966 terroristischen Anschlägen. Khyber Pakhtunkhwa wies dabei mit 890 die höchste Zahl an Todesopfern auf, die FATA mit 675 die höchste Zahl an terroristischen Anschlägen (612 Tote). In Belutschistan gab es 640 Anschläge (710 Tote), in Karatschi 58, in den anderen Teilen der Provinz Sindh 21, im Punjab 30, in Gilgit-Baltistan 26, in Islamabad 4 und in Azad Jammu und Kaschmir keine (PIPS 4.1.2012).

2012 wurde mit 474 die höchste Anzahl an Terroranschlägen aus Belutschistan berichtet. Die durch die Taliban und Militante heimgesuchten Khyber Pakhtunkhwa und die FATA waren die zweit- und drittbrisantesten Regionen des Landes mit 456 respektive 388 Terroranschlägen. 187 Terroranschläge wurden aus Karatschi gemeldet und 28 aus anderen Teilen Sindhs, 26 aus Gilgit Baltistan, 17 aus dem Punjab, einer aus Islamabad und keiner aus Azad Jammu und Kaschmir. Die meisten Todesopfer gab es dabei in den FATA und in Belutschistan (je 631 Tote). In Khyber Pakhtunkhwa gab es 2012 401 Tote, in Karatschi 272, im inneren Sindh 17, im Punjab 75, in Gilgit Baltistan 22, in Islamabad bei einem Anschlag einen Toten (PIPS 4.1.2013). In 28 von 36 Distrikten des Punjabs wurden 2012 keine Anschläge verzeichnet (BAA 6.2013).

Die regionale Differenzierung ist auch in der mit den Wahlen verbundenen gestiegenen Gewalt 2013 erkennbar. Stark betroffen waren die FATA, Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan, sowie Karatschi (BAA 6.2013).

Im Zeitraum zwischen Jänner und September 2013 verzeichnete PIPS im Punjab Anschläge und Todesopfer, in Islambad, Sindh -Karatschi, Khyber Pkt. Belut-schistan, FATA, Azad Kaschmir, Giligt-Balt.

Juni zählte PIPS 130 Anschläge mit 283 Toten und insgesamt 202 Gewaltvorfälle mit 510 Toten (PIPS 8.7.2013). CRSS gibt für Juni 616 Todesopfer durch Gewalt an (CRSS 25.9.2013). verzeichnete PIPS 122 Anschläge, die 208 Todesopfer forderten. Insgesamt gab es bei 179 verschiedensten Gewaltvorkommnissen 399 Tote (PIPS 8.8.2013). Nach der Auswertung wird die Zahl der Toten durch Gewalt von CRSS für Juli mit 572 angegeben (CRSS 25.9.2013).

Auch von den spezifischen, auf politische Aktivisten, Kandidaten oder Wahllokale durch PIPS vom 1. Jänner bis 15. Mai 2013 aufgezeichneten Anschlägen entfiel mit 50 die höchste Anzahl auf Khyber Pakhtunkhwa (55 Tote). 49 solcher Anschläge betrafen Belutschistan (19 Tote), 30 den Sindh (25 davon in Karatschi; 60 Tote), 12 die FATA (33 Tote), 7 den Punjab (3 Tote). Die ANP und die PPP wurden in fast jeder Region angegriffen, die MQM in Karatschi. Von den 97 zusätzlichen Vorfällen von Gewalt und Zusammenstößen zwischen Aktivisten und Anhängern verschiedener Parteien vom 1. Jänner bis 15. Mai 2013 betraf der überwiegende Anteil Karatschi (70 Vorfälle/ 90 Tote). 3 Zusammenstöße mit 7 Toten wurden aus dem übrigen Sindh, 9 mit 4 Toten aus Khyber Pakhtunkhwa, 9 mit 11 Toten aus dem Punjab und 6 mit 16 Toten aus Belutschistan gemeldet (PIPS 5.2013).

Quellen:

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Wichtige Terrorgruppen

Taliban und andere militante Organisationen in Pakistan sind in inneren Konflikten, in regionalen Kämpfen (Afghanistan, Kaschmir) und im globalen Jihad aktiv. Sie sind lose koordiniert, teilen sich aber oftmals Ressourcen und Rekruten. Verschiedene militante Gruppen haben sich zur Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP), den pakistanischen Taliban, zusammengeschlossen (Reuters 11.4.2013). Die TTP ist der Hauptakteur von Instabilität im Land. Ziele der TTP sind neben Sicherheitskräften nunmehr auch die politische Führung und Friedensaktivisten. Die TTP kämpft mit internen Krisen. Ihre Stärke liegt in der Verbindung von externen und internen Terrorgruppen. Sie fungiert auch als Brücke zwischen internationalen (z.B. Al Qaeda) und lokalen Terrorgruppen - von den Punjabi Taliban bis zur Lashkar-e-Jhangvi (PIPS 4.1.2013).

Die TTP verfügt über eine Stärke von mindestens 30.000 Mitgliedern (Reuters 11.4.2013). Der Vertreter des PIPS erläutert, dass die TTP nicht über eine einheitliche Struktur verfügt und auch die vorhandene Struktur nicht mehr intakt ist. Jede Gruppe hat eigene Operationen. Die von der TTP ausgehende Gewalt konzentriert sich regional auf die Stammesgebiete, thematisch auf Parteien, Pro-Regierungsstämme, regierende Politiker, auf Pro-Regierungs-Älteste, Sicherheitskräfte, Moscheen, die von Sicherheitskräften aufgesucht werden oder in denen Imame oder Mullahs die Regierung unterstützen, Friedensaktivist/innen (wie Malala Yousafzai), Einrichtungen des Militärs und der Polizei, Minderheiten sowie Muslime, die nicht ihrer Scharia-Auslegung folgen. Ursprünglich waren Schiiten in den Stammesgebieten nicht Ziel der Taliban, dies hat sich geändert (BAA 6.2013). Die Awami National Party war das Hauptziel von TTP-Gewalt, einige Anschläge richteten sich gegen Führungspersonen und Aktivisten (PIPS 4.1.2013). Die Aktivitäten der Taliban beschränken sich hauptsächlich auf den Nordwesten Pakistans, allerdings wurden sie in den letzten Jahren auch in der Wirtschaftsmetropole Karatschi sichtbar (CRSS 13.7.2013, vgl. Reuters 11.4.2013). Einige Taliban Gruppen haben Basen in Belutschistan (Reuters 11.4.2013).

Die TTP benutzt seit 2009 auch Entführungen von "high profile" Personen (u.a. reiche Geschäftsmänner, Akademiker, westliche Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und Angehörige von Militärs) in den großen pakistanischen Städten, um Geldmittel zu lukrieren (Reuters 11.4.2013). Drei Mitglieder der TTP wurden im Juli in Islamabad festgenommen, da sie dort und in Khyber Pakhtunkhwa Geschäftsleute erpressten. Dies zeigt das Verschwimmen zwischen kriminellen Syndikaten und religiösen Militanten (CRSS 13.7.2013).

Außerhalb der TTP agieren lokale Taliban-Gruppen, die entweder mit der TTP in loser Verbindung stehen oder mit ähnlichen Zielen formiert wurden. Die meisten dieser Gruppen agieren in Khyber Pakhtunkhwa, hauptsächlich in Charsadda, Swabi, Nowshera und der Peripherie von Peschawar. Allerdings gebrauchen auch viele kriminelle Gruppen dieses Label. Die meisten dieser Gruppen sind klein und ihre Operationen sind auf ihre Umgebung begrenzt (BAA 6.2013).

Es gibt auch im Punjab sunnitische Terrorgruppen. Eine von diesen, die Lashkar-e-Jhangvi, zielt darauf ab, Schiiten aus Pakistan zu vertreiben (Reuters 11.4.2013). Sie ist in viele Gruppen zersplittert, deren Taktiken und Ziele sich von einem Gebiet zum anderem unterscheiden. Sie ist eine lokal orientierte Gruppe, ihre Zielsetzung auf Schiiten richtet sich z.B. in Belutschistan vor allem gegen Hazara. Höhepunkt waren die Anschläge in Quetta im Jänner und im Februar 2013 (ca. 200 Tote) (BAA 6.2013) Die Punjabi Taliban sind eine eigene, von der TTP gesonderte Gruppe, doch unterhalten sie zu dieser Verbindungen. Ihre Ziele sind hauptsächlich Sicherheitskräfte und Schiiten. Sie agieren im Punjab wie terroristische Zellen, derzeit sind sie allerdings wenig aktiv (BAA 6.2013).

Hauptakteur nationalistischer Gewalt ist die Balochistan Liberation Army. Sie ist in Belutschistan aktiv, vereinzelt auch in Karatschi und in den Stammesgebieten des angrenzenden Südpunjabs. Weitere Beispiele belutschischer Terrororganisationen sind Lashkar-e-Balochistan, die Balochistan Liberation Front und die United Baloch Army. 2012 verübten auch Sindhi nationalistische Gruppen im Inneren Sindh Terrorakte (BAA 6.2013).

Quellen:

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

BAA - Bundesasylamt (31.1.2011): Analyse der Staatendokumentation - Afghanistan / Pakistan - Extremistische Gruppierungen im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet

CRSS - Center for Research and Security Studies Pakistan (13.7.2013): Conflict Tracker Monthly Report (June 2013), http://crss.pk/?p=4555 , Zugriff 18.9.2013

PIPS - Pak Institute for Peace Studies: Pakistan Security Report 2012, 4.1.2013,

http://san-pips.com/index.php?action=reports&id=psr_list_1 , Zugriff 13.10.2013

Reuters (11.4.2013): Pakistan violence, http://www.trust.org/spotlight/Pakistan-violence , Zugriff 21.9.2013

Rechtsschutz/Justizwesen

Die Justiz hat ihre Unabhängigkeit zurückgewonnen und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken (AA 2.11.2012). Das pakistanische Justizwesen behauptete auch 2012 weiterhin seine Unabhängigkeit von der Regierung (HRW 31.1.2013).

Erhebliche Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen allerdings fort. Nach dem Index des "World Justice Project" zur Rechtsstaatlichkeit gehört Pakistan zu den Ländern mit großen Defiziten in diesem Bereich. Teil VII der Verfassung garantiert die Unabhängigkeit der Judikative, die zwar eine politische Stärkung erfahren hat, die aber insgesamt gesehen nach wie vor ineffizient und vor allem in den unteren Gerichtsinstanzen auch weitgehend wirkungslos ist (AA 2.11.2012). In der Praxis ist die Justiz oft von externen Einflüssen, wie der Angst vor Repressionen bei Fällen von Terrorismus, beeinträchtigt. Viele Gerichte unterer Instanzen bleiben korrupt, ineffizient und Opfer des Drucks prominenter wohlhabender, religiöser und politischer Akteure. Die politische Ernennung von Richtern erhöht den Einfluss der Regierung auf die Justiz (USDOS 19.4.2013).

Die erwähnte weitverbreitete Korruption vor allem unterer Gerichtsinstanzen in Zusammenhang mit einem veralteten Prozessrecht sowie überlasteten und überforderten Strafverfolgungsbehörden führen zu einer Vielzahl unerledigter Fälle, langen Inhaftierungen ohne gerichtliches Verfahren oder nach Fehlurteilen, da Beweissicherungen nicht möglich sind (AA 2.11.2012; vgl. USDOS 19.4.2013). Laut dem Obersten Richter gab es 1,6 Millionen ausstehende Verfahren (USDOS 19.4.2013). Trotz der Annahme der "National Judicial Policy" 2009 blieb der Rückstand an Fällen auf allen Ebenen hoch, die Probleme der Korruption und Inkompetenz in den Gerichten weiterhin verbreitet (HRW 31.1.2013) und der Zugang zur Gerichtsbarkeit kostenintensiv und schwierig (AA 2.11.2012; vgl. HRW 31.1.2013). Schließlich ist der Aufbau der Judikative mit unterschiedlichen Sondergerichten (z.B. Militär, Scharia, zur Bekämpfung des Terrorismus usw.) komplex und wird als nicht jedermann zugänglich empfunden (AA 2.11.2012).

Im Januar 2010 wurde der "Public Defender and Legal Aid Office Act (PDLAOA) 2009" verabschiedet. Das Gesetz soll insbesondere sicherstellen, dass alle Angeklagten unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten gleichermaßen Zugang zu einem Rechtsbeistand vor Gericht und, soweit notwendig, Anspruch auf Armenrecht haben. Eine Implementierung des Gesetzes steht allerdings bislang noch aus (AA 2.11.2012).

Bei der Bearbeitung von unpolitischen Fällen werden der Hohe Gerichtshof und der Oberste Gerichtshof durch Medien und Öffentlichkeit generell als zuverlässig eingestuft (USDOS 19.4.2013). Der in den vergangenen Jahren durch die hartnäckige Verfolgung von Korruptionsvorwürfen aufgefallene Oberste Richter am Supreme Court of Pakistan, Justice Iftikar Chaudhry, scheint inzwischen auch ranghohe Angehörige des pakistanischen Militärs und Geheimdienstes nicht mehr zu schonen. Erstmals in der facettenreichen Justizgeschichte Pakistans wird die de facto Immunität von Armee- und Militärvertretern aufgehoben und - mit dem früheren Chef des pakistanischen Geheimdienstes (ISI) sowie dem früheren Oberbefehlshaber der pakistanischen Armee - Generälen in aller Öffentlichkeit der Prozess gemacht (HSS 10.10.2012). Im Juni 2012 entließ der Oberste Gerichtshof in einer kontroversen Entscheidung darüber hinaus Premierminister Gilani aufgrund der Weigerung an die Schweizer Behörden einen Aufruf zur Untersuchung von Korruptionsvorwürfen gegen Präsident Zardari zu übermitteln. Der Supreme Court war im Aufgreifen der Thematik von Regierungsmissbräuchen in Belutschistan aktiv. Allerdings wurde kein hoher Militär dafür zur Verantwortung gezogen. Der Gebrauch von suo motu [auf eigene Veranlassung] Gerichtsverfahren durch den Supreme Court war exzessiv. Der Oberste Gerichtshof und die Oberen Provinzgerichte begegneten Medienkritik mit Androhungen eines "Missachtung des Gerichts" Verfahrens (HRW 31.1.2013).

Im Zivil-, Kriminal- und Familiengerichtssystem gibt es öffentliche Verhandlungen, es gilt die Unschuldsvermutung, und es gibt die Möglichkeit einer Berufung. Angeklagte haben das Recht auf Anhörung und der Konsultation eines Anwalts. Die Kosten für die rechtliche Vertretung vor den unteren Gerichten muss der Angeklagte übernehmen, in Berufungsgerichten kann ein Anwalt auf öffentliche Kosten zur Verfügung gestellt werden. Angeklagte können Zeugen befragen, eigene Zeugen und Beweise einbringen und haben rechtlichen Zugang zu den Beweisen, die gegen sie vorgebracht werden (USDOS 19.4.2013).

Gerichte versagen oft dabei, die Rechte religiöser Minderheiten zu schützen. Gesetze gegen Blasphemie werden diskriminierend gegen Christen, Ahmadis und andere religiöse Minderheiten eingesetzt. Untere Gerichte verlangen oft keine ausreichenden Beweise in Blasphemiefällen, und einige Angeklagte oder Verurteilte verbringen Jahre im Gefängnis, bevor ein höheres Gericht ihre Freilassung anordnet oder ihren Schuldspruch aufhebt (USDOS 19.4.2013).

In Pakistan, insbesondere in feudalen und von Stämmen bewohnten Gebieten, existiert ein informelles, paralleles Rechtssystem, das Jirga und Panchayat System [Informelle Versammlungen von Älteren, welche über Dispute entscheiden]. Es hat keine rechtliche Deckung und man kann dagegen verfassungsrechtlich vorgehen. Viele Menschen in ländlichen Gegenden machen aber davon Gebrauch, da sie den Gerichten oder der Polizei misstrauen (Dawn 29.3.2013). Die Panchayats oder Jirgas werden von feudalen Landherren und lokalen Führern in Sindh und Punjab und Stammesführer in paschtunischen und belutschischen Gebieten, manchmal auch in Missachtung des Rechtssystems, abgehalten (USDOS 19.4.2013).

Die Gesetzeslage hinsichtlich der Jirgas ist jedoch unklar. Erkenntnisse des Supreme Courts und anderer Gerichte haben sie für illegal erklärt. Sie haben jedoch nicht definiert, was eine Jirga ausmacht und keine Strafen für die Teilnahme an einer solchen Ratssitzung festgelegt. Im pakistanischen Gesetzbuch existiert kein spezifisches Gesetz, das Jirgas verbieten würde. Jirgas sprechen regelmäßig Urteile aus, die selbst ein Verbrechen darstellen, wie die Erlaubnis, jemanden zu töten. Trotzdem scheuen sich die Behörden oft, gegen diese Räte vorzugehen, weil sie Stammesgemeinschaften in ihren Traditionen nicht verärgern wollen. Menschenrechtsaktivisten treten stark für eine Strafbarkeit der Teilnahme an Jirgas, die widerrechtliche Urteile und Strafen aussprechen, ein. Im März 2012 hielt der Oberste Richter des Verfassungsgerichtshofs die Führung der Provinzpolizei an, gegen Jirgas vorzugehen, die Zwangsheiraten als Kompensation anordneten (LAT 1.8.2012).

Zunehmend geht die Justiz gegen die Jahrhunderte alte Tradition der Jirgas oder Panchayats vor. Im Großteil des Landes werden Jirgas toleriert, aber nicht anerkannt durch die formalen Gerichte. Jirga Entscheidungen sind rechtlich nicht bindend - außer in den Stammesregionen an der afghanischen Grenze [FATA], solange sie nach den Gesetzen dieser Region gefällt werden - aber werden für gewöhnlich durch die Dorfgemeinschaft umgesetzt. Jirga Entscheidungen werden meist besser befolgt als solche von Gerichten. Wenn man nicht gehorcht, muss man das Dorf verlassen. In den letzten Jahren haben Richter begonnen, die Entscheidungen der meistens konservativen und nur von Männern abgehaltenen Jirgas zu untersuchen, allen voran Bestrafungen wie Tod, Vergewaltigung oder erzwungene Kinderheiraten. Richter gehen immer öfter gegen Jirgas vor, auch weil Medien sehr viel darüber berichten. Außerdem wenden sich immer mehr Menschen auch an die Gerichte, weil sie von erfolgreichen Verfahren gegen Jirgas hören. Seit 2005 wurden 60 Fälle der seit 2004 verbotenen, allerdings weiterhin verbreiteten Zwangsehen aufgehoben. Da viele Pakistanis allerdings Jirgas unterstützen, weil sie diesen eher vertrauen als den Gerichten, meinen einige NGOs, man müsste deren System verbessern und die Strafmöglichkeiten einschränken, anstatt sie zu verbieten (Reuters 14.3.2013).

Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und der Hohen Gerichte ist für einige Gebiete, die andere juristische Systeme haben, nicht zuständig (USDOS 19.4.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan vom 2.11.2012

Dawn (29.3.2013): Jirga system and plight of women, http://dawn.com/2013/03/29/jirga-system-and-plight-of-women/ , Zugriff 23.9.2013

HRW - Human Rights Watch (31.1.2013): World Report 2013 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/237129/360003_de.html , Zugriff 15.10.2013

HSS - Hanns-Seidel-Stiftung (10.10.2012): Quartalsbericht, Pakistan III/2012,

http://www.hss.de/fileadmin/media/downloads/QB/Pakistan_QB_2012_III.pdf , Zugriff 27.8.2013

LAT - Los Angeles Times (1.8.2012): Pakistan's tribal justice system: Often a vehicle for revenge, http://articles.latimes.com/2012/aug/01/world/la-fg-pakistan-jirga-justice-20120801 , 23.9..2013

Reuters (14.3.2013): In Pakistan, ancient and modern justice collide,

http://in.reuters.com/article/2013/03/13/pakistan-jirgas-idINDEE92C0HM20130313 , Zugriff 23.9.2013

USDOS - US Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Pakistan, http://www.refworld.org/docid/517e6df418.html , Zugriff 15.10.2013

Sicherheitsbehörden, inkl. Dokumente

Die polizeilichen Zuständigkeiten sind zwischen nationalen und regionalen Behörden aufgeteilt. Die Bundespolizei (Federal Investigation Agency, FIA) ist dem Innenministerium unterstellt. Sie ist zuständig für die Bereiche Einwanderung; organisierte Kriminalität; Interpol; Terrorismus- und Rauschgiftbekämpfung. Die Abteilung zur Terrorismusbekämpfung innerhalb der FIA ist der Counter Terrorism Wing (CTWI). In diesem Bereich sind auch die pakistanischen Geheimdienste ISI [Inter-Services Intelligence] und IB [Intelligence Bureau] aktiv. Die Rauschgiftbekämpfungsbehörde ANF untersteht einem eigenen Ministerium, dem Ministry for Narcotics Control. Bei der Rauschgiftbekämpfung wirken allerdings auch andere Behörden (z.B. Custom oder Frontier Corps) mit, wobei die Kompetenzen nicht immer klar abgegrenzt sind. Die einzelnen Provinzen verfügen über eigene Verbrechensbekämpfungsbehörden. Gegenüber diesen Provinzbehörden ist die FIA nicht weisungsbefugt (AA 2.11.2012).

Die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte ist pro Bezirk sehr unterschiedlich und reicht von gut bis ineffizient. Einige Mitglieder der Polizei verübten Menschenrechtsverletzungen oder ließen sich von politischen Interessen beeinflussen (USDOS 19.4.2013). Die Menschenrechtsverletzungen, derer die Sicherheitskräfte werden sind weitreichend (AI 5.2013). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein Ansehen. Dazu trägt die extrem hohe Korruptionsanfälligkeit ebenso bei, wie häufige unrechtmäßige Übergriffe (2011 wurden bei 254 Polizeieinsätzen 337 Verdächtige getötet und 71 verletzt) und Verhaftungen sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam genommenen Personen. Illegaler Polizeigewahrsam - 2010 wurden 174 Fälle bekannt - und Misshandlungen durch die Polizei gehen oft Hand in Hand, um den Druck auf die inhaftierte Person bzw. deren Angehörige zu erhöhen, durch Zahlung von Bestechungsgeldern eine zügige Freilassung zu erreichen. Die Polizeikräfte sind oftmals in lokale Machtstrukturen eingebunden und daher nicht in der Lage, unparteiische Untersuchungen durchzuführen. So werden häufig Strafanzeigen gar nicht erst aufgenommen und Ermittlungen verschleppt (AA 2.11.2012). Neben diesen Vorwürfen gibt es auch solche des "Verschwinden Lassens". In den Stammesgebieten im Nordwesten des Landes verzerren Sicherheitskräfte Gesetze um Gerichte zu umgehen (AI 5.2013). Bei Anti-Terror-Operationen verletzen Sicherheitskräfte regelmäßig Grundrechte, Verdächtige werden oft ohne Anklage verhaftet oder ohne fairen Prozess verurteilt. Die Armee verweigert Anwälten, Verwandten, unabhängigen Beobachtern und humanitärem Personal weiterhin den Zugang zu Personen, die bei Militäroperationen verhaftet wurden (HRW 31.1.2013).

Die Polizei versagt häufig dabei, Minderheitenangehörige, wie Christen, Ahmadis und Schiiten vor Attacken zu schützen. Das häufige Versagen darin, Missbräuche zu bestrafen, trägt zu einem Klima der Straflosigkeit bei. Interne Ermittlungen und Strafen können bei Missbräuchen vom Generalinspektor, den Bezirkspolizeioffizieren, den "Bezirks-Nazims" [~Bezirksleiter], Provinzinnenministern oder Provinzministerpräsidenten, dem Innenminister, dem Premierminister und den Gerichten angeordnet werden. Die Exekutive und Polizeibeamte können in solchen Fällen auch Kriminalstrafverfolgung empfehlen, und die Gerichte können eine solche anordnen. Diese Mechanismen werden in der Praxis auch manchmal eingesetzt. Es gab Verbesserungen bei der Professionalität der Polizei. Wie im Jahr zuvor führte die Regionalregierung des Punjab regelmäßige Aus- und Fortbildungen der technischen Fertigkeiten und zum Schutz der Menschenrechte auf allen Ebenen der Polizei durch (USDOS 19.4.2013).

Die Islamabad Capital Police richtete eine Menschenrechtseinheit ein, um die Einwohner zu ermutigen, über Menschenrechtsverletzungen zu berichten (persönlich, per Telefon-Hotline oder Email). Außerdem wurden in allen Polizeistationen Menschenrechtsoffiziere bzw. Ansprechpartner aus der Gemeinde postiert. Diese können Polizeistationen jederzeit besuchen, Gefangene befragen und bei Berichten über Missbräuche disziplinäre Maßnahmen empfehlen. Rechtsdurchsetzungsorgane der föderalen und der Provinzebenen besuchten Trainings zu Menschen-, Opfer- und Frauenrechten. Zwischen 2008 und 2010 hat die "Society for Human Rights and Prisoners' Aid" mehr als 2.000 Polizeioffiziere in Menschenrechtsthemen fortgebildet (USDOS 8.4.2011).

Ein "First Information Report" (FIR) ist die gesetzliche Grundlage für alle Inhaftierungen. Die Befähigung der Polizei, selbst einen FIR zu initiieren, ist begrenzt. Oft muss eine andere Person dies tun. Dabei ist es gleichgültig, ob plausible Beweise vorliegen. Ein FIR erlaubt der Polizei, einen Verdächtigen 24 Stunden festzuhalten. Eine Verlängerung der Untersuchungshaft um weitere 14 Tage ist nach Vorführung vor einen Polizeirichter möglich, wenn die Polizei triftige Gründe anführt, dass eine solche Verlängerung für die Ermittlungen unbedingt notwendig ist. Einige halten sich nicht an diese Beschränkung. Es gibt Berichte, dass Staatsorgane entweder einen FIR ohne Beweise ausstellten, oder aber erst nach dem Erhalt von Bestechungsgeld (USDOS 19.4.2013).

Die Zahl der [pakistanischen, in Deutschland] vorgelegten inhaltlich ge- oder verfälschten Dokumente ist hoch. Es ist in Pakistan problemlos möglich, ein (Schein‑)Strafverfahren gegen sich selbst in Gang zu bringen, in dem die vorgelegten Unterlagen (z.B. "First Information Report" oder Haftverschonungsbeschluss) echt sind, das Verfahren in der Zwischenzeit aber längst eingestellt wurde. Verfahren können zum Schein jederzeit durch einfachen Antrag wieder in Gang gesetzt werden. Ebenso ist es ohne große Anstrengungen möglich, Zeitungsartikel, in denen eine Verfolgungssituation geschildert wird, gegen Bezahlung oder aufgrund von Beziehungen veröffentlichen zu lassen (AA 2.11.2012).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

AI - Amnesty International (5.2013): Annual Report 2013, The state of the world's human rights, Pakistan, http://www.amnesty.org/en/region/pakistan/report-2013 , Zugriff 2.9.2013

HRW - Human Rights Watch (31.1.2013): World Report 2013 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/237129/360003_de.html , Zugriff 15.10.2013

USDOS - US Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Pakistan, http://www.refworld.org/docid/517e6df418.html , Zugriff 15.10.2013

USDOS - US Department of State (8.4.2011): Country Report on Human Rights Practices 2010 - Pakistan, http://www.refworld.org/docid/4da56d9c8e.html , Zugriff 15.10.2013

Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung verbietet Folter und andere grausame und unmenschliche oder degradierende Behandlung, aber es gab Berichte, dass Sicherheitskräfte, darunter die Geheimdienste, Personen in der Haft folterten und misshandelten. Gelegentlich führte Folter zum Tod oder zu schweren Verletzungen (USDOS 19.4.2013). So ist zu vermuten, dass bei den 2011 in Haft verstorbenen 92 Strafgefangenen in der Mehrzahl der Fälle Folter zum Tod beigetragen hat oder sogar die Todesursache gewesen ist. Folter ist im Polizeigewahrsam, aber auch in Gefängnissen weit verbreitet. Sie findet u.a. auch Anwendung, um bei polizeilichen Ermittlungen Geständnisse oder Kooperation zu erzwingen. In Fällen mit terroristischem Hintergrund oder von Landesverrat sind Berichte über die Anwendung von Folter durch die Sicherheitsdienste häufig; sie entziehen sich häufig der gerichtlichen Kontrolle. Unter Folter erzwungene Geständnisse werden zwar als Beweismittel vor Gericht grundsätzlich nicht zugelassen; dies gilt allerdings nicht nach dem Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus für Geständnisse gegenüber ranghohen Beamten und Offizieren. 2010 wurden 521 Fälle bekannt, in denen Frauen Opfer von Misshandlungen in Polizeigewahrsam wurden (AA 2.11.2012).

Im Gesetz gibt es keinen speziellen Abschnitt gegen Folter; es sanktioniert nur "Verletzen" und enthält keine Hinweise auf eine Bestrafung von Folterern. Laut der Asian Human Rights Commission trägt das Fehlen eines angemessenen Beschwerdezentrums und einer speziellen Sektion im Strafgesetzbuch gegen Folter zur Verbreitung bei (USDOS 19.4.2013). Folter wird von der Regierung offiziell verurteilt, doch ist die Strafverfolgung landesweit generell so unzureichend, dass es bisher selbst in Fällen von Folter mit Todesfolge so gut wie nie zu einer Verurteilung der Täter gekommen ist. In einer Reihe von Fällen wurde eine Strafanzeige erst nach gerichtlicher Intervention durch die Angehörigen der Opfer von der Polizei registriert. In einigen wenigen Fällen wurden Verantwortliche vom Dienst suspendiert und Untersuchungen angeordnet, an deren Ende aber in der Regel lediglich die Versetzung der Beschuldigten an eine andere Dienststelle stand. Die Gerichtsbarkeit unternimmt erst seit 2006 größere Anstrengungen, um Fälle von Folter aufzuklären und gegen die Verantwortlichen Strafverfahren einzuleiten (AA 2.11.2012).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

USDOS - US Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Pakistan, http://www.refworld.org/docid/517e6df418.html , Zugriff 15.10.2013

Korruption

Die Korruption in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, der Justiz und bei den Sicherheitsorganen ist weiterhin endemisch (AA 2.11.2012). Im Transparency International Corruption Perceptions Index 2012 nimmt Pakistan den 139. Platz von 174 Ländern ein (TI 5.12.2012).

Korruption ist bei den unteren Ebenen der Polizei üblich. Eine Umfrage von Tranparency International vom Juli 2010 besagt, dass der Hauptgrund für Korruption ein Mangel an Rechenschaftspflicht, gefolgt von niedrigen Gehältern, war. Einige Polizeiangehörige verlangen für die Annahme von Beschwerden Gebühren, oder sie nehmen falsche Beschwerden gegen Bestechungsgeld auf. Die Zahlung von Bestechungsgeld zur Vermeidung von Strafen ist üblich. Es gibt auch Einzelberichte zu Korruption im Gerichtssystem, wie etwa zu kleineren Zahlungen an Angestellte zur Beschleunigung von Verfahren. Die Gerichte unterer Instanzen sind korrupt. Korruption ist bei Politikern und in der Regierung weit verbreitet, verschiedene Politiker sind mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert (USDOS 19.4.2013).

Das Gesetz sieht strafrechtliche Konsequenzen für Korruption von Staatsangestellten vor, jedoch wurde das Gesetz im Berichtszeitraum nicht effektiv umgesetzt und Behördenvertreter waren häufig ungestraft in korrupte Praktiken verstrickt. Die Nationale Rechenschaftsbehörde (NAB) dient als höchste Antikorruptionsorganisation mit einem Mandat um Korruption durch Vollstreckung, Bewusstseinsbildung und Prävention zu eliminieren (USDOS 19.4.2013).

Nachdem eine noch unter Musharraf eingeführte Amnestie aus dem Jahr 2007 unter anderem für Korruptionsanschuldigungen für die Zeit zwischen 1986 und 1999 vom Obersten Gerichtshof 2009 aufgehoben wurde, eröffnete dieser 8000 Fälle, unter anderem gegen [bis zu den Wahlen amtierende] Präsidenten, Minister und Parlamentarier. Im November 2012 kam die Regierung der Anordnung des Obersten Gerichts nach, an die Schweizer Behörden ein Amtshilfeersuchen über verschobene Gelder zu richten (USDOS 19.4.2013). Im Juni 2012 entließ der Oberste Gerichtshof in einer kontroversen Entscheidung Premierminister Zardari aufgrund der Weigerung an die Schweizer Behörden einen Aufruf zur Untersuchung von Korruptionsvorwürfen in Bezug auf Präsident Gilani zu übermitteln (HRW 31.1.2013).

Der durch die hartnäckige Verfolgung von Korruptionsvorwürfen aufgefallene Oberste Richter am Supreme Court of Pakistan, Justice Iftikar Chaudhry, eröffnete auch gegen den früheren Chef des pakistanischen Geheimdienstes (ISI) bzw. den früheren Oberbefehlshaber der pakistanischen Armee den Prozess (HSS 10.10.2012).

Das Gesetz erlaubt den Bürgern Zugang zu allen öffentlichen Berichten der föderalen Regierung und Behörden, nicht inkludiert sind Provinzregierungen und staatliche Firmen. Einige Berichte sind davon ausgenommen (USDOS 19.4.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

HRW - Human Rights Watch (31.1.2013): World Report 2013 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/237129/360003_de.html , Zugriff 15.10.2013

HSS - Hanns-Seidel-Stiftung (10.10.2012): Quartalsbericht, Pakistan III/2012,

http://www.hss.de/fileadmin/media/downloads/QB/Pakistan_QB_2012_III.pdf , Zugriff 27.8.2013

TI - Transparency International (5.12.2012): Corruption Perceptions Index 2012, http://www.transparency.org/cpi2012/results , Zugriff 26.8.2013

USDOS - US Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Pakistan, http://www.refworld.org/docid/517e6df418.html , Zugriff 15.10.2013

Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

Menschenrechtsorganisationen können sich in Pakistan betätigen (AA 2.11.2012). Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen operieren ohne Behinderung seitens staatlicher Stellen, führen Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen durch und veröffentlichen deren Ergebnisse. Andere Gruppen, die über Themen in Zusammenhang mit Regierung, Militär oder Geheimdienste berichten, sind in ihren Aktivitäten mit Restriktionen konfrontiert (USDOS 19.4.2013).

In den letzten Jahren sind die Aktivitäten der Zivilgesellschaft wieder aufgeblüht und haben viel Aufmerksamkeit erhalten. Die Anzahl von lokalen, nationalen und internationalen NGOs ist stark angewachsen. Es gibt ein breites Spektrum - von international vernetzten Frauenrechts- bis zu eher konservativ-religiösen Organisationen. Bereits die Musharraf Administration suchte aktiv die Hilfe von Frauenrechtsorganisationen wie der Aurat Foundation oder der Shirkat Gah, um fortschrittlichere Gesetze wie die Frauenschutzverordnung von 2006 zu entwickeln. Lokale religiöse Gruppen intervenieren aber auch gegen Änderungen in den Blasphemiegesetzen (FH 4.11.2011). Laut dem aufgelösten Ministerium für soziale Wohlfahrt und Sonderpädagogik gibt es in Pakistan über 100.000 aktive NGOs. Die genaue Zahl ist aber unklar (USDOS 19.4.2013).

Weiblichen Mitarbeiterinnen von Hilfsorganisationen wird in vielen Teilen des Landes vorgeworfen, sich nicht an die kulturellen Normen zu halten, weil sie z.B. keinen Schleier tragen, andere Frauen zum Arbeiten ermutigen oder zusammen mit Männern arbeiten. Organisationen, welche sich für die Rechte der Frauen einsetzen sind mit besonderen Herausforderungen konfrontiert (USDOS 19.4.2013). In der pakistanisch verwalteten Kaschmirregion (Azad Kaschmir und Gilgit-Baltistan) können Nichtregierungsorganisationen, die zu humanitären Themen arbeiten, im allgemeinen frei agieren, während jene, welche sich auf politische oder Menschenrechtsthemen fokussieren mehr Kontrolle und gelegentlich auch Belästigungen erfuhren (FH 1.2013).

Visa für regierungskritische ausländische Mitarbeiter von Hilfsorganisationen wurden verzögert oder blockiert. Nur wenige NGOs hatten Zugang zu Khyber Pakhtunkhwa, FATA und Teilen Belutschistans. Regierungsstellen sind manchmal kooperativ, reagieren aber nur wenig auf die Ansichten dieser Gruppen. Sicherheitsbedrohungen sind für NGOs in FATA und Khyber Pakhtunkhwa ein Problem. Militante töteten zwischen 2009 und Ende 2012 mindestens 19 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und entführten mehr als 20 (USDOS 19.4.2013).

Die Situation unterscheidet sich in Pakistan sowohl regional, als auch für die einzelnen Menschenrechtsorganisationen, je nachdem wie groß ihr Bekanntheitsgrad ist. Die Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) ist international stark vernetzt und bekannt, sie genießt auch in Pakistan Anerkennung, und damit Schutz. Die Arbeit ist somit für sie leichter. Kleine, unbekanntere Organisationen sind verletzlicher. An und für sich können Menschenrechtsorganisationen, insbesondere große wie HRCP, und Medien frei schreiben und tun dies auch. Es gibt viele Menschenrechtsorganisationen in Pakistan. In den Konfliktgebieten ist die Arbeit allerdings schwierig, hier erhalten Organisationen Drohungen von Militanten und es kommt auch in Einzelfällen zu Morden an Menschenrechtsaktivisten und Journalisten. 3 Mitarbeiter der HRCP wurden 2012 getötet, 2 in Belutschistan und 1 in Khyber Pakhtunkhwa (BAA 6.2013). Auch 2011 wurden drei Mitarbeiter der HRCP ermordet. Aufgabe der angesehenen NGO HRCP ist die Aufklärung und Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen jeder Art. In allen Landesteilen gibt es Provinzbüros und freiwillige Helfer, die Menschenrechtsverletzungen anzeigen oder ihnen angezeigte Fälle aufnehmen, Fakten sammeln und gegebenenfalls die Fälle der Justiz zuführen. Speziell für bessere Haftbedingungen und die Begnadigung von zum Tode Verurteilten sowie für die Suche nach vermissten Personen setzt sich z.B. der im Jahre 1980 gegründete Ansar Burney Welfare Trust International ein (AA 2.11.2012).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

FH - Freedom House (4.11.2011): Countries at the Crossroads 2011 - Pakistan,

http://www.freedomhouse.org/sites/default/files/inline_images/Pakistan final.pdf , Zugriff 15.10.2013

FH - Freedom House 1.2013 Freedom in the World 2013, Pakistani Kashmir,

http://www.freedomhouse.org/report/freedom-world/2013/pakistani-kashmir , Zugriff 24.10.2013

USDOS - US Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Pakistan, http://www.refworld.org/docid/517e6df418.html , Zugriff 15.10.2013

Ombudsmann

Es gibt einen Ombudsmann für Häftlinge mit einem Zentralbüro in Islamabad und einem in jeder Provinz. Obwohl ein Beschwerdesystem für Gefangene existiert, um Missstände aufzuzeigen, funktioniert dieses nicht effektiv (USDOS 19.4.2013).

Für Beschwerden gegen Menschenrechtsverletzung sind in den verschiedenen Provinzen Büros des Ombudsmannes eingerichtet, diese wurden in den letzten Jahren erweitert. Durch das neue Gesetz gegen sexuelle Belästigung wurde auch eine Ombudsperson gegen die Belästigung von Frauen am Arbeitsplatz eingerichtet, mit Büros in jeder Provinz (BAA 6.2013).

Quellen:

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

USDOS - US Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Pakistan, http://www.refworld.org/docid/517e6df418.html , Zugriff 15.10.2013

Allgemeine Menschenrechtslage

Pakistan hat im Juni 2010 den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie die Konvention gegen Folter ratifiziert. Nach der Ratifikation des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte im April 2008 hat Pakistan damit eine Reihe wichtiger menschenrechtlicher Kodifikationen ratifiziert (AA 10.2013a).

Der Schutz der Menschenrechte ist in der Verfassung verankert. Kapitel 1, Teil II der Verfassung ist den Grundrechten gewidmet. Art. 4 §§ 1 und 2 der Verfassung garantieren den Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, die nur auf der Basis der geltenden Gesetzgebung eingeschränkt werden dürfen, den Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum. Art. 9 der Verfassung verbietet willkürliche Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (die Todesstrafe ist nach wie vor in Pakistan nicht abgeschafft). Art. 24 Abs. 2 garantiert den Schutz vor willkürlicher Enteignung persönlichen Eigentums und Art. 25 § 1 die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz. Art. 25 § 2 der Verfassung verbietet Diskriminierung auf Grund des Geschlechts. Zwischen Verfassungsanspruch und Wirklichkeit besteht eine erhebliche Diskrepanz (AA 2.11.2012, vgl. AA 10.2013a).

Seit der Rückkehr zur Demokratie 2008 hat sich die Menschenrechtslage in Pakistan leicht verbessert, bleibt aber kritisch. Menschenrechtsverletzungen werden vom Staat in der Regel nicht angeordnet oder initiiert, die pakistanische Regierung bekennt sich zu den Menschenrechten. Es gelingt ihr aber aufgrund schwacher staatlicher Institutionen, auch im Justizbereich, oftmals nicht, Menschenrechtsverletzungen aufzuklären, Rechtsbrecher zur Verantwortung zu ziehen und gefährdete Personengruppen zu schützen (AA 2.11.2012). Auch die seit dem Ende der Militärherrschaft wiedererstarkte Judikative ist bisher noch nicht in der Lage gewesen, einen besseren gerichtlichen Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten. In jüngerer Zeit bildet sich in den Städten eine bürgerliche Mittelschicht heraus, die zunehmend politisches Selbstbewusstsein entfaltet. Es ist dieser Teil der Gesellschaft, der die Anwaltsbewegung getragen hat, die sich schließlich erfolgreich für die Wiedereinsetzung des unter Präsident Musharraf 2007 abgesetzten Obersten Richters Iftikhar Chaudhry und eine unabhängige Justiz eingesetzt und damit den Rückzug Musharrafs eingeleitet hat (AA 10.2013a).

In der Menschenrechtsgesetzgebung ist es seit Ende 2011 v.a. im Bereich der Frauenrechte zu erkennbaren Fortschritten gekommen, diese wurden bislang aber nur teilweise umgesetzt (AA 10.2013a). Im Dezember 2008 wurde von der Regierung ein Gesetzentwurf zur Wiedereinrichtung einer staatlichen Menschenrechtskommission eingebracht. Am 4. Mai 2012 wurde das Gesetz zur Gründung der (unabhängigen, staatlich finanzierten) National Commission for Human Rights im Parlament verabschiedet (AA 2.11.2012). Das Gesetz sieht eine Kommission von 10 Mitgliedern vor, denen ein Richter vom Obersten Gerichtshof oder ein Menschenrechtsexperte vorsteht, ein Sitz ist für Frauen, einer für religiöse Minderheiten reserviert (USDOS 19.4.2013). Die Kommission soll die Kompetenz bekommen jede Institution für Menschenrechtsverbrechen zur Verantwortung ziehen zu können (USDOS 20.5.2013). Die Kommission ist zwar staatlich finanziert, soll aber unabhängig agieren können. Ihre Aufgabe ist die Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen; die Kommission soll zudem Empfehlungen an die zuständigen Regierungsbehörden oder Gerichte aussprechen (AA 2.11.2012).

Die größten Probleme im Bereich Menschenrechte stellen extralegale Tötungen, "Verschwinden lassen" von Personen und Folter durch Sicherheitskräfte dar. Weitere Menschenrechtsprobleme sind unter anderem schlechte Haftbedingungen, außergerichtliche Haft, ein schwaches Kriminalstrafsystem, ein Mangel an juristischer Unabhängigkeit in den Gerichten unterer Instanzen, Korruption, Verletzung der Religionsfreiheit der Minderheiten, verschiedene Formen schwerwiegender Gewalt gegen Frauen, wie Ehrverbrechen sowie Diskriminierung. Gewalt und religiöse Intoleranz durch militante Organisationen tragen in einigen Teilen des Landes - in erster Linie Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa und FATA - zu einer Kultur der Gesetzlosigkeit bei (USDOS 19.4.2013).

Fälle von "Verschwinden lassen" (Journalisten, Aktivisten, Terrorverdächtige oder Stammesführer) durch die Sicherheitskräfte stammen überwiegend aus der Zeit der Militärdiktatur, kommen aber immer noch vor. 2011 hat die Menschenrechtskommission 62 neue Fälle registriert, davon 35 in Belutschistan und 20 in Sindh. Die im Jahre 2011 eingesetzte Commission on Missing Persons gibt an, dass 83 Personen wieder aufgefunden werden konnten (AA 2.11.2012).

Regierung und vor allem Justiz bemühen sich, Menschenrechtsverletzungen aus der Zeit der Militärherrschaft aufzuklären. Der Oberste Gerichtshof hat sich seit Anfang Januar 2010 der Thematik der "verschwundenen Personen" angenommen und damit Regierung und Sicherheitskräfte unter Druck gesetzt, die Aufklärung der ungeklärten Fälle zu beschleunigen (AA 2.11.2012). Der Oberste Gerichtshof erreichte durch ein beispielloses Vorgehen, 2012 einen noch nie dagewesenen Zugang zu einigen Opfern des Verschwinden Lassens. Ab Februar 2012 erschienen einige Entführte aus Belutschistan vor Gericht. Der Präsident des Obersten Gerichtshofs drohte den Mitarbeitern der Strafverfolgungsbehörden mit Haft, sollten sie keine rechtlichen Grundlagen für die Inhaftierungen in Belutschistan vorweisen können. Das Obere Gericht in Peschawar übte Druck auf die Behörden aus, die genauen Daten aller Häftlinge anzugeben, die in den nordwestlichen Stammesgebieten in "Sicherheitshaft" gehalten wurden. Kein aktiver oder ehemaliger Angehöriger der Sicherheitskräfte wurde wegen mutmaßlicher Verwicklung in diese oder andere Menschenrechtsverletzungen vor Gericht gestellt. Es gab allerdings weiterhin Berichte von Fällen von "Verschwinden lassen" im Land, insbesondere in Belutschistan und den nord-westlichen Stammesgebieten, wofür niemand vor Gericht gestellt wurde. Die UN Arbeitsgruppe zu erzwungenen Verschwinden durfte ihren ersten Besuch im Land abhalten, allerdings weigerten sich wichtige Amtsträger sich mit ihr zu treffen (AI 5.2013). Berichte zu außergerichtlichen Verhaftungen, in einigen Fällen mit Folter und Todesfällen sowie Fälle von "Verschwinden lassen" gibt es auch aus der pakistanisch verwalteten Kaschmir Region (FH 1.2013).

Außergerichtliche Tötungen kommen vor allem in Form der so genannten "police encounters" vor, d.h. bei Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Straftätern und der Polizei, die mit dem Tod des mutmaßlich Straffälligen enden. Als Begründung führt die Polizei regelmäßig an, dass die Opfer versuchten, aus dem Polizeigewahrsam zu flüchten oder bei ihrer Verhaftung von der Schusswaffe Gebrauch gemacht hätten. Willkürliche Festnahmen kommen insbesondere aufgrund der weit verbreiteten Korruption innerhalb der Polizei vor. Selbst bei offensichtlich unbegründeten Beschuldigungen kann eine lange Inhaftierung erfolgen, ohne dass es dabei zu einer Haftprüfung kommt. Beispiel hierfür sind die Blasphemiefälle. Die Regierung des Punjab hat verstärkt Haftprüfungen in den Gefängnissen der Provinz durchführen lassen, um bei Bagatelldelikten und überlanger Untersuchungshaft Abhilfe zu schaffen. Auch die Sicherheitsdienste greifen in Fällen mit terroristischem Hintergrund oder in Fällen von Landesverrat auf willkürlichen und rechtswidrigen Gewahrsam zurück (AA 2.11.2012).

Der Senat und die Ständigen Komitees der Nationalversammlung zu Recht, Justiz, Minderheiten und Menschenrechte hielten Anhörungen zu einer breiten Reihe von Problemen ab. Sie dienten als nützliches Forum, um das öffentliche Bewusstsein für solche Probleme zu wecken, doch ihre Tätigkeit war nicht viel mehr als eine breite Übersicht über die Problematiken (USDOS 19.4.2013).

Die Wahlen vom Mai 2013 brachten einen historischen Übergang von einer demokratisch gewählten Regierung zu einer anderen. Pakistan hat beeindruckende Fortschritte unter herausfordernden Umständen seit der Wiedererrichtung der Demokratie erreicht, um diese Fortschritte zu halten, so Human Rights Watch, muss Menschenrechtsverletzungen Einhalt geboten werden (HRW 23.8.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan vom 2.11.2012, Stand: September 2012

AA - Auswärtiges Amt (10.2013a): Pakistan, Staatsaufbau/Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html #doc344388bodyText3, Zugriff 14.10.2013

AI - Amnesty International (5.2013): Annual Report 2013, The state of the world's human rights, Pakistan, http://www.amnesty.org/en/region/pakistan/report-2013 , Zugriff 2.9.2013

HRW - Human Rights Watch (23.8.2013): Pakistan: 10 Steps to Improve Human Rights,

http://www.hrw.org/news/2013/08/23/pakistan-10-steps-improve-human-rights , Zugriff 23.9.2013

FH - Freedom House 1.2013 Freedom in the World 2013, Pakistani Kashmir,

http://www.freedomhouse.org/report/freedom-world/2013/pakistani-kashmir , Zugriff 24.10.2013

USDOS - US Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Pakistan, http://www.refworld.org/docid/517e6df418.html , Zugriff 15.10.2013

USDOS - US Department of State (20.5.2013): International Religious Freedom Report for 2012 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/247481/371066_de.html , Zugriff 15.10.2013

Meinungs- und Pressefreiheit

Die Medienlandschaft ist breit und pluralistisch. In den letzten Jahren haben sich 75 private Fernsehsender neu etabliert, es gibt neue online-Magazine und neue Radiostationen. Selbst in den FATA an der Grenze zu Afghanistan gab es Ende 2011 trotz der schwierigen und gefährlichen Arbeitsbedingungen für Journalisten mindestens zwölf Presse-Clubs in Selbstorganisation mit dem Ziel, auch aus dieser Region die Medienberichterstattung zu verbessern. Die zahlreichen Medien können weitgehend frei berichten, Kritik an der Regierung ist möglich und verbreitet (AA 2.11.2012). Unabhängige Medien verleihen einer Vielzahl an Ansichten Ausdruck, Journalisten kritisieren oft die Regierung. Themen, über die früher nicht berichtet wurde (z.B. Verfolgung von Minderheiten), werden behandelt. Es gibt eine Vielzahl von unabhängigen englisch-, urdu- und regionalsprachigen Zeitung und Magazinen. Private Kabel- und Satellitenkanäle strahlen heimische Nachrichten aus und sind gegenüber der Regierung kritisch. Um in Azad Kaschmir zu publizieren, benötigt man eine Erlaubnis des Kaschmir Rates und des Ministeriums für Kaschmir Angelegenheiten (USDOS 19.4.2013).

Das Gesetz gewährt Rede- und Pressefreiheit, aber es gibt etwas Zensur. Es gab Fälle, bei denen die Regierung private Fernsehsender schloss, und die Ausstrahlung bestimmter Programme blockierte. Die diesbezüglichen Gesetze sind laut den Sendeanstalten vage und lassen Raum für Missbrauch. Außerdem führen Drohungen, Gewalt und Tötungen dazu, dass Journalisten und Redakteure Selbstzensur praktizieren (USDOS 19.4.2013). Ernste Drohungen von Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen gab es in erster Linie in Belutschistan, Sindh und den nordwestlichen Stammesgebieten (AI 5.2013). In Einzelfällen berichten Journalisten über Repressionen durch Regierungsstellen, dies betrifft vor allem Reaktionen auf Fälle von investigativem Journalismus gegenüber einzelnen Regierungsmitgliedern. Nicht geduldet wird auch eine ein bestimmtes Maß überschreitende Kritik an der Institution des Militärs oder den Sicherheitsdiensten. In diesen Fällen sehen sich Journalisten Repressionen ausgesetzt (AA 2.11.2012; vgl. AI 5.2013). Ein Klima von Angst erschwert somit die Berichterstattung über das Militär und über militante Gruppen. Journalisten berichten selten über vom Militär begangene Menschenrechtsverletzungen bei Anti-Terroroperationen (HRW 31.1.2013; vgl. USDOS 19.4.2013). Einschüchterungen oder Gewalt gehen auch von politischen Parteien aus (USDOS 19.4.2013).

Die Hauptgefahr für die Meinungsfreiheit und die freie Betätigung der Medien geht von nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen wie den Taliban und mit ihnen verbündeten Gruppen sowie anderen religiös-extremistischen Gruppen aus. Sie setzen Morde, Entführungen und Einschüchterungen, auch gegenüber Familienangehörigen, ein, um missliebige Journalisten zu beseitigen oder mundtot zu machen. In von Taliban kontrollierten Gebieten ist eine Taliban-kritische Berichterstattung unmöglich, in den übrigen Landesteilen werden Taliban-kritische Journalisten gezielt bedroht und eingeschüchtert. Viele Journalisten aus der Provinz Khyber Pakhtunkhwa oder den FATA sind in die Städte Karachi, Lahore oder Islamabad geflohen und arbeiten von dort aus. Auch in Belutschistan ist die freie Betätigung der Presse sehr eingeschränkt und sehen sich Journalisten Drohungen und Einschüchterungen ausgesetzt. Urheber sind zumeist nichtstaatliche bewaffnete Gruppen oder kriminelle Banden. Insgesamt wurden 2011 landesweit mindestens zehn Journalisten getötet, vor allem in Belutschistan, Khyber-Pakhtunkhwa und den FATA (dort zwölf in den vergangenen zehn Jahren) (AA 2.11.2012; vgl. USDOS 19.4.2013; HRW 31.1.2013).

Laut dem Committee to Protect Journalists wurden 2012 7 Journalisten in Pakistan getötet, laut Reportern ohne Grenzen 10, laut Asia Media Commission 13 (USDOS 19.4.2013). Laut HRW wurden acht Journalisten in Pakistan während des Jahres 2012 getötet. Dahingegen ging die Zahl an Einflussnahmen durch Behördenvertreter gegenüber regierungskritischen Journalisten auch dieses Jahr, wie jedes seit der Rückkehr zu einer Zivilregierung, weiter zurück (HRW 31.1.2013).

Art. 19 der Verfassung garantiert die Meinungsfreiheit, stellt sie jedoch unter einen Gesetzesvorbehalt. Einschränkungen der Meinungsfreiheit sind danach zulässig zum Schutz der Integrität, Sicherheit oder Verteidigung von Pakistan oder zum Schutz des Islam ("in the interest of the glory of Islam") (AA 2.11.2012; vgl. USDOS 19.4.2013). Die Blasphemiegesetze schränken die Rechte des Individuums auf freie Meinungsäußerung in Bezug auf religiöse Glaubenssätze ein. Politische Aktivitäten stehen unter Beobachtung der Regierung. Die Staatsbürger können die Regierung öffentlich oder privat kritisieren, doch Kritik am Militär ist eingeschränkt. Mitglieder von Studierendenorganisationen mit Kontakten zu politischen Parteien erzeugen eine Atmosphäre der Gewalt und Intoleranz, welche die akademische Freiheit ihrer Kommilitonen beeinträchtigt (USDOS 19.4.2013). In Azad Kaschmir sind politische Dissidenten Objekt von Überwachung, Belästigung und manchmal auch von Verhaftungen durch pakistanische Sicherheitskräfte (FH 1.2.3013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

AI - Amnesty International (5.2013): Annual Report 2013, The state of the world's human rights, Pakistan, http://www.amnesty.org/en/region/pakistan/report-2013 , Zugriff 2.9.2013

FH - Freedom House 1.2013 Freedom in the World 2013, Pakistani Kashmir,

http://www.freedomhouse.org/report/freedom-world/2013/pakistani-kashmir , Zugriff 24.10.2013

HRW - Human Rights Watch (31.1.2013): World Report 2013 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/237129/360003_de.html , Zugriff 15.10.2013

USDOS - US Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Pakistan, http://www.refworld.org/docid/517e6df418.html , Zugriff 15.10.2013

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit / Opposition

Die Versammlungsfreiheit wird durch die Verfassung garantiert, kann aber aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eingeschränkt werden. Dies äußert sich teilweise durch die Anordnung von Sicherheitsverwahrung und durch massiven Gewalteinsatz der Polizei gegenüber Demonstranten. 2011 richtete sich eine wachsende Zahl von Demonstrationen gegen die sich ausweitende Energiekrise, einige Demonstrationen schlugen in Gewalt um. Nach Angaben der HRCP (Human Rights Commission of Pakistan) sollen bei der gewaltsamen Auflösung von Demonstrationen durch die Polizei 2011 mindestens zwölf Menschen ums Leben gekommen und 343 verletzt worden sein (AA 2.11.2012). Versammlungen von mehr als vier Personen können von den Distriktbehörden untersagt werden, wenn keine polizeiliche Genehmigung vorliegt. Das Gesetz erlaubt es der Regierung, alle Arten von Versammlungen, außer Begräbnisprozessionen, aus Sicherheitsgründen zu verbieten (USDOS 19.4.2013).

Das Recht auf Versammlungsfreiheit wird auch durch die Gefahr terroristischer Anschläge eingeschränkt, da der Staat nicht in der Lage ist, angemessenen Schutz zu gewähren (AA 2.11.2012).

Eine Einschränkung der politischen Opposition findet nicht statt. Politische Auseinandersetzungen werden jedoch vor allem in Karachi zum Teil gewalttätig ausgetragen (AA 2.11.2012).

Ein Maßnahmenpaket der Regierung zur Verbesserung der Situation in Belutschistan beinhaltet auch die Bereitschaft zum Dialog mit belutschischen Nationalisten. Dennoch ist es bislang noch zu keiner grundlegenden Verbesserung der politischen Situation in Belutschistan gekommen; die politisch motivierten Gewalttaten gehen weiter. 2011 wurde der Geltungsbereich der Political Parties Act auf die "Stammesgebiete" ("Federally Administered Tribal Areas", FATA) ausgedehnt. Seitdem dürfen - erstmals in der Geschichte Pakistans - politische Parteien dort aktiv werden (AA 2.11.2012). Der Geheimdienst Inter-Services Intelligence Directorate führt in der pakistanisch verwalteten Kaschmir Region ausführliche Überwachung, insbesondere von Unabhängigkeitsgruppen durch. Die Polizei unterdrückte in Azad Jammu und Kaschmir in den letzten Jahren regelmäßig Demonstrationen gegen die Regierung, in manchen Fällen auch mit Gewalt (FH 1.2013).

Die TTP (Pakistanische Taliban) warnte in der Vorwahlzeit vor Anschlägen auf "säkulare Parteien", wie das Muttahida Qaumi Movement (MQM), die Pakistan People's Party (PPP) und die Awami National Party (ANP) (Dawn 14.4.2013). Drohungen der Taliban schwächten die Wahlkampagnen von ANP, PPP, und MQM. Ein Sprecher der Taliban warnte in der Vorwahlzeit, dass pakistanische Wähler den Veranstaltungen dieser säkularen Parteien fern bleiben sollten. Die ANP, welche die Provinzregierungskoalition in Khyber Pakhtunkhwa führte, war am stärksten betroffen. Sie hat ihre Hauptbasis in Khyber Pakhtunkhwa, aber auch große Unterstützung in Karatschi. Alle drei Parteien waren in der Regierungskoalition. Die eingeschränkten Zugangsmöglichkeiten zu den Wählern machten es für diese Parteien schwierig ihre Unbeliebtheit, die sie während ihrer Regierungszeit erlangten, auszugleichen. Schränkte früher bei den Wahlen 2002 die Militärherrschaft säkulare Parteien ein - übernahmen dies bei den Wahlen 2013 die Taliban (BBC 5.4.2013). Die ANP musste herbe Verluste hinnehmen und errang nur einen Sitz in der Nationalen Versammlung, während es bei den Wahlen 2008 10 Sitze waren (TNI 14.5.2013). Durch die Nachwahl in einigen Distrikten gewann sie einen weiteren hinzu (Geo.Tv 23.8.2013).

Nach einem Anschlag mit Schusswaffen und Sprengstoff auf ein Büro der ANP im Gulshan-e-Bunair Gebiet im Juli in Karatschi schloss die ANP ihre Büros in der ganzen Stadt. 2 ANP Aktivisten wurden getötet. Die ANP hatte angenommen, dass nach den Wahlen keine Anschläge mehr folgen würden und die Sicherheitsvorkehrungen herunter gefahren (TET 23.7.2013). Die ANP ist eine Partei, die auf paschtunisch-ethnischer Zugehörigkeit basiert. Sie war Juniorpartner in der vorigen Föderalregierung und hielt die Macht in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa. Über 100 ihrer Mitglieder wurden durch die Taliban seit 2008 getötet, sie ist das Hauptziel der Taliban unter den politischen Parteien (RFI 29.4.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

BBC (5.4.2013): Pakistan election: Taliban threats hamper secular campaign, http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-22022951 , Zugriff 16.9.2013

Dawn (14.4.2013): TTP attack kills ANP leader in Swat, injures candidate in Charsadda,

http://dawn.com/2013/04/14/anp-candidate-killed-in-swat-ied-blast/ , Zugriff 30.9.2013

Geo.Tv (23.8.2013): By-polls - PML-N wins five NA seats, PPP three, PTI two,

http://www.geo.tv/article-114897-By-polls-PML-N-wins-five-NA-seats-PPP-three-PTI-two , Zugriff 9.10.2013

RFI - Radio France International (29.4.2013): Awami National Party - Pashtun party seeks national role, http://www.english.rfi.fr/asia-pacific/20130429-awami-national-party , Zugriff 16.9.2013

TET - The Express Tribune (23.7.2013): Awami National Party shuts down offices across Karachi following attack, http://tribune.com.pk/story/580512/awami-national-party-shuts-down-offices-across-karachi-following-attack/ , Zugriff 16.9.2013

TNI - The News International (14.5.2013): Election results shock ANP workers and leaders alike,

http://www.thenews.com.pk/Todays-News-2-177237-Election-results-shock-ANP-workers-and-leaders-alike , Zugriff 8.10.2013

USDOS - US Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Pakistan, http://www.refworld.org/docid/517e6df418.html , Zugriff 15.10.2013

Haftbedingungen

Das Verhältnis der Zahl der Strafgefangenen zur Gesamtbevölkerung (geschätzt auf 164,6 Mio.) liegt bei 50:100.000 und ist damit gering. Ungefähr 74% der Häftlinge sind nicht zuletzt wegen der allgemein überlangen Verfahrensdauer Untersuchungshäftlinge; Mitte 2011 waren landesweit rund 1,35 Mio. unerledigte Strafverfahren anhängig. Dabei übersteigt die Dauer der Untersuchungshaft nicht selten das zu erwartende Strafmaß. Von der Möglichkeit, Untersuchungshäftlinge auf Kaution frei zu lassen, wird selten Gebrauch gemacht. Viele Untersuchungshäftlinge verfügen nicht über die finanziellen Möglichkeiten zur Stellung einer Kaution. Abhilfe soll hier der am 18.4.2011 vom Staatspräsidenten unterzeichnete Code of Criminal Procedure (Amendment) Act 2011 schaffen, der die Möglichkeiten der Entlassung von Untersuchungsgefangenen sowie von Strafgefangenen in überlangen Berufungsverfahren auf Kaution regelt (AA 2.11.2012).

Die Haftbedingungen sind oft sehr schlecht und entsprechen nicht internationalen Standards. Dies gilt verstärkt für Strafgefangene, die zum Tode verurteilt wurden. Nach Feststellung von UNODC und Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) sind die Grundrechte der Strafgefangenen, insbesondere auf körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde, nicht gewahrt. Menschenrechtsgruppen, welche die Haftbedingungen kontrollierten, fanden sexuellen Missbrauch, Folter und überlange Untersuchungshaft vor. Manchmal folterte und misshandelte die Polizei Personen in Haft und manchmal wurden außergerichtliche Tötungen durchgeführt (USDOS 19.4.2013). 2011 wurden mindestens 92 Todesfälle bei Strafgefangenen verzeichnet; mindestens 99 Strafgefangene wurden verletzt. Es gibt glaubhafte Berichte über Folterung und über erniedrigende Behandlung von Strafgefangenen. Entsprechend zahlreich waren auch 2011 Gefängnisrevolten; die pakistanische Menschenrechtskommission verzeichnet in ihrem Jahresbericht für 2011 sechs größere Gefängnisrevolten landesweit. Eine leichte Verbesserung gab es 2011 lediglich bei den Ausbildungsprogrammen für Strafgefangene. Gefangene, soweit sie nicht durch Bestechung des extrem korruptionsanfälligen Wachpersonals ihre Haftbedingungen verbessern können, sind in Blöcken mit ca. 50 Personen pro Schlafsaal inhaftiert. Betten und Matratzen sind nicht vorhanden und dürfen auch nicht mitgebracht werden. Die Gefangenen schlafen in Wolldecken eingewickelt auf dem Betonboden (AA 2.11.2012).

Unzureichende medizinische und Nahrungsversorgung in den Gefängnissen führte zu chronischen Gesundheitsproblemen und Unterernährung bei jenen, die nicht in der Lage waren, ihre Nahrung mit Hilfe von Familie oder Freunden zu ergänzen. Einrichtungen für Hygiene, Belüftung, Beleuchtung und Trinkwasserzugang waren inadäquat. Es existierte ein System für grundlegende medizinische Versorgung und Notfallversorgung aber dieses funktionierte nicht immer effektiv (USDOS 19.4.2013).

Haftanstalten sind chronisch überbelegt. Dies gilt insbesondere für die Gefängnisse im Punjab. Die landesweit 97 vorhandenen Einrichtungen sind für rund 42.000 Gefangene ausgelegt, tatsächlich waren dort aber rund 83.000 Personen (Stand Oktober 2009) untergebracht; die Überbelegungsquote liegt bei 194%. Mit Verabschiedung der "National Judicial Policy" 2009 wurde zwar versucht, u.a. durch konsequentere Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen zur Entlassung auf Kaution und zur Bewährung das Problem der Überbelegung der Gefängnisse in den Griff zu bekommen; eine deutliche Verbesserung der Lage war aber auch 2011 noch nicht festzustellen. (AA 2.11.2012). Eine andere Quelle - SHARP, eine NGO für Gefängnisinsassen - schätzte, dass 97.850 Personen in Haft waren bei einer landesweiten Kapazität der Gefängnisse von 36.000. Zwar konnte die Zahl der Häftlinge durch Umsetzung der Justizpolitik von 2009 und die Abarbeitung von Fällen stark reduziert werden, allerdings blieb Überfüllung ein Problem (USDOS 19.4.2013).

Es gibt eigene Frauengefängnisse, bei gemischten Gefängnissen sind Frauen- und Männerabteilungen voneinander getrennt. Die Zahl der weiblichen Strafgefangenen belief sich 2011 auf rund 900, von denen 408 in Untersuchungshaft und 149 zum Tode verurteilt waren. Wenn auch nicht in gleichem Grad wie bei den übrigen Haftanstalten, gibt es auch in den Einrichtungen für Frauen schlechte Haftbedingungen unter unzureichenden hygienischen Bedingungen und mangelhafter medizinischer Versorgung (AA 2.11.2012).

Jugendliche Straftäter waren oft in den gleichen Einrichtungen untergebracht wie Erwachsene, allerdings in anderen Abteilungen, wobei diese aber in Kontakt kamen und sie oft Opfer von Gewalt, Missbrauch oder Vergewaltigung wurden (USDOS 19.4.2013). Jugendgefängnisse existieren nicht. 2011 gab es rund 1.200 jugendliche Strafgefangene; davon waren nur 125 (8,3%) rechtskräftig verurteilt (AA 2.11.2012).

Rechtlich ungeklärt ist die Lage der ca. 2.500 Gefangenen aus den militärischen Operationen im Swat-Tal und in Süd-Wasiristan, die sich in der Gewalt des Militärs befinden. Zum einen fehlt es an einer eindeutigen auf ihren Fall anwendbaren Strafgesetzgebung, zum anderen gibt es weder ordentliche Strafanstalten noch ein funktionierendes Justizwesen in den vom Militär befreiten Gebieten. Das Militär hat im Swat Tal zur Rehabilitation radikaler Moslems vier "Deradikalisierungszentren", zwei für Männer und je eins für Frauen und Heranwachsende, eingerichtet. In dreimonatigen Kursen werden psychiatrische Behandlung und religiöse Unterweisung angeboten (AA 2.11.2012).

Es gibt einen Ombudsmann für Häftlinge mit einem Zentralbüro in Islamabad und einem in jeder Provinz. Obwohl ein Beschwerdesystem für Gefangene existierte, um Missstände aufzuzeigen, funktionierte dieses nicht effektiv. Nach einer Beschwerde muss der Beschwerdeführer im gleichen Gefängnis verbleiben, weshalb Gefangene schweigen. Inspektoren besuchen die Gefängnisse, allerdings nicht regelmäßig. Das Internationale Rote Kreuz durfte keine Gefängnisse in den Konfliktgebieten Khyber Pakhtunkhwa, FATA und Belutschistan besuchen, die Regierungen von Sindh, Gilgit-Baltistan und Azad Kaschmir erlauben dem Roten Kreuz unabhängiges Monitoring in Zivilgefängnissen, im Punjab stellte das Rote Kreuz die Kontrolle der Gefängnisse ein, da der Zugang nicht regelmäßig war. Behörden auf lokaler, Provinz- und nationaler Ebene erlauben einigen Menschenrechtsgruppen und Journalisten die Gefängnisbedingungen für jugendliche und weibliche Häftlinge zu beobachten (USDOS 19.4.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

USDOS - US Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Pakistan, http://www.refworld.org/docid/517e6df418.html , Zugriff 15.10.2013

Todesstrafe

Bei Verwirklichung von 27 verschiedenen Straftatbeständen kann die Todesstrafe verhängt werden, darunter Mord, Anstiftung zum Mord, Hochverrat, Spionage, Blasphemie (falls der Tatbestand der Prophetenbeleidigung gegeben ist), Besitz von und Handel mit mehr als 1 kg Rauschgift, gemeinschaftlich begangene Vergewaltigung, terroristischer Anschlag mit Todesfolge und Internet-Terrorismus ("cyber terrorism") mit Todesfolge. Zwingend vorgeschrieben ist sie bei Mord, Vergewaltigung und Blasphemie (falls der Tatbestand der Prophetenbeleidigung verwirklicht ist). Der unter die Todesstrafe gestellte Strafenkatalog geht weit über den nach dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte gesetzten Rahmen hinaus. Die Todesstrafe wird in Pakistan weiterhin verhängt, seit September 2008 ist sie wegen eines Moratoriums jedoch nicht mehr vollstreckt worden. (AA 2.11.2012) Im November 2012 allerdings ließen Militärbehörden Muhammad Hussain hinrichten. Ihm wurden drei Morde zur Last gelegt. Gnadengesuche des Armeechefs und des Präsidenten waren abgelehnt worden. Damit wurde erstmals seit 2008 wieder ein Todesurteil in Pakistan vollstreckt. Die [damalige] Regierung distanzierte sich von der Entscheidung der Militärbehörden, das Todesurteil zu vollstrecken. Auch wenn es durch die Militärbehörden durchgeführt wurde, befürchten Aktivisten, dies könnte das Tor zur Wiederaufnahme von Hinrichtungen öffnen. Mehr als 8.300 Menschen saßen 2012 in der Todeszelle, einige von ihnen bereits seit zwei bis drei Jahrzehnten. Im Laufe des Jahres wurden 242 Todesurteile ausgesprochen (AI 5.2013).

In Revisionsverfahren wird die Todesstrafe oft in lebenslange Freiheitsstrafen, die gesetzlich auf 25 Jahre begrenzt sind, umgewandelt, insbesondere bei Verurteilungen wegen Mordes bei Zustimmung der Familie des Opfers. Während sich insbesondere Menschenrechtsgruppen für die Abschaffung der Todesstrafe aussprechen, gibt es erhebliche Widerstände seitens islamischer Kleriker sowie aus Teilen der Bevölkerung (AA 2.11.2012).

Die [neue] Regierung unter Nawaz Sharif hatte Anfang August 2013 eine Wiederaufnahme von Exekutionen angekündigt. Nach Kritik durch NGOs und der EU wurden die geplanten Exekutionen offiziell ausgesetzt und damit das Moratorium, das im Land seit 5 Jahren besteht, bestätigt (Agenzia Fides 29.8.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

Agenzia Fides (29.8.2013): Sharif's Pakistan stops the executioner, http://www.fides.org/en/news/34186-ASIA_PAKISTAN_Sharif_s_Pakistan_stops_the_executioner , Zugriff 12.9.2013

AI - Amnesty International (5.2013): Annual Report 2013, The state of the world's human rights, Pakistan, http://www.amnesty.org/en/region/pakistan/report-2013 , Zugriff 2.9.2013

Religionsfreiheit

Laut CIA World Factbook mit Stand Juli 2013 sind 96,4 % der rund 193 Millionen Pakistanis (Schätzung) offiziell Muslime, davon 85-90 % Sunniten und 10-15% Schiiten (CIA 11.9.2013). Anhand der letzten Volkszählung von 1998 geben USDOS und BAMF die Aufteilung mit 75 % Sunniten und 25 % Schiiten an (USDOS 20.5.2013, BAMF 8.2011). Weniger als 5 % machen Hindus, Christen, Zoroastrier, Bahais, Sikhs, Buddhisten, Ahmadis und weitere Gruppen wie Kalasha, Kihal und Jainisten aus (USDOS 20.5.2013).

Der Secretary des Ministerium für Nationale Harmonie geht von circa 10 Millionen Minderheitenangehörigen aus, vier Millionen Christen, drei Millionen Hindus, 20.000 Sikhs, dazu Bahais und Parsen sowie Ahmadis. Insgesamt ist die Zahl der Nicht-Muslime in Pakistan stark zurückgegangen, bei der Staatsgründung machten sie noch 29 % der Bevölkerung aus, 1970 10 % und bei der letzten Volkszählung 1998 waren dies nur noch 3 %. Es ist nicht klar, ob dies auf Konversionen, Abwanderungen oder unterschiedliches Bevölkerungswachstum zurückgeführt werden könnte. Möglich ist auch, dass bei der Volkszählung der Anteil der Minderheiten nach unten redigiert wurde, um diesen weniger politische Repräsentation zugestehen zu müssen (BAA 6.2013).

Artikel 227 der Verfassung besagt, dass alle Gesetze mit den Regeln des Islams konform sein müssen, wobei der Artikel auch dezidierten Schutz der Rechte von Nicht-Muslimen vorsieht (Murad Ullah 1.-2.10.2012, vgl. USDOS 20.5.2013).

Obwohl die Verfassung die Einrichtung adäquater Regelungen zum Schutz der religiösen Minderheiten und der freien Ausübung ihrer Religionen verlangt, begrenzen andere Bestimmungen der Verfassung und weiterer Gesetze diese Rechte. Die Verfassung und andere Gesetze schränken somit die Religionsfreiheit ein. In der Praxis setzte die Regierung diese Einschränkungen auch durch, insbesondere gegenüber Ahmadis. Die Verfassung erklärt den Islam zur Staatsreligion. Aufgrund einer diskriminierenden Gesetzgebung waren Minderheitenangehörige oft verängstigt, ihre Religion frei auszuüben und die Politik der Regierung bietet den Angehörigen der Minderheitenreligionen nicht denselben Schutz wie den Mehrheitsreligionsgruppen. Es gibt weiterhin Missbrauch der Blasphemie-Gesetzregelungen und anderer Gesetze, wie der "Anti-Ahmadiyya" genannten Gesetzesregelungen (USDOS 20.5.2013, vgl. BAMF 8.2011). Diese Gesetze diskriminieren religiöse Minderheiten und bieten Anlass zur Strafverfolgung, wobei hier insbesondere die Strafandrohungen gegen die Ahmadiyya-Gemeinschaften zu nennen sind, die zudem auch bei der Ausübung ihres religiösen Glaubens behindert werden (AA 2.11.2012). Religiöse Minderheiten waren überproportional von Vorfällen betroffen, in denen private Individuen versuchten, die vage formulierten Blasphemiegesetze missbräuchlich gegen sie zu verwenden (AI 5.2013).

Es gibt keine offizielle Einschränkung zur Errichtung von Glaubensstätten, doch Behörden auf Distriktebene verweigerten regelmäßig die Genehmigung zur Errichtung von Glaubensstätten, insbesondere für Ahmadis. Minderheitenvertreter werfen Behörden Untätigkeit bei Übergriffen von Extremisten auf ihre Gebetsstätten vor. Die Religionszugehörigkeit wird in Pässen angegeben und bei einem Antrag auf eine Identitätskarte wird danach gefragt (USDOS 20.5.2013).

Angehörige religiöser Minderheiten wie Ahmadi, Hindu und Christen erfahren ein beträchtliches Risiko, wegen ihres Glaubens eingeschüchtert und gewaltsam angegriffen zu werden (AI 5.2013). Es gab viele Angriffe auf Versammlungen und religiöse Plätze von Ahmadis, Hindus, Sufis, Schiiten und Christen bei denen es zahlreiche Tote und große Zerstörungen gab. Es kam vermehrt zu Mobgewalt und Selbstjustiz (USDOS 20.5.2013). Die Lage der religiösen Freiheit hat sich im Berichtszeitraum verschlechtert (USCIRF 30.4.2013).

Minderheiten sind ein Ziel von Extremisten. Die Taliban haben eine repressive Interpretation des Islams, die Situation für Nicht-Muslime stuft die Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) deshalb als kritisch ein. Kritischer sei sie allerdings für jene Muslime, bei denen sie denken, dass sie vom Glauben abgefallen sind. Die terroristische Gewalt zielt besonders auf Schiiten. UNHCR nennt die Lage der religiösen Minderheiten als eines der gröbsten Menschenrechtsprobleme Pakistans, insbesondere die Lage der Hazara, unter anderem aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Schiitentum. Gezielte Tötungen betreffen vor allem lokal bekannte Personen, die z.B. einflussreiche Positionen in ihrer Gemeinschaft haben oder angesehene Berufe, wie Ärzte und Rechtsanwälte. Durch die Anschläge der Terroristen entsteht Misstrauen zwischen den Religionen (BAA 6.2013, vgl. AA 10.2013a).

Es gibt eine "Infrastruktur" von Hass und Gewalt - Zentren von Intoleranz, Organisationen die Hass verbreiten, Institutionen, die sie schützen sowie Interessensgruppen, die sich ökonomischen Vorteil aus der Diskriminierung von Minderheiten erwarten, führt der Vertreter der NCJP [National Commission for Justice and Peace] aus. Die NRJP geht davon aus, dass eigentlich Extremisten hinter Ausschreitungen stehen. Auch gibt es den Verdacht, dass hinter den Vorwürfen zu Blasphemie gegen Christen, Versuche einflussreicher Personen oder Gruppen stehen, sich Land anzueignen Einige lokale Führer zündeln und hetzten eine Menschenmenge auf. Es ist ein "Checks and Balance", eine Kontrolle der Moscheen notwendig, aber es mangelt an politischem Willen (BAA 6.2013).

Per Gesetz ist es Madrassen verboten interkonfessionellen oder interreligiösen Hass oder Gewalt zu propagieren. In der Praxis gibt es allerdings Kleriker, die Intoleranz predigen. Außerdem gibt es - wenige, aber einflussreiche - Madrassen, an welchen Gewalt oder Extremismus gepredigt werden. Um dies zu drosseln wurde 2002 vorgeschrieben, dass sich Madrassen in einem von fünf Verbänden registrieren lassen müssen und keine Finanzierung aus dem Ausland annehmen dürfen (USDOS 20.5.2013).

Im Alltag ist die Kommunikation relativ unproblematisch zwischen den Religionen, dies bestätigen alle Interviewpartner. Man heiratet häufig untereinander, versteht sich, lebt friedlich. Aber die Situation ist labil, so die Deutsche Botschaft. Wenn sich ein Vorfall ereignet und jemand die Leute aufhetzt, kann es zu Ausschreitungen kommen. Seit der Anwendung des § 295 C gegen Blasphemie traten zwei bis drei Vorfälle von Ausschreitungen auf, so wie im März 2013 gegen die christliche Gemeinde in Lahore. Die HRCP gibt an, dass trotz des grundsätzlich friedlichen Alltags die Gewaltvorfälle und die Spannungen zunehmen. Neben vereinzelten Ausschreitungen gegen christliche Siedlungen richten sich Demonstrationen mit Hetzkampagnen bestimmter extremistischer Gruppen immer wieder gegen Ahmadis. Es gäbe allerdings mehr Spannungen unter den Muslimen als zwischen Muslimen und den Minderheiten. Daneben kommt es auch immer wieder zu kleineren Gewaltakten gegen Einrichtungen und Glaubensstätten der Minderheiten. Die NCJP hat für 2012 für alle nicht-muslimische Minderheiten neun solcher Vorfälle gesammelt, in denen Gräber geschändet, sowie Kirchen, Tempel und Ahmadiyya Moscheen vandalisiert wurden, darunter die Brandstiftung an einer Kirche in Mardan, Khyber Pakhtunkhwa, im Zuge der Proteste gegen einen Mohammed beleidigenden US-Film (BAA 6.2013).

Bei Drohungen kümmert sich die Polizei oft nicht darum. Allgemein gibt es eine schlechte Performance der Polizei bei solchen Vorfällen, sie steht eher daneben, als dass sie eingreifen würde. Für die NCJP stellt sich die Lage so dar, dass Gewaltakte durch eine aufgebracht Menschenmenge ausbrechen können, da die Gewalttäter meistens nicht bestraft werden und damit eine abschreckende Wirkung fehlt. Das Rechtssystem ist für jeden gleich, meint allerdings HRCP, aber es gibt große Problemstellungen, die Polizei untersucht oft nicht genau. Bei Prozessionen, wie Palmsonntagprozessionen, werden als Prävention allerdings Polizeischutzmaßnahmen ergriffen (BAA 6.2013).

Gewalttäter gehen aufgrund von Korruption, lokalen Feudalstrukturen und der Ineffizienz der Justiz häufig straffrei aus (AA 10.2013a). Die begrenzte Kapazität und Willen der Regierung Täter der steigenden extremistischen Übergriffe gegen Minderheiten und Personen, die sich für Toleranz einsetzen, zu verfolgen, ließ ein Klima von Straflosigkeit zu (USDOS 20.5.2013).

Die religiöse Intoleranz hat zugenommen. Die Mehrheit befürwortet jedoch Toleranz und ist gegen Extremisten. Die Menschen wählen säkulare Parteien. Das Land hat auch positive Veränderungen in diesem Bereich gesehen. Bis vor einigen Jahren konnte man kaum über interreligiöse Toleranz sprechen. Schon Musharraf versuchte zu de-islamisieren, zwar nicht erfolgreich, doch der Prozess wurde durch die PPP forciert. Es ist heute möglich, vieles zu diskutieren, was vorher nicht ging. Es gibt unterschiedliche Organisationen in Pakistan, die für Toleranz und Zusammenarbeit zwischen den Religionen arbeiten (BAA 6.2013).

Im Alltag gibt es keinen aktiven Konflikt, aber es gibt Diskriminierung und Ungleichheit und dies ist die Basis für Disharmonie. Minderheiten treffen auf Diskriminierung im wirtschaftlichen und sozialen Bereich, in Bildung, Gesundheit und Regierung. Die Diskriminierungen gehen allerdings nicht in die Richtung einer tatsächlichen Abgrenzung (BAA 6.2013). Die meisten Minderheitengruppen, außer Schiiten, berichteten von Diskriminierungen bei Anstellungen. Auch der Karriere-Aufstieg von Minderheitenangehörigen im Staatsdienst ist anscheinend begrenzt, insbesondere für Ahmadis (USDOS 20.5.2013).

Die [bis März amtierende] Regierung unternahm einige Schritte um die interreligiöse Toleranz zu fördern (USCIRF 30.4.2013).

Das Nationale Ministerium für Interreligiöse Harmonie bzw. sein Vorgänger das Ministerium für Minderheiten wurde eigens für religiöse Minderheiten eingerichtet. Für die religiösen Belange der Muslime (Sunniten und Schiiten, die als Muslime nicht als Minderheit, sondern Teil der Mehrheit gelten) ist das Ministerium für religiöse Angelegenheiten zuständig. Hauptanliegen des Ministeriums für Harmonie ist die Förderung der Minderheiten und der interreligiösen Toleranz. Als spezielles Programm für Minderheiten gibt es ein eigenes Budget für die soziale Wohlfahrt und finanzielle Assistenz zur Förderung ärmerer Minderheiten. Der Erhalt und die Renovierung von Glaubensstätten der Minderheiten fallen ebenfalls in die Verantwortlichkeit des Ministeriums. Auf Provinzebene gibt es eigene "Departments of Interfaith". Die meisten funktionieren allerdings noch nicht, die Aufgaben werden noch vom nationalen Ministerium für Harmonie, dem Nachfolger des Minderheitenministeriums ausgeführt. Als Dialogforum zwischen den Religionsgemeinschaften wurde das "National Council of Interfaith Harmony" eingerichtet (BAA 6.2013, vgl. USDOS 20.5.2013).

Die Bildungskampagne ist ein Fokus der NCJP und des Nationalen Ministerium für Harmonie. In der Lehrerausbildung, in den Lehrplänen und Schulbüchern wird versucht vorhandene Diskriminierung zu eliminieren und Toleranz zu fördern. Der Vertreter der PIL betont die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen den religiösen Führern unterschiedlicher Religionen, insbesondere muslimischen. Wenn ein bedeutender, muslimischer geistlicher Führer, wie der Vorsitzende des Pakistan Ulema Council, für interreligiöse Harmonie spricht, findet dies Gehör (BAA 6.2013).

2009 wurde in allen staatlichen Bereichen bei der Anstellung eine 5-Prozent-Quote für Minderheiten eingeführt. Diese wurde allerdings noch nicht erreicht und wird im Land ungleich umgesetzt. Auch auf Distriktebene wurden Komitees zur Interreligiösen Harmonie zur Förderung von Toleranz zwischen den Religionen eingerichtet (USCIRF 30.4.2013).

Im Mai wurde das Gesetz zu Einrichtung einer Nationalen Kommission für Menschenrechte vom Präsidenten unterzeichnet, ein Sitz von 10 in der Kommission soll für einen Vertreter der Minderheiten reserviert sein. Von den 342 Parlamentariern sind 13 Angehörige einer religiösen Minderheit. Im Senat sind vier der 104 Sitze für religiöse Minderheiten reserviert - je einer für jede Provinz. Reservierte Sitze für religiöse Minderheiten bestehen auch in den Provinzversammlungen, drei in Khyber Pakhtunkhwa, acht im Punjab, neun im Sindh und drei in Belutschistan. In den lokalen Regierungen ist ein Minimum von einem Sitz pro Zila (Distrikt) und pro Tehsil (~Bezirk) vorgesehen, in Belutschistan mindestens zwei (USDOS 20.5.2013, vgl. Murad Ullah 1.-2.10.2012).

Für Beschwerden gegen Menschenrechtsverletzung sind in den verschiedenen Provinzen Büros des Ombudsmannes eingerichtet, Verletzungen der Rechte der Minderheiten fallen in ihren Zuständigkeitsbereich (BAA 6.2013).

In Pakistan finden sich nicht nur unterschiedliche Religionen, sondern viele Variationen der muslimischen Identität und der religiösen Intensität. Religiöse Intoleranz findet sich auch zwischen den muslimischen Sekten und innerhalb der sunnitischen Konfession, z.B. zwischen der Barelvi Sekte [auch Ahle Sunnat wal Jama'at], die sehr viel Sufi-Einfluss aufweist, aufgeschlossener ist und die Mehrheit der Pakistanis ausmacht, und der Deobandi, die islamistisch geprägt ist (BAA 6.2013). Die sunnitischen hanafitischen Barelvi Muslime hängen traditionellen Glaubenspraktiken, darunter auch der Verehrung von Heiligen (Sufis) und deren Gräber, an. Die Hanafiten sind mit 50% Anteil an der islamischen Bevölkerung die zahlenstärkste muslimische Gruppe in Pakistan. Die Barelvi werden von den Deobandi und den Ahle Hadith, zwei weiteren sunnitischen Glaubensrichtungen, wegen der Verehrung von Sufi-Heiligen sowie sonstiger Praktiken abgelehnt und von Extremisten unter diesen bekämpft. Auch die Barelvi lehnen die Anschauungen der anderen sunnitischen Sekten ab. Angehörige der sunnitischen hanafitischen Barelvi Muslime und Schiiten werden vielfach Opfer sunnitischer Extremisten, wobei sich diese Vorfälle meist in Städten abspielten. Häufig wurden Selbstmordattentäter auf schiitische Prozessionen angesetzt (BAMF 8.2011).

In Khyber Pakhtunkhwa kommt es zu interkonfessionellen Anschlägen auf Moscheen, in den Stammesgebieten zu Zusammenstößen zwischen schiitischen und sunnitischen Stämmen. In Karatschi setzen sich die Schiiten zur Wehr. Die Sipah-e-Muhammad Pakistan ist z.B. eine schiitische Gruppe, die in Karatschi in gezielte Tötungen an religiösen Führern und Aktivisten der verbotenen, terroristischen sunnitischen Sipah-e-Sahaba involviert ist. In Karatschi finden auch Schießereien zwischen schiitischen und sunnitischen Gangs statt. Im Sindh, außerhalb Karatschis, gibt es wenige interkonfessionelle Zwischenfälle. Im Punjab ebenfalls, aber es gibt dennoch vereinzelte Anschläge auf Schiiten. Interkonfessionelle Gewaltvorfälle sind im Punjab auch zurückgegangen. Schiiten leben vor allem in Lahore. In der Stadt sind die Kontrollen hoch und sie ist relativ unter Kontrolle der Sicherheitskräfte (BAA 6.2013). Klerikern, die als zur Gewalt anstiftend gesehen werden, wird während Muharram die Einreise in viele Distrikte des Punjabs und des Sindhs verwehrt (HRCP 3.2013). Für schiitische Prozessionen wird Polizeischutz zur Verfügung gestellt, dennoch kommt es dabei zu Anschlägen (BAA 6.2013).

Im Jahr 2011 wurden mindestens 389 Personen bei Gewalttaten gegen verschiedene muslimische Konfessionen getötet (HRCP 3.2012).

2012 wurden laut HRCP insgesamt mindestens 531 Menschen bei sektiererischen terroristischen Attacken zwischen den verschiedenen muslimischen Sekten getötet. Hauptsächlich waren davon Schiiten betroffen (HRCP 3.2013). Von den 202 interkonfessionellen terroristischen Akten, die von PIPS im Jahr 2012 aufgezeichnet wurden, zielten um die 60 % auf die schiitische Gemeinde, 30 % auf Sunniten. 395 Angehörige der schiitischen Gemeinde wurden getötet - 73 % aller Opfer interkonfessioneller Gewalt. Anschläge und Zusammenstöße zusammengenommen wurden 213 Vorfälle von Gewalt zwischen den muslimischen Konfessionen mit 563 Todesopfern von PIPS registriert (BAA 6.2013). Circa 85 % aller Vorfälle sektiererischer Gewalt 2012 waren, laut PIPS, gezielte Tötungen (PIPS 4.1.2013). HRW schätzt, dass 2012 mindestens 325 Angehörige der schiitischen Bevölkerung in gezielten Anschlägen in Pakistan getötet wurden, mehr als 100 davon in Belutschistan, die meisten von diesen wiederum Hazara (HRW 31.1.2013). 119 Hazara wurden 2012 in Quetta in gezielten Anschlägen getötet. Die Hazara meinen, die Behörden hätten keinen Willen sie zu beschützen. Aus Sicherheitsgründen haben sich die Hazara in zwei Enklaven in der Stadt zurückgezogen (HRCP 3.2013).

2012 nahm die sektiererische Gewalt in Pakistan somit zu, obwohl sie 2011 zurückgegangen war. Einen starken Zuwachs verzeichneten die Provinzhauptstädten Quetta und Karatschi sowie Teile Belutschistans. Aufgeschlüsselt fanden laut PIPS 85 % aller Vorfälle zwischen muslimischen Konfessionen 2012 in Karatschi, Quetta, Gilgit und der Kurram Agency (FATA) statt. Diese sind auch im Mehrjahresvergleich 2010-2012 Hotspots sektierischer Gewalt, wohingegen sporadische Vorfälle in diesen Jahren auch von anderen Teilen des Landes berichtet werden, insbesondere Zentral- und Süd-Punjab, Hangu und Dera Ismail Khan in Khyber Pakhtunkhwa (KP), Khyber und Orakzai in der FATA und Mastung in Belutschistan. (BAA 6.2013; vgl. PIPS 4.1.2013). Weitere Schwerpunkte 2012 waren: Diamer in Gilgit Baltistan, die Distrikte Kohistan und Mansehra in KP (HRCP 3.2013); sowie weiters Hangu, Kohat, Tank, - ebenfalls in KP, Dera Ghazi Khan im [Süd-] Punjab (USDOS 20.5.2013). Zwei größere Anschläge mit jeweils um die 20 Toten ereigneten sich im Punjab 2012 im südlichen Distrikt Rahimyar Khan und in Rawalpindi (HRCP 3.2013). 2011 waren außerdem auch Lahore (Punjab), Nowshera (KP), und Khyber (FATA) Schwerpunkte (HRCP 3.2012).

Auch die ersten beiden Monate 2013 waren, verbunden mit der Vorwahlzeit, von stark erhöhter interkonfessioneller Gewalt gezeichnet, in erster Linie in Karatschi und Quetta. Im Jänner und Februar 2013 wurden bei interkonfessionellen Anschlägen 238 Menschen getötet, ein Großteil davon bei zwei verheerenden Anschlägen in einem Viertel der schiitischen Hazara in Quetta. Nach diesem Höhepunkt nahm diese Art des Terrors in den nächsten beiden Monaten ab. Nichtsdestotrotz traf ein weiterer der größeren Anschläge der Vorwahlzeit am 3. März ebenfalls die schiitische Minderheit, diesmal in Karatschi, 48 Menschen starben bei einem Anschlag auf ein schiitisches Viertel (BAA 6.2013).

Verbotene Gruppen wie die Pakistanischen Taliban und die Lashkar-e-Jhangvi übernahmen die Verantwortung für Anschläge auf Schiiten (HRCP 3.2013). Sunnitische militante Gruppen operierten mit weiter Straflosigkeit in Pakistan (HRW 31.1.2013). Die Reaktion der Regierung war großteils unzureichend. Dies anerkennend gab der Oberste Gerichtshof eine Kritik an der Regierung aufgrund der unzureichenden Bemühungen in Quetta Sicherheit zu gewährleisten ab. Im Jänner wurde in Belutschistan nach den großen Bombenanschlägen die Kontrolle auf die von der Provinz auf die Bundesregierung übertragen und damit den Forderungen der Hinterbliebenen nachgekommen (USCIRF 30.4.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

AA - Auswärtiges Amt (10.2013a): Pakistan, Staatsaufbau/Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html #doc344388bodyText3, Zugriff 14.10.2013

AI - Amnesty International (5.2013): Annual Report 2013, The state of the world's human rights, Pakistan, http://www.amnesty.org/en/region/pakistan/report-2013 , Zugriff 2.9.2013

BAA - Bundesasylamt (15.4.2013): Analysen Pakistan, Ahmadiyya - Entstehung und Glauben

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (8.2011):

Informationszentrum Asyl und Migration: Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern

CIA (11.9.2013): The World Factbook Pakistan, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html , Zugriff 9.10.2013

HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2013): State of Human Rights in 2012,

http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/pdf/AR2012.pdf , Zugriff 2.9.2013

HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2012): State of Human Rights in 2011,

http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/pdf/AR2011-A.pdf , Zugriff 10.10.2013.

HRW - Human Rights Watch (31.1.2013): World Report 2013 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/237129/360003_de.html , Zugriff 15.10.2013

HRW - Human Rights Watch (23.8.2013): Pakistan: 10 Steps to Improve Human Rights,

http://www.hrw.org/news/2013/08/23/pakistan-10-steps-improve-human-rights , Zugriff 23.9.2013

Murad Ullah, Legal Officer des UNHCR in Islamabad (1.- 2.10.2012):

Vortrag zum DACH Workshop Pakistan, Nürnberg

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (4.1.2013): Pakistan Security Report 2012,

http://san-pips.com/index.php?action=reports&id=psr_list_1 , Zugriff 13.9.2013

USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (30.4.2013): 2013 Annual Report, http://www.uscirf.gov/images/2013 USCIRF Annual Report (2).pdf, Zugriff 15.10.2013

USDOS - US Department of State (20.5.2013): International Religious Freedom Report for 2012 - Pakistan, http://www.ecoi.net/local_link/247481/371066_de.html , Zugriff 15.10.2013

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährleistet die Bewegungsfreiheit im Land und ungehinderte internationale Reisen, doch die Regierung beschränkte diese Rechte in der Praxis. Die Regierung schränkte den Zugang zu bestimmten Gebieten der FATA, Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein. Regierungsangestellte und Studenten müssen vor Reisen ins Ausland ein "no objection certificate" einholen, doch bei Studenten wurde dies selten durchgesetzt. Personen auf der Exit Control List war es verboten, ins Ausland zu reisen. Diese Liste soll Personen, welche ein Kriminalverfahren anhängig haben, von Auslandsreisen abhalten. Allerdings war keine gerichtliche Handlung notwendig, damit das Innenministerium einen Namen auf die Liste setzen konnte. Sie wurde manchmal benutzt, um Menschenrechtsaktivisten und Führer nationalistischer Parteien zu schikanieren. Personen auf der Liste haben das Recht, bei Gericht Einspruch einzulegen (USDOS 19.4.2013)

Die Reisefreiheit in Pakistan wurde 2012 häufig eingeschränkt. Durch die interkonfessionelle Gewalt in Gilgit Batlisten und Belutschistan wurden einige Gegenden für einen nicht unbeachtlichen Teil der Bevölkerung zur "no go area". Durch die Sicherheitslage in vielen Agencies der FATA sind diese für Personen von außerhalb und manchmal auch für die Bewohner selbst zur "no go area" geworden. Sicherheitsmaßnahmen führten bei Terrordrohungen zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit für alle Bürger. Kämpfe zwischen kriminellen Banden bedrohten die Bewegungsfreiheit der Bürger Karatschis. Gewalt zwischen ethnischen Gruppen machten bestimmte Teile Karatschis, die von einer ethnischen Gruppe dominiert wurden, zu einer "no go area" für die andere ethnische Gruppe. Ethnische Gewalt in Teilen Belutschistans schränkten auch hier - vor allem für Hazara - die Bewegungsfreiheit ein. Arbeiter in illegaler Schuldknechtschaft gehörten zu den Gruppen mit den stärksten Beschränkungen der Bewegungsfreiheit. Die Opfer wurden durch bewaffnete Wächter davon abgehalten zu fliehen und die Familien wurden als Geiseln gehalten (HRCP 3.2013).

Für Angehörige aller Gruppen gilt, dass ein Ausweichen in der Regel das Aufgeben der wirtschaftlichen Basis mit sich bringt. In den Städten, vor allem den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karachi, Peshawar oder Multan, leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, können in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben (AA 2.11.2012).

Ahmadis bietet eine Flucht nach Rabwah, ihrem religiösen Zentrum, keinen sicheren Schutz vor Repressionen (AA 1.7.2011), aber einen erheblichen. Sie sind dort weitgehend unter sich, doch für ihre Gegner sehr sichtbar (AA 2.11.2012). 95 % der Einwohner der Stadt Rabwah sind Ahmadis. In einer Antwort erklärte die Human Rights Commission of Pakistan, dass die Sicherheit in Rabwah für Ahmadis von der Art der Verfolgung und dem Einfluss der verfolgenden Person abhängt. Rabwah ist zwar sicherer für Ahmadis als die meisten anderen Orte in Pakistan, doch wenn jemand in ganz Pakistan verfolgt wird, dann wird er auch in Rabwah gefunden. In Rabwah zu leben zeigt, dass man Ahmadi ist, sollte man einen Ahmadi aufspüren wollen, würde man dort suchen (UK Home Office 9.8.2013).

Auch besteht die Möglichkeit, in den Schutz der größeren Städte zu fliehen, falls es sich nicht um Personen handelt, die bereits überregional bekannt geworden sind. Dies wird auch von Vertretern unabhängiger pakistanischer Menschenrechtsorganisationen als Ausweichmöglichkeit gesehen. Für verfolgte Angehörige der christlichen Minderheit bestehen - abgesehen wiederum von den Fällen, die überregionale Bekanntheit erlangt haben - generell Ausweichmöglichkeiten in andere Landesteile (AA 2.11.2012).

Zum Spruch des Europäischen Gerichtshofes, Deutschland gegen Y & Z [2012] EUECJ C-71/11 (05 September 2012): Es ist und war im Allgemeinen möglich für Ahmadis ihren Glauben auf einer eingeschränkten Basis sowohl im privaten Bereich als auch in der Gemeinschaft auszuüben, ohne das heimische pakistanische Gesetz zu verletzen. In Bezug auf eine volle Glaubensübung über die Einschränkungen des pakistanischen Strafgesetzes unter Sektion 298B und 298C hinaus, gilt das Gesetz landesweit [Anmerkung: die länderkundlichen Aspekte wurden verwendet, die diesbezüglichen Entscheidungsvorgaben der britischen Behörde wurden nicht miteinbezogen] (UK Home Office 1.2013).

Für jene Individuen, denen aufgrund schädlicher religiöser Normen oder traditioneller Praktiken Leid droht, wie Opfer von oder Personen in Gefahr von Zwangsheirat, Zwangskonversion oder Ehrenmorden und für die eine interne Relokation in einen anderen Teil des Landes relevant sein kann, muss die Anerkennung solcher Normen durch breite Teile der Gesellschaft und mächtige, konservative Elemente in der Verwaltung berücksichtigt werden (Murad Ullah o.D.).

Laut Bericht des Vertrauensanwaltes, kann eine Person, die von einem Konfliktherd mit Taliban flieht, relativ sicher in einer pakistanischen Stadt in den Provinzen Sindh oder Punjab leben. Hinsichtlich der Sicherheit existieren in Pakistan - schon aufgrund der Größe des Landes - interne Fluchtalternativen. Wenn die Taliban direkt eine Person verfolgen, ist es schwierig sich zu verstecken, Karatschi kann im allgemeinen eine Option für Sicherheit sein, wie weit dies sicher ist, hängt allerdings vom Profil der Person und von der Art des Konfliktes ab, von dem die Person flieht. Es muss sorgfältig auf einer Einzelfallbasis abgeklärt werden. Es hängt von der Ernsthaftigkeit des jeweiligen Konfliktes ab, ob diese Person durch die Taliban gesucht und gefunden werden wird. Paschtunen haben ein enges Familiennetz und da die meisten in Karatschi wieder in diesem Familiennetz bzw. "community" leben, kann man sie über diesen Weg finden. Doch es ist möglich sich aufgrund der Größe Pakistans aus dem Radar der Taliban begeben. Eine "low profile" Person, die z. B. nach Karatschi flüchtet, wird dort von den Taliban nicht aufgespürt werden, da es für die Taliban auch keine Priorität hat, "low profile" Personen zu suchen (ÖB Islamabad 25.7.2013).

Nach Einschätzung des Vertreters des PIPS (Pakistan Institute for Peace Studies) ist es nicht die Strategie der Taliban, einzelne Personen durch das Land zu verfolgen. Eine Assistenzprofessorin erzählt von Fällen aus Karatschi - wo sich die Taliban im Zuge der durch die Militärinterventionen im Swat-Tal ausgelösten Wanderung in einigen Vororten etablieren konnten - in denen Personen, die gegen die Taliban im Swat-Tal agierten, in Karatschi getötet wurden. Der UNHCR betont, dass die Terrororganisationen zwar meist lokal agieren, einige aber teilweise vernetzt sind und zum Teil zusammen arbeiten. Eine innerstaatliche Fluchtalternative kann somit nicht generell angenommen werden, sondern muss in jedem Fall einzeln geprüft werden (BAA 6.2013).

Männer können bei privaten Disputen oder der Gefährdung, Opfer eines Ehrverbrechens zu werden, also in Fällen, wo nur durch Privatpersonen eine Verfolgung besteht, grundsätzlich meist in andere Gebiete Pakistans ausweichen. Es kommt allerdings auf die Vernetzung und den Einfluss der verfolgenden Person bzw. Personengruppen an. Wenn ein ganzer Stamm eine Person aufgrund einer Ehrverletzung verfolgt, wird er, laut Aussage von HRCP, auch "in New York gefunden" werden. Es ist somit der individuelle Einzelfall zu berücksichtigen (BAA 6.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

AA - Auswärtiges Amt (1.7.2011): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2013): State of Human Rights in 2012,

http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/pdf/AR2012.pdf , Zugriff 2.9.2013

Murad Ullah, Legal Officer des UNHCR in Islamabad (o.D.): Minorities in Pakistan - UNHCR Eligibility Guidelines and practical perspective from the field, Unterlage zu DACH Workshop 1.-2.10.2013

ÖB Islamabad - Österreichische Botschaft (25.7.2013):

Ermittlungsbericht des Vertrauensanwaltes, SLC/SIS/A-15887

UK Home Office (9.8.2013): Pakistan Country of Origin Information (COI) Report Pakistan,

https://contact-ukba.homeoffice.gov.uk/sitecontent/documents/policyandlaw/coi/pakistan/report-09082013.pdf?view=Binary , Zugriff 8.9.2013

USDOS - US Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Pakistan, http://www.refworld.org/docid/517e6df418.html , Zugriff 15.10.2013

Grundversorgung/Wirtschaft

Die schweren Fluten drei Jahre hintereinander haben der pakistanischen Wirtschaft ernsten Schaden zugefügt und ihr potentielles Wachstum halbiert. Sie erhöhten auch Inflation und Arbeitslosenrate, unterbrachen Versorgungsketten, zerstörten die Saat und behinderten die industrielle Produktion. Die stärker werdenden Engpässe in der Energieversorgung und die schwache Recht- und Ordnungssituation sowie strukturelle Hindernisse zügeln ebenfalls Investitionen und Wachstum (TRF 9.9.2013, vgl. AA 10.2013b; World Bank 16.11.2011). Nach den Fluten 2010 und 2011 und der weltweiten Nahrungsmittelpreiskrise gab es eine merkbare Zunahme der absoluten Armut (BAA 6.2013). Mit geschätzten 3,6 % blieb das Wirtschaftswachstum im Haushaltsjahr 2013 (1.7.2012-30.6.2013) hinter den Möglichkeiten des Landes zurück und bewegte sich auf dem Niveau der Vorjahre (2010: 3,8 %; 2011: 2,4 %; 2012: 4,4 %) (AA 10.2013b). Das Wirtschaftswachstum kann nicht mit dem Bevölkerungswachstum mithalten (BAA 6.2013).

Die Inflation entwickelte sich zuletzt positiv. Sie ging von fast 14 % im Vorjahr auf 7,5 % im Sommer 2013 zurück und ist damit erstmals seit sechs Jahren wieder im einstelligen Bereich angesiedelt. Das Haushaltsdefizit liegt derzeit bei fast 9 % des BIP, die gesamten öffentlichen Schulden bei 63,5 %. Die Devisenreserven Pakistans sind gegenüber Sommer 2012 (10,8 Mrd. US-Dollar) auf zuletzt 6,27 Mrd. US-Dollar deutlich geschrumpft. Defizitäre Staatsbetriebe belasten die öffentlichen Finanzen und benötigen regelmäßig staatliche Finanzspritzen. Pakistan wird seine Staatseinnahmen deutlich erhöhen müssen; mit knapp 9 % des BIP hat es eine der niedrigsten Steuerquoten der Welt (AA 10.2013b).

Es gibt eine Energiekrise, ein großer Teil der Bevölkerung hat keinen regelmäßigen Zugang zu Strom. Die Energiesituation hat sich in den letzten Jahren rapide verschlechtert, es ist jedoch schwer dies zu quantifizieren, da es in letzter Zeit keine Erhebungen gab. Der Stromausfall beträgt landesweit im Sommer bis zu 18 Stunden am Tag. Besonders betroffen ist der Punjab, in anderen Provinzen ist die Situation etwas besser Es gibt ein System des "load shedding shedule", ein öffentlicher Plan und Information, wann die Elektrizität wo abgeschaltet wird (BAA 6.2013). Die Stromausfälle haben nicht nur negative Auswirkungen auf die Lebensumstände der Bevölkerung. Sie führen auch zu einem um 3 bis 4 Prozentpunkte niedrigeren Wirtschaftswachstum. Die von der neuen Regierung im Juli 2013 vorgestellte Nationale Energiepolitik benennt als erste Priorität die Schließung der Lücke zwischen Stromangebot und -nachfrage (AA 10.2013b).

Die Landwirtschaft Pakistans ist mit einem Beitrag von rund 21 % zum BIP immer noch in vielerlei Hinsicht der wichtigste Sektor der pakistanischen Volkswirtschaft. Über 44 % der arbeitenden Bevölkerung sind in der Landwirtschaft beschäftigt; knapp 60 % der ländlichen Bevölkerung hängen direkt oder indirekt vom landwirtschaftlichen Sektor ab. Die Provinz Punjab gehört in vielen Bereichen (u.a. Getreideanbau u. Viehzucht) zu den weltweit größten Produzenten und verfügt über das größte zusammenhängende landwirtschaftliche Bewässerungsgebiet weltweit. Der Industriesektor trägt mit 25,4 % zum BIP bei. Der bei weitem wichtigste Exportsektor ist die Textilbranche, die ca. 60 % aller pakistanischen Exportgewinne ausmacht. Der Dienstleistungssektor hat sich zu einem wichtigen Wachstumsfaktor entwickelt, er trägt inzwischen mit ca. 53 % zum BIP bei. Wichtigste Bereiche sind hier v.a. Bankwesen, Versicherungswesen, Transportwesen und der Kommunikationssektor, aber auch der überproportional große öffentliche Verwaltungsapparat (AA 10.2013b). Die Telekommunikations- und die Baubranche haben ihre Expansion fortgesetzt und viele formelle und informelle Arbeitsplätze geschaffen. Diese Expansionen haben zu einem besseren Stellenangebot geführt (IOM 8.2013).

Die Gehaltsstruktur ist sehr unterschiedlich verteilt. In den Städten wie Multan, Lahore und Islamabad ist eine ausgeprägte Mittelschicht vorhanden, in den ländlichen Gebieten allerdings weniger. Laut IOM liegt das Einkommen der Mittelklasse bei ca. 20.000-30.000 Rupien (ca. € 152-227) im Monat. Durch die Inflation ist das bei einer Familie mit 2 Kindern gerade genug, um die wichtigsten Bedürfnisse zu befriedigen - im Fall eines eigenen Hauses und ohne private Schule. Muss man Miete zahlen, ist es schwieriger (BAA 6.2013).

Im niedrigen öffentlichen Dienst, als Tagelöhner oder Kleinstangestellter zeichnet sich ein Gehalt von 10.000-20.000 Rupien (ca. € 76-152) im Monat ab. Dies reicht kaum, um über die Runden zu kommen, 80 % der Haushaltsausgaben werden für Lebensmittel aufgewendet. Die geschätzte Arbeitslosigkeit ist gering, aber der Arbeitsmarkt ist durch eine Unterbeschäftigung bzw. Unterbezahlung gekennzeichnet. Lahore und Karatschi sind teurer, hier braucht man zwischen 30.000 und 35.000 Rupien (ca. € 227-265) im Monat, allerdings gibt es hier mehr Einkommensmöglichkeiten und ein stärker ausgeprägtes Mietwohnungswesen. Es sind zwar alle "irgendwie beschäftigt", aber die Löhne sind gering und reichen schlecht für das notwendigste Auskommen. In Karatschi, Rawalpindi und Lahore haben die Menschen eher ihre eigenen kleinen Geschäfte oder Kleinstunternehmen als eine Arbeitsstelle. In den ländlichen Gegenden ist der Großteil in der Land- oder Viehwirtschaft tätig (BAA 6.2013).

Die Organisation National Rural Support Programme erläutert, dass es aufgrund der großen Bevölkerung sehr viele Möglichkeiten für Geschäfte auf kleiner Basis gibt, neue gut laufende Trends sind z.B. kleine Schönheitssalons oder Handyreparaturwerkstätten. Die Organisation SEPLAA spricht den Bereichen IT, Energie-Sektor, Training und Unterricht hohes Potential in Pakistan zu. Die Leiterin des Women Entrepreneurial Development Programme führt aus, dass es viele Möglichkeiten am Markt gibt, aber das Problem sei oft, das Individuum mit den Marktanforderungen zu verknüpfen (BAA 6.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (10.2013b): Pakistan, Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_C2C3DF892573C0A8B185C354561BDB9D/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Wirtschaft_node.html , Zugriff 14.10.2013

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

IOM - Internationale Organisation für Migration (8.2013):

Länderinformationsblatt Pakistan, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_pakistan-dl_de.pdf?__blob=publicationFile , Zugriff 14.10.2013

TRF - Thomas Reuters Foundation (9.9.2013): Floods have halved Pakistan's economic growth - expert, http://www.trust.org/item/20130909134725-rm708/ , Zugriff 22.9.2013

World Bank (16.11.2011): Country Partnership Strategy Progress Report for The Islamic Republic Of Pakistan For The Period Fy2010-14,

http://siteresources.worldbank.org/PAKISTANEXTN/Resources/293051-1298387688762/CPSPRNov21.pdf , Zugriff 2.9.2013

Soziale Wohlfahrt und staatliche Beschäftigungsförderungsprogramme

Das Ministerium für religiöse Angelegenheiten, Zakat und Ushr, verwaltet die staatlich eingehobene Zakat [Anmerkung: religiöse Pflicht für Muslime, einen geregelten Anteil des Einkommens an Arme und Bedürftige abzugeben, in Pakistan wird sie staatlich eingehoben], die 2,5% des Einkommens beträgt, und finanziert damit Projekte für Arme und Bedürftige. Aber auch in diesem Bereich herrscht Korruption (Murad Ullah 1.-2.10.2012). Ein durchgehendes, konsistentes Sozialsystem ist auf Regierungsebene laut IOM nicht vorhanden. Das staatliche Zakat System finanziert Pakistan Bait-ul-Mal (PBM), das dem Premierminister untersteht, sowie das "Benazir Income Project" (BAA 6.2013). PBM ist eine autonome Behörde, die einen erheblichen Beitrag zur Bekämpfung der Armut durch die verschiedenen Maßnahmen für die ärmsten Mitglieder der Gesellschaft leistet und Unvermögende, Witwen, Waisen, Invaliden sowie schwache und andere bedürftige Menschen unterstützt (IOM 8.2013). PBM hat ein Budget von 2 Milliarden Rupien (ca. 15.157.710 €). Es werden unterschiedliche Projekte und Hilfsschemen finanziert, einige Programme für Kinder sowie das Individuelle Finanzielle Unterstützungsprogramm. Das Individuelle-Finanz-Assistenz-Programm richtet sich an besonders bedürftige Personen und setzt sich aus drei Komponenten zusammen. Einerseits kann bedürftigen Antragsstellern eine allgemeine finanzielle Unterstützung bei Armut gewährt werden. Die zweite Komponente des Programms ist eine finanzielle Assistenz zur Förderung von Eigenerwerbsfähigkeit. Dabei wird einer Person finanzielle Unterstützung gewährt, um ein kleines Geschäft zu gründen. Die dritte Möglichkeit der finanziellen Unterstützung wird über die Finanzierung einer medizinischen Behandlung geboten (BAA 6.2013).

Anträge müssen mit der Kopie der nationalen ID Karte beim District Officer eingereicht werden. Es gibt 144 zuständige District Officers für Pakistan, 30 für die FATA, 40 für Gilgit Baltistan und 40 für Kaschmir. Die Zahl der Empfänger des individuellen Unterstützungsprogrammes beträgt ca. 50.000. Die private Wohltätigkeitsebene ist in Pakistan sehr gut ausgeprägt (BAA 6.2013).

Die Overseas Pakistanis Foundation (OPF) wurde 1979 im Rahmen des Emigrations Erlasses gegründet. Ihr Ziel ist die Unterstützung der im Ausland lebenden Pakistanis und ihrer in Pakistan gebliebenen Familien. Ihre Angebote umfassen ökonomische Hilfen, medizinische Versorgung und Hilfe (IOM 8.2012). Zielgruppe der OPF sind im Ausland arbeitende Pakistanis und ihre in Pakistan gebliebenen Familien, ein Ziel dabei sind auch Dienstleistungen für zurückkehrende Migranten. Die OPF untersteht dem Ministerium für Auslandspakistanis (OPF o.D.).

Arbeitsvermittlungsbüros von staatlicher Seite gibt es nicht. Es gibt private Arbeitsvermittlungsagenturen (BAA 6.2013).

Zur Beschleunigung des wirtschaftlichen Wachstums wurden durch die Regierung verschiedene Maßnahmen getroffen. Eine Reihe initiierter Projekte soll eine positive Auswirkung auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze haben. Hierzu zählen unter anderem die Verbesserung der physischen Infrastruktur, die Ausweitung des landwirtschaftlichen Potenzials des Landes und die Anwendung neuer Ressourcen zur Bekämpfung der Armut. Das Tameer-e-Pakistan-Programm wurde als Maßnahme zur Verringerung der Armut initiiert und dient dazu, die Einkommensquellen für arme Menschen zu verbessern und Beschäftigungsmöglichkeiten im gesamten Land zu schaffen. Die SME Bank (kleine und mittelständische Unternehmen) wurde am 1. Jänner 2002 mit dem primären Ziel der finanziellen und geschäftlichen Unterstützung von SME gegründet (IOM 8.2013).

Die Aufgabe der Nationalen Kommission zur beruflichen und technischen Bildung ist es, politische Richtlinien für die berufliche und technische Bildung zu erarbeiten und in diesem Bereich regulierend tätig zu sein, damit der nationale und internationale Bedarf an Fachkräften besser gedeckt werden kann. In den folgenden Fachgebieten werden Ausbildungsmaßnahmen angeboten:

Dienstleistungen (Krankenpflege, Tourismus, IT und Telekommunikation); Baugewerbe; Landwirtschaft, Milchproduktion und Viehzucht; Feinmechanik; ähnlich arbeitet der Rat für Berufliche Ausbildung in Punjab (PVTC), der von der Provinzregierung getragen wird. Er bietet nachfrageorientierte Ausbildungen an und ist vor allem um die Vermittlung benachteiligter Jugendlicher bemüht. Die verschiedenen Institute des Rates bieten folgende Ausbildungen an:

Computerreparatur und Wartung, EDV-gestütztes Textildesign, Betriebswirtschaftliche EDV, Reparatur von Mobiltelefonen, Textilverarbeitung, Import / Export Dokumentation, EDV-gestütztes technisches Zeichnen, KFZ-Elektriker, KFZ-Mechaniker, Stickerei, Schneiderei, Kosmetik; Es gibt im privaten Sektor viele NGOs und Institute, die berufliche Aus- und Weiterbildungen anbieten (IOM 8.2013).

Quellen:

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

IOM - Internationale Organisation für Migration (8.2013):

Länderinformationsblatt Pakistan, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_pakistan-dl_de.pdf?__blob=publicationFile , Zugriff 14.10.2013

Murad Ullah, Legal Officer des UNHCR in Islamabad (1.-2.10.2012):

Vortrag zum DACH Workshop Pakistan, Nürnberg

OPF - Overseas Pakistanis Foundation (o.D.): Startseite, http://www.opf.org.pk/home.aspx , Zugriff 11.9.2013

Wohlfahrt-NGOs

Private Einrichtungen wie der Edhi-Trust spielen eine wichtige Rolle in der sozialen Versorgung (BAA 6.2013). Dieser bietet soziale Dienste, wie medizinische Versorgung, Notfallhilfe, Luftrettung, Bestattungen, Versorgung psychisch Kranker, Altenheime, Kinderhilfe, Frauenhäuser und Berufsbildung für benachteiligte Menschen an (IOM 8.2013).

Der Bunyad Literacy Community Council (BLCC) ist eine NGO, die sich hauptsächlich im Bereich Bildung engagiert (IOM 8.2013). Er hat sich die Verbesserung der Situation auf dem Lande lebender Familien zur Aufgabe gemacht hat. Die Programme richten sich an Randgruppen, vor allem an Frauen und Kinder. Das Hauptaugenmerk der Bunyad Programme liegt auf Alphabetisierung und Bildung (IOM 8.2012).

Development, Education, Environment, Poverty Alleviation, & Population Welfare Organization (DEEPP) ist eine im südlichen Punjab aktive NGO, die mit benachteiligten und marginalisierten Menschen arbeitet (IOM 8.2013).

Weitere Bespiele sind: Community Development Network Organization, Jacobabad; District Development Association Tharparkar (DDAT); Social Aid for Education and Development (SAFE), Sukkur; Legal Aid and Welfare Society (LAWS), Peschawar; Sarhad Rural Support Corporation (SRSC), Peschawar; Society for Integrated Development (S.I.R.D.), Quetta; Khawra Development Organization Muzaffarabad (IOM 8.2013).

Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP) unterstützt bei der Selbstorganisation der Landbevölkerung. Die Einheiten erörtern ihren Bedarf und beschließen ihre eigenen Projekte, Aufgabe von NRSP ist das Lukrieren von Finanzierungsmöglichkeiten. Eine weitere Hauptaufgabe ist der Aufbau der Qualifikationen und des Fachkönnens zur Erwerbstätigkeit. Trainings werden z.B. in den Bereichen Alphabetisierung, allgemeines Management, Finanzen, Nutztierhaltung, Forstwirtschaft, aber auch zur Führung kleinerer Geschäfte abgehalten. Das NRSP vergibt auch über die eigene Bank Mikrokredite mit einen Maximum von 30.000 Rupien (ca. € 227) pro Person. Speziell für arme Familien läuft das Social and Human Protection Programme zur Einkommensgenerierung. (BAA 6.2013).

Quellen:

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

IOM - Internationale Organisation für Migration (8.2013):

Länderinformationsblatt Pakistan, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_pakistan-dl_de.pdf?__blob=publicationFile , Zugriff 14.10.2013

Rückkehrhilfe und -projekte

Personen, die nach Pakistan zurückkehren, erhalten keinerlei staatliche Wiedereingliederungshilfen oder sonstige Sozialleistungen (AA 2.11.2012). Kehren sie in ihren Familienverband zurück, ist ihre Grundversorgung im Rahmen dessen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit gesichert (AA 1.7.2011).

IOM betreibt ein Freiwilliges Rückkehrprogramm für Pakistanis aus Österreich, das Projekt ist für das Jahr 2013 auf 30 Personen konzipiert, elf sind bis zum März bereits zurückgekehrt, darunter auch Familien. Bis auf zwei Personen, die ins Swat-Tal zurückgekehrt sind, kommen alle aus dem Punjab. Es wird eine finanzielle Rückkehrunterstützung sowie eine Reintegrationsunterstützung, u.a. durch berufliche Weiterbildung geboten. Die Situation bei der Rückkehr hängt von der Person und den Umständen sowie der Zeit, die sie außer Landes verbracht hat, ab (BAA 6.2013).

Im Rahmen dieses Projekts werden pakistanische Staatsangehörige, die in Österreich (i) Asylwerber/innen, (ii) asylberechtigt, (iii) subsidiär schutzberechtigt, oder (iv) nicht oder nicht mehr aufenthaltsberechtigt sind, bei ihrer freiwilligen Rückkehr und nachhaltigen Reintegration in ihrem Herkunftsland unterstützt. Die Maßnahmen werden gemeinsam mit den Teilnehmer/innen erarbeitet und sind auf deren individuelle Bedürfnisse und Fähigkeiten abgestimmt.

IOM implementiert folgende Aktivitäten: Finanzielle Unterstützungsleistung; Reintegrationsunterstützung; IOM unterstützt Reintegrationsmaßnahmen durch Sachleistungen bis zu einem Maximalwert von EUR 3.000,-, darunter fallen: Berufsberatung und Arbeitsvermittlung, Berufliche und schulische Aus- und Weiterbildungsangebote, z.B. als Mechaniker/in, Computertechniker/in, Frisör/in, Installateur/in, Elektriker/in, etc.; Unterstützung bei der Neugründung von Kleinbetrieben sowie Geschäftsgründungs- und Managementseminare; Unterstützung beim Ankauf von Werkzeugen und Ausrüstungen; Sonderunterstützung für Projektteilnehmer/innen mit besonderen Bedürfnissen (IOM o.D.).

Die Unterstützung zur Erwerbstätigkeit wird, laut IOM, an die Person angepasst. Bei der Aus- und Weiterbildung für den Arbeitsmarkt wird darauf aufgebaut, welche beruflichen Erfahrungen die Betroffenen mitbringen, und dies mit den Marktanforderungen abgeglichen. Die finanziellen Mittel sind auf kleine Geschäftsgründungen angelegt. Geschäfte, die so eröffnet wurden, sind z.B. kleine Kleider-, Lebensmittel-, Mobiltelefongeschäfte oder Schönheitssalons - diese sind derzeit erfolgreich (BAA 6.2013). IOM in Pakistan führt kontinuierliches Monitoring mit den Projektteilnehmer/innen vor Ort durch (IOM o.D.).

Auch die pakistanische NGO WELDO betreut Rückkehrprogramme. Es gibt unterschiedliche Programme für die freiwillige Rückkehr. Es werden Leistungen zur Reintegration und Unterstützung bereitgestellt. Sie versuchen die Rückkehrer wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren und vermitteln Arbeitsplätze. Das Ausbildungsprogramm wird mit dem Bedarf am Arbeitsmarkt und an die jeweilige Person angepasst. Meist sind jene Migranten nur schlecht ausgebildet. Beratung und Unterstützung in der Zielregion wird geboten. Die meisten Programme enthalten auch finanzielle Leistungen für die Betroffenen. Es gibt verschiedene Programme z.B. für vulnerable Personengruppen, unbegleitete Minderjährige und Menschen, die psychische Hilfe benötigen. WELDO kümmert sich ebenfalls und im gleichen Umfang um zwangsweise Abgeschobene (BAA 6.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

AA - Auswärtiges Amt (1.7.2011): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

IOM - Internationale Organisation für Migration (o.D.):

Unterstützung der freiwilligen Rückkehr und Reintegration von Rückkehrenden nach Pakistan, Informationsblatt

Medizinische Versorgung

Pakistan verfügte mit Stand 2010 über 975 öffentliche (staatliche) Spitäler des tertiären und sekundären Sektors und insgesamt 13.051 staatliche Grundversorgungseinrichtungen. Laut einem Überblick von 2001 verfügte Pakistan über 73.000 private Einrichtungen - die meisten von diesen Einzelkliniken. Der Non-Profit und private Wohltätigkeitsbereich verzeichnete in einer Erhebung vom Jahr 2005 über 7.000 Betten. Pakistan hat ein Netz von mehr als 62.000 Apotheken, allerdings nur 2.000 qualifizierte Apotheker. Im Jahr 2009 gab es 109 Schulen für Krankenpflege sowie 141 für Hebammen (Lancet 17.5.2013).

In den modernen Krankenhäusern in den Großstädten kann - unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit - eine Behandlungsmöglichkeit für die meisten Krankheiten festgestellt werden (AA 2.11.2012). Beinahe alle Krankheiten und medizinischen Probleme sind, laut IOM, in Pakistan behandelbar, auch in den öffentlichen (staatlichen) Spitälern. Organtransplantationen oder Dialysen werden durchgeführt. In sehr seltenen Fällen ist eine Behandlung nicht erhältlich. Doch es gibt Problemstellungen im Gesundheitssystem. Eines der gravierendsten Probleme ist die geringe Dichte an Humanressourcen im Gesundheitsbereich. 121.374 Ärzte sind derzeit, laut einer Lancet Studie, in Pakistan registriert. Daneben gibt es auch Engpässe bei anderem medizinischen Personal (BAA 6.2013). Nach Regierungsangaben kommen auf einen Arzt 1.222, auf einen Zahnarzt 16.854 und auf ein Krankenhausbett 1.701 Einwohner (HRCP 3.2012).

Eine starke Diskrepanz zwischen ländlichen und städtischen Gebieten verstärkt die Situation, erläutert IOM. In den großen Städten gibt es eine relativ gute medizinische Versorgung. Insgesamt ist, so eine Führungsangestellte des privaten Kulsum Krankenhauses, in den städtischen Gebieten die medizinische Versorgung besser, während sie in den ländlichen Gebieten oft nicht abgedeckt ist. Doch auch zwischen den Provinzen bestehen starke Unterschiede, in den ländlichen Gebieten des Sindh ist die Situation besser als in jenen anderer Provinzen. Ein Teil des Problems ist die Gewalt in der Grenzregion zu Afghanistan sowie die aufständische Gewalt in Belutschistan, was die ohnedies mangelhafte Gesundheitsversorgung in diesen Regionen verschlechterte, besonders Frauen und Kinder sind davon betroffen. Die Neugeborenen-, Mütter- und Kindersterblichkeit gehört somit zu einer der höchsten weltweit. So sieht ein leitender Gesprächspartner des UNHCR den fehlenden bzw. kaum vorhandenen Zugang zur Gesundheitsversorgung in einigen Gebieten Pakistans als eines seiner wichtigsten Menschenrechtsprobleme an (BAA 6.2013).

Die Qualität der Humanressourcen, insbesondere der Ärzte, ist hoch, erläutert IOM. Pakistan verfügt über sehr viel Expertise auf diesem Gebiet. Auch die Deutsche Botschaft schätzt die Qualität der Ärzte als hoch ein und zwar auch in den Regierungsspitälern, wobei diese hier allerdings überlastet sind. Die medizinische Forschung, u.a. zu Humanressourcen ist ausgeprägt und ausgesprochen produktiv. Laut Lancet gibt es 88 medizinische Hochschulen und Colleges im Land, an denen 2012 171.450 Absolventen abschlossen. Bezieht man die privaten Krankenhäuser mit ein, lässt sich in Pakistan nach Einschätzung der Deutschen Botschaft im regionalen Kontext eine verhältnismäßig gute Qualität der medizinischen Versorgung feststellen. Es besteht jedoch neben den regionalen Diskrepanzen meist ein starker Unterschied zwischen staatlichen und privaten Krankenhäusern. Die staatlichen Krankenhäuser sind oft grenzwertig, auch hier sind zwar die Ärzte gut ausgebildet, die Wartezeiten sind jedoch übermäßig lange, die hygienischen Bedingungen oft mangelhaft. Die Ausstattung in staatlichen Krankenhäusern, die Wartung des Equipments und die Kontinuität der Finanzierung bereiten oft Probleme. Oft fehlen den Primärgesundheitsstationen in ländlichen Gebieten die Versorgungsmittel. Viele Basisgesundheitseinrichtungen und auch Sekundärgesundheitseinrichtungen funktionieren oft nicht ausreichend, weshalb die Spezialkrankenhäuser überladen werden mit Fällen, die eigentlich nur Basisversorgungsfälle sind. Jedoch auch im öffentlichen Bereich gibt es Vorzeigespitäler. Zur Finanzierung der medizinischen Versorgung erhält Pakistan zusätzlich Gelder von globalen Fonds. (BAA 6.2013).

Einige Beispiele für Krankenhäuser ind Lahore sind das King Edward Medical College, das Allama Iqbal Medical College, das Fatima Jinnah Medical College für Frauen, das Mayo Hospital, Lady Willington, das Lahore General Hospital, das Sir Ganga Ram Hospital, das Shaukat Khanum Memorial Cancer Hospital & Research Centre, das Services Hospital und das Sheikh Zayed Hospital. Islamabad/Rawalpindi beherbergt u.a. das Pakistan Institute of Medical Sciences (PIMS), das Shifa International Hospital, das Marghala Institute of Health Sciences (MIHS), das Al-Shifa Eye Hospital, das Rawalpindi General Hospital, das Holy Family Hospital, das Army Medical College und das Rawalpindi Medical College. In Karachi findet sich das Fazal Hospital, das Agha Khan University Hospital (AKUH), das Karachi Adventist Hospital, das Bismillah Taqee Hospital, das Sindh Medical College und Jinnah Postgraduate Medical Centre, das Liaquat National Hospital, die Imam Clinic und das General Hospital, das Dow Medical College und das Civil Hospital Karachi. In Gujranwala gibt es u.a. das Fazal Hospital in Jhelum, das Jinnah Memorial Hospital und in Bahawalpur das Bahawalpur Victoria Hospital (IOM 8.2013). Das "Pakistan Medical and Dental Council" zertifiziert medizinische Einrichtungen. Eine Infektionskontrolle ist vorhanden, diese hat allerdings Schwächen. Ein konsistentes, umfassendes Gesundheitskontrollsystem ist noch nicht eingerichtet (BAA 6.2013).

Die meisten Medikamente, wie z.B. Insulin, können in den Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden. Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt. Für ärztliche Versorgung und Medikamente muss in Pakistan nur ein Bruchteil der in Deutschland hierfür anfallenden Kosten aufgewendet werden, so dass sie für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich sind (AA 2.11.2012). Im Allgemeinen ist eine große Bandbreite an Medikamenten erhältlich. Im privaten Sektor ist alles erhältlich an Medikamenten. Es traten in der Vergangenheit Probleme mit gestreckten Medikamenten auf. Als Reaktion darauf wurden 2012 eine Medikamentenregulierungsbehörde und ein entsprechendes Gesetz eingerichtet. Die Behörde orientiert sich an Einrichtungen in den USA und Kanada. Das Problem mit gefälschten Medikamenten könne auftreten, wenn man sie nicht bei zugelassenen oder seriösen Anbietern kauft, so eine Gesprächspartnerin des Kulsum Krankenhauses (BAA 6.2013).

70 % der Bevölkerung müssen Behandlungen selbst bezahlen, da es kein durchgehendes Krankenversicherungssystem gibt. Es gibt Versicherungen auf staatlicher Organisationsbasis, z.B. für das Militär oder die Fluggesellschaft PIA. Es gibt auch private Krankenversicherungen, die relativ günstig sind, dennoch können sich diese wenige leisten bzw. ist der Vorsorgegedanke kaum vorhanden. Angestellte bei größeren Firmen erhalten meist eine private Versicherung über die Firma. In einigen sozialen Bereichen haben NGOs eigene Systeme (BAA 6.2013).

Die staatlichen Krankenhäuser müssen die arme Bevölkerung gratis behandeln, für Bedürftige ist somit die medizinische Versorgung kostenfrei (BAA 6.2013; vgl. auch AA 2.11.2012). Für über das Notwendigste hinausgehende Behandlungen halten sich die Krankenhäuser nicht immer an die Vorgabe der kostenlosen Behandlung, meint der Stellvertretende Leiter der staatlichen Sozialbehörde Bait-ul-Mal (BAA 6.2013). Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies nicht auf schwierige Operationen (z.B. Organtransplantationen) zu (AA 2.11.2012).

Zusätzlich gibt es ein staatliches Wohlfahrts-Programm, das von Pakistan Bait-ul-Mal administriert wird. Es bietet eine medizinisch-finanzielle Hilfestellung für Bedürftige, bei der die Behandlung dem staatlichen Krankenhaus mit der Bestätigung für die Behandlungskosten vorab bezahlt wird. Für bedürftige Menschen wird somit die medizinische Versorgung durch die Krankenhäuser selbst, durch Bait-ul-Mal und verschiedene Programme der Provinzregierung übernommen, womit, in der Einschätzung des Gesprächspartners, grundsätzlich die Fälle ohne andere Möglichkeiten abgedeckt sind. In erster Linie wird allerdings die Finanzierung in Notlagen durch die Familie aufgebracht. Auf der anderen Seite wurzelt im Zakat auch eine Tradition der Wohltätigkeitsprogramme und Spendenbereitschaft, es gibt wichtige Wohltätigkeitseinrichtungen im medizinischen Bereich (BAA 6.2013). Es gibt viele NGOs und staatliche Stellen, die medizinische Dienstleistungen im Rahmen verschiedener Projekte bereitstellen. Solche Angebote umfassen folgende Aktivitäten:

Psychosoziale Unterstützung, Medizinische Notversorgung, Familienplanung, Kostenlose Apotheken, Mobile Krankenlager, Notunterkünfte, Krankentransport (auch Luftrettung), Blutbanken (IOM 8.2013).

IOM nennt das von Imran Khan gegründete Shaukat Khanum Memorial Cancer Hospital and Research Centre in Lahore als Beispiel, welches führend auf dem Gebiet der Krebsbehandlung ist und gleichzeitig über ein System der Gratisversorgung bei Bedürftigkeit verfügt. Auch die Aga Khan Stiftung leistet sehr viel auf dem medizinischen Gebiet. Es gibt ein großes Aga Khan University Hospital in Karatschi mit einem Labornetzwerk, das eine sehr gute medizinische Versorgung bietet, in dem Vermögende zahlen müssen und Arme gratis behandelt werden. Die Stiftung hat auch medizinische Einrichtungen in anderen Städten Pakistans (BAA 6.2013).

Die Edhi Foundation unterhält 335 Gesundheitszentren in ganz Pakistan mit 24 Stunden Service und 1.800 Ambulanzfahrzeuge sowie 250 Notfallambulanzen, 28 Rettungsbooten, 30 Apotheken, kostenlose Kliniken und Diagnosezentren in Karatschi und Hyderabad, zwei Geburtskliniken in Karatschi, ein Diabetes-Zentrum in Karatschi, Laboratorien in Karatschi und Hyderabad, zwei Krankenpflege-Ausbildungszentren in Karatschi, Rehabilitationszentren für Drogenkranke in Karatschi und einen Luftrettungsdienst. Sie verteilt auch notwenige medizinische Behelfe wie Rollstühle, Patientenbetten, Sauerstoffflaschen u.a. Die Einrichtungen der Edhi Foundation richten sich an Bedürftige und sind kostenlos (BAA 6.2013). Zentren der Edhi Foundation, der größten Wohlfahrtstiftung Pakistans werden sowohl in Großstädten als auch in entlegenen Gebieten unterhalten (IOM 8.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge

HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2013): State of Human Rights in 2012,

http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/pdf/AR2012.pdf , Zugriff 2.9.2013

IOM - Internationale Organisation für Migration (8.2013):

Länderinformationsblatt Pakistan, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_pakistan-dl_de.pdf?__blob=publicationFile , Zugriff 14.10.2013

Lancet (17.5.2013): Health Transitions in Pakistan 1 Pakistan's health system: performance and prospects after the 18th Constitutional Amendment,

http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736 (13)60019-7, Zugriff 11.9.2013

Behandlung nach Rückkehr und Dokumente

Zurückgeführte Personen haben bei ihrer Rückkehr nach Pakistan allein wegen der Stellung eines Asylantrags nicht mit staatlichen Repressalien zu rechnen. Eine über eine Befragung hinausgehende besondere Behandlung Zurückgeführter ist nicht festzustellen. Aus Ländern wie der Türkei, Griechenland und Großbritannien, werden regelmäßig Abschiebungen nach Pakistan durchgeführt. Die Rückführung von pakistanischen Staatsangehörigen ist nur mit gültigem pakistanischem Reisepass oder mit einem von einer pakistanischen Auslandsvertretung ausgestellten so genannten "emergency passport" möglich, nicht aber mit deutschen oder europäischen Passersatzdokumenten (AA 2.11.2012).

Die nationale Datenbank- und Registrierungsbehörde (NADRA) ist für die Ausstellung der Ausweispapiere (National Identity Card, Pakistan Origin Card - PIC, National Identity Card for Overseas Pakistanis - NICOP und Children Registration Certificates) verantwortlich. Die zuständigen Swift Centres sind in den meisten Städten zu finden (IOM 8.2013).

Pakistan Origin Card (POC): Eine Person kann eine POC erhalten, wenn sie ausländischer Staatsbürger ist und zu einem Zeitpunkt des Lebens ein Staatsbürger Pakistans gewesen ist. National Identity Card for Overseas Pakistanis - NICOP: Die NADRA-Behörde stellt dieses Papier pakistanischen Arbeitern/Emigranten und Bürgern im Ausland aus, sowie Pakistanis, die die doppelte Staatsbürgerschaft haben und bei einer NADRA-Behörde gemeldet sind. Die NICOP und auch die POC kann wenn nötig auch anstelle der National Identity Card verwendet werden (IOM 8.2013).

Children Registration Certificate: Die NADRA-Behörde sieht vor, für jedes Kind unter 18 Jahren ein solches Meldezertifikat auszustellen. Das Zertifikat enthält Informationen wie Name, Meldenummer, Namen der Eltern und Nummer ihrer computerisierten Nationalen Ausweise, Geburtsdatum, Geburtsort und Geschlecht (IOM 8.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (2.11.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan

IOM - Internationale Organisation für Migration (8.2013):

Länderinformationsblatt Pakistan, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_pakistan-dl_de.pdf?__blob=publicationFile , Zugriff 14.10.2013

Individuell:

Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des Bundesasylamtes vom 05.04.2012 zum Thema SM / INK / Sipah-e-Sahaba

Allgemeine Informationen zur verbotenen Organisation "Sipha-e-Sahaba" (aktuelle Aktivitäten, Rekrutierung, landesweiter Einfluss, Verbindungen)

Universität Hamburg, Department Sozialwissenschaften, Institut für politische Wissenschaft: Pakistan, Bewaffneter Konflikt, Beginn:

2001, Beteiligte: SSP, Lashkar-i-Jhangvi / TJP, Sipah-i-Muhammad, Letzte Aktualisierung: 20. Juli 2010,

http://www.sozialwiss.uni-hamburg.de/publish/Ipw/Akuf/kriege/248ak_pakistan.htm , Zugriff 4.4.2012

Im Konflikt zwischen den sich als religiös definierenden Gruppen kämpfen auf sunnitischer Seite die Sipah-e-Sahaba Pakistan (SSP, Soldaten der Prophetengefährten) und ihr bewaffneter Arm, die Lashkar-e-Jhangvi gegen die schiitische Tehrik-e-Jaffria Pakistan (TJP, Bewegung für die Jaffria-Schia Pakistans) und deren Kampfeinheit Sipah-e-Muhammad (Soldaten Muhammads). Der Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten geht bis in die 1980er Jahre zurück. Damals bereitete der Militärdiktator Zia ul-Haq eine Islamisierung von Staat und Gesellschaft unter sunnitischer Prägung vor. Seine Bestrebungen wurden von Saudi-Arabien finanziell und logistisch unterstützt und politisch vom pakistanischen Geheimdienst und der Armee umgesetzt. Fundamentalistische Schiiten hingegen verfolgten eine Islamisierung des pakistanischen Staates nach dem Vorbild der iranischen Revolution.

Mit Hilfe sunnitischer Extremisten unterstützte die pakistanische Regierung in den 1990er Jahren das afghanische Taliban-Regime und die sogenannten Jihadi-Gruppen im indischen Teil Kaschmirs. So entstand ein enges personelles und institutionelles Geflecht aus Gruppierungen wie der SSP, den fundamentalistischen Parteien, wie der JUI, und den Jihadi-Gruppen. Als Schaltzentralen dieser Netzwerke sollen Moscheen in Karachi und der North West Frontier Province (NWFP) gedient haben. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen militanten sunnitischen und schiitischen Organisationen, die seit Mitte der 1990er Jahre ausgehend von der Provinz Punjab mittlerweile ganz Pakistan erfasst haben sind seit dem Jahr 2001 massiv angestiegen. Ein Grund dafür kann in Musharrafs Vorgehen gegen die extremistischen Organisationen gesehen werden, das die gegenseitigen Ressentiments verstärkt und den Konflikt weiter zugespitzt hat. Während seiner gesamten Amtszeit, beginnend mit dem seinem Militärputsch im Jahr 1999 versuchte Musharraf den Einfluss der Islamisten einzudämmen und so wurden sowohl die sunnitische Lashkar-e-Jhangvi als auch die schiitische Sipah-e-Muhammad verboten. Musharraf hatte stets eine US-freundliche Politik betrieben und schloss sich nach dem 11. September 2001 den USA im "Kampf gegen den Terror" an. Musharrafs Unterstützung der USA gegen die Taliban (Religionsstudenten) und Al-Qaida (Die Basis) fand bis heute weder großen Rückhalt in der Bevölkerung noch in weiten Teilen der pakistanischen Eliten, da Pakistan bis 2001 die Taliban und Al-Qaida in Afghanistan finanziell und logistisch unterstützt hatte.

Die Anschläge auf religiöse Ziele haben seither zugenommen, wobei sich die Attentäter einer neuen Strategie bedienten. Während sie zuvor meist mit versteckten Sprengsätzen operierten, kam es vermehrt zu Selbstmordattentaten. Diese Entwicklung steht für eine neue Stufe in der Eskalation der religiös begründeten Gewalt. Laut einem Bericht des pakistanischen Geheimdienstes forderten Lashkar-e-Jhangvi und SSP ihre Kader dazu auf, Frauen und Kinder als Selbstmordattentäter zu rekrutieren, um Anschläge auf schiitische Parlamentsabgeordnete zu verüben. Tatsächlich kam es zu einer Reihe von Attentaten, vor allem auf hohe schiitische Kleriker und Politiker. Der Konflikt ist aber nicht nur von gezielten Anschlägen auf Einzelpersonen gekennzeichnet, sondern auch von Zusammenstössen zwischen Gruppen sunnitischer und schiitischer Radikaler. Seit dem Jahr 2001 forderte die religiös motivierte Gewalt in Pakistan insgesamt etwa 2.000 Tote.

Die Ausschreitungen zwischen Sunniten und Schiiten konzentrieren sich vor allem auf die North West Frontier Province (NWFP) und die Federally Administered Tribal Areas (FATA). Diese mehrheitlich von Paschtunen bewohnten Stammesgebiete werden seit der Staatsgründung Pakistans 1947 als autonome Gebietskörperschaften behandelt, in die seitens der Regierung nur nach Notstandsrecht eingegriffen wird. Aufgrund dieses Sonderstatus entziehen sich diese Stammesgebiete weitgehend dem Zugriff des pakistanischen Staates und obwohl die Zentralregierung dort durch einen sogenannten politischen Agenten vertreten ist, ist es dem Staat bisher nicht gelungen sein Gewaltmonopol in diesen Regionen umzusetzen. Die pakistanische Armee hat diese Gebiete im Rahmen von "Antiterror-Operationen" erstmals im Jahr 2003 betreten.

Die alljährlich im Januar stattfindenden Muharram-Prozessionen der schiitischen Minderheit lösten 2007 eine Welle der Gewalt aus. In der Stadt Peschawar wurden bei einem Selbstmordanschlag auf die Prozession 15 Menschen getötet und 60 verletzt. Auch im Distrikt Hangu, ebenfalls in der NWFP, wurde die Feier angegriffen. Nach einer Raketenattacke radikaler Sunniten fanden Zusammenstöße zwischen Sunniten und Schiiten statt, die sich rasch zu Kämpfen in der gesamten Region Kurram ausweiteten. Eine Jirga verhandelte einen Waffenstillstand zwischen den rivalisierenden Gruppen, doch dieser konnte, vor allem in den weiter entlegenen Gebieten nicht aufrechterhalten werden. Trotz der Ankündigung der Regierung, die anhaltenden Kampfhandlungen durch eine Militäroperation zu beenden, griffen Sunniten und Schiiten schwer bewaffnet gegenseitig ihre Dörfer an. Bis zum Ende des Jahres stieg die Zahl der Opfer in den Kämpfen auf über 400.

Zwar konnte im Berichtsjahr 2008 insgesamt eine Abnahme der religiös motivierten Gewalthandlungen beobachtet werden und auch die Zahl der Todesopfer war im Vergleich zum Vorjahr geringer. Dennoch begann das Jahr zunächst mit intensiven Kämpfen zwischen Sunniten und Schiiten. Hauptschauplatz dieser Auseinandersetzungen waren abermals die FATA und die NWFP. Die intensiven Kämpfe im Januar dauerten etwa zwei Wochen an und lösten eine Flüchtlingswelle nach Afghanistan aus. Afghanischen Behörden zufolge flohen etwa 900 zumeist sunnitische Familien über die Grenze. In Kurram kam es im April zu neuerlichen Auseinandersetzungen, die im Verlauf von etwa zwei Wochen etwa 50 Todesopfer zur Folge hatten.

Zusätzlich zu den Massenausschreitungen führten extremistische Gruppierungen auch in diesem Jahr wieder gezielte Attentate auf religiöse Führer und Einrichtungen in ganz Pakistan aus. Besonders die Lashkar-e-Jhangvi war in diesem Jahr wieder stärker aktiv und hat ihren Einflussbereich offenbar ausgeweitet, indem sie ihre Strukturen und Ziele etwas modifiziert hat. So war sie zum Beispiel an dem Selbstmordattentat auf das Marriott-Hotel in Islamabad am 20. September beteiligt, bei dem 60 Menschen getötet und 200 weitere verletzt wurden. Die Lashkar-e-Jhangvi kooperierten zudem mit den Taliban und Al-Qaida, indem sie ihnen logistische Unterstützung boten und Kämpfer bereitstellten.

Nachdem die radikalen Gruppierungen 2001 verboten wurden operierten sie weitestgehend im Untergrund, dennoch ist es ihnen nach wie vor möglich große Massen zu mobilisieren. So konnte die Sipah-e-Sahaba, die ebenfalls in diesem Jahr wieder stärker aktiv ist, Hunderte von Unterstützern mobilisieren als sie zu Protesten in Karachi aufrief. Ihre erste große Massenkundgebung seit 2001 wurde als Reaktion auf die wiederholte Veröffentlichung der umstrittenen Mohammed-Karikaturen in einer dänischen Zeitung organisiert. Obwohl im Berichtsjahr also ein leichter Rückgang der bewaffneten Auseinandersetzungen zu verzeichnen war, kann von einer Entspannung der Situation keineswegs die Rede sein.

RDC - Refugee Documentation Centre, Legal Aid Board (Ireland):

Information on Sepah-e-Sahaba [Q13429], 21. Februar 2011

Die im Jahr 2002 verbotene Sipah-e-Sahaba Pakistan (SSP), vormalig Anjuman Sipah-e-Sahaba, ist eine militante sunnitische Organisation, welche mit terroristischer Gewalt gegen die Minderheit der schiitischen Gemeinschaft, die sunnitischen Barelvis und gegen nicht-Muslime in Pakistan vorgeht. Gemäß Innenminister Rehman hat die SSP enge Verbindungen zur al-Qaida und zu den Taliban. Sie agiert landesweit, das Zentrum der Organisation liegt jedoch im Punjab.

Information on Sepah-e-Sahaba.

A profile from the South Asia Terrorism Portal states: "Earlier termed Anjuman Sipah-e-Sahaba, the Sipah-e-Sahaba Pakistan (SSP) is a Sunni sectarian outfit that has been alleged to be involved in terrorist violence, primarily targeted against the minority Shia community in Pakistan" (South Asia Terrorism Portal (undated) Sipah-e-Sahaba Pakistan, Terrorist Group of Pakistan)

The National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorism notes: "Sipah-e-Sahaba/Pakistan (SSP) is a religiously-motivated terrorist organization operating in Pakistan. SSP, a Sunni sectarian group, believes that Pakistan's Shia population possesses too much power and influence and that Pakistan should be governed as a Sunni state. Shias make up approximately 20% of Pakistan's population" (National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorism (undated) Terrorist Organization Profile: Sipah-e-Sahaba/Pakistan (SSP))

In December 2010 a timeline from the South Asia Terrorism Portal includes for March 2010 that: "The Interior Minister Rehman Malik said that the SSP and TTP were involved in terrorist activities in the country and warned of strict action against them. Referring to the SSP, the interior minister said it had close links to al-Qaeda and Taliban" (South Asia Terrorism Porta (December 2010) Incidents involving Sipah-e-Sahaba Pakistan)

A report published in November 2010 by the United States Department of State notes: "Targeted assassinations of clergy remained a key tactic of several groups, including banned sectarian organization Sipah-i-Sahaba (SSP), terrorist organization Lashkar-i-Jhangvi (LJ), and Sipah-i-Mohammad Pakistan (SMP). SSP and LJ targeted both Shi'a and Barelvis, whereas SMP targeted Deobandis" (United States Department of State (17 November 2010) Pakistan, International Religious Freedom Report 2010)

An IRIN News story from October 2010 includes the following profile:

"Sipah-e-Sahaba Pakistan Area if operations: Countrywide with a concentration in the Punjab. Targets: Non-Muslims and the Shia minority. Base of support: Other sectarian groups and hard-line Muslim factions" (IRIN News (13 October 2010) Pakistan: A guide to main militant groups)

The South Asia Terrorism Portal in September 2010 notes: "The LeJ and the SSP remain the principal organisations responsible for the rise of sectarian strife in the country. Though both these outfits maintain that they are not organisationally linked, they share the same origins, sectarian belief system and worldview. Their charter of demands includes turning Pakistan into a Sunni State, and both draw their cadres from the same madrassas (seminaries) and social milieu" (South Asia Terrorism Portal (6 September 2010) Sectarian Torments)

BBC News in August 2010 notes: "Right-wing organisations, including banned extremist groups, are leading the relief and rescue effort in flood-hit Pakistan. Three of the most prominent groups, Jamaat-e-Islami, Jamaat-ud-Dawa and Sipah-e-Sahaba have thousands of activists who have fanned out across the country. All are very powerful on the ground despite having limited or no officially recognised political representation" (BBC News (10 August 2010) 'Hardline' groups step in to fill Pakistan aid vacuum)

A report by Reuters in May 2010 states: "SSP is a pro-Taliban, anti-Shi'ite militant group based in central Punjab. The group was banned in 2002, but officials say its members were suspected of involvement in attacks in the province, including the burning to death of eight Christians on suspicions of blasphemy last year" (Reuters (30 May 2010) Factbox-Major militant groups in Pakistan)

Reviewing events of 2009 a Freedom House report issued in June 2010 states: "Tens of thousands of armed militants are believed to be active in Pakistan. These members of radical Sunni Islamist groups-including the TTP, Lashkar-i-Jhangvi, the JD, and the Sipah-i-Sahaba Pakistan (SSP)-have varying agendas and carry out terrorist attacks against foreign, Shiite, and Christian targets, killing hundreds of civilians each year" (Freedom House (1 June 2010) Freedom in the World - Pakistan (2010))

PB - Pakistan Blogzine: Sunni Muslims reject Sipah-e-Sahaba Pakistan, 01 02 2012,

http://pakistanblogzine.wordpress.com/2012/02/01/barlevi-muslims-ask-sipah-e-sahaba-to-stop-misusing-the-name-of-ahl-e-sunnat-wal-jamaat/ , Zugriff 5.4.2012

Die Sipah-e-Sahab Pakistan (SSP, derzeit unter dem Namen Ahle Sunnat Wal Jamaat [ASWJ] aktiv) wurde im Jahr 2002 als eine terroristische Organisation unter dem Anti-Terrorism Act von 1997 verboten. Obwohl die Sipah-e-Shaba-Pakistan (SSP) offenbar verboten war, durfte die Organisation ihre Aktivitäten heimlich fortführen. Sie nahm dazu einfach einen neuen Namen an: "Ahle Sunnat Wal Jamaat" (ASWJ).

Sipah-e-Sahab Pakistan (SSP, currently camouflaged as Ahle Sunnat Wal Jamaat ASWJ) is a banned extremist organization. Comprising radicalised Jihadi-sectarian assets of Pakistan army, the SSP-SWJ represents a tiny minority of the Deobandi sub-sect of Sunni Islam, and per se does not represent the majority of Sunni Barelvi, Deobandi or Salafi Muslims.

Sunni Muslims in Pakistan are divided into three main sects or sub-sects: Barelvis (70%), Deobandi (25%) and Ahl-e-Hadith (5%).

During the CIA-Saudi sponsored Jihad against the Soviet-backed regime in Afghanistan (1979-87), Pakistan army (ISI in particular) recruited and brainwashed thousands of Deobandi Muslims, most of them from Deobandi madarasahs (seminaries) in Pakistan and Afghanistan, to deploy cheap mercenaries in the so called Jihad in Afghanistan.

There were two types of Deobandi Jihadis produced by Pakistan army:

Internal and External.

The Internal Jihadis were tasked to attack all those individuals and groups (political parties, religious sects, rights groups etc) who could cause an obstruction in the way of Pakistan army's international Jihadist agenda. Within Pakistan, the internal jihadis focused on killing leaders of progressive political parties (e.g., ANP, PPP, other progressive intellectuals etc) as well as religious sects opposed to radical Deobandi-Wahhabi agenda. Shias, Sunni Barelvis, Ahmadis and Christians were particularly targeted by the brainwashed Jihadist Deobandis.

The External Jihadis were tasked to operate in Afghanistan, India, Bosnia, Chechnya and other countries to promote the goal of international Islamic Empire or Caliphate.

In view of the mounting international pressure in the aftermath of the 9/11, General Musharraf declared the extremist Deobandi organization (the internal Jihadi branch) Sipah-e-Sahaba as outlawed in 2002. The organization was banned in 2002 as a terrorist organization under the Anti-Terrorism Act of 1997.

However, while the Sipah-e-Shaba Pakistan (SSP) was apparently banned, the organization was secretly allowed to operate by Pakistan's military establishment. The organization continued its Jihadi-sectarian activities by simply adopting a new name "Ahle Sunnat Wal Jamaat" (ASWJ).

The adopting of the ASWJ was a cunning move by the Sipah-e-Sahaba leadership because Ahl-e-Sunnat Wal-Jamaat or Jamaat-e-Ahle-Sunnat is a name particularly used by Pakistan's Sunni Barelvis, moderate Sufi Muslims who constitute a dominant majority of Pakistan's Sunni Muslims and are strictly opposed to extremist Deobandis' (SSP) Jihadi-sectarian agenda.

In fact, Jihadi-sectarian militants of Sipah-e-Sahaba Pakistan (which also operates as Lashkar-e-Jhangvi LeJ) have conducted numerous attacks not only on Shias, Ahamdis and Christians but also on Sunni Barelvis in which hundreds of Barelvi Muslims have been killed or injured.

Jihadi-sectarian militants of the SSP-LeJ are pro-Wahhabi and puritanical in their ideological interpretation and practice of Islam and consider Sunni-Barelvi Muslims as polytheists (mushrik) and deviant Muslims. In the last few years, LeJ-SSP-Taliban terrorists have attacked dozens of Sunni Barelvi congregations including attacks on sufi shrines in Islmabad, Karachi, Lahore, Peshawar etc and also attacks on Eid Milad-un-Nabi's processions and Sunni Barelvi mosques. Numerous Sunni Barelvi leaders have been killed by the LeJ-SSP militants including but not limited to Saleem Qadri, Abbas Qadri, Sarfraz Naeemi and several others.

SATP - South Asia Terrorism Portal: Sipah-e-Sahaba Pakistan, Terrorist Group of Pakistan, Webseite undatiert, http://www.satp.org/satporgtp/countries/pakistan/terroristoutfits/Ssp.htm , Zugriff 5.4.2012

Trotz Dementis seitens der SSP gilt die Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) als der bewaffnete Flügel der Sipah-e-Sahaba. Viele Mitglieder des SSP Kaders erhielten eine Waffenausbildung von der Harkat-ul-Mujahideen (HuM) und dem ehemaligen Taliban-Regime in Afghanistan. Der SSP werden auch enge Verbindungen zur Jaish-e-Mohammed (JeM), einer terroristischen Organisation, welche in Jammu und Kaschmir aktiv ist, nachgesagt.

Die SSP hat auch Verbindungen zu verschiedenen Parteien in Pakistan, in erster Linie zur Jamaat-e-Islam (JeI) und zur Jamaat-Ulema-e-Islam (JuI). Die JuI betreibt eine große Anzahl von Madrassas in Pakistan, von welchen Mitglieder für die HuM, die SSP und die Taliban rekrutiert werden. Die SSP erhält angeblich erhebliche Mittel aus Saudi Arabien über wohlhabende private Quellen in Pakistan.

Die SSP hat Einfluss in den vier Provinzen von Pakistan und gilt als die mächtigste extremistische Gruppe im Land. Die SSP betreibt angeblich 500 Büros und Niederlassungen in allen 34 Distrikten im Punjab. Es wird berichtet, dass sie etwa 1,00,000 registrierte Mitarbeiter in Pakistan und 17 Niederlassungen in anderen Ländern, einschließlich der Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien, Bangladesch, Kanada und England, hat. Städte wie Sargodha, Bahawalpur, Jhang, Multan und Muzaffargarh gelten als "SSP - Hochburgen".

Sipah-e-Sahaba Pakistan, Terrorist Group of Pakistan

Earlier termed Anjuman Sipah-e-Sahaba, the Sipah-e-Sahaba Pakistan (SSP) is a Sunni sectarian outfit that has been alleged to be involved in terrorist violence, primarily targeted against the minority Shia community in Pakistan. The outfit has also operated as a political party having contested elections and an SSP leader was a minister in the Coalition Government in Punjab in 1993. The SSP is one of the five outfits that have been proscribed by President Pervez Musharraf on January 12, 2002. The outfit is reported to have been renamed as Millat-e-Islamia Pakistan after the proscription.

Formation

Maulana Haq Nawaz Jhangvi, Maulana Zia-ur-Rehman Farooqi, Maulana Eesar-ul-Haq Qasmi and Maulana Azam Tariq established the SSP, initially known as the Anjuman Sipah-e-Sahaba in September 1985 in an environment of increasing sectarian hostility in Pakistani Punjab. The origin of this outfit lie in the feudal set-up of Pakistani Punjab and politico-religious developments in the Nineteen Seventies and Eighties. Political and economic power in Pakistani Punjab was a privilege of large landowners, mostly Shias, a minority as compared to the Sunni sect. Urban Punjab in contrast, was a non-feudalised middle-class society and largely from the Sunni sect. The SSP is also alleged to have been set up at the behest of the then Zia-ul-Haq regime as part of the efforts to build an Islamist counter to pro-democracy forces ranged against the military regime of the Eighties.

The socio-economic rationale for SSP's origin is explained largely from the economic profile of Jhang, the home base of SSP. Located in a region that divides Central from Southern Pakistani Punjab, Jhang still has a significantly high proportion of large land holdings, leaving feudalism relatively undisturbed. Most large landlords, who are Shias, dominate both society and politics in the region. But, over the years, the area has developed as an important mandi (market town) gradually increasing the power of traders, shopkeepers and transport operators in the region. Seeking a political voice and role, this class, largely from the Sunni community, has been challenging the traditional feudal hold. The most serious political challenge to the control of feudal interests has been articulated in the form of violent sectarianism, with the formation of the SSP. This has meant, however, that the contest for access to resources and status and the competition for domination over the state apparatus are not framed in terms of class divisions, or modernisation imperatives, but confrontationist sectarian identities.

As in most areas affected by violence, a major contradiction has risen. While a sizeable proportion of traders and shopkeepers continue to fund the SSP in Jhang, most do not believe in the violence associated with the party, rather it is now a matter of buying security. Nevertheless, there is a decline in their support for the SSP over recent years as a result of the economic consequences of sectarian strife.

Ideology and Objectives

The SSP wants Pakistan to be declared a Sunni state. Maulana Zia-ul-Qasmi, a leading SSP leader said in an interview in January 1998, "the government gives too much importance to the Shias. They are everywhere, on television, radio, in newspapers and in senior positions. This causes heartburn." While fervently believing in hostility towards the Shias, the SSP also aims at restoring the Khilafat system. It also aims to protect the Sunnis and their Shariat (law). The SSP has declared that Shiites are non-Muslims. The SSP came into existence as a reaction to the Iranian Revolution and increasing Shia militancy in Pakistan. There is another school of thought which says that the SSP phenomenon began from Jhang as a reaction to the socio-economic repression of the masses by Shia feudal structure in the area.

Giving his reaction to the warning given to the party by President Pervez Musharraf on August 14, 2001, SSP leader Maulana Mujibur Rehman Inqilabi said that it had nothing to do with terrorism and considered it a danger to the security of the country and people, believing in the negotiated resolution of all issues. He also said that the resolution of the Shia-Sunni issue did not lie in bans, bloodshed, hanging or cruel punishments but in negotiations. Maulana Inqilabi also pointed out that Pervez Musharraf must constitute a tribunal under his supervision comprising the Interior Minister, all provincial Home Secretaries, Chief Justices of the Supreme and High Courts, leading Ulema (religious scholars) and journalists to hear proposals from the Tehreek-e-Jaferia-Pakistan (TJP) and the SSP for the resolution of their differences. He said the tribunal should formulate a code of ethics in the light of the proposals by both the parties, give it a legal cover and then get it followed by all the concerned.

Earlier, on January 16, 2001, the SSP and its Shia rival organisation, the Tehreek-e-Jaferia Pakistan (TJP) reportedly assured the Punjab provincial Government of co-operation in the elimination of terrorism from the country. Similarly, on February 3, 2001, the Punjab leadership of the SSP and another Shia outfit, Sipah-e-Muhammad Pakistan (SMP) announced its willingness to overcome differences and to withdraw cases filed against each other.

The SSP also actively opposes the US-Pakistan alliance formed in the aftermath of the September 11 terrorist attacks on US targets. The alliance was targeted against the erstwhile Taliban regime in Afghanistan, a major supporter of Sunni extremists and terrorist outfits in Pakistan. The outfit joined the Jamaat-e-Islami (JeI), Jamaat-e-Ulema-e Pakistan (JUP), Jamaat-e-Ulema-e-Islam, and Fazlur Rahman faction of JuI and Jamaat-e-Ahle Hadith in forming the Afghan Jehad Council and claiming the US action was not a war against Taliban but against Islam, and therefore, it was essential for the Muslims to declare Jehad against the US and its allies.

Leadership and Structure

Maulana Azam Tariq, SSP chief and a Member of the National Assembly, was assassinated along with four other persons by three unidentified gunmen in Islamabad on October 6, 2003. He had won the October 2002 National Assembly elections from Jhang as an independent candidate. Azam Tariq, educated in the Madrassas (seminaries) in Faisalabad and Karachi, was a frequent visitor to Afghanistan during the Taliban militia's rule. Although the Maulana had claimed that the SSP had no links with any terrorist groups, security agencies believe that the SSP and LeJ are closely linked. In October 2000, the Maulana while speaking at an international Difah-e-Sahaba conference in Karachi said that the SSP aims to transform 28 large Pakistani cities into 'model Islamic cities' where television, cinema and music would be banned. Azam Tariq was also a supporter the terrorist violence in the Indian State of Jammu and Kashmir (J&K). When Maulana Masood Azhar formed the Jaish-e-Mohammed (JeM) in the aftermath of his release in Kandahar, Afghanistan, following the hijacking of an Indian aircraft in December 1999, Azam Tariq reportedly 'pledged' to send 500,000 Jehadis to J&K to fight Indian security forces. According to an October 2003 report in the Daily Times, 65 cases were registered against him, including 28 cases relating to terrorist acts.

Allama Ali Sher Ghazni is the Patron-in-Chief of the outfit. Maulana Zia-ul-Qasmi serves as the Chairman, Supreme Council. Other important SSP leaders are Qazi Mohammed Ahmed Rashidi, Mohammed Yousuf Mujahid, Tariq Madni, Muhammad Tayyab Qasim and Maulana Muhammad Ahmad Ludhianvi.

Maulana Haq Nawaz Jhangvi, one of the founder members of SSP was assassinated on February 23, 1990, reportedly by Shia terrorists. He was considered to have been the most prominent SSP leader, belonged to the Deobandi sect and was very popular in Jhang for his speeches. Maulana Jhangvi aimed to make Pakistan a Sunni state. He contested and lost the election for a National Assembly seat in 1990. Haq Nawaz's avowed mission was to declare Shias as Kafir (infidel) and in this pursuit, he publicly instructed his followers to destroy peace in Pakistan, if it became necessary to get Shias declared as Kafir.

Kaka Balli, kin of a former member of the National Assembly from Jhang, Amanullah Khan Sial, was convicted to lifetime imprisonment for the assassination of Maulana Jhangvi. After the assassination, Maulana Zia-ur Rehman Farooqi took over the leadership of the outfit. He was later killed in a bomb explosion in the Lahore Sessions Court on January 19, 1997. Maulana Azam Tariq succeeded Maulana Zia-ur Rehman Farooqi.

The SSP is reported to have approximately 3,000 - 6,000 trained activists who indulge in various kinds of violent sectarian activities, which are primarily directed against the Shias. Most SSP cadres hail from Punjab.

Operational Strategies

SSP extremists have primarily operated in two ways: The first involves targeted killings of prominent opponent organisation activists. In the second, terrorists fire on worshippers in mosques operated by opposing sects.

By 1992, the SSP was reported to have gained access to sophisticated arms as also the ability to use these weapons even against law enforcement agencies. In June 1992, its activists used a rocket launcher in an attack which killed five police personnel. In Punjab, 1994 was one of the worst years in terms of sectarian violence when such incidents claimed 73 lives and more than 300 people were injured. Many of these killings were the result of indiscriminate firing on people saying their prayers. The SSP along with several other Sunni and Shia organisations were suspected to have participated in this violence.

In 1996, the outfit joined peace efforts initiated by the Milli Yakjeheti Council* though violence continued unabated. The second half of the year was notable for the fact that while the number of incidents decreased, average casualties in these incidents increased. In one such instance where SSP was suspected as the perpetrator, ten persons were killed in indiscriminate firing at a mourning procession in Mailsi in Vehari district in July 1996.

News reports have indicated that the SSP and other Sunni outfits hold Iran as the sponsor of Shia extremist outfits in Pakistan. Hence when any major Sunni leader is assassinated, Iranians in Pakistan are targeted for retribution. For instance, the Iranian Counsel General in Lahore, Sadeq Ganji, was killed in December 1990 in what was reported to be a retribution for the February 1990 killing of the SSP co-founder Maulana Haq Nawaz Jhangvi. Similarly, in January 1997, the Iranian Cultural Centre in Lahore was attacked and set on fire, while in Multan seven persons were killed including the Iranian diplomat Muhammad Ali Rahimi. Earlier, in the month, a bomb blast at the Sessions Court in Lahore left 30 persons dead, including the then SSP chief Zia-ur-Rehman Farooqi along with 22 policemen and a journalist. News reports said that the retribution continued in September 1997 when five personnel of the Iranian armed forces who were in Pakistan for training were killed by suspected Sunni terrorists.

As with other sectarian outfits in Pakistan, the SSP has chosen to lie low after the military coup of November 1999. This lends credence to the hypothesis that SSP like other sectarian and ethnic groups, indulge in violence only when a passive state guarantees an environment of neutrality and even tacit support to this violence. With a hard-line stance being taken by the military regime against internal violence within Pakistan, these organisations have chosen to keep a low profile.

As part of its opposition to the US-Pakistan alliance against the erstwhile Taliban regime, the SSP joined other members of the Afghan Jehad Council on September 20, 2001 in announcing a Jehad against the US forces if they used Pakistani soil to carry out military attacks on the Taliban regime. The SSP leadership while criticising the Pakistani Government's decision of extending support to the US-led air attacks on the terrorist training camps in Afghanistan also indicated that they would fight alongside the Taliban militia.

Links

In 1996, protesting against what they termed as the moderating nature of the organisations, the more radical and extremist elements of the SSP walked out of the outfit to form the Lashkar-e-Jhangvi (LeJ), a sectarian terrorist outfit that was proscribed by President Pervez Musharraf on August 14, 2001. In contrast, the SSP has always retained an explicit political profile, contesting elections and having been a constituent of a Punjab coalition government. Despite SSP denials, the LeJ is widely considered to be the armed wing of the Sipah-e-Sahaba.

Many SSP cadres have received arms training from the Harkat-ul-Mujahideen (HuM) and the erstwhile Taliban regime in Afghanistan.

The SSP is also reported to be closely linked to the Jaish-e-Mohammed (JeM), a Pakistan-based terrorist outfit active in Jammu and Kashmir. Maulana Masood Azhar, JeM chief, speaking at a Jehad conference in October 2000 said, "now we go hand-in-hand, and Sipah-e-Sahaba stands shoulder to shoulder with Jaish-e-Muhammad in Jehad."

The SSP draws support, inspiration and assistance from various political parties in Pakistan, primarily the Jamaat-e-Islam (JeI) and the Jamaat-Ulema-e-Islam (JuI). The JuI is associated with running a large number of Madrassas all over Pakistan from where recruits for the HuM, SSP and Taliban are provided.

The SSP reportedly receives significant funding from Saudi Arabia through wealthy private sources in Pakistan. Funds are also acquired from various sources, including Zakat and donations from various Sunni extremist groups. Other sources include donations through local Sunni organisations and trusts, Madrassas and study circles, and contributions by political groups. Most of the foreign funded Sunni Madrassas in Pakistan are reportedly controlled by the SSP.

The SSP has also been linked to Ramzi Ahmed Yousuf, an accused in the New York World Trade Centre bombing of February 1993, who was later captured by the US authorities in February 1995.

Areas of Operation

Towns like Sargodha, Bahawalpur, Jhang, Multan and Muzaffargarh are the SSP strongholds. The dynamic leadership of Haq Nawaz Jhangvi is reported to have popularised an anti-Shia campaign in their backyard, southern and western areas of Punjab.

The SSP has influence in all the four provinces of Pakistan and is considered to be the most powerful extremist group in the country. It has also succeeded in creating a political vote bank in the Punjab and North West Frontier Province (NWFP). The SSP has reportedly 500 offices and branches in all 34 districts of Punjab. It is also reported to have approximately 1,00,000 registered workers in Pakistan and 17 branches in foreign countries including the UAE, Saudi Arabia, Bangladesh, Canada and England.

U.K. Home Office: Pakistan, Country of Origin Information (COI) Report, 29. September 2011

Die 1984 gegründete Millat-e-Islamia Pakistan (MIP) war früher als Sipah-e-Sahaba Pakistan (SSP) bekannt. Im November 2003 wurde die Millat-e-Islamia Pakistan (MIP) verboten.

Millat-e-Islamia Pakistan (MIP)

Formerly known as Sipah-e-Sahaba Pakistan (SSP) and founded in 1984, the MIP is overtly anti-Shia with aims to make Pakistan a Sunni state. Its leader, Azam Tariq, was assassinated in October 2003 by unknown gunmen, and replaced by Mullah Muhammad Ahmed Ludhanvi. The party was banned in November 2003. (Jane's, updated 24 March 2011)

Die Tageszeitung: Politischer Rachefeldzug, Bei Kämpfen zwischen Paschtunen und zugewanderten Muslimen sterben mehr als 40 Menschen. Die Gründe sind sowohl politisch als auch wirtschaftlich, 03.08.2010, http://www.taz.de/!56520/ , Zugriff 4.4.2012

Nach dem Mord an einem Regionalpolitiker sind in Pakistans Wirtschaftsmetropole Karachi bei Zusammenstößen zwischen Anhängern verfeindeter politischer Parteien 46 Menschen getötet und mehr als 120 verletzt worden. Raza Haider, der als Abgeordneter in der Regionalversammlung der südlichen Provinz Sindh saß, war am Montagabend von vier Angreifern in einer Moschee erschossen worden. Auch sein Leibwächter wurde bei dem Angriff getötet. Haidar gehörte dem "Muttahida Qaumi Movement" (MQM) an, einer Regionalpartei, die in Karachi und dem Sindh vor allem die "Muhajirs" - Urdu sprechende Nachfahren muslimischer Einwanderer aus Indien - vertritt.

Unmittelbar nach dem Mord bildeten sich überall in der Stadt Mobs und machten Jagd auf Anhänger der paschtunischen Minderheit. Denn schon seit Jahren tobt in Karachi eine tödliche Auseinandersetzung zwischen Anhängern der MQM und Mitgliedern der Awami National Party (ANP), die in Pakistans Nordwesten ihre Machtbasis hat und landesweit für die Rechte der Paschtunen eintritt.

Innenminister Rehman Malik machte die verbotene militante Gruppe Sipah-e-Sahaba und die Tehrik-e-Taliban (TTP, Taliban-Bewegung in Pakistan) für den Mord verantwortlich. Sicherheitskreise vermuteten jedoch, dass die Gruppe Lashkar-e-Jhangvi, eine Splitterfraktion der Sipah-e-Sahaba, hinter der Attacke stecken könne. Die Lashkar-e-Jhangvi gilt als eine besonders gewaltbereite Terrorgruppe. Sie folgt dem Wahhabi-Islam, einer konservativen islamischen Strömung, die in Saudi-Arabien Staatsreligion ist.

ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Informationen zur Gruppe Lashkar-e Jhangvi [a-7906-1 (ACC-PAK-7906-1)], 01. März 2012

Human Rights Watch (HRW) erwähnt in seinem Jahresbericht zu Pakistan vom Jänner 2012, dass die angeblich verbotene militante sunnitische Gruppe Lashkar-e Jhangvi (LeJ) straflos ihre Tätigkeiten ausüben könne - auch in Gebieten, die unter gefestigter Kontrolle der staatlichen Behörden stünden, wie die Provinz Punjab und Karatschi. Am 19. September 2011 seien 26 Hazara, die sich auf einer Busreise zu schiitischen Heiligtümern im Iran befunden hätten, nahe der Stadt Mastung erschossen worden. Drei weitere Personen seien getötet worden, während sie die Verwundeten in ein Krankenhaus gebracht hätten. Die LeJ habe sich zu den Anschlägen bekannt:

"Across Pakistan attacks took place against Shia and other vulnerable groups. Sunni militant groups, such as the supposedly banned Lashkar-e Jhangvi, operated with impunity even in areas where state authority is well established, such as the Punjab province and Karachi. On September 19, 26 members of the Hazara community travelling by bus to Iran to visit Shia holy sites were forced to disembark by gunmen near the town of Mastung and shot dead. Three others were killed as they took the injured to a hospital. Lashkar-e-Jhangvi claimed responsibility. On October 4, gunmen riding on motorbikes stopped a bus carrying mostly Hazara Shia Muslims who were headed to work at a vegetable market on the outskirts of Quetta, Balochistan's capital. The attackers forced the passengers off the bus, made them stand in a row, and opened fire, killing 13 and wounding 6." (HRW, 22. Jänner 2012)

Die UK Border Agency (UKBA) zitiert in ihrem Herkunftsländerbericht zu Pakistan vom September 2011 einen auf der Website der IHS Jane's Information Group veröffentlichten Artikel. Mitglieder der LeJ aus dem Punjab hätten in den Stammesgebieten (Tribal Belt) öfters mit der Gruppe Tehrik-e-Taliban Pakistan gemeinsam Operationen durchgeführt und seien dann in ihre Heimatbezirke zurückgekehrt. Seit dem Jahr 2002 seien Mitglieder der LeJ vermehrt in die pakistanischen Taliban-Fraktionen in den Stammesgebieten eingegliedert worden:

"Despite tribal-based and Punjab-based militant groups operating in the country with relative impunity, militancy in Pakistan is not ethnically segregated. This means that militants from the Federally Administered Tribal Areas (FATA) have often been arrested during raids on Punjab-based organisations, while Punjabi members of Lashkar-e-Jhangvi [LeJ] and Jaish-e-Mohammed [JeM] from urban centres in Pakistan's heartland often operate for brief stints with the TTP [Tehrik-e-Taliban Pakistan] in the tribal belt before returning to their home districts. Indeed since 2002 LeJ members have become increasingly embedded in Pakistani Taliban factions based in the tribal areas. Furthermore, despite the death of Baitullah Mehsud in August 2009, security has continued to deteriorate in the tribal areas as well as in other parts of the country, namely Punjab. This has less to do with the appointment of Hakimullah Mehsud as Baitullah's successor than with the reality that militancy does not depend on individual commanders but on a grassroots network whose foundations are madrassahs, mosques and training camps scattered in villages, districts and urban centres across Pakistan." (UKBA, 29. September 2011)

Die Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) schreibt in einem Bericht vom April 2011, dass die verbotene LeJ laut Medienberichten, die sich auf einen Bericht des Punjab Crime Investigation Department beziehen würden, in zwei Splittergruppen unterteilt sei: die Jhangvi Fidayi Forces und die Sunni Fidayi Forces. Innenminister Rehman Malik habe angegeben, dass die LeJ und Sipah-e-Sahaba Pakistan (SSP) in der Gruppe Punjabi Taliban vereint seien. Das Zentrum der Gruppe liege in den südlichen Bezirken des Punjab. Die LeJ sei zudem in religiösen Schulen im südlichen Punjab tätig:

"Media reports cited a report by Punjab Crime Investigation Department that the outlawed Lashkar-e-Jhangvi (LJ) now had two splinters: Jhangvi Fidayi Forces and Sunni Fidayi Forces. The reports said that the intelligence agencies had alerted the government to the activities of the LJ in some seminaries located in the southern districts of Punjab, especially Jhang. Interior Minister Rehman Malik was quoted as saying that the LJ and the SSP were united under the banner of the Punjabi Taliban, with the southern districts of Punjab as their hub. The interior minister said 726 workers of the banned outfits were present in southern Punjab. One hundred most wanted militants belonged to this region and out of a total of 13,500 registered madrassas (seminaries) in Punjab, 7,281 were located there." (HRCP, 14. April 2011, S. 184)

Die International Crisis Group (ICG) berichtet im Oktober 2011, dass die LeJ für viele terroristische Angriffe gegen Schiiten, moderate Sunniten und staatliche Beamte verantwortlich sei:

"The Lashkar-e-Jhangvi is responsible for scores of terrorist, including suicide, attacks against Shias, Sunnis from more moderate sects and even state officials." (ICG, 12. Oktober 2011, S. 16)

Der US-amerikanische Congressional Research Service (CRS) berichtet im Oktober 2011, dass die LeJ eine Splittergruppe der SSP sei, hauptsächlich im Punjab tätig sei und enge Verbindungen zur al-Qaida unterhalte:

"Islamist militant groups operating in and from Pakistani territory are of five broad types: [...] Sectarian militants, in particular the anti-Shia Sipah-e-Sahaba Pakistan (SSP) and its offshoot, Lashkar-e-Jhangvi (LeJ), the latter closely associated with Al Qaeda, operating mainly in Punjab;" (CRS, 21. Oktober 2011, S. 28)

Amnesty International (AI) berichtet im Februar 2012, dass es seit dem Jahr 2010 zu einem Anstieg der religiös motivierten Anschläge in Belutschistan komme. Es handle sich dabei um gezielte Angriffe von militanten Gruppen wie der LeJ auf schiitische MuslimInnen. Die schiitische Hazara-Gemeinschaft in der Provinz Belutschistan behaupte, dass die Taliban und sunnitische Extremisten seit dem Jahr 2004 hunderte Mitglieder ihrer Gemeinschaft getötet hätten:

"Sectarian attacks have occurred across Pakistan for some years now but have increased in Balochistan since at least 2010. These are not random killings but demonstrate the deliberate targeting of minority Shi'a Muslims by militant groups including Lashkar-e-Jhangvi and others. Balochistan's Hazara Shi'a community claims that Taleban and Sunni extremists have murdered hundreds of their members since 2004. Routine targeted killings against the Hazara and other groups because of their ethnicity, religion or political affiliations raises serious questions about the willingness or ability of Pakistan security forces to protect the people of Balochistan. Continued failure to address sectarian violence will only exacerbate the general breakdown in law and order in Balochistan." (AI, 8. Februar 2012)

Die Asian Human Rights Commission (AHRC) berichtet im Februar 2012, dass der Anführer der LeJ (die auch unter den Namen Punjabi Taliban oder Sipah-e-Sahaba bekannt sei), Malik Ishaq, freigelassen worden sei. Weniger als eine Woche zuvor hätten seine Anhänger mindestens 20 schiitische MuslimInnen in der Stadt Rahim Yar Khan getötet:

"Among those blamed for the sectarian violence in the country are mainly Sunni militants such as Sipah-e-Sahaba and members of Shia militant groups such as Tehrik-e-Jafria and others. However, predominant Sunni terrorist groups are often blamed for frequent attacks on minority Shiites and their religious gatherings resulting in reprisal attacks by them. Pakistan's ISI-backed Punjabi judiciary once again demonstrated its institutional hatred of Shia Muslims today by releasing the notorious leader of the Jihadi-sectarian organization Malik Ishaq, the Lashkar-e-Jhangvi (also known as the Punjabi Taliban or Sipah-e-Sahaba). Punjabi judges, backed by Punjabi generals, released a Punjabi terrorist to enable further massacres of Shias, Ahmadis, Christians and other targeted communities. Malik Ishaq was released less than a week after his followers killed at least 20 Shia Muslims in his home town of Rahim Yar Khan. On the last occasion he was released from jail, he killed many Shia Muslims in various parts of the country, and the news items were either ignored or misrepresented in Pakistan's mainstream media. He has now embarked on his next bloody mission." (AHRC, 8. Februar 2012)

Laut einem Artikel des Integrated Regional Information Network (IRIN) vom Februar 2012, habe ein ehemaliger Minister einer Provinz angegeben, dass Hazara aus ethnischen und religiösen Gründen von extremistischen Gruppen wie der LeJ und Sipah-e-Sahaba angegriffen würden:

"Hazara chief Sardar Saadat Ali, a former provincial minister, told IRIN most Hazaras in the country were based in Quetta but there were 'also some in Hyderabad [in Sindh Province] and other Baloch districts'. [...]

Hazaras, he added, were being targeted on 'both ethnic and sectarian grounds' by extremist groups - mainly the sectarian Lashkar-e-Jhangvi and Sipah-e-Sahaba, which have origins in the Punjab. He was also concerned about further persecution if the Taliban returned to power in Afghanistan." (IRIN, 7. Februar 2012)

BBC News: Pakistan bans Ahle Sunnah Wal Jamaat Islamist group, 9 March 2012, http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-17322095 , Zugriff 4.4.2012

Pakistans Regierung hat die "Ahle Sunnah Wal Jamaat", die größte islamische extremistische Gruppe des Landes, verboten. Aktivisten dieser pro-Al Qaida-Gruppe, früher bekannt als "Sipah-e-Sahaba" (SSP) oder "Soldiers of the Companions of the Prophet", sind für die Tötung von hunderten schiitischen Muslime verurteilt worden.

Pakistan's government has issued orders banning the country's largest Islamic extremist group.

Ahle Sunnah Wal Jamaat was first banned in 2002 by then Pakistani leader Gen Pervez Musharraf.

Activists from the pro-al-Qaeda group formerly known as the Sipah-e-Sahaba (SSP), or Soldiers of the Companions of the Prophet, have been convicted of killing hundreds of Shia Muslims.

The head of the group described the ban as preposterous.

Other minorities, security targets and embassies have also been targeted by members of the group.

The group has also recently been in the forefront of an alliance of extremist groups calling for an end to the country's relationship with the US, the Defence of Pakistan Council (Difa).

'Preposterous'

The notification ordering the ban was issued to relevant security departments two weeks ago but no public announcement has yet been made.

The interior ministry's order says the organisation has been banned for what it calls its "concerns in terrorism", according to a copy of the order obtained by the BBC.

Despite repeated attempts to contact Rahman Malik, the country's interior minister, he was unavailable for comment.

But the head of the Ahle Sunnah Wal Jamaat group, Maulana Mohammad Ahmed Ludhianvi, told the BBC that the group intended to challenge the order in court.

"It's taken us so long so rein in our activists - it will become very difficult to control their emotions if the ban is enforced," he said.

Militant attacks

After the last ban, many of the organisation's activists went underground and allied themselves with other militant groups to carry out attacks across Pakistan.

The SSP has always maintained that these activists joined a splinter faction of the group called Lashkar-e-Jhangvi.

But security officials in Pakistan and beyond maintain that the groups are one and the same. They allege that beneath the guise of Lashkar-e-Jhangvi, the SSP has been behind most of the major militants attacks in Pakistan, including the assassination of former Prime Minister Benazir Bhutto. The group is also said to be responsible for the continuing killing of members of the country's minority communities, particularly Shia, across Pakistan.

Recently, however, the group has attempted a kind of rehabilitation - renaming itself Ahle Sunnah Wal Jamaat and trying to act like a mainstream political party.

As part of the Defence of Pakistan Council, it has held rallies in all of the country's major cities - including Karachi, Lahore and Rawalpindi - and calling on the government to cut off all ties with the US and the West.

The largest rally was recently held in Karachi. Afterwards, the US State Department called on the Pakistan government to implement bans on such groups, in particular Jamaat-ud-Dawa.

It said the group was a front for Lashkar-e-Taiba, which was held responsible for the November 2008 attacks on India's business capital, Mumbai.

Although the Jamaat-ud-Dawa remains absent from the order, it appears some of the US pressure has paid off.

"American and pro-American elements are afraid of the Difa and have orchestrated this ban," Maulana Ludhianvi says.

"In essence, whoever enforces the ban is enforcing their will on Pakistan," he added, pledging that he would never allow that to happen.

The Dawn.com: Militant voice down, but fear remains, 7th December, 2011,

http://www.dawn.com/2011/12/07/militant-voice-down-but-fear-remains.html , Zugriff 4.4.2012

In diesem Artikel wird über einen Rückgang der militanten Gewalt in Pakistan im Jahr 2011 berichtet. Auch der "Ashura-Tag", an welchem die Schiiten des Tods von Imam Hussein gedenken, verlief friedlich, wofür sich der pakistanische Innenminister Rehman Malik bei den Taliban bedankte.

PAKISTAN: Mohammed Hasib lost his older brother in a car bombing two years ago that destroyed their small shop selling woman's accessories and killed more than 100 people. He has since rebuilt and business is improving, thanks to a significant drop in militant violence in Pakistan this year.

The number of people killed in suicide attacks in Pakistan in the first 11 months of 2011 dropped almost 40 per cent compared to the same period last year, according to data compiled by the Pak Institute for Peace Studies. Deaths from all attacks by militants fell nearly 20 per cent.

This trend contrasts with rising violence in Afghanistan, where a suicide bomber killed 56 people outside a Shia Muslim shrine in Kabul on Tuesday who were marking a major Islamic holy day. A Pakistan-based group, Lashkar-e-Jhangvi al-Alami, reportedly claimed responsibility for the attack, although the validity of the claim could not be verified.

The most notable drop in Pakistan has been in mass-casualty attacks in large cities outside the northwest, such as Islamabad, Lahore and Karachi. Pakistani Interior Minister Rehman Malik actually thanked the Pakistani Taliban on Tuesday for not staging attacks in the country during Ashura, when Shias commemorate the death of Imam Hussein.

Despite the decline, violence still takes a large human toll in the country in daily attacks, and no one is claiming victory. Nearly 1,700 people were killed in "terrorist" or "insurgent" attacks throughout November, according to the institute, excluding those in Baluchistan that were mostly carried out by nationalists, not militants. More than 670 people were killed in suicide attacks. The numbers killed in the same period last year were around 2,100 and 1,060, respectively.

"The situation has improved, but people are still scared," said Hasib, 30, whose shop is located in the northwest city of Peshawar's Mina bazaar. "It will take time for people to fully recover."

The bombing on October 28, 2009, was so devastating that all Hasib was able to find of his brother, Mohammed Salim, was his identity card, in a gutter across the street from their shop. Hasib sold his house to rebuild the shop and married his brother's widow to take care of her and her two children, a common practice in some parts of Pakistan.

Peshawar, located on the edge of the tribal region and close to the Afghan border, has been the worst hit major Pakistani city. Police, army and civilian targets were bombed almost daily toward the end of 2009 after the military carried out a major offensive in South Waziristan, the Pakistani Taliban's main sanctuary in the tribal region.

"You can't imagine how terrible those days were for us," said Waris Khan Afridi, 58, president of the trader's association in Peshawar's Saddar bazaar. "There were times when the bazaar was deserted and even shopkeepers weren't coming."

Afridi and others said business has improved significantly over the last year, but is still down relative to the period before the Pakistani Taliban began their insurgency in earnest in 2007. The Saddar and Mina bazaars were bustling during a recent trip, packed with women buying new clothes for Pakistan's wedding season.

The last major attack in Peshawar was in mid-September when a bomb planted on a motorcycle exploded in a market selling music and movies, killing five people.

Hasan-Askari Rizvi, a Pakistani political and defense analyst, said military operations in the tribal region and in Khyber Pakhtunkhwa province since the spring of 2009 have disrupted the militants, making it more difficult for them to train suicide bombers and transport them outside the northwest.

"The operations have not been able to eliminate the militants altogether, but they have certainly weakened them," said Rizvi.

The military has carried out offensives in every part of the tribal region except North Waziristan. But no area is fully under control, and the government has struggled to undertake the kind of reconstruction and development that could address some of the root causes of militancy.

Mohammed Amir Rana, director of the Pak Institute for Peace Studies, said he believes US drone attacks are the chief reason behind the drop in violence. The attacks have killed key Taliban and al-Qaida commanders, something Pakistani military operations have largely failed to do.

II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat

Es konnte nicht festgestellt werden, dass dem BF eine aktuelle sowie unmittelbare persönliche und konkrete Gefährdung oder Verfolgung in seinem Heimatland Pakistan droht.

Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der BF Gefahr liefe in Pakistan einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. eines sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworden zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr nach Pakistan in eine existenzgefährdenden Notsituation geraten würde oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wäre.

Weitere Ausreisegründe und/oder Rückkehrhindernisse kamen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht hervor.

2. Beweiswürdigung:

II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren sowie eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt.

Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes, des Ergebnisses des ergänzenden Ermittlungsverfahrens sowie der Beschwerdeverhandlung ist das erkennende Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

II.2.2. Die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich - vorbehaltlich der Feststellungen zur Identität - aus seinen in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie seinen Sprach- und Ortskenntnissen.

Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität des BF nicht festgestellt werden. Soweit dieser namentlich genannt wird, legt das Gericht auf die Feststellung wert, dass dies lediglich der Identifizierung des BF als Verfahrenspartei dient, nicht jedoch eine Feststellung der Identität im Sinne einer Vorfragebeurteilung iSd § 38 AVG bedeutet. Sofern der BF Kopien von Unterlagen wie bspw. eine Kopie seines Personalausweises vorlegte, ist zu bedenken, dass diese Unterlagen einer Echtheitsüberprüfung nicht zugänglich sind.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand des BF ergibt sich aus den diesbezüglichen Angaben des BF im Verfahren.

II.2.3. Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen - sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges - handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten - von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen - diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges. Der Organisationszweck dieser Erkenntnisquellen liegt gerade darin, vermeintliche Defizite in der Lage der Menschenrechtslage aufzudecken und falls laut dem Dafürhalten - immer vor dem Hintergrund der hier vorzunehmenden inneren Quellenanalyse- der Organisation ein solches Defizit vorliegt, dies unter der Heranziehung einer dem Organisationszweck entsprechenden Wortwahl ohne diplomatische Rücksichtnahme, sowie uU mit darin befindlichen Schlussfolgerungen und Wertungen - allenfalls unter teilweiser Außerachtlassung einer systematisch-analytischen wissenschaftlich fundierten Auswertung der Vorfälle, aus welchen gewisse Schlussfolgerungen und Wertungen abgeleitet werden - aufzuzeigen (vgl. Erk. des AsylGH vom 1.8.2012, GZ. E10 414843-1/2010).

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu (zu den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle im Asylverfahren vgl. etwa Erk. d. VwGH v. 4.4.2001, GZ 2000/01/0348).

Der BF trat den aktuellen Quellen, die dem BF vom erkennenden Gericht mit Schreiben vom 24.10.2014 zur Kenntnis gebracht wurden und deren Kernaussagen nicht konkret und substantiiert entgegen. Vielmehr wurde in der Stellungnahme vom 14.11.2014 erörtert, dass den Feststellungen zur allgemeinen Situation in Pakistan nichts hinzuzufügen sei.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht - wie in der oa. Stellungnahme angeführt - die schwierige Sicherheitslage in Pakistan und dass Pakistan mit einer erheblichen terroristischen Bedrohung durch die Taliban und andere jihadistische bzw. religiös motivierter Gruppen konfrontiert ist. Generell ist die Sicherheitslage in Pakistan als instabil zu bezeichnen, die Regierung ergreift jedoch zum Schutz der Bevölkerung bzw. zur Bekämpfung dieser Gruppen zahlreiche Maßnahmen. Dies zeigt sich auch darin, dass Maßnahmen ergriffen wurden um die Verbindungen zwischen den Terroristen zu schwächen und Rekrutierungen durch militante Organisationen zu verhindern. Große Waffenarsenale wurden in städtischen Gebieten, wie Islamabad und Karatschi, ausgehoben, Gang-Mitglieder und TTP Kommandanten, die logistische Unterstützung für Militante in Stammesgebieten boten, wurden in Karatschi verhaftet, Selbstmordattentäter wurden vor der Tat verhaftet und Anschlagspläne vereitelt (USDOS 19.4.2013).

In diesem Kontext ist darauf hinzuweisen, dass es keine Hinweise gibt, dass die pakistanischen Behörden grundsätzlich nicht fähig und nicht willens seien, Schutz vor derartigen strafrechtswidrigen bzw. terroristischen Übergriffen zu gewähren. Ein lückenloser Schutz ist in Pakistan ebenso wie in allen anderen Ländern der Erde aber nicht möglich. Vor Übergriffen radikaler Gruppen durch diese, ist man nirgends auf der Welt sicher. Von einer allgemeinen, das Leben eines jeden Bürgers betreffenden, Gefährdungssituation im Sinne des Art. 3 EMRK ist aber nicht auszugehen.

Anzumerken ist weiters in diesem Kontext, dass es keine glaubwürdigen Hinweise gibt, dass die Polizei tatsächlich untätig bzw. den BF nicht schützen könnte bzw. würde. Auch wenn das erkennende Gericht nicht verkennt, dass Bestechung und Korruption der Behörden in Pakistan vorkommen können, kann auf Basis der Länderberichte nicht erkannt werden, dass die Polizei systematisch in derartige Angelegenheiten nichts unternimmt und bei entsprechender Anzeige untätig bleiben würde.

Soweit der BF in seinen Stellungnahmen bzw. in Rahmen seiner mündlichen Ausführungen allgemein zur Bewegungsfreiheit ausführt, dass die Organisation überall in Pakistan verteilt wäre und sie den BF überall in Pakistan finden könne, ist ebenso zu bedenken, dass anhand der Berichtslage ebenso feststeht, dass für Angehörige aller Gruppen die Möglichkeit besteht in Städten, vor allem den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karachi, Peshawar oder Multan aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande zu leben, dies gilt auch für potentiell Verfolgte. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, können in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben. Dass der BF derart exponiert sei, dass jene Personen, von denen die Gefahren ausgehen, über jene logistische Möglichkeit, über die laut der zitierten Berichtslage nicht einmal der Staat verfügt, nämlich den BF in einem von seinem bisherigen Aufenthaltsort weit genug entfernten Ort aufzufinden, verfügen, ist im gegenständlichen Fall nicht ersichtlich. Zudem handelt es sich beim BF um einen jungen arbeitsfähigen Mann, der wenn auch zumindest vorübergehend mit Gelegenheitsarbeiten seinen Unterhalt bestreiten kann. Zudem könnte der BF bei seiner Rückkehr Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Soweit moniert wird, dass der BF bei seiner Rückkehr bei einer Verlegung seines Wohnsitzes in einem anderen Teil Pakistans bzw. in Großstädten keine existentielle Grundlage hätte, muss dem entgegnet werden, dass es sich beim BF um einen jungen arbeitsfähigen Mann handelt, der bei seiner Rückkehr - wenn auch nur vorübergehend - mit Gelegenheitsarbeiten seinen Unterhalt bestreiten kann. Zudem steht ihm die Möglichkeit offen, Rückkehrhilfe zu beantragen.

Vollständigkeitshalber wird darauf hingewiesen, dass die dem BF im Vorfeld zur mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebrachten länderspezifischen Feststellungen zum Herkunftsstaat Pakistan zwar nicht den Anspruch absoluter Vollständigkeit erheben (können), jedoch als so umfassend und aktuell qualifiziert werden, dass der Sachverhalt bezüglich der individuellen Situation des Beschwerdeführers in Verbindung mit der Beleuchtung der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat als geklärt angesehen werden kann. Es ist - bei einem Land wie Pakistan mit einer sehr hohen Berichtsdichte, in dem praktisch ständig neue Erkenntnisquellen entstehen - de facto unmöglich, sämtliches existierendes Berichtsmaterial zu berücksichtigen, weshalb die belangte Behörde bzw. das erkennende Gericht ihrer Obliegenheit zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan nachkommt, wenn sie bzw. es sich zur Entscheidungsfindung eines repräsentativen Querschnitts des bestehenden Quellenmaterials bedient.

II.2.4. Das Vorbringen des BF - der BF sei Mitglied der mittlerweile verbotenen Vereinigung Sipahe-e-Sahaba gewesen und würde nunmehr gezwungen werden dieser erneut beizutreten, ansonsten werde er getötet - wird als nicht der Wahrheit entsprechend angesehen.

Das erkennende Gericht hat anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten - z. B. gehäufte und eklatante Widersprüche ( z. B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z. B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden. (VwGH v. 29.6.2000, 2000/01/0093).

Weiters ist eine abweisende Entscheidung im Verfahren nach § 7 AsylG [numehr: § 3 AsylG] bereits dann möglich, wenn es als wahrscheinlich angesehen wird, dass eine Verfolgungsgefahr nicht vorliegt, der Glaubhaftmachung: Ackermann, Hausmann, Handbuch des Asylrechts [1991] 137 f; s.a. VwGH 11.11.1987, 87/01/0191; Rohrböck AsylG 1997, Rz 314, 524).

Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es bei den in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylweber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der aufgrund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.

Der BF wurde im Rahmen seines Asylverfahrens darauf hingewiesen, dass seine Angaben eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren darstellen. Der BF wurde zudem aufgefordert, durch wahre und vollständige Angaben an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken und wurde darauf aufmerksam gemacht, dass unwahre Angaben nachteilige Folgen haben.

Befragt zu seinen Fluchtgründen schilderte der BF in seinen Einvernahmen vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht eine Bedrohungssituation, die im Detail betrachtet teilweise widersprüchlich, unschlüssig und in sich nicht nachvollziehbar ist. Zudem hat der BF versucht dieses Vorbringen mit Kopien von Dokumenten zu untermauern, diese waren jedoch nicht geeignet, das Vorbringen des BF in Bezug auf eine individuelle Bedrohungslage zu unterstützen. Der BF hat somit ein individuelles Verfolgungsschicksal nicht substantiiert und glaubhaft geltend gemacht.

So gab der BF bezugnehmend zu seinen fluchtauslösenden Vorfällen in seiner Einvernahme vor der belangte Behörde an, er wäre im Zeitraum von 1990 bis 2001 Mitglied der mittlerweile verbotenen Vereinigung Sipahe-e-Sahaba gewesen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 24.11.2014 führte er zudem an, dass ein paar Leute der Vereinigung Sipahe-e-Sahaba in das College gekommen wären und sehr gut über diesen Verein gesprochen hätten, man solle zu ihnen kommen, da sie gute Sachen wie z.B.: Soziales, Religiöses usw. machen würden. Damals habe der BF am College studiert, als er dem Verein beitrat. Werden in diesem Zusammenhang die Ausführungen des BF zu seiner schulischen Ausbildung betrachtet, lässt sich der oa. Sachvortrag damit nicht in Einklang bringen. Der BF gab im Rahmen seiner Erstbefragung an, er habe von 1980-1992 die Grundschule, von 1992-1996 das College besucht. Folgt man diesen Angaben, dann habe der BF im Jahr 1990 nicht am College studiert, sondern hätte vielmehr noch die Grundschule besucht. Nach Vorhalt dieser Ungereimtheit war der BF vor dem erkennenden Gericht nicht in der Lage diesen Umstand aufzuklären. Die nachträgliche Behauptung, er habe die Hauptschule bereits im Jahr 1989 beendet und habe Ende 1989 angefangen das College zu besuchen, welches er 1993 beendet hätte, muss als Schutzbehauptung angesehen werden, um seinen Sachvortrag nachträglich logisch erscheinen zu lassen.

Auffällig und nicht irgendwie erklärbar ist, dass der BF vor der belangten Behörde niemals -im Gegensatz zu seinem Sachvortrag vor dem erkennenden Gericht - vorbrachte, dass er 1993 zum Gemeindepräsidenten des Vereins wurde. Diesbezüglich führte der BF in der mündlichen Verhandlung am 24.11.2014 aus, er sei für das Management und für die Organisation verantwortlich gewesen. Die Mitglieder hätten Geld gesammelt, welches an die oberen Stellen weitergeleitet wurde bzw. wurden auch Versammlungen organisiert.

Der BF hat im Vergleich dazu vor der belangten Behörde stets erörtert, dass er bloß Mitglied dieser Organisation gewesen sei, dass er eine bestimmte bzw. bedeutende Funktion inne hatte brachte der BF nie vor. Eine derartige nachträgliche Ergänzung hinterlässt beim erkennenden Gericht den Eindruck, dass der BF nunmehr - nachdem die belangte Behörde sein Vorbringen als nicht der Wahrheit entsprechend betrachtet - vor dem erkennenden Gericht weitere Umstände präsentiert, die jedoch nicht den Tatsachen entsprechen. Ist doch im gegenständlichen Fall davon auszugehen gewesen, dass der BF - nach erstmaliger Behebung des Bescheides des Bundesasylamtes - jegliche Chance danach nützen würde bereits beim Bundesasylamt seine Bedrohungssituation umfassend, detailreich und schlüssig darzulegen.

Bei derartigen nicht nachvollziehbaren Angaben verblieb der BF ebenso bei der Schilderung der Hintergründe der behaupteten Aufforderung neuerlich dem Verein beizutreten. Während der BF im Rahmen seiner Erstbefragung ausführte, dass die Vereinigung wieder erstarkt wäre, er wäre früher Mitglied gewesen und deshalb hätte man gewollte, dass der BF erneut beitrete, wurde im Beschwerdeschreiben vom 08.08.2011 angeführt, dass die Mitglieder dieser Organisation vom BF verlangt hätten, dass dieser die Kinder in seiner Schule nach "ihren" Vorstellungen unterrichten solle. Sie hätten vom BF gefordert, dass dieser bei den Kindern eine Art Gehirnwäsche durchführe, damit sich die Kinder später den Terroristen anschließen würden. Im Widerspruch dazu wurde im Beschwerdeschreiben vom 01.06.2012 erörtert, dass der BF einer einflussreichen und sehr religiösen Familie in der Heimatregion des BF angehöre. Die Mitglieder der Vereinigung hätten die Unterstützung des BF gesucht, um Rückhalt bei der Bevölkerung zu erlangen, da viele Leute die Ansicht der Familie des BF sehr ernst und sich ein Beispiel an der Familie des BF nehmen würden.

Dass der BF offenbar Details schildert, die nicht den Tatsachen entspricht, wird ebenso durch diesbezüglich weitere Ausführungen in Bezug auf die Mitgliedschaft des BF und damit im Zusammenhang stehende Begebenheiten deutlich.

So gab der BF vor der belangten Behörde an, dass bei seinem Beitritt zur Vereinigung Daten aufgenommen worden wären, der BF jedoch keine Mitgliedskarte erhalten hätte. Im Laufe des Asylverfahrens legte er jedoch dazu widersprüchlich eine Kopie der Vereinskarte vor. Darauf im Rahmen der mündlichen Verhandlung angesprochen, ging der BF auf diese Unstimmigkeit in keinster Weise ein und gab vielmehr an, dass ungefähr ein halbes Jahr, nachdem die Daten aufgenommen worden wären, der Bezirkspräsident gekommen sei und dem BF die Karte gegeben hätte. Diese Erläuterungen erklären jedoch in keinster Weise, warum der BF vor der belangten Behörde ausdrücklich angab keine Mitgliedskarte erhalten zu haben.

Der BF hat zudem eine Kopie einer Rücktrittserklärung vorgelegt. Daraus geht hervor, dass er am 02.03.2011 von der Präsidentschaft zurückgetreten sei, da er mit einigen Aktivitäten des Vereins nicht einverstanden war und diese nicht tolerierbar gewesen wären. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der BF vor der belangten Behörde ebenso anführte, dass er beim Verlassen der Organisation keinerlei Probleme hatte, erscheinen die oa. Erläuterungen für den Rücktritt des BF im Rahmen der Rücktrittserklärung nicht irgendwie schlüssig zu sein. Ist doch nicht logisch davon auszugehen, dass man bei einem Rücktritt anführt, dass man mit den Vereinszielen nicht mehr einverstanden sei und trotz erheblicher Kritik problemlos den Verein verlassen kann.

Wenn der BF weiters Drohbriefe in Kopie als Beleg für seine Verfolgung in Pakistan vorlegt, ist diesbezüglich zu bedenken, dass der BF in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 25.07.2011 nie vorbrachte derartige Drohbriefe erhalten zu haben. Der BF hat gegenteilig angegeben, dass 6-7 Mal Leute des Vereins in seine Schule gekommen wären und mit ihm sprachen bzw. er danach die letzten 1 1/2 Jahre bis zu seiner Ausreise telefonisch bedroht worden wäre. Dass der BF jemals Drohbriefe erhalten habe, erwähnte der BF nicht. Der BF konnte diese Unstimmigkeit im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht nicht erklären. Sein Sachvortrag, er habe nicht gewusst, wie es weitergehe und wie er nach Europa gelange, sodass er diese Dokumente zu Hause ließ, legt nicht dar warum der BF diesbezüglich Derartiges nie erwähnt hat.

Diese oa. Zweifel am Vorbringen des BF können durch die in Kopie vorgelegten Unterlagen nicht entkräftet werden. Dies insbesondere deshalb, da laut vorliegender Berichtslage die Zahl der [pakistanischen, in Deutschland] vorgelegten inhaltlich ge- oder verfälschten Dokumente hoch ist. Es ist in Pakistan problemlos möglich, ein (Schein‑)Strafverfahren gegen sich selbst in Gang zu bringen, in dem die vorgelegten Unterlagen (z.B. "First Information Report" oder Haftverschonungsbeschluss) echt sind, das Verfahren in der Zwischenzeit aber längst eingestellt wurde. Verfahren können zum Schein jederzeit durch einfachen Antrag wieder in Gang gesetzt werden. Ebenso ist es ohne große Anstrengungen möglich, Zeitungsartikel, in denen eine Verfolgungssituation geschildert wird, gegen Bezahlung oder aufgrund von Beziehungen veröffentlichen zu lassen.

Im gegenständlichen Fall ist aufgrund der Angaben des BF die mit den vorgelegten Kopien von Dokumenten nicht in Einklang gebracht werden könne, davon auszugehen, dass es sich hierbei um keine echten Dokumente handelt.

Aber auch ein Schreibens von 5 Personen, die in der Schule des BF arbeiten, konnte den Ausführungen des BF keinen glaubwürdigen Eindruck geben. So ist zu berücksichtigen, dass der BF insofern in den Besitz dieses Dokumentes kam, indem er Kontakt mit der Schule aufnahm, damit diese Personen bestätigen konnten wie die Lage dort sei. Die 5 Personen hätten daraufhin die Bestätigung verfasst. Inwiefern diese 5 Personen detailliert über die Vorkommnisse, die bereits einige Zeit zurückliegen, Bescheid wissen konnten, ist dem erkennenden Gericht nicht ersichtlich. Wird hier bspw. explizit angeführt, an welchem Tag der BF von der mittlerweile verbotenen Sipah-e-Sahaba austrat, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit Männer die Institution besuchten und was konkret bei diesen Treffen vorfiel. Dass diese Personen Vorkommnisse selbst gesehen oder erlebt hätten, wurde hier nicht erwähnt, vielmehr gestaltet sich dieses Schreiben als eine Aneinanderreihung einzelner Ereignisse ohne dass subjektive Umstände der bestätigenden Personen detailliert angeführt wurden. Dadurch entsteht jedoch der Eindruck, dass dieses Schreiben zur Unterstützung der Angaben des BF bzw. demonstrativ zur Vorlage in seinem Asylverfahren in Österreich produziert bzw. dienen sollte, ohne dass diese Personen sämtliche Vorkommnisse, die hier erwähnt wurden, selbst wahrnahmen.

Zudem spricht auch der Sachvortrag des BF in Bezug auf Besuche der Vereinsmitglieder in der Schule des BF gegen die Glaubwürdigkeit der Angaben des BF. Der BF gab vor der belangten Behörde am 25.07.2011 an, dass Mitglieder der mittlerweile verbotenen Sipah-e-Sahaba in den Jahren 2008 und 2009 zum BF in die Schule gekommen wären. Aus den Angaben bzw. den vorgelegten Unterlagen in Bezug auf den Verkauf der Schule geht hervor, dass der BF seit 08.08.2008 nicht mehr für die Schule verantwortlich war. Irgendeine nachvollziehbare Erklärung warum die Mitglieder des Verein weiterhin zur Schule gingen, um den BF anzutreffen, konnte der BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 24.11.2014 nicht geben. Er hat nach diesbezüglicher Befragung sehr vage und ausweichend darauf Bezug genommen, dass er 1999 die Schule gegründet habe und bis 2008 Besitzer gewesen sei. Danach habe er die Schule verkauft.

Auch soweit der BF dahingehend befragt wurde, ob er die Leute die ihn in der Schule aufsuchten kannte, gab der BF unterschiedliche Angaben an. Vor der belangten Behörde erörterte er am 25.07.2011, dass er diese Personen namentlich kannte. Vor dem erkennenden Gericht hingegen gab der BF an, diese Leute wären ihm unbekannt gewesen. Die Personen hätten zwar dem BF Ausweise des Vereins gezeigt, der BF hätte diese jedoch nicht genau lesen können, sodass er deren Namen nicht wisse.

Der Sachvortrag des BF muss auch deshalb als unglaubwürdig angesehen werden, wenn man seine Antworten zur Frage, ob er sich aufgrund der geschilderten Probleme an staatliche Behörden gewandt hat, berücksichtigt. Obwohl der BF vor der belangten Behörde am 25.07.2011 anführte, dass er sich aufgrund seiner Probleme nicht an Behörden in Pakistan gewandt habe, führte er in Laufe des Verfahrens an, dass er Anzeige bei der Polizei erstatten wollte. Vor dem erkennenden Gericht führte der BF diesbezüglich aus, dass sein Cousin der Inspektor sei bzw. die Polizisten zu ihm gesagt hätten, dass dies nichts bringen würden und hätten dem BF davon abgeraten. Sie hätten den BF geraten Pakistan zu verlassen, da zwar Parlamentsabgeordnete Schutz erhalten jedoch nicht Privatpersonen.

Bezugnehmend auf den Antrag des BF einen länderkundigen Sachverständigen zum Beweis der Richtigkeit der Angaben des BF und des Vorliegens existenzgefährdendere Umstände im Fall der Rückkehr des BF, ist festzustellen, dass derartige Schritte nicht erforderlich waren, zumal der Sachverhalt bezüglich dieser Frage auf Grund der obigen Ausführungen als geklärt anzusehen ist, weshalb nicht von einer weiteren Ermittlungspflicht, die das Verfahren und damit gleichzeitig auch die ungewisse Situation des Beschwerdeführers unverhältnismäßig und grundlos prolongieren würde, ausgegangen werden kann (dazu auch Hengstschläger-Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, RZ 65 zu § 52 AVG).

Das Bundesverwaltungsgericht darf zudem ein angebotenes Beweismittel dann ablehnen, wenn dieses an sich, also objektiv nicht geeignet ist, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen (VwGH 15.11.1983, 82/11/0084; 16.12.1992, 92/02/0257; 28.11.1995, 93/05/0173).

Im Falle des BF ist auch keine derart spezielle Situation gegeben, welche weitere konkrete Erhebungen erforderlich machen würde. Der diesbezügliche Antrag des BF war daher abzuweisen.

Im Übrigen käme dies auch einem Antrag auf einen als unzulässig zu erachtenden Erkundungsbeweis gleich. Erkundungsbeweise sind Beweise, die nicht konkrete Behauptungen sondern lediglich unbestimmte Vermutungen zum Gegenstand haben. Sie dienen also nicht dazu, ein konkretes Vorbringen der Partei zu untermauern, sondern sollen es erst ermöglichen, dieses zu erstatten. Nach der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes sind Erkundungsbeweise im Verwaltungsverfahren - und somit auch im bundesverwaltungsgerichtlichen Verfahren - unzulässig. Daher ist das Bundesverwaltungsgericht nicht iSd §§ 37 iVm 39 Abs. 2 AVG zur Durchführung eines solchen Beweises (zur Entsprechung eines dahin gehenden Antrages) verpflichtet, sodass deren Unterlassung keinen Verfahrensmangel bedeutet (Hengstschläger - Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, Rz 16 zu § 46 mwN).

II.2.5. Abschließend darf darauf hingewiesen werden, dass die Angaben des BF bzgl. seines Gesundheitszustandes, seiner familiären Verhältnisse in Pakistan und seiner Integration in Österreich der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

II.3.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

II.3.3. Prüfungsumfang, Übergangsbestimmungen

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gem. § 75 Abs. 19 AsylG sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen.

Bestätigt das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des § 75 Abs. 19 AsylG in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz

1. den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes,

2. jeden weiteren einer abweisenden Entscheidung folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,

3. den zurückweisenden Bescheid gemäß § 4 des Bundesasylamtes,

4. jeden weiteren einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 4 folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,

5. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt, oder

6. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 aberkannt wird,

so hat das Bundesverwaltungsgericht gem. § 75 Ab. 20 AsylG in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Z 5 und 6 darf kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegen.

Zu A)

II.3.4. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 3 AsylG lauten:

"§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) ...

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

..."

Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (§ 4 AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (§ 4a AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 5 AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag des BF inhaltlich zu prüfen ist.

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262).Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194)

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

Wie im gegenständlichen Fall bereits in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert wurde, war dem Vorbringen des BF zum behaupteten Ausreisegrund insgesamt die Glaubwürdigkeit abzusprechen, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vornherein ausgeschlossen werden kann. Es sei an dieser Stelle betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung [nunmehr "Status eines Asylberechtigten"] einnimmt (vgl. VwGH v. 20.6.1990, Zl. 90/01/0041).

Im gegenständlichen Fall erachtet das erkennende Gericht in dem im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Umfang die Angaben als unwahr, sodass die vom BF behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können, und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohl begründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

Auch konnte im Rahmen einer Prognoseentscheidung (vgl. Putzer, Asylrecht Rz 51) nicht festgestellt werden, dass der BF nach einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit einer weiteren aktuellen Gefahr von Übergriffen zu rechnen hätte (VwGH 05.06.1996, zl. 95/20/0194). Hier wird auf die bereits getroffenen Feststellungen verwiesen.

Zur hilfsweise herangezogenen Argumentation hinsichtlich des Bestehens des Willens und der Fähigkeit des Staates, Schutz zu gewähren, wird Folgendes erwogen:

Unter richtlinienkonformer Interpretation ( Art 6 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.April 2004) kann eine Verfolgung bzw. ein ernsthafter Schaden von nichtstaatlichen Akteuren (nur) dann ausgehen, wenn der Staat oder die Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, "erwiesenermaßen" nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung bzw. ernsthaftem Schaden iSd Art 7 leg cit zu bieten (das Gebot der richtlinienkonformen Interpretation der entsprechenden asylrechtlichen Bestimmungen entspricht auch dem Gesetzgeber (vgl. Wortlaut der RV zum AsylG 2005: "...Mit dem

vorgeschlagenen Entwurf werden folgende Richtlinien umgesetzt ... :

Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. Nr. L 304 vom 30.09.2004 S. 12, CELEX Nr. 32004L0083; ...".

Nach der Rsp des VwGH ist für die Annahme einer Tatsache als "erwiesen" (vgl § 45 Abs 2 AVG) allerdings keine "absolute Sicherheit" (kein Nachweis "im naturwissenschaftlich-mathematisch exakten Sinn" erforderlich (VwGH 20.9.1990, 86/07/0091; 26.4.1995, 94/07/0033; 20.12.1996, 93/02/0177), sondern es genügt, wenn eine Möglichkeit gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit (Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht 2004, 168f: an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (VwGH 26.4.1995, 94/07/0033; 19.11.2003, 2000/04/0175; vgl auch VwSlg 6557 F/1990; VwGH 24.3.1994, 92/16/0142; 17.2.1999, 97/14/0059; in Hengstschläger-Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, 2. Teilband, Rz 2 zu § 45).

In Bezug auf diese Umstände - nämlich, dass der Staat oder die Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, "nicht in der Lage" oder "nicht willens" sind, Schutz vor Verfolgung bzw. ernsthaftem Schaden iSd Art 7 leg cit zu bieten - besteht für den BF somit ein erhöhtes Maß an erforderlichem Überzeugungsgrad der Behörde. Die (bloße) Glaubhaftmachung ist gem. Art 6 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.April 2004 demnach als Beweismaß dafür nicht ausreichend. Es muss "erwiesen" werden. Gelingt dies nicht, ist davon auszugehen, dass sie dazu sowohl in der Lage als auch willens sind, wenn der Staat oder die Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung oder den ernsthaften Schaden zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, und wenn der Antragsteller Zugang zu diesem Schutz hat. Diesfalls gilt gem. Art 7 Abs 2 leg cit, dass "generell Schutz gewährleistet ist".

Im gegenständlichen Fall hat der BF weder glaubwürdig behauptet noch bescheinigt, dass das geschilderte Verhalten jener Personen, die gegen den BF vorgegangen waren, in seinem Herkunftsstaat nicht pönalisiert wäre oder die Polizei oder auch andere für den Rechtsschutz eingerichtete Institutionen grds. nicht einschreiten würden, um einen Schaden mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit abzuwenden. Darauf weisen auch die den Feststellungen der belangten Behörde bzw. des erkennenden Gerichts zu Grunde liegenden Quellen nicht hin, wenngleich die Berichte zu erkennen geben, dass durchaus auch noch erhebliche Defizite bestehen, ergibt sich weiters aus den von der belangten Behörde bzw. vom erkennenden Gericht herangezogenen Quellen, dass im Herkunftsstaat des BF kein genereller Unwille bzw. die Unfähigkeit der Behörden herrscht, Schutz zu gewähren.

Der BF bescheinigte im Rahmen seiner Ausführungen zur Schutzfähigkeit nicht konkret und substantiiert den Unwillen und die Unfähigkeit des Staates, gerade in seinem Fall Schutz zu gewähren. Es kann dem Vorbringen auch nicht entnommen werden, dass er keinen Zugang zu den Schutzmechanismen hätte, bzw. dass gerade in seinem Fall ein qualifizierte Sachverhalt vorliege, der es als "erwiesen" erschein lässt, dass die im Herkunftssaat vorhandenen Behörden gerade im Fall des BF untätig blieben. Im Verfahren kam auch nicht konkret hervor, dass der Staat selbst der Verfolger wäre.

Im Ergebnis hat der BF letztlich im Verfahren kein derartiges Vorbringen konkret und substantiiert erstattet, welches hinreichende Zweifel am Vorhandensein oder an der Effektivität der Schutzmechanismen - dies wurde unbescheinigt und unsubstantiiert nicht glaubhaft gemacht (vgl. EGMR, Fall H.L.R. gegen Frankreich) noch kann dies als erweislich angesehen werden - verursacht hätte.

Zur hilfsweise herangezogenen Argumentation der Existenz einer innerstaatlichen Fluchtalternative wird Folgendes erwogen:

Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte innerstaatliche Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.03.1999, Zl. 98/01/0352). Nach der Rechtsprechung des VwGHs muss sich die Verfolgungsgefahr auf das gesamte Staatsgebiet beziehen. Nach einer in der älteren Rechtsprechung verwendeten Formulierung darf in keinem Teil des Herkunftsstaates Verfolgungssicherheit bestehen (VwGH 10.3.1993, Zl. 03/01/002). Nach der jüngeren Rechtsprechung ist mit dieser Formulierung jedoch nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, die Formulierung sei dahingehend zu verstehen, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeiten innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken müsse (VwGH 9.11.2004, Zl 2003/01/0534; VwGH 24.11.2005, 2003/20/0109).

Um vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, müssen die Asylbehörden über Ermittlungsergebnisse verfügen, die die Sicherheit der Asylwerber dartun (vgl. etwa VwGH 8.9.1999, Zl. 99/01/0126; VwGH 16.2.2000, Zl 99/01/0149). Es muss konkret ausgeführt werden, wo der Beschwerdeführer tatsächlich Schutz vor der von ihm geltend gemachten Bedrohung finden könnte. Entsprechend dem "Ausschlusscharakter" der innerstaatlichen Fluchtalternative nimmt der Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich eine Beweislast der Asylbehörde an: Es müsse Sache der Behörde sein, die Existenz einer innerstaatlichen Fluchtalternative aufzuzeigen und nicht umgekehrt Sache des Asylwerbers, die Möglichkeit einer theoretisch möglichen derartigen Alternative zu widerlegen (vgl. VwGH 9.9.2003, Zl.2002/01/0497).

Aufgrund des sich Versteckthaltens kann noch nicht von einer innerstaatlichen Fluchtalternative gesprochen werden (etwa VwGH 18.4.1996, Zl.95/20/0295; VwGH 20.3.1997, Zl 95/20/0606; in diesem Sinne ebenfalls VwGH 29.10.1998, Zl. 96/20/0069). Ebenso darf der Betroffene im sicheren Landesteil nicht in eine aussichtslose Lage gelangen und jeglicher Existenzgrundlage beraubt werden. Solcherart wird dem Kriterium der Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative Beachtung geschenkt (VwGH 8.9.1999, Zl. 98/01/0614, VwGH 6.10.1999, Zl. 98/01/0535, VwGH 8.6.2000, 99/20/0597, VwGH 19.10.200, 98/20/0430; VwGH 19.10.2006, Zl. 2006/0297-6; VwGH 24.1.2008, Zl. 2006/19/0985-10). Maßgebliche Faktoren zur persönlichen Zumutbarkeit können das Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, die familiäre Situation und Verwandtschaftsverhältnisse, soziale und andere Schwächen, ethnische, kulturelle oder religiöse Überlegungen, politische und soziale Verbindungen und Vereinbarkeiten, Sprachkenntnisse, Bildungs-, Berufs- und Arbeitshintergrund und -möglichkeiten, sowie gegebenenfalls bereits erlittene Verfolgung und deren psychische Auswirkungen sein. Es wird jedoch die Ansicht vertreten, dass schlechte soziale und wirtschaftliche Bedingungen in dem betreffenden Landesteil die innerstaatliche Fluchtalternative nicht grundsätzliche ausschließen (siehe VwGH 8.9.1999, 98/01/0620; VwGH 26.6.1996, 95/20/0427) Ein bloßes Absinken des Lebensstandards durch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative, welches jedoch noch über dem Niveau der aussichtslosen Lage ist daher bei Bestehen einer Existenzgrundlage hinzunehmen.

Zu den bereits getroffenen Ausführungen kommt noch hinzu, dass das verfolgungssichere Gebiet eine gewisse Beständigkeit in dem Sinne aufweisen muss, dass der Betroffene nicht damit rechnen muss, jederzeit auch in diesem Gebiet wieder die Verfolgung, vor der er flüchtete, erwarten zu müssen (VwGH 21.3.2002, Zl. 99/20/0401, in diesem Sinne auch VwGH 19.2.2004, Zl. 2002/20/0075; VwGH 24.6.2004, Zl. 2001/20/0420).

Ebenso muss das sichere Gebiet für den Betroffenen erreichbar sein, ohne jenes Gebiet betreten zu müssen, in welchem er Verfolgung befürchtet bzw. muss im Rahmen der Refoulementprüfung feststehen, dass eine Abschiebung in dieses sichere Gebiet möglich ist (VwGH 26.6.1997, Zl.95/21/0294; in diesem Sinne auch VwGH 11.6.1997, Zl. 95/21/0908, 6.11.1998, Zl. 95/21/1121; VwGH 10.6.1999, 95/21/0945, ähnlich VwGH 17.2.2000, 9718/0562).

Zum Wesen und den Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative vgl. weiter: Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR), Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft (1979), Rz 91; Art. 8 der Richtlinie 2004/83 EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Person, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des gewährten Schutzes ("Statusrichtlinie); Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, S. 357 ff.

Aus den oa. Ausführungen ergibt sich im gegenständlichen Fall Folgendes:

Der BF könnte - bei Wahrunterstellung ihres Vorbringens - durch Verlegung ihres Aufenthaltsortes in eine andere Region Pakistans, beispielsweise in Großstädte wie Karachi, Islamabad, Rawalpindi oder Faisalabad, der behaupteten Verfolgung entgehen. Dass die angeblichen Verfolger so ein großes Interesse an den BF haben, dass sie sie überall in Pakistan suchen würden, kann mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht angenommen werden. Ebenso wenig ist davon auszugehen, dass sie sie überall finden könnten, dies auch angesichts der Bevölkerungsdichte ihres Herkunftslandes.

Im gegenständlichen Fall ist somit letztlich davon auszugehen, dass auf Grund der fehlenden Exponiertheit des BF, der Größe und des Bevölkerungsreichtums Pakistans und des Fehlens eines zentralen Einwohnermeldesystems nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit weiterer Gefährdung zu rechnen ist bzw. überhaupt nicht die Möglichkeit oder das Interesse besteht, den BF in einem von ihrem bisherigen Aufenthaltsort weit genug entfernten Ort aufzufinden.

Ebenso ist ein derartiges Gebiet für den BF auf Grund der Vielzahl der Einreisemöglichkeiten nach Pakistan erreichbar, ohne durch jenes Gebiet reisen zu müssen, in der ihm Bedrohung drohen würde und war die Erreichbarkeit auch schon zu jenem Zeitpunkt gegeben, als sich der BF noch in Pakistan aufhielt.

Die Möglichkeiten, sich in Pakistan eine Existenzgrundlage zu schaffen, hängen sehr stark von den individuellen Fähigkeiten, Kenntnissen und der körperlichen Verfassung ab und können durch Unterstützung seitens Verwandter, Freunde oder Glaubensbrüder deutlich erhöht werden. Selbst für unqualifizierte aber gesunde Menschen wird es in der Regel möglich sein, sich durch Gelegenheitsjobs (im schlechtesten Falle als Lagerarbeiter, LKW-Beifahrer, Tellerwäscher oder Abfallsammler) ihren Lebensunterhalt zu sichern. Dass es möglich ist, sich auch als Neuankömmling z.B. in einer Stadt niederzulassen, zeigen die Zigtausend afghanischen Flüchtlinge, die sich dauerhaft in Karachi niedergelassen haben und aktiv am Wirtschaftsleben der Stadt teilnehmen (vgl. ho. Erk. Vom 16.11.2011, C7 314209-1/2008/4E). Im Lichte dieser Ausführungen erscheint es dem BF auf Grund der Feststellungen zu seiner Person vor dem Hintergrund der allgemeinen Lage in Pakistan möglich und zumutbar, dort seine dringendsten Lebensbedürfnissen auch in einem anderen Landesteil zu decken und wird der BF somit auch an diesen Orten über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügen. Beim BF handelt es sich um einen mobilen, erwachsenen, arbeitsfähigen und anpassungsfähigen jungen Mann, welcher seine Mobilität und seine Fähigkeit, sich auch in einer fremden Umgebung zurecht zu finden, bereits durch seine Reise nach Österreich unter Beweis stellte.

Da sich auch im Rahmen des sonstigen Ermittlungsergebnisses bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen der Gefahr einer Verfolgung aus einem in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund ergaben, scheidet die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten somit aus.

II.3.5. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 8 AsylG lauten:

"§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. ...

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung

nach § 3 ... zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

..."

Bereits § 8 AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies war dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehend der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.

Art. 2 EMRK lautet:

"(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.

(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:

a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;

b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;

c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken."

Während das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.

Art. 3 EMRK lautet:

"Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden."

Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).

Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).

Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).

Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.

Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffene Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele:

VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat des BF zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein "ausreichend reales Risiko" für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes ("high threshold") dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex "Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren"", derselbe in Migralex: "Abschiebeschutz von Traumatisieren"; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

Gem. der Judikatur des EGMR muss der BF die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 - Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt - so weit als möglich - Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle (vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).

Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.

Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtsprechung folgende Überlegungen angestellt:

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates des BF (die Todesstrafe wurde abgeschafft) scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Art. 2 EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.

Da sich der Herkunftsstaat des BF nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.

Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat des BF in wesentlichen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechts-verletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch jeder, der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält, schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen ist.

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.

Weitere, in der Person des BF begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.

Zur individuellen Versorgungssituation des BF wird weiters festgestellt, dass dieser im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügt. Beim BF handelt es sich um einen mobilen, erwachsenen, arbeitsfähigen und anpassungsfähigen jungen Mann. Einerseits stammt der BF aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehört der BF keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass sie sich in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für seine Existenzsicherung aufkommen kann. Auch wenn die Familie des BF teilweise vom Hochwasser betroffen ist, hat der BF nicht vorgebracht, dass seine Familie dadurch in eine existenzbedrohliche Lage geraten ist.

Auch steht es dem BF frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das - wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige - Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.

Ebenso kam hervor, dass der BF im Herkunftsstaat nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt. Er stammt aus einem Kulturkreis, in dem auf den familiären Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt wird und kann der BF daher Unterstützung durch seine Familie erwarten.

Vor allfälligen Übergriffen oder Bedrohungen seitens der Gegner des BF - immer unter der Annahme der Glaubhaftunterstellung des Vorbringens - könnte, wie bereits ausgeführt, staatlicher Schutz bei den Behörden des Heimatlandes erlangt werden bzw. könnte der BF Drohungen oder Übergriffen durch Verlegung seines Wohnsitzes in einen anderen Landesteil Pakistans oder in Großstädten wie Karachi, Lahore, Islamabad, Rawalpindi oder Faisalabad, entgehen.

Darüber hinaus ist es dem BF unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.

Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht über eine allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage gerät.

Die Zumutbarkeit der Annahme einer - ggf. auch unattraktiven - Erwerbsmöglichkeit wurde bereits beispielsweise im Erk des AsylGH vom 1.8.2012, Gz. E10 414843-1/2010 mwN bejaht.

Aufgrund der getroffenen Ausführungen ist davon auszugehen, dass der BF nicht vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in seinem Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr im Sinne des § 8 AsylG ausgesetzt zu sein, weshalb die Gewährung von subsidiären Schutz ausscheidet.

Soweit der BF seinen Gesundheitszustand thematisiert wird Folgendes erwogen:

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Pakistan nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohte.

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das jüngere diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

Jüngste Rechtsprechung des EGMR (N vs UK, 27.05.2008) und Literaturmeinungen (Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren") bestätigen diese Einschätzung.

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab:

Der BF leidet an Schlafstörungen und Magenproblemen. In Pakistan war der BF aufgrund von Magenproblemen in ärztlicher Behandlung gewesen. Er habe Medikamente genommen und es sei ihm dann besser gegangen.

Im vorliegenden Fall hat der BF keinen akut existenzbedrohenden Krankheitszustand oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung des Krankheitszustandes im Falle einer Überstellung nach Pakistan belegt bzw. behauptet, respektive die Notwendigkeit weitere Erhebungen seitens des Bundesverwaltungsgerichts. Aus der Aktenlage sind keine Hinweise auf das Vorliegen (schwerer) Erkrankungen ersichtlich. Zudem ist zu berücksichtigen, dass laut Berichtslage eine medizinische Notfallversorgung in Pakistan grundsätzlich gegeben ist.

II.3.6. Behebung von Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides

Aufgrund § 10 AsylG idF des von der belangten Behörde zum Entscheidungszeitpunkt anzuwendenden BGBl I 67/2012 wurde die Ausweisung des BF in deren Herkunftsstaat verfügt.

Im gegenständlichen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht nunmehr aufgrund der Übergangsbestimmung gem. § 75 Abs. 20 AsylG zu entscheiden, ob im gegenständlichen Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig oder ob das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückzuverweisen ist.

Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. ...

2. ...

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. ...

5. ...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

"Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der gegenständliche Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz war abzuweisen. Es liegt daher ab Erlassung dieses Erkenntnisses kein rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet mehr vor.

Im gegenständlichen Fall kommt dem BF kein auf andere Bundesgesetze gestütztes Aufenthaltsrecht zu.

Bei Ausspruch der Ausweisung könnte ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienleben vorliegen (Art. 8 Abs 1 EMRK).

Zum Prüfungsumfang des Begriffes des 'Familienlebens' in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. dazu EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981, 118; EKMR 14.3.1980, 8986/80, EuGRZ 1982, 311; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK- Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayr, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1, ebenso VwGH vom 26.1.2006, 2002/20/0423, vgl. auch VwGH vom 8.6.2006, Zl. 2003/01/0600-14, oder VwGH vom 26.1.2006, Zl.2002/20/0235-9, wo der VwGH im letztgenannten Erkenntnis feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Sowohl eheliche als auch uneheliche Kinder aus einer Familienbeziehung, die unter Art 8 EMRK fällt, werden von ihrer Geburt an ipso iure Teil der Familie (Peter Chvosta: "Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK", ÖJZ 2007/74; VfSlg 16.777/2003; ferner Gül gg Schweiz, ÖJZ 1996, 593; 5. 2 2004, 60457/00, Kosmopoulou gg Griechenland; 18. 1. 2007, 73819/01, Estrikh gg Litauen). Umgekehrt werden Kinder erst vom Moment ihrer Geburt an rechtlich Teil der Familie. Zu noch ungeborenen Kindern liegt somit bis dahin (noch) kein schützenswertes Familienleben iSd Art 8 EMRK vor (vgl. zB VfGH 24.02.2003, B 1670/01; EGMR 19.02.1996, GÜL vs Switzerland).

Der Begriff des Familienlebens ist darüber hinaus nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua). Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR in Cruz Varas).

Der BF hat in Österreich keine Verwandten und lebt auch sonst mit keiner nahe stehenden Person zusammen. Er möchte offensichtlich sein künftiges Leben in Österreich gestalten und hält sich seit seiner Antragstellung am 21.07.2011 im Bundesgebiet auf. Er reiste rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein. Der BF befindet sich in Grundversorgung. Er arbeitet freiwillig beim Projekt XXXX mit, indem er großteils Gartenarbeiten durchführt. Der BF hat Deutschkurse besucht und spricht Deutsch auf B2 Niveau. Der BF geht Stockschießen. Der BF hat Bekannte in Österreich. Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Die Ausweisung stellt somit keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben dar, jedoch einen solchen in das Recht auf Privatleben.

Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.

Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und/oder Familienlebens des Beschwerdeführers im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 (2) EMRK, in verhältnismäßiger Wiese verfolgt.

Bereits vor Inkrafttreten der Vorgängerbestimmung des § 9 Abs. 2 BFA-VG in der Form des AsylG 2005 idF BGBl 29/2009 entwickelten die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts in den Erk. d. VfGH vom 29.9.2007, Zahl B 1150/07-9 und Erk. d. VwGH vom 17.12.2007, Zahl 2006/01/0216 bis 219-6 unter ausdrücklichen Bezug auf die Judikatur des EGMR nachstehende Richtlinien (in den Medien der vielgenannte "Kriterienkatalog") im Rahmen der Interessensabwägung gem. Art. 8 Abs. EMRK, welche zu berücksichtigen sind:

Auch

Bereits vor Inkrafttreten des durch BGBl I 38/2011 in § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG eingefügten lit. i, welcher der nunmehrigen Bestimmung des § 9 Abs. 2 Z 9 BFA-VG entspricht, warf der VfGH in seinem Erk. B 950-954/10-08, S. 19 die Frage auf, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthalts bewusst waren. Der Verfassungsgerichtshof stellt dazu fest, dass das Gewicht der Integration nicht allein deshalb als gemindert erachtet werden darf, weil ein stets unsicherer Aufenthalt des Betroffenen zugrunde liege, so dass eine Verletzung des Art. 8 EMRK durch die Ausweisung ausgeschlossen sei. Vielmehr müsse die handelnde Behörde sich dessen bewusst sein, dass es in der Verantwortung des Staates liegt, Voraussetzungen zu schaffen, um Verfahren effizient führen zu können und damit einhergehend prüfen, ob keine schuldhafte Verzögerungen eingetreten sind, die in der Sphäre des Betroffenen liegen (ähnlich VfGH 10.03.2011, B1565/10).

Ein mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden soll daher als zusätzliche Tatsache bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK berücksichtigt werden, andererseits stellte der VfGH in seinem Erkenntnis v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10 unmissverständlich fest, dass die zeitliche Komponente dann in den Hintergrund tritt, wenn sich die Verweil- bzw. Verfahrensdauer aus dem Verhalten der beschwerdeführenden Partei ergibt (vgl. hierzu auch Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben genannten Determinanten im Lichte der soeben zitierten Judikatur Folgendes:

Der BF hält sich seit seiner Antragstellung am 21.07.2011 im Bundesgebiet auf. Er reiste rechtswidrig, mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein und konnte seinen Aufenthalt lediglich durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages vorübergehend legalisieren. Hätte er diesen unbegründeten Asylantrag nicht gestellt, wäre er rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig bzw. wäre davon auszugehen, dass der rechtswidrige Aufenthalt bereits durch entsprechende aufenthaltsbeendende Maßnahmen in der Vergangenheit beendet worden wäre und er sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten würde.

Der BF verfügt über die oben beschriebenen - dem erkennenden Gericht von dem BF beschriebenen - privaten Anknüpfungspunkte.

Die BF begründete sein Privatleben zu einem Zeitpunkt, als der Aufenthalt durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages unsicher war. Auch war der Aufenthalt des BF zum Zeitpunkt der Begründung allf. privater Anknüpfungspunkte ungewiss und nicht dauerhaft, sondern auf die Dauer des Asylverfahrens beschränkt.

Der BF möchte offensichtlich sein künftiges Leben in Österreich gestalten. Der BF befindet sich in Grundversorgung. Er arbeitet freiwillig beim Projekt XXXX mit, indem er großteils Gartenarbeiten durchführt. Der BF hat Deutschkurse besucht und spricht Deutsch auf B2 Niveau. Der BF geht Stockschießen. Der BF hat Bekannte in Österreich. Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

In diesem Zusammenhang sei auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach die - hier bei weitem nicht vorhandenen - Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

Der BF verbrachte den überwiegenden Teil ihres Lebens in Pakistan, wurde dort sozialisiert und spricht die dortige Mehrheitssprache auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso ist davon auszugehen, dass in Pakistan neben seinen dort noch lebenden Familienangehörigen auch andere Bezugspersonen etwa im Sinne eines gewissen Freundesund/oder Bekanntenkreises des BF existieren, da nichts darauf hindeutet, dass der BF vor seiner Ausreise in seinem Herkunftsstaat in völliger sozialer Isolation gelebt hätte. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es dem BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Die Feststellung, wonach der bF strafrechtlich unbescholten ist, stellt laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Zu Lasten des BF ins Gewicht fallen jedoch sehr wohl rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht (vgl. Erk. d. VwGH vom 27.2.2007, 2006/21/0164, mwN, wo dieser zum wiederholten Male klarstellt, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).

Der BF reiste schlepperunterstützt und unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Gebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge rechtswidrig in das Bundesgebiet ein.

In Hinblick auf den gegenständlichen Fall ist in Übereinstimmung mit der herrschenden Judikatur (vgl. U 145/2014-9 vom 06.06.2014) davon auszugehen, dass zwar ein einmaliges Vergehen in Form der illegalen Einreise zur Stellung eines Antrages auf internationalen Schutzes vorliegt, jedoch kann diese Verfehlung nicht maßgeblich bei einer Abwägung iSv Art. 8 Abs. 2 EMRK sprechen. Faktoren der Einwanderungskontrolle und Erwägungen der öffentlichen Ordnung können zwar bei einer Abwägung iSv Art. 8 Abs. 2 EMRK sprechen, dabei sind jedoch etwa zahlreiche Verfehlungen oder schwere bzw. beharrliche Vergehen gemeint.

Dem BF musste bei der Antragstellung klar sein, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung des Asylantrages nur ein vorübergehender ist. Ebenso indiziert die rechtswidrige und schlepperunterstützte Einreise den Umstand, dass dem BF die Unmöglichkeit der legalen Einreise und dauerhaften Niederlassung bewusst war, da davon auszugehen ist, dass er in diesem Fall diese weitaus weniger beschwerliche und kostenintensive Art der legalen Einreise und Niederlassung gewählt hätte.

Im gegenständlichen Fall sind vor dem Hintergrund der Auslastung des ho. Gerichts und der belangten Behörde zwar keine unverhältnismäßig langen Verfahrensstillstände festzustellen, auch wenn einzuräumen ist, dass eine geringfügig raschere Entscheidung im Rechtsmittelverfahren bei Vorhanden entsprechender Ressourcen unter Umständen möglich gewesen wäre. Dennoch ist hierzu anzuführen, dass es sich bei der Frage des möglichen Organisationsverschuldens hinsichtlich der Verfahrensdauer um eines von mehreren Kriterien innerhalb der hier vorzunehmenden Interessensabwägung handelt - welchem zwar in der Vergangenheit besonderes Augenmerk geschenkt wurde- und das Ergebnis der Prüfung eines möglichen Organisationsverschuldens nicht für sie alleine und isoliert, sondern in einer Gesamtschau innerhalb sämtlicher abgewogener Kriterien zu sehen ist.

Der BF stellte einen Asylantrag über den von der belangten Behörde bescheidmäßig entschieden wurde. Die Angaben des BF basierten zumindest zum Teil auf einem tatsachenwidrigen Vorbringen, welches vom BF offensichtlich aufgrund Opportunitätserwägungen im Hinblick auf den Ausgang oder zumindest auf die Dauer des Verfahrens vorgetragen wurde. Gegen diesen Bescheid wurde eine Beschwerde eingebracht. In dieser wurde ein weiteres Vorbringen erstattet und Einwände gegen das Verfahren vor der belangten Behörde vorgebracht.

Aufgrund dieser Umstände ist im Rahmen einer letztlich Gesamtschau festzuhalten, dass eine raschere Erledigung des Asylverfahrens beim Vorhandensein entsprechender Ressourcen denkbar ist, dennoch ist im gegenständlichen Fall aufgrund des Vorbringens des BF, sowie seinem Verhalten im Verfahren davon auszugehen, dass ein Sachverhalt vorliegt, welcher wohl eher dem entspricht, der vom VfGH in seinem Verfahren Gz. U 613/10-10 zu prüfen war, als jenen in seinem Erkenntnissen B 950-954/10-08 bzw. B1565/10, weshalb letztlich nicht davon auszugehen ist, dass die zeitliche Komponente dermaßen in den Vordergrund tritt, dass aufgrund der Verfahrensdauer im Rahmen der Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK von einem Überwiegen der privaten Interessen des BF auszugehen wäre (in Bezug auf ein gewisses Behördenverschulden in Bezug auf die Verfahrensdauer vgl. auch bei Vorliegen weitaus engeren Bindungen im Sinne des Art. 8 EMRK und einem ca. zehnjährigen Aufenthalt im Staat der Antragstellung das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Art. 8 (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, uva).

Der VwGH hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).

Ebenso wird durch die wirtschaftlichen Interessen an einer geordneten Zuwanderung und das nur für die Dauer des Asylverfahrens erteilte Aufenthaltsrecht, das fremdenpolizeiliche Maßnahmen nach (negativer) Beendigung des Asylverfahrens vorhersehbar erscheinen lässt, die Interessensabwägung anders als in jenen Fällen, in welchen der Fremde aufgrund eines nach den Bestimmungen des NAG erteilten Aufenthaltstitels aufenthaltsberechtigt war, zu Lasten des (abgelehnten) Asylsuchenden beeinflusst (vgl. Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, Seite 348).

Es ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Notwendigkeit einer [damals] Ausweisung von Relevanz, ob der Fremde seinen Aufenthalt vom Inland her legalisieren kann. Ist das nicht der Fall, könnte sich der Fremde bei der Abstandnahme von der [damals] Ausweisung unter Umgehung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen den tatsächlichen (illegalen) Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenrechts zuwiderlaufen würde.

Gem. Art 8 Abs 2 EMRK ist ein Eingriff in das Grundrecht auf Privatund/oder Familienleben zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Abs 2 leg cit genannten Ziele notwendig ist. Die zitierte Vorschrift nennt als solches Ziel u.a. die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, worunter nach der Judikatur des VwGH auch die geschriebene Rechtsordnung zu subsumieren ist. Die für den Aufenthalt von Fremden maßgeblichen Vorschriften finden sich - abgesehen von den spezifischen Regelungen des AsylG - seit 1.1.2006 nunmehr im NAG bzw. FPG.

Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist für die Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung und diese Wertung des Gesetzgebers geht auch aus dem Fremdenrechtspaket 2005 klar hervor. Demnach ist es gemäß den nun geltenden fremdenrechtlichen Bestimmungen für den Beschwerdeführer grundsätzlich nicht mehr möglich seinen Aufenthalt vom Inland her auf Antrag zu legalisieren, da eine Erstantragsstellung für solche Fremde nur vom Ausland aus möglich ist. Wie aus dem 2. Hauptstück des NAG ersichtlich ist, sind auch Fremde, die Familienangehörige von in Österreich dauernd wohnhaften österreichischen Staatsbürgern sind, davon nicht ausgenommen. Im gegenständlichen Fall ist bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Sachverhalt ersichtlich, welcher die Annahme rechtfertigen würde, dass dem Beschwerdeführer gem. § 21 (2) und (3) NAG die Legalisierung seines Aufenthaltes vom Inland aus offen steht, sodass ihn mit rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens eine unbedingte Ausreiseverpflichtung trifft, zu deren Durchsetzung es einer Ausweisung des Fremden bedarf.

Bei rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ist der Beschwerdeführer somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen sei ergänzend das Erkenntnis des VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 ua erwähnt, in dem dieser erkennt, dass auch das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden bei der Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen sind.

Der Rechtsprechung des EGMR folgend (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z. B. eine Ausweisungsentscheidung) aber auch in das nach Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in einem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

Im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zur Ausweisungs- und Abschiebungspraxis der Vertragsstaaten dürfte es für den Schutzbereich des Anspruches auf Achtung des Privatlebens nach Artikel 8 EMRK hingegen nicht ausschlaggebend sein, ob der Aufenthalt des Ausländers - im Sinne einer Art "Handreichung des Staates" - zumindest vorübergehend rechtmäßig war (vgl. Ghiban gg. Deutschland, 16.09.2004, 11103/03; Dragan gg. Deutschland, 07.10.2004, Bsw. Nr. 33743/03; SISOJEVA (aaO.)) bzw. inwieweit die Behörden durch ihr Verhalten dazu beigetragen haben, dass der Aufenthalt des Betreffenden bislang nicht beendet wurde. Der EGMR hat diese Frage zwar noch nicht abschließend entschieden, jedoch in Fallkonstellationen das Recht auf Privatleben erörtert, in denen ein legaler Aufenthalt der Beschwerdeführer nicht vorlag. Hat er in der Rechtssache GHIBAN (aaO.) zu einem rumänischen Staatsangehörigen, der wegen Staatenlosigkeit nicht abgeschoben werden konnte, die Frage letztlich noch offen gelassen ("Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Aufenthalt des Bf. unter diesen Umständen eine ausreichende Grundlage für die Annahme eines Privatlebens war..."), so nahm er in der bereits mehrfach zitierten Rechtssache Sisojeva (aaO.) einen Eingriff in das Privatleben an, obwohl die Beschwerdeführer in Lettland keinen rechtmäßigen Aufenthalt hatten.

Wenn man - wie die aktuelle Judikaturentwicklung des EGMR auch erkennen lässt - dem Aufenthaltsstatus des Fremden für die Beurteilung des Vorliegens eines Eingriffes in das durch Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben keine Relevanz beimisst, so wird die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Schrankenprüfung nach Artikel 8 Absatz 2 EMRK Berücksichtigung zu finden haben.

In seinem Erkenntnis Rodrigues da Silva and Hookkamer v. the Netherlands vom 31. Jänner 2006, Zahl 50435/99 führte der EGMR unter Verweis auf seine Vorjudikatur aus, dass es ua. eine wichtige Überlegung darstellt, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, an dem sich die betreffenden Personen bewusst waren, dass der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes derart war, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland vom vornherein unsicher war. Er stellte auch fest, dass die Ausweisung eines ausländischen Familienmitgliedes in solchen Fällen nur unter ganz speziellen Umständen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bewirkt.

Der GH führte weiters - wiederum auf seine Vorjudikatur verweisend - aus, dass Personen, welche die Behörden eines Vertragsstaates ohne die geltenden Rechtsvorschriften zu erfüllen, als fait accompli mit ihrem Aufenthalt konfrontieren, grundsätzlich keinerlei Berechtigung haben, mit der Ausstellung eines Aufenthaltstitels zu rechnen. Im geschilderten Fall wurde letztlich dennoch eine Entscheidung zu Gunsten der Beschwerdeführer getroffen, weil es der Erstbeschwerdeführerin grundsätzlich möglich gewesen wäre, ihren Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren, weil sie mit dem Vater des Zweitbeschwerdeführers, einem Staatsbürger der Niederlande vom Juni 1994 bis Jänner 1997 eine dauerhafte Beziehung führte. Es war daher der Fall Erstbeschwerdeführerin trotz ihres vorwerfbaren sorglosen Umganges mit den niederländischen Einreisebestimmungen von jenen Fällen zu unterscheiden, in denen der EGMR befand, dass die betroffenen Personen zu keinem Zeitpunkt vernünftiger Weise erwarten konnten, ihr Familienleben im Gastland weiterzuführen. Ebenso wurde in diesem Fall der Umstand des besonderen Verhältnisses zwischen dem Kleinkind und der Mutter besonders gewürdigt.

Weiters wird hier auf das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06 verwiesen, wo dieser folgende Kernaussagen traf:

Im gegenständlichen Fall erachtete es der EGMR nicht erforderlich, sich mit der von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Frage auseinanderzusetzen, ob durch das Studium der Beschwerdeführerin im UK, ihr Engagement in der Kirche sowie ihre Beziehung unbekannter Dauer zu einem Mann während ihres fast 10-jährigen Aufenthalts ein Privatleben iS von Art. 8 EMRK entstanden ist.

Dies wird damit begründet, dass im vorliegenden Fall auch das Bestehen eines Privatlebens ohne Bedeutung für die Zulässigkeit der Abschiebung wäre, da einerseits die beabsichtigte Abschiebung im Einklang mit dem Gesetz steht und das legitime Ziel der Aufrechterhaltung und Durchsetzung einer kontrollierten Zuwanderung verfolgt; und andererseits jegliches zwischenzeitlich etabliertes Privatleben im Rahmen einer Interessenabwägung gegen das legitime öffentliche Interesse an einer effektiven Einwanderungskontrolle nicht dazu führen könnte, dass ihre Abschiebung als unverhältnismäßiger Eingriff zu werten wäre.

Die zuständige Kammer merkt dazu an, dass es sich hier im Gegensatz zum Fall ÜNER gg. Niederlande (EGMR Urteil vom 05.07.2005, Nr. 46410/99) bei der Beschwerdeführerin um keinen niedergelassenen Zuwanderer handelt, sondern ihr niemals ein Aufenthaltsrecht erteilt wurde und ihr Aufenthalt im UK daher während der gesamten Dauer ihres Asylverfahrens und ihrer humanitären Anträge unsicher war.

Ihre Abschiebung in Folge der Abweisung dieser Anträge wird auch durch eine behauptete Verzögerung der Behörden bei der Entscheidung über diese Anträge nicht unverhältnismäßig.

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der BF erfolgreich auf das Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen und würde dies darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrag unterlassen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (vgl. hierzu auch das Estoppel-Prinzip ["no one can profit from his own wrongdoing"], auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen [VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007]).

Vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Standes des seitens des erkennenden Gerichts durchzuführenden Ermittlungsverfahrens kann nicht festgestellt werden, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und war daher das Verfahren gem. § 75 Abs. 20 AsylG zur (weiteren) Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückzuverweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zum Flüchtlingsbegriff, dem Refoulement-schutz bzw. zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht.

Ebenso wird zu diesem Thema keine Rechtsache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert. In Bezug auf die Spruchpunkte I und II der angefochtenen Bescheide liegt das Schwergewicht zudem in Fragen der Beweiswürdigung.

In Bezug auf die Anwendung der Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 18 - 20 AsylG kann ebenfalls keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung erblickt werden. Hierbei handelt es sich vielmehr um eine Anordnung des einfachen Gesetzgebers, wie mit einer überschaubaren Zahl von Bescheiden des Bundesasylamtes, welche in dem dort beschriebenen Zeitfenster erlassen wurden, im Beschwerdeverfahren umzugehen ist und ist auf den eindeutigen Wortlaut der genannten Bestimmungen zu verweisen.

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