BVwG G309 2175337-1

BVwGG309 2175337-115.2.2019

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:G309.2175337.1.00

 

Spruch:

G309 2175337-1/15E

 

Schriftliche Ausfertigung des am 17.01.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX, alias XXXX, StA: Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 09.10.2017, Zl. XXXX, betreffend internationalen Schutz nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.11.2018 und am 17.01.2019, zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) verließ seinen Herkunftsstaat Irak Mitte August 2015 und stellte nach seiner schlepperunterstützten Einreise ins Bundesgebiet am 01.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Marchegg AGM, am 02.10.2015 (im Folgenden Erstbefragung) gab der BF an, den im Spruch genannten Namen zu führen und Staatsangehöriger des Irak zu sein. Er sei am XXXX in Bagdad, Irak, geboren, Angehöriger der arabischen Volksgruppe, Moslem der sunnitischen Glaubensrichtung, ledig sowie kinderlos und habe zuletzt in XXXX [Anm. XXXX], Bagdad, gelebt.

 

Zu den Gründen seiner Ausreise sowie den Befürchtungen im Falle einer Rückkehr in den Irak befragt, führte der BF wie folgt aus:

"Seit 24 Jahren bin ich als Polizist tätig. Seit 2007 habe ich Probleme mit meinen Kollegen, weil ich Sunnit bin. Ich werde verfolgt und gemobbt. Ich konnte diese Belastung nicht mehr aushalten, darum habe ich mein Land verlassen." sowie "Ich habe keine Zukunft in meinem Land." Den Entschluss zur Ausreise aus dem Irak habe er vor acht Jahren gefasst [Anm. somit bereits im Herbst 2007].

 

2. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der BF am 06.07.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Steiermark, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers in arabischer Sprache niederschriftlich vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter einvernommen (im Folgenden: Einvernahme vor dem BFA).

 

Eingangs bestätigte der BF, die arabische Sprache zu verstehen und im Verfahren bislang wahrheitsgemäße Angaben gemacht zu haben. Ferner legte der BF Unterlagen, unter anderem einen irakischen Staatsbürgerschaftsnachweis im Original und zwei Festnahmeberichte in Kopie, vor.

 

Zur Person und seinen Lebensumständen befragt gab der BF an, dass er sunnitischer Araber sei, zwölf Jahre die Schule in XXXX besucht und mit 16 Jahren freiwillig als Soldat bei der Polizei gearbeitet habe. Er habe sein ganzes Leben mit seiner Familie in XXXX, gelebt. Seine Mutter sei bereits verstorben. Im Irak leben sein Vater, seine drei Schwestern und seine beiden Brüder. Der Familie des BF gehe es gut und habe er alle zwei bis drei Tage via Facebook Kontakt mit seinen Verwandten.

 

Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an, dass er von seiner Familie im Jahr 1991 gezwungen worden sei freiwillig bei der Polizei zu arbeiten. Es sei für den BF schwierig gewesen es [bei der Polizei] auszuhalten und habe er auch wenig verdient. Er habe es bis zu Saddam Husseins Sturz 2004 ausgehalten. Im Mai 2004 seien die Polizeiangestellten von den Amerikanern aufgefordert worden ihre Arbeit fortzusetzen. 2006 und 2007 sei die Sicherheitslage chaotisch gewesen und habe der BF zwei Jahre in der Akademie schlafen müssen. 2009 habe er sich seine Tätowierungen entfernen lassen, da die islamischen Parteien befohlen hätten, dass Polizeiangestellte keine Tätowierungen haben dürfen. Der BF habe bis zum Einmarsch der IS Milizen im Jahr 2014 normal gearbeitet. Die Regierung habe die Polizeiangestellten aufgefordert gegen den IS zu kämpfen und habe sich der BF geweigert, da er überzeugt sei, dass die Regierung dafür verantwortlich sei, dass der IS in den Irak einmarschiert sei. Im Jahr 2014/2015 haben die islamischen Parteien alle irakischen Männer eingezogen um gegen den IS zu kämpfen. Es sei "ihnen" am XXXX.2015 - über Anordnung des Innenministeriums - befohlen worden gegen den IS zu kämpfen und sollten sie zu einem anderen Ort in der Provinz AL-SAMMARA verlegt werden. Daher habe der BF am XXXX.2015 - nach Beratung mit seiner Familie - Bagdad verlassen. Der Befehl stamme vom Innenministerium und sollten von der Akademie 50 Personen verlegt werden. Der BF glaube, er hätte verlegt werden sollen, weil er Sunnit sei und seien auf der (Versetzungs‑)Liste des Innenministeriums ca. 38 Sunniten und sieben Schiiten gewesen. Im November 2015 wurden zwei Haftbefehle wegen Desertion gegen den BF erlassen und dürfe den BF jeder Polizist im ganzen Irak festnehmen. Die Haftbefehle seien dem BF von Kollegen der Akademie via Facebook übermittelt worden. Aufgrund der Haftbefehle sei beim BF zu Hause zweimal nach ihm gesucht worden und seien sein Vater und die Schwester daher im Bezirk umgezogen, um nicht mehr belästigt zu werden. Bei einer Rückkehr in den Irak drohe dem BF eine Haftstrafe von fünf Jahren und einem Monat, da er sich geweigert habe gegen den IS zu kämpfen und könnte der BF auch von den Milizen getötet werden.

 

Zu dem von ihm in der Erstbefragung als Fluchtgrund angeführten Mobbing führte der BF aus, er sei gemobbt worden, weil er Sunnit sei und hätte auch aus diesem Grund verlegt werden sollen. Sunniten werden benachteiligt und sei er auch nie befördert worden. Wäre er nicht nach Österreich gegangen könnte er in vier Jahren in Pension gehen. Er habe alles verloren und im Irak keine Zukunft.

 

3. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des BFA, dem BF zugestellt am 12.11.2017, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung des BF in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

 

Begründend führte das BFA nach Wiedergabe der Einvernahme des BF und den Feststellungen zu dessen Person aus, dass seitens des BFA nicht festgestellt werden könne, dass der BF den Irak aufgrund einer bestehenden Verfolgung verlassen habe. Der BF vermochte eine Verfolgungsgefahr in seiner Heimat nicht glaubwürdig darzulegen. Das Vorbringen beinhalte keine glaubhaften, gegen den BF persönlich gerichteten Verfolgungshandlungen und habe er sein Vorbringen auch widersprüchlich dargestellt.

 

In rechtlicher Hinsicht folgerte das BFA, es liege keine Verfolgung des BF im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention vor, sodass kein internationaler Schutz zu gewähren sei. Dem BF sei der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen, da keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. zur Konvention drohe. Dem BF sei kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 zu erteilen und sei seine Abschiebung gemäß § 50 FPG zulässig.

 

4. Mit Verfahrensordnung vom 10.10.2017 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater zur Verfügung gestellt.

 

5. Mit dem am 27.10.2017 beim BFA eingelangten und mit demselben Datum datierten Schriftsatz erhob der BF Beschwerde gegen den oben angeführten Bescheid. In der Beschwerde wurde nach Darlegung der Beschwerdegründe beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge jedenfalls eine Beschwerdeverhandlung durchführen, alle zu Lasten des BF gehenden Rechtswidrigkeiten im angefochtenen Bescheid amtswegig aufgreifen, den angefochtenen Bescheid - allenfalls nach Verfahrensergänzung - beheben und dem BF den Status eines Asylberechtigten gem. § 3 AsylG [2005] zuerkennen; in eventu den Bescheid aufheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückverweisen, für den Fall der Abweisung des obigen Beschwerdeantrages feststellen, dass dem BF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat zukommt; sowie feststellen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) gem. § 55 AsylG [2005] vorliegen und dem BF eine solche von Amts wegen zu erteilen ist; in eventu feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG [2005] vorliegen.

 

In der Sache bringt BF nach Wiederholung seiner bereits vorgebrachten Ausreisegründe und unter Beanstandung der Ermittlungen zur Echtheit der vorgelegten Bescheinigungsmittel und der Länderfeststellungen im Wesentlichen vor, sich aufgrund seiner sunnitischen Religionszugehörigkeit sowie seiner Desertion vom Polizeidienst im Irak als verfolgt zu erachten.

 

6. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 30.10.2017 vom BFA vorgelegt und langten am 03.11.2017 beim BVwG ein.

 

7. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 20.11.2018 wurden den Verfahrensparteien Länderdokumentationsunterlagen zur Lage im Irak (Stand 18.05.2018) sowie eine Anfragebeantwortung zum Irak betreffend die gesetzlichen Bestimmungen zur Desertion aus der Polizei zur Abgabe einer Stellungnahme übermittelt.

 

8. Am 30.11.2018 führte das BVwG in der Außenstelle Graz eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein des BF, seiner rechtsfreundlichen Vertretung und eines Dolmetschers für die arabische Sprache durch. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung nicht teil. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem BF Gelegenheit gegeben neuerlich seine Ausreisemotivation umfassend darzulegen. Die von Seiten des BF vorgelegte Einstellungszusage vom 27.11.2018 und Berichte über die Lage im Irak wurden zum Akt genommen.

 

9. Am 03.12.2018 übermittelte das BVwG den Verfahrensparteien die Verhandlungsniederschrift vom 30.11.2018 und aktuelle Länderdokumentationsunterlagen zur Lage im Irak (Stand 20.11.2018) zur Stellungnahme.

 

10. Am 14.12.2018 langte eine Stellungnahme des BF beim BVwG ein und wurde darin ausgeführt, dass die Sicherheitslage in Bagdad schlecht sei, die zielgerichtete Gewalt gegen sunnitische Araber zugenommen habe, der BF mit 43 Jahren am Arbeitsmarkt unvermittelbar sei und er von der Polizei desertiert sei, da er nicht gegen andere Sunniten kämpfen wollte. Da der BF über keinen höheren Bildungsgrad verfüge, würde er schon deswegen in eine ausweglose Situation kommen und könne ihm seine im Irak lebende Familie keinerlei Unterstützung bieten.

 

11. Am 17.01.2019 setzte das BVwG die mündliche Verhandlung in der Außenstelle Graz fort. Nach Schluss des Beweisverfahrens wurde das gegenständliche Erkenntnis mündlich verkündet.

 

12. Nach der mündlichen Verkündung des Erkenntnisses beantragte der Rechtsvertreter des BF die schriftliche Ausfertigung.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Der BF führt den im Spruch angeführten Namen, ist Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der arabischen Volksgruppe und Moslem der sunnitischen Glaubensrichtung. Er wurde 1975 in Bagdad geboren. Der BF ist ledig und hat keine Kinder. Der BF spricht arabisch und hat Grundkenntnisse der deutschen Sprache.

 

Der private und familiäre Lebensmittelpunkt des BF lag bis zu seiner Ausreise im August 2015 im Irak. Zuletzt lebte der BF gemeinsam mit seinem Vater und seiner Schwester in einem Haus in XXXX, im Nordosten Bagdads.

 

Der BF besuchte im Bezirk XXXX mehrjährig die Schule und meldete sich im Jahr 1991 unter Zwang seiner Familie freiwillig zum Polizeidienst. Der BF fand es schwierig es bei der Polizei auszuhalten. Der BF leistete keinen Grundwehrdienst und wurde im Jahr 1991 an einem Sturmgewehr (Kalaschnikow) und im Jahr 1992 an einer Pistole ausgebildet. Er war weder im Außendienst tätig noch trug er je eine Waffe. Der BF verrichtete seinen Dienst in einer Polizeiakademie in Bagdad und war im Lager für die Verteilung von Kleidung, die Reinigung des Lagers und das Tragen von Verpackungen zuständig. Während seiner gesamten Dienstzeit hatte der BF den Rang eines Unteroffiziers inne. Den Umstand, dass er nie einen höheren Rang bekam, empfand der BF als gemein. Nach dem Sturz Saddam Husseins wurden die Polizisten im Außendienst an neuen Waffen ausgebildet. Innendienstmitarbeiter wie der BF wurden nicht im Umgang mit den neuen Waffen ausgebildet.

 

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF im August 2015 in den Bezirk AL-SAMMARA versetzt hätte werden sollen. Es kann nicht festgestellt werden, dass im Irak gegen den BF zwei Haftbefehle wegen Desertion vom Polizeidienst ausgestellt wurden.

 

Bereits im Herbst 2007 beschloss der BF seinen Herkunftsstaat zu verlassen. Am XXXX.2015 verließ der BF den Irak von Bagdad ausgehend Richtung Türkei und reiste in weiterer Folge schlepperunterstützt nach Österreich, wo er am 01.10.2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

 

1.2. Die älteste Schwester des BF und sein Vater leben nach wie vor in dem Haus in dem der BF gemeinsam mit ihnen bis zu seiner Ausreise lebte und bestreiten ihren Lebensunterhalt von der Pension des Vaters. Zwei weitere Schwestern des BF sind verheiratet und leben in Bagdad in den Bezirken XXXX und XXXX. Die beiden Brüder des BF leben ebenfalls im Bezirk XXXX, Bagdad. XXXX liegt im Norden Bagdads und ist ein sunnitisch geprägter Bezirk in dem es mit der Abu-Hafifa-Moschee die bekannteste sunnitische Moschee in Bagdad gibt. Die Geschwister des BF sind berufstätig und geht es ihnen gut. Zwischen dem BF und seinen im Irak lebenden Verwandten besteht aufrechter und regelmäßiger Kontakt.

 

1.3. Der BF ist ein körperlich gesunder, arbeitsfähiger Mensch mit hinreichender Ausbildung in der Schule und Berufserfahrung als Lagerarbeiter. Der BF leidet weder an einer schweren noch einer unmittelbar lebensbedrohlichen Erkrankung. Der BF verfügt über eine - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherte Existenzgrundlage in seinem Herkunftsstaat sowie über familiäre Anknüpfungspunkte und eine hinreichende Versorgung mit Nahrung und Unterkunft. Der BF verfügt über ein irakisches Ausweisdokument im Original (Staatsbürgerschaftsnachweis).

 

Das Vorbringen des BF vor dem BFA, in der Beschwerde und der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates wonach - im Wesentlichen zusammengefasst - er den Irak verlassen habe, da er als Lagerarbeiter einer Polizeiakademie in Bagdad am XXXX.2015 gemeinsam mit 49 weiteren Personen der Akademie zu einem unbekannten Ort in der Provinz AL-SAMMARA verlegt werden hätte sollen, um dort gegen den Islamischen Staat zu kämpfen bzw. in ein Ausbildungslager geschickt zu werden, um in der Folge die "Schar der Freiwilligen zu koordinieren und anzuführen" und gegen ihn im November 2015 zwei Haftbefehle wegen Desertion von der Polizei erlassen wurden sowie zu seinen Befürchtungen im Fall der Rückkehr in den Irak, als Angehöriger der sunnitischen Glaubensrichtung verfolgt zu werden, wird dieser Entscheidung nicht als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt. Weitere Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates wurden nicht vorgebracht.

 

1.4. Der BF war im Irak nicht politisch tätig. Der BF gehört keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hatte in seinem Herkunftsstaat keine Schwierigkeiten aufgrund seiner politischen Überzeugung, seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder seines Religionsbekenntnisses oder sonstige Probleme zu gewärtigen.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF vor seiner Ausreise aus seinem Herkunftsstaat einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war oder er im Falle einer Rückkehr in seinem Herkunftsstaat einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.

 

1.5. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die Todesstrafe droht. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung des BF festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Irak.

 

1.6. Ein konkreter Anlass für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Der BF hatte mit den Behörden des Herkunftsstaates weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses, seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner politischen Gesinnung Probleme noch sonst irgendwelche Probleme. Auch sonstige Gründe, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat allenfalls entgegenstehen würden, konnten nicht festgestellt werden.

 

1.7. Der BF hält sich seit spätestens 01.10.2015 in Österreich auf. Er reiste rechtswidrig ins Bundesgebiet ein, ist seither Asylwerber und verfügt über keinen anderen Aufenthaltstitel.

 

Der BF bezieht seit der Antragstellung bis dato Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber und lebt in XXXX. Er ist nicht legal erwerbstätig. Der BF ist Mitglied bei einem Fitnessstudio in XXXX.

 

Der BF hat in Österreich keine Verwandten, ist alleinstehend, für keine Person im Bundesgebiet sorgepflichtig und pflegt die üblichen sozialen Kontakte. Er besuchte bereits Deutschkurse; hat jedoch keine Prüfungen über Sprachkenntnisse abgelegt.

 

1.8. Es kann nicht festgestellt werden, dass (vormalige) Angehörige der irakischen Polizei mit sunnitischer Glaubensrichtung im Vergleich zu anderen (vormaligen) Angehörigen der irakischen Polizei strenger bestraft werden.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall des Verbleibens an seiner Dienststelle als Mitarbeiter im Lager der Polizeiakademie in Bagdad an völkerrechtswidrigen Militäraktionen hätte teilnehmen müssen.

 

1.9. Zur aktuellen Lage im Irak werden folgende Feststellungen unter Heranziehung der gegenüber dem BF offengelegten Quellen getroffen:

 

1. Politische Lage

 

Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert (KAS 2.5.2018). Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat (AA 12.2.2018), der aus 18 Provinzen (muhafazät) besteht (Fanack 27.9.2018). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (RoI 15.10.2005). Die Autonome Region Kurdistan ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte (Fanack 27.9.2018).

 

An der Spitze der Exekutive steht der irakische Präsident, der auch das Staatsoberhaupt ist. Der Präsident wird mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (majlis al-nuwwab, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat), für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt und genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt. Zusammen bilden sie den Präsidialrat (Fanack 27.9.2018).

 

Teil der Exekutive ist auch der Ministerrat, der sich aus dem Premierminister und anderen Ministern der jeweiligen Bundesregierung zusammensetzt (Fanack 27.9.2018; vgl. RoI 15.10.2005). Der Premierminister wird vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt (RoI 15.10.2005).

 

Am 2.10.2018 wählte das neu zusammengetretene irakische Parlament den moderaten kurdischen Politiker Barham Salih zum Präsidenten des Irak (DW 2.10.2018). Dieser wiederum ernannte den schiitischen Politik-Veteranen Adel Abd al-Mahdi zum Premierminister und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung (BBC 3.10.2018). Abd al-Mahdi ist seit 2005 der erste Premier, der nicht die Linie der schiitischen Da'wa-Partei vertritt, die seit dem Ende des Krieges eine zentrale Rolle in der Geschichte Landes übernommen hat. Er unterhält gute Beziehungen zu den USA. Der Iran hat sich seiner Ernennung nicht entgegengestellt (Guardian 3.10.2018).

 

Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik (Fanack 27.09.2018). Im Gegensatz zum Präsidenten, dessen Rolle weitgehend zeremoniell ist, liegt 27.09.2018 beim Premierminister damit die eigentliche Exekutivgewalt (Guardian 3.10.2018).

 

Die gesetzgebende Gewalt, die Legislative, wird vom irakischen Repräsentantenrat (Parlament) ausgeübt (Fanack 27.9.2018). Er besteht aus 329 Abgeordneten (CIA 17.10.2018; vgl. IRIS 11.05.2018).

 

Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich (Standard 3.10.2018). So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnite, der Premierminister ist ein Schiite und der Präsident der Republik ein Kurde (Al Jazeera 15.9.2018).

 

In weiten Teilen der irakischen Bevölkerung herrscht erhebliche Desillusion gegenüber der politischen Führung (LSE 7.2018; vgl. IRIS 11.5.2018). Politikverdrossenheit ist weit verbreitet (Standard 13.5.2018). Dies hat sich auch in der niedrigen Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen im Mai 2018 gezeigt (WZ 12.5.2018). Der Konfessionalismus und die sogennante "Muhassasa", das komplizierte Proporzsystem, nach dem bisher Macht und Geld unter den Religionsgruppen, Ethnien und wichtigsten Stämmen im Irak verteilt wurden, gelten als Grund für Bereicherung, überbordende Korruption und einen Staat, der seinen Bürgern kaum Dienstleistungen wie Strom- und Wasserversorgung, ein Gesundheitswesen oder ein Bildungssystem bereitstellt (TA 12.5.2018).

 

Viele sunnitische Iraker stehen der schiitischen Dominanz im politischen System kritisch gegenüber. Die Machtverteilungsarrangements zwischen Sunniten und Schiiten sowie Kurden festigen den Einfluss ethnisch-religiöser Identitäten und verhindern die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt (AA 12.2.2018).

 

Die Zeit des Wahlkampfs im Frühjahr 2018 war nichtsdestotrotz von einem Moment des verhaltenen Optimismus gekennzeichnet, nach dem Sieg über den sogenannten Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (ICG 9.5.2018). Am 9.12.2017 hatte Haider al-Abadi, der damalige irakische Premierminister, das Ende des Krieges gegen den IS ausgerufen (BBC 9.12.2017). Irakische Sicherheitskräfte hatten zuvor die letzten IS-Hochburgen in den Provinzen Anbar, Salah al-Din und Ninewa unter ihre Kontrolle gebracht. (UNSC 17.1.2018).

 

Quellen:

 

 

stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 12.10.2018

 

 

 

https://www.aljazeera.com/news/2018/09/deadlock-broken-iraqi-parliament-elects-speaker-

 

180915115434675.html, Zugriff 19.10.2018

 

 

 

 

 

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/iz.html Zugriff 19.10.2018

 

 

 

 

next-prime-minister, Zugriff 18.10.2018

 

 

Zugriff 18.10.2018

 

 

 

Elections: A Population in Transition?.

http://eprints.lse.ac.uk/89698/7/MEC Iraqi-

 

elections Report 2018.pdf. Zugriff 18.10.2018

 

 

deadlock,

https://www.reuters.com/article/us-iraq-politics/iraq-parliament-elects-sunni-

 

lawmaker-al-halbousi-as-speaker-breaking-deadlock-idUSKCN1LV0BH. Zugriff 18.10.2018

 

 

 

2.11.2018

 

 

 

https://derstandard.at/2000088607743/Neue-alte-Gesichter-fuer-Iraks-Topiobs

Zugriff

 

19.10.2018

 

 

 

https://www.tagesanzeiger.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/im-bann-des-misstrauens/storv/

 

29434606, Zugriff 18.10.2018

 

 

pursuant to resolution 2367 (2017),

 

 

https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/N1800449.pdf , Zugriff 19.10.2018

 

 

1.1. Parteienlandschaft

 

Es gibt vier große schiitische politische Gruppierungen im Irak: die Islamische Da'wa-Partei, den Obersten Islamischen Rat im Irak (OIRI) (jetzt durch die Bildung der Hikma-Bewegung zersplittert), die Sadr-Bewegung und die Badr-Organisation. Diese Gruppen sind islamistischer Natur, sie halten die meisten Sitze im Parlament und stehen in Konkurrenz zueinander - eine Konkurrenz, die sich, trotz des gemeinsamen konfessionellen Hintergrunds und der gemeinsamen Geschichte im Kampf gegen Saddam Hussein, bisweilen auch in Gewalt niedergeschlagen hat (KAS 2.5.2018).

 

Die meisten politischen Parteien verfügen über einen bewaffneten Flügel oder werden einer Miliz zugeordnet (Niqash 7.7.2016; vgl. BP 17.12.2017) obwohl dies gemäß dem Parteiengesetz von 2015 verboten ist (Niqash 7.7.2016; vgl. WI 12.10.2015). Milizen streben jedoch danach, politische Parteien zu gründen (CGP 4.2018) und haben sich zu einer einflussreichen politischen Kraft entwickelt (Niqash 5.4.2018; vgl. Guardian 12.5.2018).

 

Die sunnitische politische Szene im Irak ist durch anhaltende Fragmentierung und Konflikt gekennzeichnet, zwischen Kräften, die auf Provinz-Ebene agieren, und solchen, die auf Bundesebene agieren. Lokale sunnitische Kräfte haben sich als langlebiger erwiesen als nationale (KAS 2.5.2018)

 

Die politische Landschaft der Autonomen Region Kurdistan ist historisch von zwei großen Parteien geprägt: der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK). Dazu kommen Gorran ("Wandel"), eine 2009 gegründete Bewegung, die sich auf den Kampf gegen Korruption und Nepotismus konzentriert, sowie eine Reihe kleinere islamistische Parteien (KAS 2.5.2018).

 

Abgesehen von den großen konfessionell bzw. ethnisch dominierten Parteien des Irak, gibt es auch nennenswerte überkonfessionelle politische Gruppierungen. Unter diesen ist vor allem die Iraqiyya/Wataniyya Bewegung des Ayad Allawi von Bedeutung (KAS 2.5.2018).

 

Die folgende Grafik veranschaulicht die Sitzverteilung im neu gewählten irakischen Parlament. Sairoon, unter der Führung des schiitischen Geistlichen Muqtada al-Sadrs, ist mit 54 Sitzen die größte im Parlament vertretene Gruppe, gefolgt von der Fath-Bewegung des Milizenführers Hadi al-Amiri und Haider al-Abadi's Nasr ("Victory")-Allianz (LSE 7.2018).

 

Bild kann nicht dargestellt werden

 

Quelle: LSE - London School of Economics and Political Science (7.2018): The 2018 Iraqi Federal Elections, http://eprints.lse.ac.uk/89698/7/MEC_Iraqi-elections_Report_2018.pdf Zugriff 2.11.2018

 

Die Wahl im Mai 2018 war von Vorwürfen von Unregelmäßigkeiten und Wahlbetrug begleitet (Al- Monitor 23.8.2018; vgl. Reuters 24.5.2018, Al Jazeera 6.6.2018). Eine manuelle Nachzählung der Stimmen, die daraufhin angeordnet wurde, ergab jedoch fast keinen Unterschied zu den zunächst verlautbarten Ergebnissen und bestätigte den Sieg von Muqtada al-Sadr (WSJ 9.8.2018; vgl. Reuters 10.8.2018). Die Mehrheit der Abgeordneten im Parlament ist neu und jung (WZ 9.10.2018). Im Prozess zur Designierung des neuen Parlamentssprechers, des Präsidenten und des Premierministers stimmten die Abgeordneten zum ersten Mal individuell und nicht in Blöcken - eine Entwicklung, die einen Bruch mit den üblichen, schwer zu durchbrechenden Loyalitäten entlang parteipolitischer, konfessioneller und ethnischer Linien, darstellt (Arab Weekly 7.10.2018).

 

Quellen:

 

 

180606163950024.html. Zugriff 23.10.2018

 

 

 

 

militias-Nujaba. Zugriff 22.10.2018

 

 

 

 

elections,

https://www.theguardian.com/world/2018/may/12/iraq-elections-become-

 

battleground-iranian-influence, Zugriff 22.10.2018

 

 

 

Mobilization Strategies,

 

 

https://auis.edu.krd/iris/sites/default/files/IraqVotes2018_MobilizationStrategies1.pdf

Zugriff

 

2.11.2018

 

 

 

 

 

23.10.2018

 

 

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1.2. Protestbewegung

 

Die Protestbewegung, die es schon seit 2014 gibt, gewinnt derzeit an Bedeutung. Zumeist junge Leute gehen in Scharen auf die Straße, fordern bessere Lebensbedingungen, Arbeitsplätze, Reformen, einen effektiven Kampf gegen Korruption und die Abkehr vom religiösen Fundamentalismus (WZ 9.10.2018). Im Juli 2018 brachen im Süden des Landes, in Basra, nahe den Ölfeldern West Qurna und Zubayr Proteste aus. Diese eskalierten, nachdem die Polizei in West Qurna auf Demonstranten schoss (ICG 31.7.2018). Reich an Ölvorkommen, liefert die Provinz Basra 80 Prozent der Staatseinnahmen des Irak. Unter den Einwohnern der Provinz wächst jedoch das Bewusstsein des Gegensatzes zwischen dem enormen Reichtum und ihrer eigenen täglichen Realität von Armut, Vernachlässigung, einer maroden Infrastruktur, Strom- und Trinkwasserknappheit (Carnegie 19.9.2018; vgl. NPR 27.9.2018).

 

Die Proteste im Juli weiteten sich schnell auf andere Städte und Provinzen im Süd- und Zentralirak aus (DW 15.7.2018; vgl. Presse 15.7.2018, CNN 17.7.2018, Daily Star 19.7.2018). So gingen tausende Menschen in Dhi Qar, Maysan, Najaf und Karbala auf die Straße, um gegen steigende Arbeitslosigkeit, Korruption und eine schlechte Regierungsführung, sowie die iranische Einmischung in die irakische Politik zu protestieren (Al Jazeera 22.7.2018). Die Proteste erreichten auch die Hauptstadt Bagdad (Joel Wing 25.7.2018; vgl. Joel Wing 17.7.2018). Am 20.7. wurden Proteste in 10 Provinzen verzeichnet (Joel Wing 21.7.2018). Demonstranten setzten die Bürogebäude der Da'wa-Partei, der Badr-Organisation und des Obersten Islamischen Rats in Brand; praktisch jede politische Partei wurde angegriffen (Al Jazeera 22.7.2018). Es kam zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, sowie zu Todesfällen (Kurier 15.7.2018; vgl. CNN 17.7.2018, HRW 24.7.2018). Ende August war ein Nachlassen der Demonstrationen zu verzeichnen (Al Jazeera 3.8.2018). Im September flammten die Demonstrationen wieder auf. Dabei wurden in Basra Regierungsgebäude, die staatliche Fernsehstation, das iranische Konsulat, sowie die Hauptquartiere fast aller Milizen, die vom Iran unterstützt werden, angegriffen. Mindestens 12 Demonstranten wurden getötet (Vox 8.9.2018; vgl. NPR 27.9.2018).

 

Quellen:

 

 

 

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Zugriff 24.10.2018

 

 

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2. Sicherheitslage

 

Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat (IS). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert (CRS 4.10.2018; vgl. MIGRI 6.2.2018). IS-Kämpfer sind jedoch weiterhin in manchen Gebieten aktiv, die Sicherheitslage ist veränderlich (CRS 4.10.2018).

 

Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten. Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.02.2018).

 

In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.2.2018). Insbesondere in Bagdad kommt es zu Entführungen durch kriminelle Gruppen. die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (MIGRI 6.2.2018).

 

Quellen:

 

 

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2.1. Islamischer Staat

 

Seitdem der IS Ende 2017 das letzte Stück irakischen Territoriums verlor, hat er drei Phasen durchlaufen: Zunächst kam es für einige Monate zu einer Phase remanenter Gewalt; dann gab es einen klaren taktischen Wandel, weg von der üblichen Kombination aus Bombenanschlägen und Schießereien, zu einem Fokus auf die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes. Die Kämpfer formierten sich neu und im Zuge dessen kam es zu einem starken Rückgang an Angriffen. Jetzt versucht der IS, die Kontrolle über die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes und über Grenzgebiete zurückzuerlangen. Gleichzeitig verstärkt er die direkte Konfrontation mit den Sicherheitskräften (Joel Wing 3.7.2018). Im September 2018 fanden die IS-Angriffe wieder vermehrt in Bagdad statt und es ist eine Rückkehr zu Selbstmordanschlägen und Autobomben feststellbar (Joel Wing 6.10.2018).

 

Mit Stand Oktober 2018 waren Einsätze der irakischen Sicherheitskräfte gegen IS-Kämpfer in den Provinzen Anbar, Ninewa, Diyala und Salah al-Din im Gang. Ziel war es, den IS daran zu hindern sich wieder zu etablieren und ihn von Bevölkerungszentren fernzuhalten. Irakische Beamte warnen vor Bemühungen des IS, Rückzugsorte in Syrien für die Infiltration des Irak zu nutzen. Presseberichte und Berichte der US-Regierung sprechen von anhaltenden IS-Angriffen, insbesondere in ländlichen Gebieten von Provinzen, die vormals vom IS kontrolliert wurden (CRS 4.10.2018; vgl. ISW 2.10.2018, Atlantic 31.8.2018, Jamestown 28.7.2018, Niqash 12.7.2018). In diesen Gebieten oder in Gebieten, in denen irakische Sicherheitskräfte abwesend sind, kommt es zu Drohungen, Einschüchterungen und Tötungen durch IS-Kämpfer, vor allem nachts (CRS 4.10.2018).

 

Es gibt immer häufiger Berichte über Menschen, die aus Dörfern in ländlichen Gebieten, wie dem Bezirk Khanaqin im Nordosten Diyalas, fliehen. Ortschaften werden angegriffen und Steuern vom IS erhoben. Es gibt Gebiete, die in der Nacht No-go-Areas für die Sicherheitskräfte sind und IS-Kämpfer, die sich tagsüber offen zeigen. Dies geschieht trotz ständiger Razzien durch die Sicherheitskräfte, die jedoch weitgehend wirkungslos sind (Joel Wing 6.10.2018).

 

Die Extremisten richten auch falsche Checkpoints ein, an denen sie sich als Soldaten ausgeben, Autos anhalten und deren Insassen entführen, töten oder berauben (Niqash 12.7.2018; vgl. WP 17.7.2018).

 

Das Hauptproblem besteht darin, dass es in vielen dieser ländlichen Gebiete wenig staatliche Präsenz gibt und die Bevölkerung eingeschüchtert wird (Joel Wing 6.10.2018). Sie kooperiert aus Angst nicht mit den Sicherheitskräften. Im vergangenen Jahr hat sich der IS verteilt und in der Zivilbevölkerung verborgen. Kämpfer verstecken sich an den unzugänglichsten Orten: in Höhlen, Bergen und Flussdeltas. Der IS ist auch zu jenen Taktiken zurückgekehrt, die ihn 2012 und 2013 zu einer Kraft gemacht haben: Angriffe, Attentate und Einschüchterungen, besonders nachts. In den überwiegend sunnitischen Provinzen, in denen der IS einst dominant war (Diyala, Salah al-Din und Anbar), führt die Gruppe nun wieder Angriffe von großer Wirkung durch (Atlantic 31.8.2018).

 

Quellen:

 

 

 

https://www.theatlantic.com/international/archive/2018/08/iraq-isis/569047/ Zugriff 30.10.2018

 

 

 

 

https://iswresearch.blogspot.com/2018/10/isiss-second-resurgence.html Zugriff 30.10.2018

 

 

30.10.2018

 

 

 

 

 

9d59-dccc2c0cabcf story.html?noredirect=on&utm term=.8ebfcea17e9f, Zugriff 30.10.2018

 

2.2 Sicherheitsrelevante Vorfälle, Opferzahlen

 

Der Irak verzeichnet derzeit die niedrigste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 (Joel Wing 5.4.2018). Die Sicherheitslage ist in verschiedenen Teilen des Landes sehr unterschiedlich, insgesamt hat sich die Lage jedoch verbessert (MIGRI 6.2.2018).

 

So wurden beispielsweise im September 2018 vom Irak-Experten Joel Wing 210 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 195 Todesopfern im Irak verzeichnet. Dem standen im September des Jahres 2017 noch 306 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 728 Todesopfern gegenüber. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen im September 2018 waren Bagdad mit 65 Vorfällen, Diyala mit 36, Kirkuk mit 31, Salah al-Din mit 21, Ninewa mit 18 und Anbar mit 17 Vorfällen (Joel Wing 6.10.2018).

 

Die folgende Grafik von ACCORD zeigt, im linken Bild, die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle mit mindestens einem Todesopfer im zweiten Quartal 2018, nach Provinzen aufgeschlüsselt. Auf der rechten Karte ist die Zahl der Todesopfer im Irak, im zweiten Quartal 2018, nach Provinzen aufgeschlüsselt, dargestellt (ACCORD 5.9.2018)

 

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Quelle: ACCORD (5.9.2018): Irak, 2. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus ACLED, https:// www.ecoi.net/en/file/local/1442566/1930 1536217374 2018a2iraa-de.pdf. Zugriff 29.10.2018

 

Laut Angaben von UNAMI, der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen im Irak, wurden im September 2018 im Irak insgesamt 75 irakische Zivilisten durch Terroranschläge. Gewalt und bewaffnete Konflikte getötet und weitere 179 verletzt (UNAMI 1.10.2018). Insgesamt verzeichnete UNAMI im Jahr 2017 3.298 getötete und 4.781 verwundete Zivilisten. Nicht mit einbezogen in diesen Zahlen waren zivile Opfer aus der Provinz Anbar im November und Dezember 2017, für die keine Angaben verfügbar sind. Laut UNAMI handelt es sich bei den Zahlen um absolute Mindestangaben, da die Unterstützungsmission bei der Überprüfung von Opferzahlen in bestimmten Gebieten eingeschränkt ist (UNAMI 2.1.2018). Im Jahr 2016 betrug die Zahl getöteter Zivilisten laut UNAMI noch 6.878 bzw. die verwundeter Zivilisten 12.388. Auch diese Zahlen beinhalten keine zivilen Opfer aus Anbar für die Monate Mai, Juli, August und Dezember (UNAMI 3.1.2017).

 

Die folgenden Grafiken von Iraq Body Count (IBC) stellen die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer dar. Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar. Das erste Diagramm stellt die von IBC dokumentierten zivilen Todesopfer im Irak seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken). Die zweite Tabelle gibt die Zahlen selbst an. Laut Tabelle. dokumentierte IBC im September 2018 241 zivile Todesopfer im Irak. Im September 2017 betrug die Zahl von IBC dokumentierter ziviler Todesopfer im Irak 490; im September 2016

935. Insgesamt dokumentierte IBC von Januar bis September 2018 2.699 getötete Zivilisten im Irak. Im Jahr 2017 dokumentierte IBC 13.178 zivile Todesopfer im Irak; im Jahr 2016 betrug diese Zahl 16.393 (IBC 9.2018).

 

Bild kann nicht dargestellt werden

 

Quelle: IBC - Iraq Body Count (9.2018): Database - Documented civilian deaths from violence,

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Bild kann nicht dargestellt werden

 

Quelle: IBC - Iraq Body Count (9.2018): Database - Documented civilian deaths from violence.

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Quellen:

 

 

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2.3. Sicherheitslage in Bagdad

 

Die Provinz Bagdad ist die kleinste und am dichtesten bevölkerte Provinz des Irak, mit einer Bevölkerung von mehr als sieben Millionen Menschen. Die Mehrheit der Einwohner Bagdads sind Schiiten. In der Vergangenheit umfasste die Hauptstadt viele gemischte schiitische, sunnitische und christliche Viertel, der Bürgerkrieg von 2006-2007 veränderte jedoch die demografische Verteilung in der Stadt und führte zu einer Verringerung der sozialen Durchmischung sowie zum Entstehen von zunehmend homogenen Vierteln. Viele Sunniten flohen aus der Stadt, um der Bedrohung durch schiitische Milizen zu entkommen. Die Sicherheit der Provinz wird sowohl vom "Baghdad Operations Command" kontrolliert, der seine Mitglieder aus der Armee, der Polizei und dem Geheimdienst zieht, als auch von den schiitischen Milizen, die als stärker werdend beschrieben werden (OFPRA 10.11.2017).

 

Im Jahr 2016 verzeichnete die Provinz Bagdad noch immer die höchste Zahl an Opfern im gesamten Land. Die Sicherheitslage verbesserte sich jedoch in Bagdad als die Schlacht um Mosul begann. Während Joel Wing im Januar 2016 in Bagdad noch durchschnittlich 11,6 Angriffe pro Tag verzeichnete, sank diese Zahl zwischen April und September 2017 auf durchschnittlich 3 Angriffe pro Tag (OFPRA 10.11.2017; vgl. Joel Wing 8.7.2017, Joel Wing 4.10.2017). Seit 2016 ist das Ausmaß der Gewalt in Bagdad allmählich zurückgegangen. Es gab einen Rückgang an IS- Aktivität, nach den Vorstößen der irakischen Truppen im Nordirak, obwohl der IS weiterhin regelmäßig Angriffe gegen militärische und zivile Ziele durchführt, insbesondere, aber nicht ausschließlich, in schiitischen Stadtvierteln. Darüber hinaus sind sunnitische Bewohner der Gefahr von Übergriffen durch schiitische Milizen ausgesetzt, einschließlich Entführungen und außergerichtlichen Hinrichtungen (OFPRA 10.11.2017).

 

Terroristische und politisch motivierte Gewalt setzte sich das ganze Jahr 2017 über fort. Bagdad war besonders betroffen. UNAMI berichtete, dass es von Januar bis Oktober 2017 in Bagdad fast täglich zu Angriffen mit improvisierten Sprengkörpern kam. Laut UNAMI zielten einige Angriffe auf Regierungsgebäude oder Checkpoints ab, die von Sicherheitskräften besetzt waren, während viele andere Angriffe auf Zivilisten gerichtet waren. Der IS führte Angriffe gegen die Zivilbevölkerung durch, einschließlich Autobomben- und Selbstmordattentate (USDOS 20.4.2018).

 

Laut Joel Wing kam es im Januar 2018 noch zu durchschnittlich 3,3 sicherheitsrelevanten Vorfällen in Bagdad pro Tag, eine Zahl die bis Juni 2018 auf durchschnittlich 1,1 Vorfälle pro Tag sank (Joel Wing 3.7.2018). Seit Juni 2018 ist die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle in Bagdad langsam wieder auf 1,5 Vorfälle pro Tag im Juli, 1,8 Vorfälle pro Tag im August und 2,1 Vorfälle pro Tag im September gestiegen. Diese Angriffe bleiben Routine, wie Schießereien und improvisierte Sprengkörper und konzentrieren sich hauptsächlich auf die äußeren südlichen und nördlichen Gebiete der Provinz (Joel Wing 6.10.2018).

 

Insgesamt kam es im September 2018 in der Provinz Bagdad zu 65 sicherheitsrelevanten Vorfällen. Damit verzeichnete Bagdad die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen im ganzen Land (Joel Wing 6.10.2018). Auch in der ersten und dritten Oktoberwoche 2018 führte Bagdad das Land in Bezug auf die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle an. Wenn man jedoch die Größe der Stadt bedenkt, sind Angriffe immer noch selten (Joel Wing 9.10.2018 und Joel Wing 30.10.2018).

 

In Bezug auf die Opferzahlen war Bagdad von Januar bis März 2018, im Mai 2018, sowie von Juli bis September 2018 die am schwersten betroffene Provinz im Land (UNAMI 1.2.2018; UNAMI 2.3.2018; UNAMI 4.4.2018; UNAMI 31.5.2018; UNAMI 1.8.2018; UNAMI 3.9.2018; UNAMI 1.10.2018). Im September 2018 verzeichnete UNAMI beispielsweise 101 zivile Opfer in Bagdad (31 Tote, 70 Verletzte) (UNAMI 1.10.2018).

 

Quellen:

 

 

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3. Rechtsschutz/Justizwesen

 

Die Bundesjustiz besteht aus dem Obersten Justizrat (Higher Judicial Council, HJC), dem Bundesgerichtshof, dem Kassationsgericht, der Staatsanwaltschaft, der Justizaufsichtskommission und anderen Bundesgerichten, die durch das Gesetz geregelt werden. Das reguläre Strafjustizsystem besteht aus Ermittlungsgerichten, Gerichten der ersten Instanz, Berufungsgerichten, dem Kassationsgerichtshof und der Staatsanwaltschaft (LIFOS 8.5.2014). Das Oberste Bundesgericht erfüllt die Funktion eines Verfassungsgerichts (AA 12.2.2018).

 

Die Verfassung garantiert die Unabhängigkeit der Justiz (Stanford 2013; vgl. AA 12.2.2018). Jedoch schränken bestimmte gesetzliche Bestimmungen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz ein. Darüber hinaus schwächen die Sicherheitslage und die politische Geschichte des Landes die Unabhängigkeit der Justiz (USDOS 20.4.2018). Die Rechtsprechung ist in der Praxis von einem Mangel an kompetenten Richtern, Staatsanwälten sowie Justizbeamten gekennzeichnet. Eine Reihe von Urteilen lassen auf politische Einflussnahme schließen. Hohe Richter werden oftmals auch unter politischen Gesichtspunkten ausgewählt (AA 12.2.2018).

 

Zudem ist die Justiz von Korruption, politischem Druck, Stammeskräften und religiösen Interessen beeinflusst. Aufgrund von Misstrauen gegenüber Gerichten oder fehlendem Zugang wenden sich viele Iraker an Stammesinstitutionen, um Streitigkeiten beizulegen, selbst wenn es sich um schwere Verbrechen handelt (FH 16.1.2018).

 

Eine Verfolgung von Straftaten findet nur unzureichend statt (AA 12.2.2018). Strafverfahren sind zutiefst mangelhaft (FH 16.1.2018). Es mangelt an ausgebildeten, unbelasteten Richtern; eine rechtsstaatliche Tradition gibt es nicht. Häufig werden übermäßig hohe Strafen verhängt. Obwohl nach irakischem Strafprozessrecht Untersuchungshäftlinge binnen 24 Stunden einem Untersuchungsrichter vorgeführt werden müssen, wird diese Frist nicht immer respektiert und zuweilen auf 30 Tage ausgedehnt. Es gibt häufig Fälle überlanger Untersuchungshaft, ohne dass die Betroffenen, wie vom irakischen Gesetz vorgesehen, einem Richter oder Staatsanwalt vorgeführt würden. Freilassungen erfolgen mitunter nur gegen Bestechungszahlungen. Insbesondere Sunniten beschweren sich über "schiitische Siegerjustiz" und einseitige Anwendung der bestehenden Gesetze zu ihren Lasten. Das seit 2004 geltende Notstandsgesetz ermöglicht der Regierung Festnahmen und Durchsuchungen unter erleichterten Bedingungen (AA 12.2.2018).

 

Korruption oder Einschüchterung beeinflussen Berichten zufolge einige Richter in Strafsachen auf der Prozessebene und bei der Berufung vor dem Kassationsgericht. Die Integritätskommission untersucht routinemäßig Richter wegen Korruptionsvorwürfen, aber einige Untersuchungen sind Berichten zufolge politisch motiviert. Zahlreiche Drohungen und Morde durch konfessionelle, extremistische und kriminelle Elemente sowie der Stämme beeinträchtigten die Unabhängigkeit der Justiz. Richter, Anwälte und ihre Familienangehörigen sind häufig mit Morddrohungen und Angriffen konfrontiert (USDOS 20.4.2018). Nicht nur Polizei Richter, sondern auch Anwälte, können dem Druck einflussreicher Personen, z.B. der Stämme, ausgesetzt sein. Dazu kommt noch Überlastung. Ein Untersuchungsrichter kann beispielsweise die Verantwortung über ein Gebiet von einer Million Menschen haben, was sich negativ auf die Rechtsstaatlichkeit auswirkt (LIFOS 8.5.2014).

 

Die Verfassung gibt allen Bürgern das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess. Dennoch verabsäumen es Beamte routinemäßig, Angeklagte unverzüglich oder detailliert über die gegen sie erhobenen Vorwürfe zu informieren. In zahlreichen Fällen dienen erzwungene Geständnisse als primäre Beweisquelle. Beobachter berichteten, dass Verfahren nicht den internationalen Standards entsprechen. Obwohl Ermittlungs-, Prozess- und Berufungsrichter im Allgemeinen versuchen, das Recht auf ein faires Verfahren durchzusetzen, ist der unzureichende Zugang der Angeklagten zu Verteidigern ein schwerwiegender Mangel im Verfahren. Viele Angeklagte treffen ihre Anwälte zum ersten Mal während der ersten Anhörung und haben nur begrenzten Zugang zu Rechtsbeistand während der Untersuchungshaft. Dies gilt insbesondere für die Anti-Terror-Gerichte, wo Justizbeamte Berichten zufolge versuchen, Schuldsprüche und Urteilsverkündungen für Tausende von verdächtigen IS-Mitgliedern in kurzer Zeit abzuschließen (USDOS 20.4.2018).

 

2017 endeten viele Schnellverfahren gegen Terrorverdächtige mit Todesurteilen. Zwischen Juli und August 2017 erließen die irakischen Behörden auch Haftbefehle gegen mindestens 15 Rechtsanwälte, die mutmaßliche IS-Mitglieder verteidigt hatten. Den Anwälten wurde vorgeworfen, sie stünden mit dem IS in Verbindung (AI 22.2.2018).

 

Nach Ansicht der Regierung gibt es im Irak keine politischen Gefangenen. Alle inhaftierten Personen sind demnach entweder strafrechtlich verurteilt oder angeklagt oder befinden sich in Untersuchungshaft. Politische Gegner der Regierung behaupteten jedoch, diese habe Personen wegen politischer Aktivitäten oder Überzeugungen unter dem Vorwand von Korruption, Terrorismus und Mord inhaftiert oder zu inhaftieren versucht (USDOS 20.4.2018).

 

Quellen:

 

 

stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 16.7.2018

 

 

13.7.2018

 

 

https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/iraq Zugriff 25.7.2018

 

 

https://landinfo.no/asset/2872/1/2872 1.pdf, Zugriff 13.7.2018

 

 

 

4. Sicherheitskräfte und Milizen

 

Im ganzen Land sind zahlreiche innerstaatliche Sicherheitskräfte tätig. Zivile Behörden haben über einen Teil der Sicherheitskräfte keine wirksame Kontrolle ausgeübt (USDOS 20.4.2018).

 

Quellen:

 

 

4.1. Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF)

 

Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF, Iraqi Security Forces) bestehen aus Sicherheitskräften, die vom Innenministerium verwaltet werden, Sicherheitskräften, die vom Verteidigungsministerien verwaltet werden, den Volksmobilisierungseinheiten (PMF, Popular Mobilization Forces), und dem Counter-Terrorism Service (CTS). Das Innenministerium ist für die innerstaatliche Strafverfolgung und die Aufrechterhaltung der Ordnung zuständig; es beaufsichtigt die Bundespolizei, die Provinzpolizei, den Dienst für den Objektschutz, den Zivilschutz und das Ministerium für den Grenzschutz. Die Energiepolizei, die dem Ölministerium unterstellt ist, ist für den Schutz von kritischer Infrastruktur in diesem Bereich verantwortlich. Konventionelle Streitkräfte, die dem Verteidigungsministerium unterstehen, sind für die Verteidigung des Landes zuständig, führen aber in Zusammenarbeit mit Einheiten des Innenministeriums auch Einsätze zur Terrorismusbekämpfung sowie interne Sicherheitseinsätze durch. Der Counter-Terrorism Service (CTS) ist direkt dem Premierminister unterstellt und überwacht das Counter-Terrorism Command (CTC), eine Organisation, zu der drei Brigaden von Spezialeinsatzkräften gehören (USDOS 20.4.2018).

 

Die irakischen Streit- und Sicherheitskräfte dürften mittlerweile wieder ca. 100.000 ArmeeAngehörige (ohne PMF und Peshmerga) und über 100.000 Polizisten umfassen. Sie sind noch nicht befähigt, landesweit den Schutz der Bürger zu gewährleisten. Die Anwendung bestehender Gesetze ist nicht gesichert. Personelle Unterbesetzung, mangelnde Ausbildung, mangelndes rechtsstaatliches Bewusstsein vor dem Hintergrund einer über Jahrzehnte gewachsenen Tradition von Unrecht und Korruption auf allen Ebenen sind hierfür die Hauptursachen. Ohnehin gibt es kein Polizeigesetz, die individuellen Befugnisse einzelner Polizisten sind sehr weitgehend. Ansätze zur Abhilfe und zur Professionalisierung entstehen durch internationale Unterstützung: Die Sicherheitssektorreform wird aktiv und umfassend von der internationalen Gemeinschaft unterstützt (AA 12.2.2018).

 

Straffreiheit ist ein Problem. Es gibt Berichte über Folter und Misshandlungen im ganzen Land in Einrichtungen des Innen- und Verteidigungsministeriums. Nach Angaben internationaler Menschenrechtsorganisationen findet Missbrauch vor allem während der Verhöre inhaftierter Personen im Rahmen der Untersuchungshaft statt. Probleme innerhalb der Provinzpolizei des Landes, einschließlich Korruption, bleiben weiterhin bestehen. Armee und Bundespolizei rekrutieren und entsenden bundesweit Soldaten und Polizisten. Dies führt zu Beschwerden lokaler Gemeinden bezüglich Diskriminierung aufgrund ethno-konfessioneller Unterschiede durch Mitglieder von Armee und Polizei. Die Sicherheitskräfte unternehmen nur begrenzte Anstrengungen, um gesellschaftliche Gewalt zu verhindern oder darauf zu reagieren (USDOS

 

20.4.2018) .

 

Quellen:

 

 

stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 31.10.2018

 

 

4.2. Volksmobilisierungseinheiten

 

Der Name "Volksmobilisierungseinheiten" (al-hashd al-sha'bi, engl.:

popular mobilization units, PMU oder popular mobilization forces bzw. popular mobilization front, PMF), bezeichnet eine Dachorganisation für etwa vierzig bis siebzig Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen (Süß 21.8.2017). Die PMF werden vom Staat unterstützt und sind landesweit tätig. Die Mehrheit der PMF-Einheiten ist schiitisch, was die Demografie des Landes widerspiegelt. Sunnitische, jesidische, christliche und andere "Minderheiten-Einheiten" der PMF sind in ihren Heimatregionen tätig (USDOS 20.4.2018). Es gibt große, gut ausgerüstete Milizen, quasi militärische Verbände, wie die Badr-Organisation, mit eigenen Vertretern im Parlament, aber auch kleine improvisierte Einheiten mit wenigen Hundert Mitgliedern, wie die Miliz der Schabak. Viele Milizen werden von Nachbarstaaten wie dem Iran oder Saudi-Arabien unterstützt. Die Türkei unterhält in Baschika nördlich von Mosul ein eigenes Ausbildungslager für sunnitische Milizen. Die Milizen haben eine ambivalente Rolle. Einerseits wäre die irakische Armee ohne sie nicht in der Lage gewesen, den IS zu besiegen und Großveranstaltungen wie die Pilgerfahrten nach Kerbala mit jährlich bis zu 20 Millionen Pilgern zu schützen. Andererseits stellen die Milizen einen enormen Machtfaktor mit Eigeninteressen dar, was sich in der gesamten Gesellschaft, der Verwaltung und in der Politik widerspiegelt und zu einem allgemeinen Klima der Korruption und des Nepotismus beiträgt (AA 12.2.2018).

 

Die PMF unterstehen seit 2017 formal dem Oberbefehl des irakischen Ministerpräsidenten, dessen tatsächliche Einflussmöglichkeiten aber weiterhin als begrenzt gelten (AA 12.2.2018). Obwohl die PMF laut Gesetz auf Einsätze im Irak beschränkt sind, sollen, ohne Befugnis durch die irakische Regierung, in einigen Fällen Einheiten das Assad-Regime in Syrien unterstützt haben. Die irakische Regierung erkennt diese Kämpfer nicht als Mitglieder der PMF an, obwohl ihre Organisationen Teil der PMF sind. Alle PMF-Einheiten sind offiziell dem Nationalen Sicherheitsberater unterstellt. In der Praxis gehorchen aber mehrere Einheiten auch dem Iran und der iranischen Revolutionsgarde. Ende 2017 war keine einheitliche Führung und Kontrolle der PMF durch Premierminister und ISF feststellbar, insbesondere nicht der mit dem Iran verbundenen Einheiten. Die Bemühungen der Regierung, die PMF als staatliche Sicherheitsbehörde zu formalisieren, werden fortgesetzt, aber Teile der PMF bleiben "iranisch" ausgerichtet. Das Handeln dieser unterschiedlichen Einheiten stellt zeitweise eine zusätzliche Herausforderung in Bezug auf die Sicherheitslage dar, insbesondere - aber nicht nur - in ethnisch und religiös gemischten Gebieten des Landes (USDOS 20.4.2018).

 

Die Schwäche der ISF hat es vornehmlich schiitischen Milizen, wie den vom Iran unterstützten Badr-Brigaden, den Asa'ib Ahl al-Haqq und den Kata'ib Hisbollah, erlaubt, Parallelstrukturen im Zentralirak und im Süden des Landes aufzubauen. Die PMF waren und sind ein integraler Bestandteil der Anti-IS-Operationen, wurden jedoch zuletzt in Kämpfen um sensible sunnitische Ortschaften nicht an vorderster Front eingesetzt. Es gab eine Vielzahl an Vorwürfen von Plünderungen und Gewalttaten durch die PMF. Diese Meldungen haben sich mit dem Konflikt um die umstrittenen Gebiete zum Teil verschärft (AA 12.2.2018).

 

Rechtsstellung und Aktivitäten der PMF

 

Obwohl das Milizenbündnis der PMF unter der Aufsicht des 2014 gegründeten Volksmobilisierungskomitees steht und Ende 2016 ein Gesetz in Kraft trat, das die PMF dem regulären irakischen Militär in allen Belangen gleichstellt und somit der Weisung des Premierministers unterstellt, hat der irakische Staat nur mäßige Kontrolle über die Milizen. In diesem Zusammenhang kommt vor allem Badr eine große Bedeutung zu: Die Milizen werden zwar von der irakischen Regierung in großem Umfang mit finanziellen Mitteln und Waffen unterstützt, unterstehen aber formal dem von Badr dominierten Innenministerium, wodurch keine Rede von umfassender staatlicher Kontrolle sein kann. Die einzelnen Teilorganisationen agieren größtenteils eigenständig und weisen eigene Kommandostrukturen auf, was zu Koordinationsproblemen führt und letztendlich eine institutionelle Integrität verhindert (Süß 21.8.2017).

 

Die militärischen Erfolge der PMF gegen den IS steigerten ihre Popularität vor allem bei der schiitischen Bevölkerung, gleichzeitig wurden allerdings auch Berichte über Menschenrechtsverletzungen wie willkürliche Hinrichtungen, Entführungen und Zerstörung von Häusern veröffentlicht (Süß 21.8.2017). In Gebieten, die vom IS zurückerobert wurden, klagen Einheimische, dass sich die PMF gesetzwidrig und unverhohlen parteiisch verhalten. In Mosul beispielsweise behaupteten mehrere Einwohner, dass die PMF weit davon entfernt seien, Schutz zu bieten, und durch Erpressung oder Plünderungen illegale Gewinne erzielten. PMF-Kämpfer haben im gesamten Nordirak Kontrollpunkte errichtet, um Zölle von Händlern einzuheben. Auch in Bagdad wird von solchen Praktiken berichtet. Darüber hinaus haben die PMF auch die Armee in einigen Gebieten verstimmt. Zusammenstöße zwischen den PMF und den regulären Sicherheitskräften sind häufig. Auch sind Spannungen zwischen den verschiedenen Gruppen der PMF weitverbreitet. Die Rivalität unter den verschiedenen Milizen ist groß (ICG 30.7.2018).

 

Neben der Finanzierung durch den irakischen, sowie den iranischen Staat bringen die Milizen einen wichtigen Teil der Finanzmittel selbst auf - mit Hilfe der organisierten Kriminalität. Ein Naheverhältnis zu dieser war den Milizen quasi von Beginn an in die Wiege gelegt. Vor allem bei Stammesmilizen waren Schmuggel und Mafiatum weit verbreitet. Die 2003/4 neu gegründeten Milizen kooperierten zwangsläufig mit den Mafiabanden ihrer Stadtviertel. Kriminelle Elemente wurden aber nicht nur kooptiert, die Milizen sind selbst in einem dermaßen hohen Ausmaß in kriminelle Aktivitäten verwickelt, dass manche Experten sie nicht mehr von der organisierten Kriminalität unterscheiden, sondern von Warlords sprechen, die in ihren Organisationen Politik und Sozialwesen für ihre Klientel und Milizentum vereinen - oft noch in Kombination mit offiziellen Positionen im irakischen Sicherheitsapparat. Die Einkünfte kommen hauptsächlich aus dem großangelegten Ölschmuggel, Schutzgelderpressungen, Amtsmissbrauch, Entführungen, Waffen- und Menschenhandel, Antiquitäten- und Drogenschmuggel. Entführungen sind/waren ein wichtiges Geschäft aller Gruppen, dessen hauptsächliche Opfer zahlungsfähige Iraker sind waren (Posch 8.2017).

 

Quellen:

 

 

stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 31.10.2018

 

 

Zugriff 31.10.2018

 

 

Volksmobilisierungseinheiten und andere, per E-mail

 

 

"Volksmobilisierungseinheiten" (PMU/PMF), in BFA Staatendokumentation: Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak,

 

 

https://www.ecoi.net/en/file/local/1410004/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-

 

beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf. Zugriff 31.10.2018

 

 

5. Folter und unmenschliche Behandlung

 

Folter und unmenschliche Behandlung sind laut der irakischen Verfassung ausdrücklich verboten. Im Juli 2011 hat die irakische Regierung die UN-Anti-Folter-Konvention (CAT) unterzeichnet. Folter wird jedoch auch in der jüngsten Zeit von staatlichen Akteuren angewandt, etwa bei Befragungen durch irakische (einschließlich kurdische) Polizei- und andere Sicherheitskräfte. Laut Informationen von UNAMI sollen u. a. Bedrohung mit dem Tod, Fixierung mit Handschellen in schmerzhaften Positionen und Elektroschocks an allen Körperteilen zu den Praktiken gehören. Das im August 2015 abgeschaffte Menschenrechtsministerium hat nach eigenen Angaben 500 Fälle unerlaubter Gewaltanwendung an die Justiz übergeben, allerdings wurden die Täter nicht zur Rechenschaft gezogen (AA 12.2.2018).

 

Es gibt Berichte, dass die Polizei mit Gewalt Geständnisse erzwingt und Gerichte diese als Beweismittel akzeptieren. Weiterhin misshandeln und foltern die Sicherheitskräfte der Regierung, einschließlich der mit den PMF verbundenen Milizen, Personen während Verhaftungen, Untersuchungshaft und nach Verurteilungen. Internationale Menschenrechtsorganisationen dokumentierten Fälle von Folter und Misshandlung in Einrichtungen des Innenministeriums und in geringerem Umfang in Haftanstalten des Verteidigungsministeriums sowie in Einrichtungen unter KRG-Kontrolle. Ehemalige Gefangene, Häftlinge und Menschenrechtsgruppen berichteten von einer Vielzahl von Folterungen und Misshandlungen (USDOS 20.4.2018).

 

Gegen Ende der Kämpfe um Mossul zwischen Mai und Juli 2017 häuften sich Berichte, wonach irakische Einheiten, darunter Spezialkräfte des Innenministeriums, Bundespolizei und irakische Sicherheitskräfte, Männer und Jungen, die vor den Kämpfen flohen, festnahmen, folterten und außergerichtlich hinrichteten (AI 22.2.2018).

 

In ihrem Kampf gegen den IS haben irakische Streitkräfte Hunderte von IS-Verdächtigen gefoltert, hingerichtet oder gewaltsam verschwinden lassen. Zahlreiche gefangene IS-Verdächtige haben behauptet, die Behörden hätten sie durch Folter zu Geständnissen gezwungen. Während der Militäreinsätze zur Befreiung von Mosul, haben irakische Streitkräfte mutmaßliche IS-Kämpfer, die auf dem Schlachtfeld oder in dessen Umfeld gefangen genommen worden waren, ungestraft gefoltert und hingerichtet, manchmal sogar nachdem sie Fotos und Videos der Misshandlungen auf Social Media Seiten veröffentlicht hatten (HRW 18.1.2018).

 

Quellen:

 

 

stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 16.7.2018

 

 

https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/irak#section-1722159 Zugriff 16.7.2018

 

 

https://www.hrw.org/world-report/2018/country-chapters/iraq Zugriff 16.7.2018

 

 

6. NGOs und Menschenrechtsaktivisten

 

Mit Stand August 2018 waren laut irakischer Bundesdirektion für Nichtregierungsorganisationen 3.550 NGOs registriert. In der Autonomen Region Kurdistan betrug die Zahl registrierter NGOs 4.300 Seit 2010 gibt es ein Gesetz zu NGOs, das die Beschränkungen der Auslandsfinanzierung von NGOs erleichtert, die Ablehnung von Registrierungsanträgen einschränkt, strafrechtliche Sanktionen beseitigte, unbegründete Überprüfungen und Inspektionen untersagt, sowie gerichtliche Kontrollen über die Suspendierung von NGOs schuf (ICNL 14.9.2018).

 

Trotz positiver rechtlicher Rahmenbedingungen hat sich im Zuge der seit 2014 anhaltenden bewaffneten Auseinandersetzungen das Arbeitsumfeld für Menschenrechtsorganisationen deutlich verschlechtert. Im gesamten Irak existierten allein im Bereich Menschenrechte zuletzt etwa 350 registrierte NGOs.

Zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für den Schutz der Menschenrechte einsetzen, unterliegen in ihrer Registrierung keinen besonderen Einschränkungen. Die schwierige Sicherheitslage und weiter bestehende regulatorische Hindernisse erschweren dennoch die Arbeit vieler NGOs. Sie unterliegen der Kontrolle durch die Behörde für Angelegenheiten der Zivilgesellschaft. Zahlreiche NGOs berichten von bürokratischen und intransparenten Registrierungsverfahren, willkürlichem Einfrieren von Bankkonten sowie unangekündigten und einschüchternden "Besuchen" durch Vertreter des Ministeriums. Die Präsenz von ausländischen NGOs im Zentral- und Südirak ist nach wie vor gering. Dies gilt nicht für die Region Kurdistan-Irak, wo viele ausländische NGOs tätig sind, die derzeit aber unter verschärften Kontrollen durch die Zentralregierung in ihrer Arbeit beeinträchtigt sind (AA 12.2.2018).

 

Nationale und internationale NGOs operieren in den meisten Fällen unter geringer staatlicher Einflussnahme, jedoch gibt es Berichte über staatliche Einmischung, wenn NGOs der Regierung oder bestimmten ethnischen oder religiösen Gruppen Menschenrechtsverletzungen vorwerfen. Im Südirak berichten einige NGOs von Regierungsbeamten, die ihre Arbeit behindert bzw. sie belästigt haben, insbesondere was die Finanzen betrifft. Die kurdische Autonomieregion verfügt über eine aktive Gemeinschaft von meist kurdischen NGOs, viele mit engen Beziehungen zu den politischen Parteien PUK und KDP (USDOS 20.4.2018).

 

Quellen:

 

 

stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 17.7.2018

 

 

Iraq, http://www.icnl.org/research/monitor/iraq.html , Zugriff 30.10.2018

 

 

7. Wehrdienst, Rekrutierungen und Wehrdienstverweigerung

 

Im Irak besteht keine Wehrpflicht. Männer zwischen 18 und 40 Jahren können sich freiwillig zum Militärdienst melden (AA 12.2.2018; vgl. CIA 12.7.2018). Nach dem Sturz Saddam Husseins wurde die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft und ein Freiwilligen-Berufsheer eingeführt. Finanzielle Anreize machen die Arbeit beim Militär zu einer attraktiven Karriere (Niqash 24.3.2016; vgl. Rudaw 15.12.2015).

 

Laut Kapitel 5 des irakischen Militärstrafgesetzes von 2007 ist Desertion in Gefechtssituationen mit bis zu 7 Jahren Haft strafbar. Das Überlaufen zum Feind ist mit dem Tode strafbar (MoD 10.2007). Die Frage, inwieweit die irakischen Behörden in der Praxis im Falle von Desertion Strafverfolgung betreiben, kann nicht eindeutig beantwortet werden (MIGRI 6.2.2018).

 

Im Zuge des Zusammenbruchs der irakischen Streitkräfte im Jahr 2014 und des dreijährigen Kampfes gegen den IS schlossen sich viele Freiwillige den paramilitärischen Volksmobilisierungseinheiten (PMF) an, was zu einem Rekrutierungswettkampf zwischen dem irakischen Verteidigungsministerium und den Volksmobilisierungseinheiten führte (CEIP 22.7.2015; vgl. ACCORD 22.8.2016).

 

Quellen:

 

 

stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 17.7.2018

 

 

 

 

 

Assessing the nature and functions of the Peshmerga in Iraq, https://www.clingendael.org/sites/default/files/2018-03/fighting-for-kurdistan.pdf Zugriff 19.7.2018

 

 

 

https://www.ecoi.net/en/file/local/1302021/1226_1460710389_factfindingreportkurdistanregion

 

ofiraq11042016.pdf. Zugriff 5.11.2018

 

 

Oktober-November 2017,

 

 

https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Irak tiedonhankintamatka Bagdadiin loka-

 

marraskuussa+2017.pdf/868c0af1 -3c50-4ab2-99e0-a720b079c589. Zugriff 19.7.2018

 

documentId=9C60EDC34C397A53C1257C080040F111&action=openDocument&xp_countryS

 

elected=IQ&xp_topicSelected=GVAL-992BUA&from=state. Zugriff

19.7.2018

 

 

 

Algemeen Ambtsbericht Irak,

 

https://www.ecoi.net/en/file/local/1433698/1226 1527600083 algemeen-ambtsbericht-irak-

 

april-2018.pdf, Zugriff 19.7.2018

 

 

http://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/15122015 Zugriff 5.11.2018

 

8. Allgemeine Menschenrechtslage

 

Die Verfassung garantiert demokratische Grundrechte wie Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit, Schutz von Minderheiten und Gleichberechtigung. Der Menschenrechtskatalog umfasst auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte wie das Recht auf Arbeit und das Recht auf Bildung. Der Irak hat wichtige internationale Abkommen zum Schutz der Menschenrechte ratifiziert. Es kommt jedoch weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und andere Sicherheitskräfte. Der in der Verfassung festgeschriebene Aufbau von Menschenrechtsinstitutionen kommt weiterhin nur schleppend voran. Die unabhängige Menschenrechtskommission konnte sich bisher nicht als geschlossener und durchsetzungsstarker Akteur etablieren. Internationale Beobachter kritisieren, dass Mitglieder der Kommission sich kaum mit der Verletzung individueller Menschenrechte beschäftigen, sondern insbesondere mit den Partikularinteressen ihrer jeweils eigenen ethnisch-konfessionellen Gruppe. Ähnliches gilt für den Menschenrechtsausschuss im irakischen Parlament. Das Menschenrechtsministerium wurde 2015 abgeschafft (AA 12.2.2018).

 

Zu den wesentlichsten Menschenrechtsfragen im Irak zählen unter anderem: Anschuldigungen bezüglich rechtswidriger Tötungen durch Mitglieder der irakischen Sicherheitskräfte, insbesondere durch einige Elemente der PMF; Verschwindenlassen und Erpressung durch PMF-Elemente; Folter; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen; willkürliche Eingriffe in die Privatsphäre; Einschränkungen der Meinungsfreiheit, einschließlich der Pressefreiheit; Gewalt gegen Journalisten; weit verbreitete Korruption; stark reduzierte Strafen für so genannte "Ehrenmorde"; gesetzliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen; Menschenhandel. Militante Gruppen töteten bisweilen LGBTI-Personen. Es gibt auch Einschränkungen bei den Arbeitnehmerrechten, einschließlich Einschränkungen bei der Gründung unabhängiger Gewerkschaften (USDOS 20.4.2018).

 

Im Zuge des internen bewaffneten Konflikts begingen Regierungstruppen, kurdische Streitkräfte, paramilitärische Milizen, die US-geführte Militärallianz und der IS auch 2017 Kriegsverbrechen, Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und schwere Menschenrechtsverstöße. Der IS vertrieb Tausende Zivilpersonen, zwang sie in Kampfgebiete und missbrauchte sie massenhaft als menschliche Schutzschilde. Er tötete vorsätzlich Zivilpersonen, die vor den Kämpfen fliehen wollten, und setzte Kindersoldaten ein. Regierungstruppen und kurdische Streitkräfte sowie paramilitärische Milizen waren für außergerichtliche Hinrichtungen von gefangen genommenen Kämpfern und Zivilpersonen, die dem Konflikt entkommen wollten, verantwortlich. Außerdem zerstörten sie Wohnhäuser und anderes Privateigentum. Sowohl irakische und kurdische Streitkräfte als auch Regierungsbehörden hielten Zivilpersonen, denen Verbindungen zum IS nachgesagt wurden, willkürlich fest, folterten sie und ließen sie verschwinden. Prozesse gegen mutmaßliche IS-Mitglieder und andere Personen, denen terroristische Straftaten vorgeworfen wurden, waren unfair und endeten häufig mit Todesurteilen, die auf "Geständnissen" basierten, welche unter Folter erpresst worden waren. Die Zahl der Hinrichtungen war weiterhin besorgniserregend hoch (AI 22.2.2018).

 

Es gibt zahlreiche Berichte, dass der IS und andere terroristische Gruppen, sowie einige Regierungskräfte, einschließlich der PMF, willkürliche oder rechtswidrige Tötungen begangen haben. Es gibt keine öffentlich zugängliche umfassende Darstellung des Umfangs des Problems verschwundener Personen. Obwohl die PMF offiziell unter dem Kommando des Premierministers stehen, operieren einige PMF-Einheiten nur unter begrenzter staatlicher Aufsicht oder Rechenschaftspflicht (USDOS 20.4.2018).

 

Quellen:

 

 

stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 23.7.2018

 

 

28.10.2018

 

 

9. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

 

9.1. Versammlungsfreiheit

 

Die Verfassung sieht das Recht auf Versammlung und friedliche Demonstration. "nach den Regeln des Gesetzes" vor (USDOS 20.4.2018). Diese einfach gesetzlichen Bestimmungen fehlen jedoch. Im Alltag wird die Versammlungs- und Meinungsfreiheit durch das seit dem 7.11.2004 geltende "Gesetz zur Aufrechterhaltung der nationalen Sicherheit" eingeschränkt. das u. a. die Verhängung eines bis zu 60-tägigen Ausnahmezustands ermöglicht (AA 12.2.2018).

 

Das Recht auf Versammlungsfreiheit wird in der Praxis zunehmend respektiert. obwohl es immer noch zu tödlicher Gewalt kommt (FH 1.2018). Die gesetzlichen Regelungen schreiben vor. dass die Veranstalter sieben Tage vor einer Demonstration um Genehmigung ansuchen und detaillierte Informationen über Veranstalter. Grund des Protests und Teilnehmer einreichen müssen. Die Vorschriften verbieten jegliche Slogans, Schilder, Druckschriften oder Zeichnungen, die Konfessionalismus, Rassismus oder die Segregation der Bürger zum Inhalt haben. Die Vorschriften verbieten auch alles. was gegen die Verfassung oder gegen das Gesetz verstößt; alles. was zu Gewalt. Hass oder Mord ermutigt; und alles. was eine Beleidigung des Islam. der Ehre. Moral. Religion. heiliger Gruppen oder irakischer Einrichtungen im Allgemeinen darstellt. Die Behörden erteilen Genehmigungen in der Regel in Übereinstimmung mit diesen Vorschriften (USDOS 20.4.2018).

 

Bei den Demonstrationen im Süd- und Zentralirak im Juli 2018 feuerten irakische Sicherheitskräfte mit scharfer Munition auf Demonstranten (AI 19.7.2018). Die größtenteils vom Innenministerium eingesetzten Kräfte verwendeten scheinbar unverhältnismäßige Gewalt. die in Basra zum Tod von drei Menschen führte (HRW 24.7.2018). Auch in Najaf. Simawa und Karbala starben Menschen (CNN 17.7.2018). Auch im September kam es zu Gewalt und Todesopfern. als Sicherheitskräfte auf Demonstranten schossen (AI 7.9.2018). Berichten zufolge werden Demonstranten und Aktivisten von schiitischen Milizen willkürlich festgenommen. eingeschüchtert und bedroht (ToI 23.9.2018).

 

Quellen:

 

 

stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 19.7.2018

 

 

 

security-forces-deliberatelv-attack-peaceful-protesters-while-internet-is-disabled/. Zugriff 25.10.2018

 

 

proteters in Basra.

https://www.amnesty.org/download/Documents/MDE1490552018ENGLISH.PDF Zugriff 25.10.2018

 

 

 

 

 

 

10. Haftbedingungen

 

Die Haftbedingungen entsprechen nicht dem Mindeststandard, wobei die Situation in den Haftanstalten erheblich variiert (AA 12.2.2018). In einigen Gefängnissen und Haftanstalten bleiben die Bedingungen aufgrund von Überbelegung, Misshandlung und unzureichendem Zugang zu sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung hart und lebensbedrohlich. In staatlichen Haftanstalten und Gefängnissen fehlt es zuweilen an ausreichender Nahrung und Wasser. Der Zugang zu medizinischer Versorgung ist uneinheitlich. Einige Haftanstalten verfügten über keine eigene Apotheke oder Krankenstation. Existierende Apotheken sind oft unterversorgt. Die Überbelegung der staatlichen Gefängnisse stellt ein systemisches Problem dar, das durch die Zunahme der Zahl der mutmaßlichen IS-Mitglieder, die im Berichtszeitraum festgenommen wurden, noch verschärft wird. Es gibt keine Unterkünfte für Häftlinge mit Behinderungen. Häftlinge, die des Terrorismus beschuldigt werden, werden vom Rest der Gefangenen isoliert und bleiben häufiger in Gewahrsam des Innen- bzw. Verteidigungsministeriums. (USDOS 20.4.2018)

 

Es fehlt an Jugendstrafanstalten; laut dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz werden jugendliche Häftlinge mittlerweile meist getrennt von erwachsenen Straftätern inhaftiert, ihnen wird aber oft der regelmäßige Kontakt zu ihren Familien verwehrt (AA 12.2.2018)

 

Die UN-Mission für den Irak (UNAMI) konnte ihr Mandat zum Besuch irakischer Haftanstaltennicht umfassend wahrnehmen. Die irakischen Behörden verweigerten in mehreren Fällen den Zugang zu Haftanstalten. Das Internationale Rote Kreuz (IKRK) hat hingegen regelmäßigen und flächendeckenden Zugang (AA 12.2.2018).

 

Die Behörden halten IS-Verdächtige unter überfüllten und in einigen Fällen unmenschlichen Bedingungen fest. Inhaftierte Minderjährige werden in manchen Fällen nicht von Erwachsenen getrennt (HRW 18.1.2018).

 

Berichten zufolge unterhält der nationale Sicherheitsdienst (National Security Service, NSS), ein dem Premierminister unterstellter Geheimdienst, auch inoffizielle Gefangenenlager (BAMF 23.7.2018; vgl. HRW 22.7.2018).

 

Quellen:

 

 

stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 23.7.2018

 

 

 

https://www.hrw.org/world-report/2018/country-chapters/iraq Zugriff 24.7.2018

 

 

 

11. Todesstrafe

 

Im irakischen Strafrecht ist die Todesstrafe vorgesehen, sie wird auch verhängt und vollstreckt. Irak ist eines der Länder mit der höchsten Zahl von verhängten Todesstrafen (AA 12.2.2018; vgl. HRW 18.1.2018, AI 12.4.2018).

 

Aktuelle Daten liegen nicht vor, da die irakische Regierung die Zahlen nicht mehr regelmäßig an die Vereinten Nationen berichtet und, auch auf Nachfrage, keine verlässlichen Angaben macht. Laut Berichten von NGOs sind 1.816 Personen aktuell zum Tode verurteilt (AA 12.2.2018), gemäß einer anderen Quelle sind es sogar über 3.000 (AI 21.3.2018). Human Rights Watch berichtet von mindestens 78 Hinrichtungen von verurteilten IS-Mitgliedern im Jahr 2017. Es gibt jedoch seit Kurzem Berichte über wöchentlich 3-4 Vollstreckungen der Todesstrafe, was die jährliche Zahl verdoppeln würde (AA 12.2.2018). Hintergrund könnte sein, dass aktuell insbesondere ehemalige IS-Kämpfer - oder Personen die dessen beschuldigt werden - massenhaft in unzulänglichen Prozessen zu Tode verurteilt werden (AA 12.2.2018; vgl. AI 21.3.2018).

 

Problematisch sind bereits seit Jahren die Bandbreite und die mitunter fehlende rechtliche Klarheit der Straftatbestände, für die die Todesstrafe verhängt werden kann: neben Mord und Totschlag unter anderem auch wegen des Verdachts auf staatsfeindliche Aktivitäten, Vergewaltigung, Einsatz von chemischen Waffen und insbesondere wegen terroristischer Aktivitäten unterschiedlicher Art. Die Todesstrafe stößt in der Bevölkerung auf breite Akzeptanz (AA 12.2.2018).

 

Quellen:

 

 

stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 23.7.2018

 

 

 

25.7.2018

 

 

https://www.hrw.org/world-report/2018/country-chapters/iraq Zugriff 25.7.2018

 

12. Religionsfreiheit

 

Die Verfassung erkennt das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an. Gemäß Art. 2 Abs. 1 ist der Islam Staatsreligion und eine Hauptquelle der Gesetzgebung (AA 12.2.2018). Es darf kein Gesetz erlassen werden das den "erwiesenen Bestimmungen des Islams" widerspricht (USDOS 29.5.2018; vgl. RoI 15.10.2005). In Abs. 2 wird das Recht einer jeden Person auf Religions- und Glaubensfreiheit sowie das Recht auf deren Ausübung garantiert. Explizit erwähnt werden in diesem Zusammenhang Christen, Jesiden und Mandäer-Sabäer, jedoch nicht Anhänger anderer Religionen (RoI 15.10.2005; vgl. USDOS 29.5.2018).

 

Art. 3 der Verfassung legt ausdrücklich die multiethnische, multireligiöse und multikonfessionelle Ausrichtung des Irak fest, betont aber auch den arabisch-islamischen Charakter des Landes (AA 12.2.2018; vgl. UNHCR 15.1.2018). Art. 43 verpflichtet den Staat zum Schutz der religiösen Stätten. Das Strafgesetzbuch kennt keine aus dem islamischen Recht übernommenen Straftatbestände, wie z. B. den Abfall vom Islam; auch spezielle, in anderen islamischen Ländern existierende Straftatbestände, wie z.B. die Beleidigung des Propheten, existieren nicht (AA 12.2.2018).

 

Das Zivilgesetz sieht einen einfachen Prozess für die Konversion eines Nicht-Muslims zum Islam vor. Die Konversion eines Muslims zu einer anderen Religion ist jedoch gesetzlich verboten (USDOS 29.5.2018).

 

Die folgenden religiösen Gruppen werden durch das Personenstandsgesetz anerkannt: Muslime, chaldäische Christen, assyrische Christen, assyrisch-katholische Christen, syrisch-orthodoxe Christen, syrisch-katholische Christen, armenisch-apostolische Christen, armenisch-katholische Christen, römisch-orthodoxe Christen, römisch-katholische Christen, lateinisch-dominikanische Christen, nationale Protestanten, Anglikaner, evangelisch-protestantische Assyrer, Adventisten, koptisch-orthodoxe Christen, Jesiden, Sabäer-Mandäer und Juden. Die staatliche Anerkennung ermöglicht es den Gruppen, Rechtsvertreter zu bestellen und Rechtsgeschäfte wie den Kauf und Verkauf von Immobilien durchzuführen. Alle anerkannten religiösen Gruppen haben ihre eigenen Personenstandsgerichte, die für die Behandlung von Ehe-, Scheidungs- und Erbschaftsfragen zuständig sind. Laut der jesidischen NGO Yazda gibt es jedoch kein Personenstandsgericht für Jesiden (USDOS 29.5.2018).

 

Das Gesetz verbietet die Ausübung des Bahai-Glaubens und der wahhabitischen Strömung des sunnitischen Islams (USDOS 29.5.2018; vgl. UNHCR 15.1.2018).

 

Die alten irakischen Personalausweise enthielten Informationen zur Religionszugehörigkeit einer Person, was von Menschenrechtsorganisationen als Sicherheitsrisiko im aktuell herrschenden Klima religiös-konfessioneller Gewalt kritisiert wurde. Mit Einführung des neuen Personalausweises wurde dieser Eintrag zeitweise abgeschafft. Mit Verabschiedung eines Gesetzes zum neuen Personalausweis im November 2015 wurde allerdings auch wieder ein religiöse Minderheiten diskriminierender Passus aufgenommen: Art. 26 besagt, dass Kinder eines zum Islam konvertierenden Elternteils automatisch auch als zum Islam konvertiert geführt werden (AA 12.2.2018). Es wird berichtet, dass das Gesetz faktisch zu Zwangskonvertierungen führt, indem Kinder mit nur einem muslimischen Elternteil (selbst Kinder, die infolge von Vergewaltigung geboren wurden) als Muslime angeführt werden müssen. Christliche Konvertiten berichten auch, dass sie gezwungen sind, ihr Kind als Muslim zu registrieren oder das Kind undokumentiert zu lassen, was die Berechtigung auf staatliche Leistungen beeinträchtigt (USDOS 29.5.2018).

 

Die meisten religiös-ethnischen Minderheiten sind im irakischen Parlament vertreten. Grundlage bildet ein Quotensystem bei der Verteilung der Sitze (fünf Sitze für die christliche Minderheit sowie jeweils einen Sitz für Jesiden, Sabäer, Mandäer und Schabak). Das kurdische Regionalparlament sieht jeweils fünf Sitze für Turkmenen, Chaldäer und assyrische Christen sowie einen für Armenier vor (AA 12.2.2018).

 

Es gibt weiterhin Berichte, dass die irakischen Sicherheitskräfte (ISF), einschließlich der Peshmerga und schiitischer Milizen, sunnitische Gefangene töten. Internationale und lokale NGOs geben an, dass die Regierung das Anti-Terror-Gesetz weiterhin als Vorwand nutzt, um Personen ohne zeitgerechten Zugang zu einem rechtmäßigen Verfahren festzuhalten. Internationale Menschenrechtsorganisationen erklären, dass die Regierung es immer noch verabsäumt ethnischkonfessionelle Verbrechen zu untersuchen und strafrechtlich zu verfolgen, einschließlich Verbrechen, die von bewaffneten Gruppen in den vom IS befreiten Gebieten ausgeübt wurden. Sunnitische Araber berichten weiterhin, dass manche Regierungsbeamte bei Festnahmen und Inhaftierungen konfessionelles Profiling vornehmen, sowie Religion als bestimmenden Faktor bei der Vergabe von Arbeitsplätzen benützen (USDOS 29.5.2018).

 

Minderheiten sind auch weiterhin mit Belästigungen, einschließlich sexueller Übergriffe, und Einschränkungen durch lokale Behörden in einigen Regionen konfrontiert. Da Religion, Politik und Ethnizität oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, viele Vorfälle als ausschließlich auf religiöser Identität beruhend zu kategorisieren. Einige Jesiden und christliche Führer berichten von Belästigungen und Misshandlungen durch kurdische Sicherheitskräfte, einschließlich Anforderungen für Sicherheitsgenehmigungen, die von den Asayish auferlegt werden und die die Bewegungsfreiheit von Jesiden zwischen der Provinz Dohuk und dem Sinjar-Gebiet einschränken. Christen berichten von Belästigungen und Misshandlungen an zahlreichen Checkpoints, die von Einheiten der Volksmobilisierungseinheiten (PMF) betriebenen werden. Dadurch wird die Bewegungsfreiheit im Gebiet der Ninewa-Ebene behindert (USDOS 29.5.2018).

 

Christen und Jesiden geben an, dass die Zentralregierung in Bagdad eine gezielte demografische Veränderung fördert, indem sie Schiiten mit Land und Häusern ausstattet, damit diese in traditionell christliche Gebiete ziehen (USDOS 29.5.2018).

 

Vertreter religiöser Minderheiten berichten, dass die Zentralregierung im Allgemeinen nicht in religiöse Handlungen eingreift und sogar für die Sicherheit von Gotteshäusern und anderen religiösen Stätten, einschließlich Kirchen, Moscheen, Schreinen, religiösen Pilgerstätten und Pilgerrouten, sorgt (USDOS 29.5.2018).

 

Quellen:

 

 

 

auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-

 

stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 19.7.2018

 

 

 

rights-recognition.html. Zugriff 24.10.2018

 

 

 

https://www.defenseone.com/ideas/2018/07/rise-iraqs-young-secularists/149507/?oref=d-

 

channeltop. Zugriff 24.10.2018

 

 

especially in Baghdad (treatment of atheists by non-state and state actors and militias; state protection).

https://www.ecoi.net/en/file/local/1429402/5228_1523539284_66-q-iraq-

 

atheism.pdf. . Zugriff 25.7.2018

 

 

Cooperation Meeting. 25-26 April 2017. Brussels.

 

 

https://www.ecoi.net/en/file/local/1404903/90_1501570991_easo-2017-07-iraq-meeting-

 

report.pdf. Zugriff 5.11.2018

 

 

https://www.ecoi.net/en/document/1442330.html Zugriff 29.10.2018

 

 

https://www.ecoi.net/en/file/local/1442030/4792 1535643188 irak-respons-apostasi-og-

 

ateisme-grha-29082018.pdf. Zugriff 24.10.2018

 

 

24.10.2018

 

 

 

 

 

 

 

https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltpolitik/994916_Schluesselland-Irak.html

 

Zugriff 24.10.2018

 

12. Minderheiten

 

In der irakischen Verfassung vom 15.10.2005 ist der Schutz von Minderheiten verankert (AA

 

12.2.2018) . Trotz der verfassungsrechtlichen Gleichberechtigung leiden religiöse Minderheiten unter weitreichender faktischer Diskriminierung und Existenzgefährdung. Der irakische Staat kann den Schutz der Minderheiten nicht sicherstellen (AA 12.2.2018).

 

Offiziell anerkannte Minderheiten. wie chaldäische und assyrische Christen sowie Jesiden. genießen in der Verfassung verbriefte Minderheitenrechte. sind jedoch im täglichen Leben. insbesondere außerhalb der Autonomen Region Kurdistan. oft benachteiligt (AA 12.2.2018).

 

Die wichtigsten ethnisch-religiösen Gruppierungen sind (arabische) Schiiten, die 60 bis 65 Prozent der Bevölkerung ausmachen und vor allem den Südosten/Süden des Landes bewohnen, (arabische) Sunniten (17 bis 22 Prozent) mit Schwerpunkt im Zentral- und Westirak und die vor allem im Norden des Landes lebenden, überwiegend sunnitischen Kurden (15 bis 20 Prozent) (AA

 

12.2.2018) . Genaue demografische Aufschlüsselungen sind jedoch mangels aktueller Bevölkerungsstatistiken sowie aufgrund der politisch heiklen Natur des Themas nicht verfügbar (MRG 5.2018). Zahlenangaben zu einzelnen Gruppen variieren oft massiv (siehe unten).

 

Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt. Allerdings ist nach dem Ende der Herrschaft Saddam Husseins die irakische Gesellschaft teilweise in ihre (konkurrierenden) religiösen und ethnischen Segmente zerfallen - eine Tendenz, die sich durch die IS-Gräuel gegen Schiiten und Angehörige religiöser Minderheiten weiterhin verstärkt hat. Gepaart mit der extremen Korruption im Lande führt diese Spaltung der Gesellschaft dazu, dass im Parlament, in den Ministerien und zu einem großen Teil auch in der nachgeordneten Verwaltung, nicht nach tragfähigen, allgemein akzeptablen und gewaltfrei durchsetzbaren Kompromissen gesucht wird, sondern die zahlreichen ethnischkonfessionell orientierten Gruppen oder Einzelakteure ausschließlich ihren individuellen Vorteil suchen oder ihre religiös geprägten Vorstellungen durchsetzen. Ein berechenbares Verwaltungshandeln oder gar Rechtssicherheit existieren nicht (AA 12.2.2018).

 

Die Hauptsiedlungsgebiete der religiösen Minderheiten liegen im Nordirak in den Gebieten, die seit Juni 2014 teilweise unter Kontrolle des IS standen. Hier kam es zu gezielten Verfolgungen von Jesiden, Mandäern, Kakai, Schabak und Christen. Es liegen zahlreiche Berichte über Zwangskonversionen, Versklavung und Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung, Folter, Rekrutierung von Kindersoldaten, Massenmord und Massenvertreibungen vor. Auch nach der Befreiung der Gebiete wird die Rückkehr der Bevölkerung durch noch fehlenden Wiederaufbau, eine unzureichende Sicherheitslage, unklare Sicherheitsverantwortlichkeiten sowie durch die Anwesenheit von schiitischen Milizen zum Teil erheblich erschwert (AA 12.2.2018).

 

In der Autonomen Region Kurdistan sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt. Hier haben viele Angehörige von Minderheiten Zuflucht gefunden (AA 12.2.2018; vgl. KAS 8.2017). Mit der Verabschiedung des Gesetzes zum Schutze der Minderheiten in der Autonomen Region Kurdistan durch das kurdische Regionalparlament im Jahr 2015 wurden die ethnischen und religiösen Minderheiten zumindest rechtlich mit der kurdisch-muslimischen Mehrheitsgesellschaft gleichgestellt. Dennoch ist nicht immer gewährleistet, dass die bestehenden Minderheitsrechte auch tatsächlich umgesetzt werden (KAS 8.2017).

 

Es gab auch Berichte über die Diskriminierung von Minderheiten (Turkmenen, Arabern, Jesiden, Shabak und Christen) durch Behörden der Kurdischen Autonomieregierung in den sogenannten umstrittenen Gebieten (USDOS 20.4.2018). Darüber hinaus empfinden Angehörige von Minderheiten seit Oktober 2017 erneute Unsicherheit in den sog. umstrittenen Gebieten aufgrund der Präsenz der irakischen Streitkräfte und v.a. der schiitischen Milizen (AA 12.2.2018).

 

Im Zusammenhang mit der Rückeroberung von Gebieten aus IS-Hand wurden problematische Versuche einer ethnisch-konfessionellen Neuordnung unternommen, besonders in der ethnisch-konfessionell sehr heterogenen Provinz Diyala (AA 12.2.2018).

 

Bild kann nicht dargestellt werden

 

BMI (2016): Atlas - Middle East & North Africa: Religious Groups

 

Bild kann nicht dargestellt werden

 

BMI (2016): Atlas - Middle East & North Africa: Ethnic Groups

 

Anmerkung zu beiden Karten: Die religiös-konfessionelle sowie ethnisch-linguistische Zusammensetzung der irakischen Bevölkerung ist höchst heterogen. Die hier dargebotenen Karten zeigen nur die ungefähre Verteilung der Hauptsiedlungsgebiete religiös-konfessioneller bzw. ethnisch-linguistischer Gruppen und Minderheiten. Insbesondere in Städten kann die Verteilung deutlich von der ländlichen Umgebung abweichen (BMI 2016).

 

Dazu muss hervorgehoben werden, dass ein und dieselbe Gruppe in einer Gegend eine Minderheit sein, in einer anderen jedoch die Mehrheitsbevölkerung stellen kann und umgekehrt (Lattimer EASO 26.4.2017; vgl. Prochazka 11.8.2014).

 

Durch den Vorstoß des IS und seiner aktiven Kampagne zur Umwälzung der religiösen Demografie des Landes kam es zu drastischen Veränderungen in der konfessionellen und ethnischen Verteilung der Bevölkerung im Irak (FH 2018; vgl. Ferris und Taylor 8.9.2014). Viele Schiiten und religiöse Minderheiten, die vom IS vertrieben wurden, sind bis heute nicht in ihre Häuser zurückgekehrt. Die Rückkehr irakischer Streitkräfte in Gebiete, die seit 2014 von kurdischen Streitkräfte gehalten wurden, führte Ende 2017 zu einer weiteren Runde demografischer Veränderungen, wobei manche kurdischen Bewohner auszogen und Araber zurückkehrten. In Gebieten, die von schiitischen Milizen befreit wurden, gab es wiederum Berichte von der Vertreibung sunnitischer Araber. Dasselbe gilt für Gebiete, die von den kurdischen Peshmerga befreit wurden (FH 2018; vgl. GNI 20.11.2016).

 

Quellen:

 

 

stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 19.7.2018

 

 

und Sport (2016 - Stand Irak: 2014): Atlas: Middle East & North Africa,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1487770786_2017-02-bfa-mena-atlas.pdf

Zugriff

 

17.8.2018

 

 

 

https://www.brookings.edu/opinions/the-past-and-future-of-iraqs-minorities/ Zugriff 17.8.2018

 

 

https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/iraq Zugriff 17.8.2018

 

 

Iraq.

https://gulfnews.com/news/mena/iraq/kirkuk-mosul-and-the-ever-changing-

 

demographics-of-iraq-1.1930570. Zugriff 17.8.2018

 

 

17.8.2018

 

 

Iraq: Practical Cooperation Meeting. 25-26 April 2017. Brussels.

 

 

https://www.ecoi.net/en/file/local/1404903/90_1501570991_easo-2017-07-iraq-meeting-

 

report.pdf. Zugriff 12.9.2018

 

 

 

 

12.1. Sunnitische Araber

 

Die arabisch-sunnitische Minderheit. die über Jahrhunderte die Führungsschicht des Landes bildete. wurde nach der Entmachtung Saddam Husseins 2003, insbesondere in der Regierungszeit von Ex-Ministerpräsident Al-Maliki (2006 bis 2014), aus öffentlichen Positionen gedrängt. Mangels anerkannter Führungspersönlichkeiten fällt es den sunnitischen Arabern weiterhin schwer, ihren Einfluss auf nationaler Ebene geltend zu machen. Oftmals werden Sunniten einzig aufgrund ihrer Glaubensrichtung als IS-Sympathisanten stigmatisiert oder gar strafrechtlich verfolgt. Zwangsmaßnahmen und Vertreibungen aus ihren Heimatorten richteten sich 2017 vermehrt auch gegen unbeteiligte Familienangehörige vermeintlicher IS-Anhänger (AA 12.2.2018). Es gab zahlreiche Berichte über Festnahmen und die vorübergehende Internierung von überwiegend sunnitisch-arabischen IDPs durch Regierungskräfte. die PMF und die Peshmerga (USDOS 20.4.2018).

 

Quellen:

 

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak.

https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598 1531143225 deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf.

Zugriff 19.7.2018 - USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq. https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html Zugriff 17.8.2018

 

13. Relevante Bevölkerungsgruppen

 

13.1. Berufsgruppen & Menschen, die einer bestimmten Beschäftigung nachgehen

 

Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats sind besonders gefährdet. Auch Mitarbeiter der Ministerien sowie Mitglieder von Provinzregierungen werden regelmäßig Opfer von gezielten Attentaten (AA 12.2.2018).

 

Inhaber von Geschäften, in denen Alkohol verkauft wird (fast ausschließlich Angehörige von Minderheiten, vor allem Jesiden und Christen), Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten sowie medizinisches Personal werden ebenfalls immer wieder Ziel von Entführungen oder Anschlägen (AA 12.2.2018).

 

Künstler, Dichter, Schriftsteller und Musiker werden gezielt vom IS ins Visier genommen (USDOS 20.4.2018), aber auch von anderen bewaffneten radikalen bzw. streng-religiösen Gruppen angegriffen (USDOS 3.3.2017; vgl. IWPR 25.11.2009).

 

Quellen:

 

 

stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 27.9.2018

 

 

 

 

13.2. (Mutmaßliche) IS-Mitglieder, IS-Sympatisanten und "IS-Familien" (Dawa'esh)

 

Tausende von IS-Verdächtigen werden sowohl von den irakischen Bundesbehörden als auch von den Behörden der kurdischen Autonomieregion im Rahmen der jeweiligen Anti-Terror-Gesetze rechtlich verfolgt, primär wegen Mitgliedschaft in bzw. Unterstützung von einer terroristischen Organisation, aber auch wegen Mord und anderen Handlungen, die unter die Anti-TerrorGesetzgebung fallen. Die Behörden halten IS-Verdächtige in überfüllten Haftanstalten und in einigen Fällen unter unmenschlichen Bedingungen und verletzen laut Menschenrechtsorganisationen systematisch die Rechte auf ein ordnungsgemäßes Verfahren, wie z.B. Garantien im irakischen Recht, dass Häftlinge innerhalb von 24 Stunden einen Richter sehen müssen, während der Verhöre Zugang zu einem Anwalt haben müssen, dass Familien über Inhaftierungen informiert werden bzw. dass Inhaftierte mit ihren Familien kommunizieren können. Zahlreiche Häftlinge behaupten auch, unter Folter zu Geständnissen gezwungen worden zu sein (HRW 18.1.2018; vgl. AA 12.2.2018. HRW 19.8.2018). Darüber hinaus bedrohen und verhaften irakische Sicherheitskräfte Anwälte, die IS-Verdächtigen und deren Familien Rechtsbeistand leisten (HRW 12.9.2018).

 

Aufgrund von IS-Mitgliedschaft Inhaftierte können nach dem im August 2016 verabschiedeten Allgemeinen Amnestiegesetz (Nr. 27/2016) Anspruch auf Haftentlassung haben (Ausnahme: Autonome Region Kurdistan). Das Gesetz bietet jenen Personen Amnestie. die nachweisen können. dass sie gegen ihren Willen dem IS oder einer anderen extremistischen Gruppe beigetreten sind und vor August 2016 keine schwere Straftat begangen haben. Nach Angaben des Justizministeriums hatten die Behörden bis Februar 2017 756 Verurteilte nach dem Amnestiegesetz freigelassen. Es ist allerdings unklar, ob die Richter dieses Gesetz konsequent anwenden. Die kurdische Autonomieregierung hat kein Amnestiegesetz verabschiedet

(HRW

 

18.1.2018) .

 

Zwangsmaßnahmen und Vertreibungen aus ihren Heimatorten richteten sich 2017 vermehrt auch gegen unbeteiligte Familienangehörige vermeintlicher IS-Anhänger (AA 12.2.2018). So wurden Familien von mutmaßlichen IS-Mitgliedern und mutmaßlichen IS-Sympathisanten Opfer von Kollektivbestrafung, Misshandlungen und Angriffen (HRW 18.1.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Teilweise betrifft dies auch Familien, die aus Gebieten unter IS-Kontrolle geflohen waren und denen Sympathie für den IS unterstellt wird (HRW 24.6.2018). Menschenrechtsorganisationen dokumentierten im Zuge der Befreiung vom IS Diskriminierungen, Folterungen und Vergeltungsmorde an sunnitischen Muslimen, von denen viele verdächtigt wurden, IS-Sympathisanten zu sein. An einigen Orten wurden "IS-Familien-Lager" eingerichtet, nachdem vielen Sunniten das Recht auf Rückkehr in ihre Heimatorte verweigert worden war (USCIRF 4.2018; vgl. HRW 24.6.2018). Nach der Rückeroberung der vormals unter IS-Kontrolle stehenden Gebiete wurden Familien mutmaßlicher IS-Mitglieder in den Provinzen Anbar, Babil, Diyala, Salah al-Din und Ninewa durch örtliche Beamte vertrieben. Sicherheitskräfte unternahmen kaum etwas, um diese Übergriffe zu stoppen, und nahmen in einigen Fällen auch daran teil (HRW 18.1.2018; vgl. CIVIC 9.5.2018).

 

Als Familien aus dem Gebiet in und um Mosul flohen, wurden Tausende von Männern und Buben von ihren Familien getrennt und willkürlich verhaftet. Während es sich bei einigen davon um IS- Kämpfer handelte, waren vielen davon Personen, die z.B. als Köche oder Fahrer für den IS gearbeitet hatten; deren Namen in Datenbanken aufscheinenden Namen ähnlich waren; oder sie wurden verhaftet, weil sie aus bestimmten Gebieten oder Nachbarschaften kamen bzw. mit IS-Kämpfern verwandt waren. Viele wurden außergerichtlich hingerichtet. Fast alle dieser Männer sind gewaltsam verschwunden (AI 17.4.2018).

 

Volksmobilisierungseinheiten (PMF) nahmen in Ninewa routinemäßig sunnitische Männer, die aus der Gegend stammen, unter dem Verdacht fest, dass diese den IS unterstützt hätten bzw. unterstützten. Sicherheitskräfte der Zentralregierung informierten in vielen Fällen die Häftlinge nicht über den Grund ihrer Inhaftierung oder die gegen sie erhobenen Anklagen. In mehreren Provinzen vertrieben Regierungskräfte und Milizen angebliche IS-Sympathisanten aus ihren Häusern. In Diyala und Babil hat die Kata'ib Hizbollah örtlich ansässige sunnitische Araber entführt und eingeschüchtert und arabisch-sunnitische IDPs daran gehindert, in ihre Herkunftsorte zurückzukehren. Es gibt glaubwürdige Berichte, wonach örtliche Behörden Familienmitglieder mutmaßlicher IS-Mitglieder bestraften. In einigen Fällen haben örtliche Gemeindeleiter gegen Familienmitglieder von IS-Verdächtigten Gewalt- und Todesdrohungen ausgesprochen (USDOS 20.4.2018).

 

Frauen und Kinder mit vermeintlichen Verbindungen zum IS sind in IDP-Lagern einer Reihe von Übergriffen, Misshandlungen und Risiken ausgesetzt. Diese Verstöße werden von bewaffneten Akteuren, die in den Lagern aktiv sind, von Lagerbehörden und anderen Personen begangen.

 

Vielen wird der Zugang zu Nahrung, Wasser und Gesundheitsversorgung verwehrt. Sie erleiden schwere Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit, sei es, weil sie über keine ordnungsgemäßen Dokumente verfügen oder weil die Lagerbehörden sie daran hindern, das Lager zu verlassen und sie de facto in Haft halten (AI 17.4.2018).

 

Frauen mit vermeintlichen Verbindungen zum IS sind sexuellen Belästigungen ausgesetzt. Viele von ihnen werden auch zu Opfern sexueller Gewalt und Ausbeutung. Die Täter sind in erster Linie bewaffnete Akteure, die in den Lagern präsent sind. Letztere nutzen ihre Machtpositionen aus, um Frauen in sexuelle Beziehungen zu zwingen, im Austausch gegen Bargeld, Hilfsgüter oder Schutz vor anderen bewaffneten Akteuren oder Männern im Lager (AI 17.4.2018).

 

Verwandten von IS-Verdächtigen wird routinemäßig die notwendige Sicherheitsfreigabe zur Ausstellung von Personalausweisen und Dokumenten verweigert. Ohne vollständige Personenstanddokumente können sich Iraker im Land jedoch nicht frei bewegen, um Arbeitsplätze bewerben oder Sozialleistungen beantragen. Frauen, die keine Sterbeurkunden für ihre Ehemänner haben oder erhalten, können nicht erben und nicht wieder heiraten (HRW 25.2.2018; vgl. CIVIC 9.5.2018).

 

Der IS konfiszierte regelmäßig offizielle Dokumente, die von staatlichen irakischen Stellen ausgestellt worden waren. IS Behörden erstellten ihre eigenen Dokumente, wie z.B. Heirats- und Geburtsurkunden. Diese werden von den irakischen Behörden jedoch nicht anerkannt. Ohne Geburtsurkunde kann ein Kind, das unter IS-Kontrolle geboren wurde, keine anderen Dokumente erhalten, was ihm z.B. den Zugang zu staatliche Leistungen, wie den Zugang zur Schule, Gesundheitsversorgung, etc., verwehrt (HRW 25.2.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Tausende von Kindern, die unter der IS-Herrschaft geboren oder von Kämpfern gezeugt wurden, fallen so durch den Raster des irakischen Rechtssystems und sind faktisch staatenlos (Independent 18.5.2017). Es handelt sich dabei um mindestens 30.000 Kinder (ISI 6.2017).

 

Quellen:

 

 

stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 27.9.2018

 

 

trapped and exploited in Iraq,

 

https://www.ecoi.net/en/file/loca l/1429590/1226_1523942325_mde1481962018english.PDF.

 

Zugriff 4.10.2018

 

 

 

https://civiliansinconflict.org/wp-content/uploads/2018/05/FINAL_MosulCIVProtectChallenges

 

Mav2018-1.pdf, Zugriff 4.10.2018

 

 

https://www.hrw.org/world-report/2018/country-chapters/iraq Zugriff 2.10.2018

 

 

 

https://www.hrw.org/news/2018/02/25/iraq-families-alleged-isis-members-denied-ids

Zugriff

 

4.10.2018

 

 

 

 

 

4.10.2018

 

 

 

 

14. Bewegungsfreiheit

 

Die irakische Verfassung und andere nationale Rechtsinstrumente erkennen das Recht aller Bürger auf Freizügigkeit. Reise- und Aufenthaltsfreiheit im ganzen Land an (USDOS 20.4.2018). Die Bewegungsfreiheit verbesserte sich etwas. nachdem die vom IS kontrollierten Gebiete wieder unter staatliche Kontrolle gebracht wurden (FH 1.2018).

 

Die Regierung respektiert das Recht auf Bewegungsfreiheit jedoch nicht konsequent. In einigen Fällen beschränken die Behörden die Bewegungsfreiheit von Vertriebenen und verbieten Bewohnern von IDP-Lagern. ohne eine Genehmigung das Lager zu verlassen. Das Gesetz erlaubt es den Sicherheitskräften, die Bewegungsfreiheit im Land einzuschränken, Ausgangssperren zu verhängen, Gebiete abzuriegeln und zu durchsuchen. Es gab zahlreiche Berichte, dass Sicherheitskräfte (ISF, Peshmerga, PMF) Bestimmungen, die Aufenthaltsgenehmigungen vorschreiben, um die Einreise von Personen in befreite Gebiete unter ihrer Kontrolle zu beschränken, selektiv umgesetzt haben (USDOS 20.4.2018).

 

Die kurdische Autonomieregierung schränkt die Bewegungsfreiheit in den von ihr verwalteten Gebieten ein (USDOS 20.4.2018). Innerirakische Migration aus dem Zentralirak in die Autonome Region Kurdistan ist grundsätzlich möglich. Durch ein Registrierungsverfahren wird der Zuzug jedoch kontrolliert. Wer dauerhaft bleiben möchte. muss sich bei der Asayish-Behörde des jeweiligen Bezirks anmelden. Informationen über die Anzahl der Anträge und Ablehnungen werden nicht veröffentlicht (AA 12.2.2018). Die Behörden verlangen von Nicht-Ortsansässigen. Genehmigungen einzuholen. die einen befristeten Aufenthalt in der Autonomieregion erlauben. Diese Genehmigungen waren in der Regel erneuerbar. Bürger. die eine Aufenthaltserlaubnis für die Autonome Region Kurdistan bzw. die von ihr kontrollierten Gebiete einholen wollen. benötigen einen in der Region ansässigen Bürgen. Bürger. die aus dem Zentral- oder Südirak in die Autonome Region Kurdistan einreisen (egal welcher ethno-religiösen Gruppe sie angehörten. auch Kurden) müssen Checkpoints passieren und Personen- und Fahrzeugkontrollen über sich ergehenlassen (USDOS 20.4.2018).

 

Die Behörden der Autonomen Region Kurdistan wenden Beschränkungen unterschiedlich streng an. Die Wiedereinreise von IDPs und Flüchtlingen wird - je nach ethno-religiösem Hintergrund und Rückkehrgebiet - mehr oder weniger restriktiv gehandhabt. Beamte hindern Personen. die ihrer Meinung nach ein Sicherheitsrisiko darstellen könnten. an der Einreise in die Region. Die Einreise ist für Männer oft schwieriger. insbesondere für arabische Männer. die ohne Familie reisen (USDOS 20.4.2018).

 

Aufgrund militärischer Operationen gegen den IS erhöhten die irakischen Streitkräfte, PMF und Peshmerga die Zahl der Checkpoints und errichteten in vielen Teilen des Landes provisorische Straßensperren (USDOS 20.4.2018). Diese Checkpoints unterliegen oft undurchschaubaren Regeln verschiedenster Gruppierungen (NYT 2.4.2018). Der IS richtet falsche Checkpoints ein, um Zivilisten zu entführen bzw. Angriffe auf Sicherheitskräfte und Zivilisten zu verüben (albawaba 12.3.2018; vgl. GardaWorld 29.3.2018, Kurdistan24 29.3.2018, Iraqi News 28.6.2018).

 

In Bagdad selbst sollen seit Dezember 2017 hingegen 305 Checkpoints und Straßensperren entfernt worden sein. Über tausend Straßen sind in Bagdad seit dem offiziellen Sieg über den IS wieder geöffnet worden (AAA 8.8.2018; vgl. AAA 29.1.2018, Iraqi News 29.1.2018).

 

Die Regierung verlangt von Bürgern, die das Land verlassen, eine Ausreisegenehmigung. Diese Vorschrift wird jedoch nicht routinemäßig durchgesetzt (USDOS 20.4.2018). An den Grenzen zu den Nachbarstaaten haben sich in den letzten Monaten immer wieder Änderungen der Ein- und Ausreisemöglichkeiten, Kontrollen, Anerkennung von Dokumenten etc. ergeben. Nach wie vor muss mit solchen Änderungen - auch kurzfristig - gerechnet werden (AA 12.2.2018).

 

Die Bewegungsfreiheit von Frauen wird im Allgemeinen durch Recht und Brauchtum nicht respektiert. So hindert das Gesetz Frauen beispielsweise daran, ohne die Zustimmung eines männlichen Vormunds oder gesetzlichen Vertreters einen Reisepass zu beantragen. In den vom IS kontrollierten Gebieten war es Frauen angeblich verboten, ihr Zuhause ohne männlichen Verwandten zu verlassen (USDOS 20.4.2018).

 

Quellen:

 

 

stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 12.10.2018

 

 

 

traffic-and-trade, Zugriff 5.10.2018

 

 

Zugriff 5.10.2018

 

 

https://www.ecoi.net/en/document/1442330.html Zugriff 29.10.2018

 

 

checkpoints-in-north, Zugriff 5.10.2018

 

 

 

 

5.10.2018

 

 

 

15. IDPs und Flüchtlinge

 

Seit Jänner 2014 hat der Krieg gegen den IS im Irak die Vertreibung von ca. sechs Millionen Irakern verursacht, rund 15 Prozent der Gesamtbevölkerung des Landes (IOM 4.9.2018). Ende September 2018 betrug die Zahl der weiterhin intern Vertriebenen noch 1,89 Millionen (IOM

 

30.9.2018) . Dabei handelt es sich um die niedrigste Zahl an IDPs seit Ende 2014 (IOM 4.9.2018). Die Zahl der Vertriebenen sinkt seit der zweiten Hälfte des Jahres 2017 sukzessive (UNHCR 31.8.2018; vgl. UNHCR 31.7.2018, IOM 30.9.2018); die Zahl der Rückkehrer ist mittlerweile auf 4 Millionen gestiegen (IOM 30.9.2018). Bis zu einer Million Menschen bleiben weiterhin aus dem konfessionellen Konflikt von 2006-08 vertrieben (USDOS 20.4.2018).

 

Die Regierung und internationale Organisationen, einschließlich UN-Einrichtungen und NGOs, versuchen, IDPs Schutz und andere Hilfe zu gewähren. Eine hohe Anzahl von IDPs außerhalb der Lager belastet die Ressourcen der Gastgebergemeinden (USDOS 20.4.2018).

 

Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung der Zahlen an IDPs im Irak von März 2014 bis September 2018. Das Diagramm mit den blauen Balken links unten veranschaulicht die Verteilung der IDPs auf die jeweiligen Provinzen.

 

Bild kann nicht dargestellt werden

 

Quelle: IOM - International Organization for Migration - Iraq Mission (30.9.2018): DTM (Displacement Tracking Matrix): IDPs, http://iraqdtm.iom.int/IDPsML.aspx , Zugriff 5.10.2018

 

Wie den folgenden Grafiken zu entnehmen ist, sind die Provinzen mit den höchsten Zahlen an IDPs Ninewa, gefolgt von Dohuk, Erbil, Salah al-Din, Sulaymaniya, Kirkuk, Bagdad, Anbar und Diyala (IOM 30.9.2018; vgl. UNOCHA 31.8.2018, IOM 4.9.2018).

 

Bild kann nicht dargestellt werden

 

Quelle: IOM - International Organization for Migration - Iraq Mission (30.9.2018): DTM (Displacement Tracking Matrix):

Displacement Overview,

http://iraqdtm.iom.int/DTMDisplacementDashboards.aspx , Zugriff 11.10.2018

 

Bild kann nicht dargestellt werden

 

Quelle: UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (31.8.2018): Iraq: Internally displaced people by governorate,

https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/iraq_idps_and_returnees_by_governorate_dtm-iom_round_102_aug31_2018.pdf , Zugriff 5.10.2018

 

Anfang 2018 lag die Rückkehrrate noch bei ca. 200.000 Menschen pro Monat. Diese Zahl hat sich seither drastisch verringert. So kehrten im März 2018 beispielsweise 112.446 Menschen in ihre Heimat zurück, von April bis Mai 2018 durchschnittlich 79.000 pro Monat, von Juni bis Juli 45.871. Im August 2018 lag die Zahl der Rückkehrer bei

33.528 Menschen (Joel Wing 19.9.2018).

 

Verschiedene Hilfsorganisationen berichten über eine Änderung der Einstellung von IDPs. Ursprünglich erklärte eine Mehrheit, sie würden zurückkehren, sobald der Krieg gegen den IS vorbei sei. Jetzt sind sie besorgt aufgrund der Sicherheit, dem Mangel an Dienstleistungen, zerstörten Häusern, wenig Arbeitsplätzen und wenig Geld. Es gibt auch eine beträchtliche Anzahl an IDPs, denen die Rückkehr verweigert wird, weil ihnen vorgeworfen wird, mit dem IS in Verbindung zu stehen. Darüber hinaus gibt es Menschen, die in ihre ursprünglichen Gebiete zurückgereist sind, die Situation dort jedoch als mangelhaft wahrgenommen haben und wieder in die Binnenvertreibung zurückgekehrt sind (Joel Wing 19.9.2018). Der Großteil der verbliebenen IDPs hat keine unmittelbaren Pläne zur Rückkehr (IOM 26.6.2018; vgl. REACH 29.8.2018, Joel Wing 11.10.2018).

 

Schwierige Rückkehrbedingungen finden sich unter anderem in Sinjar Zentrum, Telafar Zentrum, West Mosul, al-Ba'aj, im Wüsten-Streifen von al-Tal, Hatra (Hadr) und Muhallabiyya (Provinz Ninewa); in Baiji, Tuz Khurmatu/Sulayman Beg und Balad/Duloeiya (Provinz Salah al-Din); in Taza Khurmatu, Hawija Zentrum und al-'Abassi (Provinz Kirkuk); in al-Adheim und Sa'adiya/Jalawla (Provinz Diyala); und im Falludscha-Ramadi Streifen sowie in Ana Zentrum (Provinz Anbar) (IOM

 

9.2018) .

 

In einigen Gebieten behindern Gewalt und Unsicherheit sowie langjährige politische, Stammes und konfessionelle Spannungen die Fortschritte bei der nationalen Aussöhnung und erschweren den Schutz von IDPs. Tausende von Familien haben mehr als eine Vertreibung erlebt, und viele waren gezwungen, auf der Suche nach Schutz über die Grenzen der jeweiligen Provinz hinaus zu ziehen. Zwangsvertreibungen, kombiniert mit dem langwierigen und weitgehend ungelösten Problem von Millionen von Menschen, die in den letzten Jahrzehnten entwurzelt wurden, haben eine destabilisierende Wirkung auf die ohnehin schon komplexe soziale und politische Dynamik des Landes. Dies belastet die Kapazitäten der lokalen Behörden und offenbart die Grenzen der rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen (USDOS 20.4.2018).

 

Sowohl Vertriebene als auch Rückkehrer sind vulnerabel und auf humanitäre Hilfe angewiesen, um ihren Lebensunterhalt wiederzuerlangen und ihre Familien ernähren zu können (IOM 4.9.2018).

 

Die Regierung stellt vielen - aber nicht allen - IDPs, auch in der kurdischen Autonomieregion, Nahrungsmittel, Wasser und finanzielle Hilfe zur Verfügung. Viele IDPs leben in informellen Siedlungen, wo sie keine ausreichende Versorgung mit Wasser, sanitären Einrichtungen oder anderen wichtigen Dienstleistungen erhalten (USDOS 20.4.2018). Alle Bürger sind berechtigt, Lebensmittel im Rahmen des Public Distribution System (PDS) zu erhalten. Die Behörden verteilen aber nicht jeden Monat alle Waren, und nicht alle IDPs können in jeder Provinz auf Lebensmittel aus dem Public Distribution System (PDS) zugreifen. Die Bürger können die PDS-Rationen nur an ihrem Wohnort und in ihrer eingetragenen Provinz einlösen, was zu einem Verlust des Zugangs und der Ansprüche aufgrund von Vertreibungen führt (USDOS 20.4.2018).

 

Personen, die sich nicht als IDPs an ihrem Wohnort registriert haben, verfügen manchmal nur über einen begrenzten Zugang zu staatlichen Leistungen. Die lokalen Behörden entscheiden oft darüber, ob IDPs Zugang zu örtlichen Leistungen erhalten. Humanitäre Organisationen berichten, dass einige IDPs mangels erforderlicher Unterlagen Schwierigkeiten bei der Registrierung haben. Viele Bürger, die zuvor in den vom IS kontrollierten Gebieten gelebt haben, besitzen keine Personenstandsdokumente, was die Schwierigkeit, einen Ausweis und andere persönliche Dokumente zu erhalten, noch vergrößerte. Durch die Bereitstellung von Rechtshilfe unterstützen die Vereinten Nationen und humanitäre Organisationen IDPs bei der Beschaffung von Dokumenten und der Registrierung bei Behörden, um den Zugang zu staatlichen Leistungen zu verbessern (USDOS 20.4.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

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Iraq: Internally displaced people by governorate,

 

https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/iraq idps and returnees by governorate

 

dtm-iom round 102 aug31 2018.pdf. Zugriff 5.10.2018

 

 

16. Grundversorgung und Wirtschaft

 

Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten (AA 12.2.2018). Die Iraker haben eine dramatische Verschlechterung in Bezug auf die Zurverfügungstellung von Strom, Wasser, Abwasser- und Abfallentsorgung, Gesundheitsversorgung, Bildung, Verkehr und Sicherheit erlebt. Der Konflikt hat nicht nur in Bezug auf die Armutsraten, sondern auch bei der Erbringung staatlicher Dienste zu stärker ausgeprägten räumlichen Unterschieden geführt. Der Zugang zu diesen Diensten und deren Qualität variiert demnach im gesamten Land erheblich (K4D 18.5.2018).

 

Die über Jahrzehnte internationaler Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig. Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten schwierig. Die genannten Defizite werden durch die grassierende Korruption zusätzlich verstärkt. Nach Angaben des UN-Programms "Habitat" leben 70 Prozent der Iraker in Städten, die Lebensbedingungen von einem großen Teil der städtischen Bevölkerung gleichen denen von Slums (AA 12.2.2018).

 

In vom IS befreiten Gebieten muss eine Grundversorgung nach Räumung der Kampfmittel erst wiederhergestellt werden. Einige Städte sind weitgehend zerstört. Die Stabilisierungsbemühungen und der Wiederaufbau durch die irakische Regierung werden intensiv vom United Nations Development Programme (UNDP) und internationalen Gebern unterstützt (AA 12.2.2018).

 

Wirtschaftslage

 

Der Irak erholt sich nur langsam vom Terror des sogenannten Islamischen Staats und seinen Folgen. Nicht nur sind ökonomisch wichtige Städte wie Mosul zerstört worden. Dies trifft das Land. nachdem es seit Jahrzehnten durch Krieg. Bürgerkrieg. Sanktionen zerrüttet wurde. Wiederaufbauprogramme laufen bereits. vorsichtig-positive Wirtschaftsprognosen traf die Weltbank im Oktober 2018 für das Jahr 2019. Ob der Wiederaufbau zu einem nachhaltigen positiven Aufschwung beiträgt. hängt aus Sicht der Weltbank davon ab. ob das Land die Korruption in den Griff bekommt (GIZ 11.2018).

 

Das Erdöl stellt immer noch die Haupteinnahmequelle des irakischen Staates dar (GIZ 11.2018). Rund 90 Prozent der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölsektor (AA 12.2.2018).

 

Noch im Jahr 2016 wuchs die irakische Wirtschaft laut Economist Intelligence Unit (EIU) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) um 11 Prozent. Im Folgejahr schrumpfte sie allerdings um 0,8 Prozent. Auch 2018 wird das Wachstum um die 1 Prozent betragen, während für 2019 wieder ein Aufschwung von 5 Prozent zu erwarten ist (WKO 2.10.2018). Laut Weltbank wird erwartet, dass das gesamte BIP-Wachstum bis 2018 wieder auf positive 2,5 Prozent ansteigt. Die Wachstumsaussichten des Irak dürften sich dank der günstigeren Sicherheitslage und der allmählichen Belebung der Investitionen für den Wiederaufbau verbessern (WB 16.4.2018). Die positive Entwicklung des Ölpreises ist dafür auch ausschlaggebend. Somit scheint sich das Land nach langen Jahren bewaffneter Auseinandersetzungen wieder in Richtung einer gewissen Normalität zu bewegen. Dieser positiven Entwicklung stehen gleichwohl weiterhin Herausforderungen gegenüber (WKO 2.10.2018).

 

So haben der Krieg gegen den IS und der langwierige Rückgang der Ölpreise seit 2014 zu einem Rückgang der Nicht-Öl-Wirtschaft um 21,6 Prozent geführt, sowie zu einer starken Verschlechterung der Finanz- und Leistungsbilanz des Landes. Der Krieg und die weit verbreitete Unsicherheit haben auch die Zerstörung von Infrastruktur und Anlageobjekten in den vom IS kontrollierten Gebieten verursacht, Ressourcen von produktiven Investitionen abgezweigt, den privaten Konsum und das Investitionsvertrauen stark beeinträchtigt und Armut, Vulnerabilität und Arbeitslosigkeit erhöht. Dabei stieg die Armutsquote [schon vor dem IS, Anm.] von 18,9 Prozent im Jahr 2012 auf geschätzte 22,5 Prozent im Jahr 2014 (WB 18.4.2018).

 

Jüngste Arbeitsmarktstatistiken deuten auf eine weitere Verschlechterung der Armutssituation hin. Die Erwerbsquote von Jugendlichen (15-24 Jahre) ist seit Beginn der Krise im Jahr 2014 deutlich gesunken, von 32,5 Prozent auf 27,4 Prozent. Die Arbeitslosigkeit nahm vor allem bei Personen aus den ärmsten Haushalten und Jugendlichen und Personen im erwerbsfähigen Alter (25-49 Jahre) zu. Die Arbeitslosenquote ist in den von IS-bezogener Gewalt und Vertreibung am stärksten betroffenen Provinzen etwa doppelt so hoch wie im übrigen Land (21,1 Prozent gegenüber 11,2 Prozent), insbesondere bei Jugendlichen und Ungebildeten (WB 16.4.2018).

 

Der Irak besitzt kaum eigene Industrie. Hauptarbeitgeber ist der Staat (AA 12.2.2018). Grundsätzlich ist der öffentliche Sektor sehr gefragt. Die IS-Krise und die Kürzung des Budgets haben Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt im privaten und öffentlichen Sektor. Jobangebote sind mit dem Schließen mehrerer Unternehmen zurückgegangen. Im öffentlichen Sektor sind ebenfalls viele Stellen gestrichen worden. Gute Berufschancen bietet jedoch derzeit das Militär. Das durchschnittliche monatliche Einkommen im Irak beträgt derzeit 350-1.500 USD, je nach Position und Ausbildung (IOM 13.6.2018).

 

Das Ministerium für Arbeit und Soziales bietet Unterstützung bei der Arbeitssuche und stellt Arbeitsagenturen in den meisten Städten. Die Regierung hat auch ein Programm gestartet, um irakische Arbeitslose und Arbeiter, die weniger als 1 USD pro Tag verdienen, zu unterstützen.

 

Aufgrund der derzeitigen Situation im Land wurde die Hilfe jedoch eingestellt. Weiterbildungsmöglichkeiten werden durch Berufsschulen, Trainingszentren und Agenturen angeboten (IOM 13.6.2018).

 

Stromversorgung

 

Die Stromversorgung des Irak ist im Vergleich zu der Zeit vor 2003 schlecht (AA 12.2.2018). Sie deckt nur etwa 60 Prozent der Nachfrage ab, wobei etwa 20 Prozent der Bevölkerung überhaupt keinen Zugang zu Elektrizität haben. Der verfügbare Stromvorrat variiert jedoch je nach Gebiet und Jahreszeit (Fanack 22.12.2017). Selbst in Bagdad ist die öffentliche Stromversorgung vor allem in den Sommermonaten, wenn bei Temperaturen von über 50 Grad flächendeckend Klimaanlagen eingesetzt werden, häufig unterbrochen. Dann versorgt sich die Bevölkerung aus privaten Generatoren, sofern diese vorhanden sind. Die Versorgung mit Mineralöl bleibt unzureichend und belastet die Haushalte wegen der hohen Kraftstoffpreise unverhältnismäßig. In der Autonomen Region Kurdistan erfolgt die Stromversorgung durch Betrieb eigener Kraftwerke, unterliegt jedoch wie in den anderen Regionen Iraks erheblichen Schwankungen und erreicht deutlich weniger als 20 Stunden pro Tag. Kraftwerke leiden unter Mangel an Brennstoff und es gibt erhebliche Leitungsverluste (AA 12.2.2018).

 

Wasserversorgung

 

Die Wasserversorgung wird von der schlechten Stromversorgung in Mitleidenschaft gezogen (AA

 

12.2.2018) . Der Irak befindet sich inmitten einer schweren Wasserkrise, die durch akute Knappheit, schwindende Ressourcen und eine stark sinkende Wasserqualität gekennzeichnet ist (Clingendael 10.7.2018). Die Wasserknappheit dürfte sich kurz- bis mittelfristig noch verschärfen. Besonders betroffen sind die südlichen Provinzen, insbesondere Basra. Der Klimawandel ist dabei ein Faktor, aber auch große Staudammprojekte in der Türkei und im Iran, die sich auf den Wasserstand von Euphrat und Tigris auswirken und zur Verknappung des Wassers beitragen. Niedrige Wasserstände führen zu einem Anstieg des Salzgehalts, wodurch das bereits begrenzte Wasser für die landwirtschaftliche Nutzung ungeeignet wird (UNOCHA 31.8.2018).

 

Parallel zur Wasserknappheit tragen veraltete Leitungen und eine veraltete Infrastruktur zur Kontaminierung der Wasserversorgung bei (UNOCHA 31.8.2018). Es fehlt weiterhin an Chemikalien zur Wasseraufbereitung. Die völlig maroden und teilweise im Krieg zerstörten Leitungen führen zu hohen Transportverlusten und Seuchengefahr. Im gesamten Land verfügt heute nur etwa die Hälfte der Bevölkerung über Zugang zu sauberem Wasser (AA 12.2.2018). Im August meldete Iraks südliche Provinz Basra 17.000 Fälle von Infektionen aufgrund der Kontaminierung von Wasser. Der Direktor der Gesundheitsbehörde Basra warnte vor einem Choleraausbruch (Iraqi News 28.8.2018).

 

Nahrungsversorgung

 

Laut Welternährungsorganisation sind im Irak zwei Millionen Menschen von Nahrungsmittelunsicherheit betroffen (FAO 8.2.2018). 22,6 Prozent der Kinder sind unterernährt (AA 12.2.2018). Schätzungen des Welternährungsprogramms zufolge benötigen mindestens 700.000 Iraker Nahrungsmittelhilfe (USAID 23.2.2018).

 

Die Landwirtschaft ist für die irakische Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Schätzungen zufolge hat der Irak in den letzten vier Jahren jedoch 40 Prozent seiner landwirtschaftlichen Produktion verloren. Im Zuge des Krieges gegen den IS waren viele Bauern gezwungen, ihre Betriebe zu verlassen. Ernten wurden zerstört oder beschädigt. Landwirtschaftliche Maschinen, Saatgut, Pflanzen, eingelagerte Ernten und Vieh wurden geplündert. Aufgrund des Konflikts und der Verminung konnten Bauern für die nächste Landwirtschaftssaison nicht pflanzen. Die Nahrungsmittelproduktion und -versorgung wurde unterbrochen, die Nahrungsmittelpreise auf den Märkten stiegen (FAO 8.2.2018). Das Land ist stark von Nahrungsmittelimporten abhängig (AW 11.2.2018; vgl. USAID 1.8.2017).

 

Das Sozialsystem wird vom sogenannten "Public Distribution System" (PDS) dominiert, einem Programm, bei dem die Regierung importierte Lebensmittel kauft, um sie an die Öffentlichkeit zu verteilen. Das PDS ist das wichtigste Sozialhilfeprogramm im Irak, in Bezug auf Flächendeckung und Armutsbekämpfung. Es ist das wichtigste Sicherheitsnetz für Arme, obwohl es von schweren Ineffizienzen gekennzeichnet ist (K4D 18.5.2018). Es sind zwar alle Bürger berechtigt, Lebensmittel im Rahmen des PDS zu erhalten. Das Programm wird von den Behörden jedoch sporadisch und unregelmäßig umgesetzt, mit begrenztem Zugang in den wiedereroberten Gebieten. Außerdem hat der niedrige Ölpreis die Mittel für das PDS weiter eingeschränkt

(USDOS

 

20.4.2018) .

 

Quellen:

 

 

stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 12.10.2018

 

 

 

 

15.10.2018

 

 

Resilience Programme 2018-2019, http://www.fao.org/3/I8658EN/i8658en.pdf Zugriff

 

15.10.2018

 

 

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Fact Sheet: Iraq,

https://www.usaid.gov/sites/default/files/documents/1866/Iraq_-

 

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https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-irakische-wirtschaft.html Zugriff 15.10.2018

 

17. Grundversorgung und Wirtschaft

 

Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt (AA 12.2.2018). Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 13.6.2018).

 

Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung. Staatliche wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore (GIZ 11.2018).

 

Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD. Für spezielle

 

Untersuchungen und Laboranalysen sind dann noch zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 11.2018).

 

In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Korruption ist verbreitet. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA

 

12.2.2018) . Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).

 

Die große Zahl von Flüchtlingen und IDPs belastet das Gesundheitssystem zusätzlich. Hinzu kommt, dass durch die Kampfhandlungen nicht nur eine Grundversorgung sichergestellt werden muss, sondern auch schwierige Schusswunden und Kriegsverletzungen behandelt werden müssen (AA 12.2.2018).

 

Quellen:

 

 

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http://www.emro.who.int/irq/programmes/primary-health-care.html Zugriff 16.10.2018

 

18. Rückkehr

 

Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig - u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. Zu einer begrenzten Anzahl an Abschiebungen in den Zentralirak kommt es jedenfalls aus Deutschland, Großbritannien, Schweden und Australien. Rückführungen aus Deutschland in die Autonome Region Kurdistan finden regelmäßig statt (AA 12.2.2018).

 

Studien zufolge ist die größte primäre Herausforderung für Rückkehrer die Suche nach einem Arbeitsplatz bzw. Einkommen. Andere Herausforderungen bestehen in der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, psychischen und psychologischen Problemen, sowie negativen Reaktionen von Freunden und Familie zu Hause im Irak (IOM 2.2018; vgl. REACH 30.6.2017). In der Autonomen Region Kurdistan gibt es mehr junge Menschen, die sich nach ihrer Rückkehr organisieren. Ob sich diese Tendenzen verstetigen, wird aber ganz wesentlich davon abhängen, ob sich die wirtschaftliche Lage in der Autonomen Region Kurdistan kurz- und mittelfristig verbessern wird (AA 12.2.2018).

 

Die Höhe einer Miete hängt vom Ort, der Raumgröße und der Ausstattung der Unterkunft ab. Außerhalb des Stadtzentrums sind die Preise für gewöhnlich günstiger. Die Miete für 250m2 in Bagdad liegt bei ca. 320 USD. In den Städten der kurdischen Autonomieregion liegt die Miete bei 300-600 USD für eine Zweizimmerwohnung. Der Kaufpreis eines Hauses oder Grundstücks hängt ebenfalls von Ort, Größe und Ausstattung ab. Während die Nachfrage nach Mietobjekten stieg, nahm die Nachfrage nach Kaufobjekten ab. Durchschnittliche Betriebskosten betragen pro Monat 15.000 IQD (Anm.: ca. 11 EUR) für Gas, 10.000-25.000 IQD (Anm.: ca. 7-18 EUR) für Wasser, 30.000-40.000 IQD (Anm.: ca. 22-29 EUR) für Strom (staatlich) und 40.000 IQD für private oder nachbarschaftlichen Generatorenstrom (IOM 13.6.2018).

 

Die lange Zeit sehr angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt wird zusehends besser im Land. Jedoch gibt es sehr viel mehr Kauf- als Mietangebote (GIZ 11.2018). Wohnen ist zu einem der größten Probleme im Irak geworden, insbesondere nach den Geschehnissen von 2003 (IOM 13.6.2018).

 

Die Immobilienpreise in irakischen Städten sind in den letzten zehn Jahren stark angestiegen (IEC 24.1.2018). Im Zuge des Wiederaufbaus nach dem IS stellt der Wohnungsbau eine besonders dringende Priorität dar (Reuters 12.2.2018). Im November 2017 bestätigte der irakische Ministerrat ein neues Programm zur Wohnbaupolitik, das mit der Unterstützung von UNHabitat ausgearbeitet wurde, um angemessenen Wohnraum für irakische Staatsbürger zu gewährleisten (UNHSP 6.11.2017). Öffentliche Unterstützung bei der Wohnungssuche besteht für Rückkehrer nicht (IOM 13.6.2018).

 

Quellen:

 

 

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pdf. Zugriff 17.10.2018

 

 

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ministry-construction-housing. Zugriff 17.10.2018

 

19. Dokumente und Staatsbürgerschaft

 

Die neuen irakischen Pässe enthalten einen maschinenlesbaren Abschnitt sowie einen 3D- Barcode und gelten als fälschungssicherer im Vergleich zu den Vorgängermodellen. v. a. können diese nur noch persönlich und nicht mehr durch Dritte beantragt werden. Die irakischen Botschaften haben erst vereinzelt begonnen. diese Pässe auszustellen (AA 12.2.2018).

 

Der irakische Personalausweis (Civil Status ID bzw. CSID oder National Identity Card) heißt auf Arabisch Bitaqa shakhsiya bzw. Bitaqa hawwiya (UKHO 9.2018; vgl. IRBC 25.11.2013). Die CSID- Karte ist gesetzlich vorgeschrieben und wird jedem irakischen Staatsbürger, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Irak, gegen Vorlage einer Geburtsurkunde ausgestellt. Sie gilt als das wichtigste persönliche Dokument und wird für alle Kontakte mit Behörden, dem Gesundheits- und Sozialwesen, Schulen, sowie für den Kauf und Verkauf von Wohnungen und Autos verwendet. Die CSID-Karte wird auch für die Beantragung anderer amtlicher Dokumente, wie z.B. Reisepässe, benötigt (UKHO 9.2018).

 

Jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, ist gegen Bezahlung zu beschaffen. Zur Jahresmitte 2014 tauchten vermehrt gefälschte Visaetiketten auf. Auch gefälschte Beglaubigungsstempel des irakischen Außenministeriums sind im Umlauf; zudem kann nicht von einer verlässlichen Vorbeglaubigungskette ausgegangen werden (AA 12.2.2018).

 

Laut Verfassung kann jede Person, die über zumindest einen irakischen Elternteil verfügt, irakischer Staatsbürger werden (USDOS 20.4.2018). Das irakische Staatsbürgerschaftsrecht ist jedoch widersprüchlich bezüglich der Möglichkeit der Weitergabe der Staatsbürgerschaft durch die Mutter. Einerseits bestehen Widersprüche zwischen der Verfassung und Teilen des Staatsbürgerschaftsgesetzes; außerdem ist das Staatsbürgerschaftsgesetz in sich selbst widersprüchlich. Wie auch die irakische Verfassung, besagt Artikel 3 des Nationalitätsgesetzes, dass sowohl Väter als auch Mütter die irakische Staatsbürgerschaft an ihre Kinder weitergeben können. Laut Artikel 4 des Nationalitätsgesetzes ist dies jedoch im Falle der Mutter, wenn das Kind im Ausland geboren ist, nur unter bestimmten Umständen (Vater unbekannt oder staatenlos) möglich. In der Praxis ist den Quellen zufolge die Weitergabe der irakischen Staatsbürgerschaft durch die Mutter an ihre im Ausland geboren Kinder, deren Väter nicht Iraker und auch nicht staatenlos oder unbekannt sind, nicht gewährleistet (BFA 8.8.2017).

 

Quellen:

 

 

stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 12.10.2018

 

 

Irak/Syrien: Staatsbürgerschaft Kind, Vater Syrer, Mutter Irakerin,

 

https://www.ecoi.net/en/file/l

ocal/1407773/5209_1502703961_syri-irak-ra-staatsbuergerschaft-

 

kind-vater-svrer-mutter-irakerin-2017-08-08-ke.doc. Zugriff 20.9.2018

 

 

 

Internal relocation, civil documentation and returns,

 

 

https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/

 

file/738200/Iraq_-_IFA_docs_and_return_-_CPIN - v7 September_2018_.pdf, Zugriff 17.10.2018

 

 

1.9. Zur den Konsequenzen für die Desertion vom Polizeidienst im Irak werden folgende Feststellungen unter Heranziehung der gegenüber dem BF offengelegten Quellen getroffen:

 

Anfragebeantwortung zum Irak vom 26.01.2018: Gesetzliche Bestimmungen, die für Desertion aus der Polizei eine Haftstrafe vorsehen; Festnahme bei der Einreise [a-10473] (Dokument #1431191 ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation)

 

Die schwedische staatliche Herkunftsländerdokumentationsstelle Lifos bemerkt in einem Bericht vom Jänner 2018, dass es gewisse Informationen zu illegalem Verlassen des Dienstes bzw. Desertion von der irakischen Polizei, jedoch nur wenige konkrete Berichte über Inhaftierungen von Deserteuren gebe (Lifos, 12. Jänner 2018, S. 4).

 

Der Internal Security Forces Penal Code aus dem Jahr 2008 (verfügbar in englischer Übersetzung vom Global Justice Project: Iraq, GJPI) enthält strafrechtliche Bestimmungen betreffend die Polizeikräfte des Irak.

 

Laut Artikel 5 dieses Gesetzbuchs sind Personen, die ihrer Abteilung oder ihrem Dienstort fernbleiben oder deren Urlaub länger als 15 Tage andauert, mit maximal sechsmonatiger Haft zu bestrafen. Bei wiederholtem Fernbleiben erhöht sich die Haftdauer auf maximal ein Jahr.

 

Gemäß Artikel 6 sind Personen, die während Unruhen oder eines Notstandes mehr als zehn Tage ihrem Dienstort fernbleiben, mit mindestens einem Jahr Haft zu bestrafen.

 

Gemäß Artikel 7 kann ein Hoher Disziplinarkommandeur (Senior Disciplinary Commander), bei dem es sich um den Innenminister oder eine von ihm ermächtigte Person handele, einem Polizisten das Gehalt für eine Dauer von maximal 15 Tagen abziehen, wenn bewiesen werden kann, dass dieser in gewöhnlichen Zeiten nicht länger als 15 Tage seinem Dienst fernblieb. Bei wiederholtem Fernbleiben ist der Polizist mit maximal 30-tägiger Haft zu bestrafen.

 

Al-Monitor, eine auf Berichterstattung zum Nahen Osten spezialisierte Medienplattform, schreibt in einem Artikel vom Dezember 2016, dass der irakische Parlamentsausschuss für Sicherheit und Verteidigung angekündigt habe, mit Beginn der Gesetzgebungsperiode 2017 die Umsetzung eines im Dezember 2016 beschlossenen Gesetzes zur Repatriierung von Personen, die aus der Armee, der Polizei oder den Sicherheitseinrichtungen entlassen oder (aus diesen Organisationen) geflohen oder deren Verträge beendet worden seien, zu überwachen.

 

Die private irakische Online-Zeitung Iraqi News berichtet im Mai 2015, dass der irakische Premierminister Haider al-Abadi erklärt habe, dass unter anderem gegen geflohene oder abwesende Mitglieder der Streitkräfte und der Sicherheitskräfte des Inneren keine rechtlichen Schritte mehr unternommen würden.

 

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 26. Jänner 2018)

 

ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Folgen einer Desertion von der irakischen Armee [a-9672], 3. Juni 2016

 

https://www.ecoi.net/de/dokument/1013360.html

 

(https://www.ecoi.net/de/dokument/1013360.html )

 

Al-Monitor: Why does Iraq want to bring back dismissed security forces?, 29. Dezember 2016

 

 

https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2016/12/repatriation-iraqi-soldiersisis

 

html

(https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2016/12/repatriation-iraqisoldiers-isis.html )

 

Internal Security Forces Penal Code (Irak) (übersetzt und veröffentlicht vom Global Justice Project: Iraq, GJPI), 2008

 

 

http://gjpi.org/wp-content/uploads/law-14-of-2008-internal-security-forces-penallaw

 

pdf

(http://gjpi.org/wp-content/uploads/law-14-of-2008-internal-security-forcespenal-law.pdf )

 

Iraqi News: Abadi pardons Iraqi military deserters and others, 17. Mai 2015

 

 

https://www.iraqinews.com/features/abadi-issues-pardon-including-militarydeserters/ (https://www.iraqinews.com/features/abadi-issues-pardon-includingmilitary-deserters/ )

 

Lifos: Iraq: Rule of Law in the Security and Legal system, 8. Mai 2014

 

https://landinfo.no/asset/2872/1/2872_1.pdf

 

(https://landinfo.no/asset/2872/1/2872_1.pdf )

 

Lifos/Landinfo: Irak - desertering, 12. Jänner 2018

 

https://lifos.migrationsverket.se/dokument?documentSummaryId=40781

 

 

(https://lifos.migrationsverket.se/dokument?documentSummaryId=40781 )

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vom BFA vorgelegten Verfahrensakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des BF und der im Gefolge seiner Einvernahme in Vorlage gebrachten Unterlagen (bspw. irakischer Staatsbürgerschaftsnachweis), die vom BF eingebrachten Erkenntnisquellen betreffend die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des BF sowie des Inhaltes der gegen den angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde, ferner durch Vernehmung des BF als Partei in der vor dem erkennenden Gericht am 30.11.2018 und am 17.01.2019 durchgeführten mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die vom BVwG in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen betreffend die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des BF und in die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des BFA vom 26.01.2018.

 

2.2. Der eingangs angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verfahrensakts des BFA, das ein mängelfreies und ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt hat.

 

Identität und Staatsangehörigkeit des BF sowie dessen persönliche und familiäre Lebensumstände im Herkunftsstaat und in Österreich ergeben sich aus den Angaben des BF gegenüber dem BFA und dem erkennenden Gericht, sie sind im Beschwerdeverfahren nicht strittig. Die Identität des BF wurde von diesem im Wege der Vorlage eines irakischen Identitätsdokumentes im Original (Staatsbürgerschaftsnachweis) hinreichend dargetan.

 

2.3. Die getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat und zu den gesetzlichen Bestimmungen im Falle einer Desertion aus dem Polizeidienst im Irak ergeben sich aus den vom BVwG herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen, welche den Verfahrensparteien zur Stellungnahme übermittelt und in der mündlichen Verhandlung erörtert wurden. Zur Sicherstellung der notwendigen Ausgewogenheit in der Darstellung wurden Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt. In Anbetracht der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild zeichnen, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

 

Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem BVwG von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

 

Der BF ist den ihm mit Schreiben vom 20.11.2018 und vom 03.12.2018 zur Stellungnahme übermittelten und in der mündlichen Verhandlung am 30.11.2018 und am 17.01.2019 erörterten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage im Irak und zu den gesetzlichen Bestimmungen, die für Desertion aus der Polizei eine Haftstrafe vorsehen, nicht substantiiert entgegengetreten.

 

2.4. Eine besondere Auseinandersetzung mit der Schutzfähigkeit bzw. Schutzwilligkeit des Staates einschließlich diesbezüglicher Feststellungen ist nur dann erforderlich, wenn eine Verfolgung durch Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen festgestellt wird (vgl. VwGH 2.10.2014, Ra 2014/18/0088). Da der BF jedoch nach Auffassung des erkennenden Gerichtes keine von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehende Verfolgung zu gewärtigen hatte, sind spezifische Feststellungen zum staatlichen Sicherheitssystem sowie zur Schutzfähigkeit bzw. Schutzwilligkeit im Herkunftsstaat nicht geboten.

 

2.5. Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der Glaubhaftmachung im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinn der Zivilprozessordnung zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der hierzu geeigneten Beweismittel, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers, voraus (vgl. VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0058 mwN). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt ebenso wie die Beweisführung den Regeln der freien Beweiswürdigung (VwGH 27.05.1998, Zl. 97/13/0051). Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus (VwGH 24.2.1993, Zl. 92/03/0011; 01.10.1997, Zl. 96/09/0007).

 

Im Falle der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers sind positive Feststellungen von der Behörde nicht zu treffen (VwGH 19.03.1997, Zl. 95/01/0466).

 

Im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit von Angaben eines Asylwerbers hat der Verwaltungsgerichtshof als Leitlinien entwickelt, dass es erforderlich ist, dass der Asylwerber die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294) und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 05.04.1995, Zl. 93/18/0289). Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, genügt zur Dartuung von selbst Erlebtem grundsätzlich nicht. Der Asylwerber hat im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage und allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert wahrheitsgemäß darzulegen (VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069; 30.11.2000, Zl. 2000/01/0356). Im Falle der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers sind positive Feststellungen von der Behörde nicht zu treffen (VwGH 19.03.1997, Zl. 95/01/0466).

 

Es entspricht ferner der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wenn Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes beziehungsweise Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens bzw. der niederschriftlichen Einvernahmen unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, Zl. 95/20/0650). Die Unkenntnis in wesentlichen Belangen indiziert ebenso mangelnde Glaubwürdigkeit (VwGH 19.03.1997, Zl. 95/01/0466).

 

Das Bundesverwaltungsgericht ist nicht an die verwaltungsbehördliche Beweiswürdigung gebunden. Hat die Verwaltungsbehörde bereits Feststellungen getroffen und geht das Verwaltungsgericht von diesen ab, so ist dies zulässig, wenn alle entsprechenden und maßgeblichen Beweise aufgenommen und in der Beweiswürdigung darlegt wird, weshalb das Verwaltungsgericht zu anderen Feststellungen gelangt ist (VwGH 01.03.2016, Ra 2015/11/0106).

 

2.6. Unter Berücksichtigung der vorstehend angeführten Rechtsprechung gelangt das Bundesverwaltungsgericht aus nachstehenden Erwägungen zu den unter Punkt 1.2. getroffenen Feststellungen:

 

Dem BF ist es nicht gelungen, ein asylrelevantes Vorbringen glaubwürdig und in sich schlüssig darzulegen.

 

Wie sich aus der Erstbefragung und der Einvernahme im Verfahren vor der belangten Behörde, aus der Beschwerde und aus der Befragung in der (fortgesetzten) mündlichen Verhandlung ergibt, hatte der BF im gesamten Verfahren ausreichend Zeit und Gelegenheit, seine Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel im Original vorzulegen. Im Übrigen wurde der BF von der belangten Behörde und vom erkennenden Gericht auch zur umfassenden und detaillierten Angabe von Fluchtgründen und zur Vorlage von allfälligen Beweismitteln aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt.

 

Auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung kann davon ausgegangen werden, dass der BF grundsätzlich in der Lage sein muss, umfassende und inhaltlich übereinstimmende Angaben zu den konkreten Umständen und dem Grund der Ausreise aus dem Herkunftsstaat zu machen, zumal eine Person, die aus Furcht vor Verfolgung ihren Herkunftsstaat verlassen hat, gerade in ihrer ersten Einvernahme auf konkrete Befragung zu ihrer Flucht die ihr gebotene Möglichkeit wohl kaum ungenützt lassen wird, die genauen Umstände und Gründe ihrer Flucht in umfassender und in sich konsistenter Weise darzulegen, um den beantragten Schutz vor Verfolgung auch möglichst rasch erhalten zu können. Es entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine mit Vernunft begabte Person, die behauptet, aus Furcht vor Verfolgung aus ihrem Herkunftsstaat geflüchtet zu sein, über wesentliche Ereignisse im Zusammenhang mit ihrer Flucht, die sich im Bewusstsein dieser Person einprägen, selbst nach einem längeren Zeitraum noch ausreichend konkrete, widerspruchsfreie und nachvollziehbare Angaben machen kann.

 

Auch wenn die Angaben zur Existenz bzw. zum Verbleib des Reisepasses gegenständlich nicht zum Kernpunkt der Glaubhaftmachung des vom BF dargelegten "Fluchtgrundes" gehören, vermögen diese doch einen Einblick in seine Persönlichkeitsstruktur, im Hinblick auf die Bereitschaft im gegenständlichen Antragsverfahren unrichtige Angaben zu machen, zu verschaffen. Dies insbesondere im Hinblick darauf, da zu Beginn des Verfahrens bzw. auch später vor der Einvernahme beim Bundesamt ein Antragsteller dahingehend ausdrücklich belehrt wird, nur wahrheitsgemäße Angaben zu machen und dass unwahre Angaben nachteilige Folgen im Verfahren nach sich ziehen können.

 

In der Erstbefragung gab der BF an, legal mit seinem Reisepass aus dem Irak ausgereist zu sein und diesen im Meer verloren zu haben. In der Einvernahme beim Bundesamt hingegen gab der BF an, dass er nie einen Reisepass besessen habe. In der Beschwerde wiederum wurde ausgeführt, der BF sei nicht legal, sondern mit Hilfe eines Schleppers ausgereist und habe nie einen Reisepass besessen, sondern lediglich einen Personalausweis, der vom Passamt ausgestellt worden sei. Ein Personalausweis wurde weder im Verfahren vorgelegt noch wurden Angaben dazu getätigt wo sich der Personalausweis befindet.

 

Die sich dabei abzeichnende Bereitschaft eines Menschen zu Falschaussagen ist auch geeignet bei der Beurteilung der anderen antragsbegründenden Aussagen im Hinblick Glaubhaftigkeit einzufließen bzw. Berücksichtigung zu finden (vlg.

Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 4. Auflage, S 53).

 

Widersprüchlich sind auch die Angaben des BF zum Umzug seines Vaters und der ältesten Schwester des BF. So gab der BF gegenüber dem BFA zunächst an, die Polizei habe aufgrund der gegen ihn erlassenen Haftbefehle zweimal beim BF zu Hause, somit bei seinem Vater und der Schwester nach ihm bzw. seinem Aufenthaltsort gefragt und seien der Vater und die Schwester in weiterer Folge im Bezirk umgezogen, damit sie nicht weiter belästigt werden. Weitere Vorfälle oder Befragungen der Familienmitglieder durch die Polizei erwähnte der BF im Verfahren nicht. Gegenüber dem erkennenden Gericht gab der BF am 30.11.2018 an, dass sein Vater und seine älteste Schwester noch in dem Haus leben in dem der BF mit ihnen gemeinsam gelebt hat und erwähnte weder einen angeblichen Umzug aufgrund der Belästigungen durch die Polizei noch eine allfällige Rückkehr.

 

2.7. Das BVwG tritt ferner der Beweiswürdigung des BFA insoweit bei, als im angefochtenen Bescheid darauf verwiesen wird, dass der BF in seiner Erstbefragung als Ausreisegrund noch seit 2007 bestehende Probleme mit Kollegen sowie Mobbing und Verfolgung aufgrund seines sunnitischen Glaubensbekenntnisses angab und eine geplante Versetzung zur Bekämpfung des IS mit keinem Wort erwähnte. Erst in seiner Einvernahme vor dem BFA gab der BF eine im August 2015 geplante Versetzung als Fluchtgrund an.

 

Ungereimtheiten zwischen den Angaben eines Asylwerbers vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und jenen vor einem Organwalter der belangten Behörde sind zwar mit Blick auf das Erkenntnis des VfGH vom 27.06.2012, U 98/12, differenziert zu beurteilen. In dieser Entscheidung hielt der VfGH im Zusammenhang mit einem psychisch angeschlagenen und von den Strapazen der Schleppung gezeichneten jugendlichen Afghanen, der über traumatische Ereignisse aus seiner Kindheit berichtete, fest, dass gerade diese Umstände besonders zu berücksichtigen sind. Konkret wurde festgehalten, dass das entscheidende Gericht bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zur umfassenden Auseinandersetzung mit allen relevanten Gesichtspunkten verpflichtet ist. Dazu gehört beispielsweise auch seine psychische Gesundheit, bei deren Beeinträchtigung ein großzügigerer Maßstab an die Detailliertheit seines Vorbringens zu legen ist (VfSlg. 18.701/2009). Auch das Alter und der Entwicklungsstand des Beschwerdeführers sind zu berücksichtigen.

 

Hierbei ist festzuhalten, dass von einem volljährigen und gesunden Antragsteller grundsätzlich zu erwarten ist, dass er seine Ausreisegründe zumindest in den Eckpunkten und bei der ersten Möglichkeit sich hiezu zu äußern wahrheitsgemäß angibt und in weiterer Folge auch bei den jeweiligen Befragungen in den Grundzügen damit übereinstimmend vorträgt. Dies ist dem BF nicht gelungen, da der im weiteren Verlauf des Verfahrens angeführte Fluchtgrund "geplante Versetzung" in der Erstbefragung überhaupt nicht erwähnt wurde, obwohl der BF seine Stellung als Polizist und Mobbing durch die Kollegen aufgrund seines Religionsbekenntnisses angab.

 

Das BVwG verkennt nicht, dass sich die Erstbefragung § 19 Abs. 1 AsylG 2005 zufolge nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat und gegen eine unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen Bedenken bestehen (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0061 mwN). Dennoch fällt im gegenständlichen Fall ins Gewicht, dass der BF bei der Erstbefragung lediglich Probleme mit Kollegen aufgrund seines sunnitischen Glaubensbekenntnisses angab. Die drohende Versetzung um gegen den IS zu kämpfen erwähnte der BF mit keinem Wort, sondern gab darüber hinaus an, dass er bereits 2007 beschlossen habe seinen Heimatstaat zu verlassen. Die Angaben des BF bei der Erstbefragung sprechen dafür, dass sich im Irak im August 2015 keine ausreisekausalen Vorfälle ereigneten. Selbst wenn die Erstbefragung keine detaillierte Aufnahme des Ausreisegrundes umfasst, wäre dennoch aus Sicht des BVwG zu erwarten, dass vom Asylwerber nicht angeblich ausreisekausale Vorfälle dargelegt werden, welche in der Folge nicht mehr oder gänzlich anders präsentiert werden. Die im gegenständlichen Fall nicht stringente Darlegung solch eigenen Erlebnissen bei der Erstbefragung weckt Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des BF zu den ausreisekausalen Ereignissen. Die vom BF dazu vorgetragenen Erklärungen überzeugen nicht. Auch wenn er von der Möglichkeit einer späteren ausführlicheren Darlegung der Ereignisse ausging, ist dennoch nicht zu erwarten, dass die eigentlichen Ausreisegründe (Versetzung) gar nicht erwähnt wird.

 

2.8. Das Vorbringen des BF zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates und zu seiner Situation im Fall einer Rückkehr in den Irak (Fluchtgründe) erweist sich aus den folgenden Erwägungen als nicht glaubhaft:

 

2.8.1. Bei der Erstbefragung gab der BF an seinen Herkunftsstaat verlassen zu haben, da er 24 Jahre bei der Polizei gearbeitet und seit 2007 Probleme mit seinen Kollegen habe, weil er Sunnit sei. Er sei gemobbt und verfolgt worden. Da er diese Belastung nicht mehr ausgehalten habe, habe er den Irak verlassen. Er habe bereits im Jahr 2007 beschlossen auszureisen.

 

Im Verlauf des Asylverfahrens fokussierte sich der BF auf die von ihm erstmals in der Einvernahme vor dem BFA vorgebrachte beabsichtigte Versetzung, die Desertion vom Polizeidienst und den damit einhergehenden Rechtsfolgen im Irak, welche seinem Vorbringen zufolge in der Ausstellung von zwei Haftbefehlen im November 2015 mündete.

 

Bei seiner Einvernahme vor dem BFA gab der BF an seinen Heimatstaat verlassen zu haben, da er mit 49 anderen Angestellten in die Provinz AL-SAMMARA versetzt werden hätte sollen, um gegen den IS zu kämpfen. Die Versetzung sei aufgrund seiner sunnitischen Religionszugehörigkeit erfolgt.

 

In der Beschwerde führte der BF ergänzend an, dass der Hintergedanke der Versetzung gewesen sei, dass er und seine Kollegen zuvor noch in ein Ausbildungslager geschickt werden sollten, um dann die Freiwilligen [im Kampf gegen den IS] zu koordinieren und anzuführen.

 

Bei der mündlichen Verhandlung am 30.11.2018 gab der BF zunächst an, er habe bei den bisherigen Einvernahmen alles erwähnt, es sei ihm aber nicht mehr ganz so in Erinnerung, und bestätigte, dass der Grund für seine Ausreise die bevorstehende Versetzung gewesen sei. Auf Vorhalt, warum ausgerechnet er, der im Innendienst beschäftigt gewesen und im Umgang mit den neuen Waffen nicht vertraut gewesen sei, zum Kampf gegen den IS abkommandiert werden sollte, gab der BF keine Antwort sondern gab ausschweifend an, dass nach dem Sturz von Saddam Hussein im Jahr 2003 die Milizen das Land regierten und diese Zwietracht unter den Sunniten schüren wollten. Auf die Wiederholung der Frage gab der BF an, dass auch andere Sunniten abkommandiert worden wären, um gegen "ihr eigenes Volk" zu kämpfen. Auf Vorhalt, dass er angegeben habe gegen den IS kämpfen hätte sollen, und nicht gegen "sein eigenes Volk" gab der BF an, dass der IS in sunnitische Gegenden eingerückt sei und diese sunnitischen Gegenden zerstört habe. Auf abermaligen Vorhalt gab der BF an, dass das Problem gewesen sei, dass er nie eine Waffe getragen habe und auf dem Schlachtfeld nicht erkennen hätte können, wer Feind und wer Freund sei. Im Falle einer Rückkehr fürchte der BF ins Gefängnis zu kommen, da er desertiert sei und im Gefängnis getötet zu werden, da er nicht gegen den IS gekämpft habe. Er habe Angst vor der Regierung und den Milizen. Im Irak kenne jeder Jeden und wisse man je nach Gegend wer Schiit und Sunnit sei.

 

2.8.2. Das Vorbringen, dass der BF als Innendienstmitarbeiter einer Polizeiakademie, dessen Praxisausbildung beinahe 25 Jahre her ist und der in den 24 Jahren seines Polizeidienstes - trotz üblicherweise stattfindender Vorrückung - keinen höheren Dienstgrad erhalten hat, versetzt werden hätte sollen, um gegen den IS zu kämpfen bzw. ohne jegliche Erfahrung im Außendienst bzw. im Gefecht oder als Ausbildner, Freiwillige ausbilden und im Kampf anführen hätte sollen, stellt sich als nicht glaubwürdig dar und steht ferner nicht mit dem erhobenen realen Hintergrund im Herkunftsstaat im Einklang.

 

Weder aus kriegstaktischen Gründen noch unter Einbeziehung der allgemeinen Lebenserfahrung ist nachvollziehbar, dass Personen, ohne jegliche (militärische) Führungsausbildung oder -erfahrung, die - wie der BF - bislang in der Verwaltung einer Polizeiakademie gearbeitet haben, herangezogen werden, um nach kurzer Ausbildung militärische Laien im Gefecht anzuführen und zu koordinieren, zumal derart komplexe Aufgaben eine entsprechende Offiziersausbildung erfordern. Selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass mit dem Erstarken des IS viele Berufssoldaten und Polizisten aus dem Dienst desertiert sind, scheint es nicht nachvollziehbar, dass ausgerechnet Verwaltungspersonal, das zuletzt vor über 20 Jahren eine praktische Ausbildung erhalten hat und im Umgang mit neueren Waffen überhaupt nicht vertraut ist, als Führungskräfte verwendet wurde, zumal die Koordination von Angriffen und die Truppenführung, insbesondere von militärischen Laien, jedenfalls spezielle militärische Führungskompetenz mit entsprechendem Fachwissen erfordert.

 

Auch unter Berücksichtigung der zeitlichen Komponente, dass sich der Großteil der Freiwilligen bereits nach dem Aufruf des führenden irakischen schiitischen Gelehrten Großayatollah Ali al-Sistani im Juni 2014 meldete, und dem Umstand, dass nach den getroffenen Feststellungen sich die Freiwilligen vorrangig nicht der Armee oder Polizei, sondern den Milizen anschlossen, ist das Vorbringen des BF nicht schlüssig. Da es nach "Auflösung" der irakischen Armee bzw. ihres "Zerbröckelns" im Sommer 2014 und dem Aufruf des Großayatollah al-Sistani zur Gründung zahlreicher Milizen und dem Wiedererstarken älterer schiitischer Milizen kam ist weder davon auszugehen, dass die Milizen - in militärischer Sicht - unerfahrene und unqualifizierte Innendienstmitarbeiter der Polizei als Führungskräfte "ihrer" Freiwilligen akzeptierten noch, dass im Herbst 2015 eine Versetzung von Polizeimitarbeiten mit anschließender Ausbildung zu Führungskräften zeitlich noch sinnvoll wäre.

 

Bei vernetzter Betrachtung der Angaben des BF kann eine stringente Darlegung eines ausreisekausalen Vorfalls jedenfalls nicht erkannt werden. Zumal der BF angab, bereits 2007 beschlossen zu haben den Irak zu verlassen, er es nach seinen eigenen Angaben kaum bei der Polizei aushielt und sich nur auf Zwang seiner Familie für den Polizeidienst gemeldet hatte.

 

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes hat der BF Bagdad neben wirtschaftlichen Gründen verlassen, da sich die Sicherheitslage angesichts des Herannahens der Milizen des Islamischen Staates verschlechterte und der BF fürchtete, als Polizist in Kampfhandlungen mit den Milizen des Islamischen Staates verwickelt zu werden. Der BF gab an nicht gegen den IS kämpfen zu wollen, da seiner Ansicht nach die Regierung verantwortlich für den Einmarsch des IS in den Irak sei. Eine individuelle Bedrohung des BF vor dessen Ausreise ist indes aus den vorstehend erörterten Gründen nicht glaubhaft. Eine aufgrund persönlicher Verfolgung im Herkunftsstaat notwenige Ausreise wird mit einem derartigen Vorbringen jedenfalls nicht dargetan.

 

2.8.3. Der BF vermochte im Verfahren glaubhaft machen, dass er im Irak als Polizist gearbeitet hat. Aufgrund der stringenten Darlegung seines Eintrittes in den Polizeidienst, seiner Ausbildung und seiner Aufgaben an der Akademie in Bagdad und der im Verfahren in Vorlage gebrachten Urkunden ist nach Auffassung des BVwG glaubhaft, dass der BF im Lager der Polizeiakademie in Bagdad gearbeitet hat und für die Verteilung von Kleidung und die Reinigung des Lagers zuständig war.

 

Unstrittig ist es möglich den Dienst bei der Polizei zu kündigen. Es bedurfte und bedarf also keiner Desertion, wenn man nicht mehr bei der Polizei arbeiten möchte.

 

2.8.4. Der BF behauptet, dass er sich unerlaubt vom Dienst bei der Polizei entfernt habe, um einer Versetzung zu entgehen, und werde deshalb nach ihm gefahndet. Es bestünden zwei Haftbefehle und es drohe ihm wegen der Desertion von der Polizei eine Haftstrafe.

 

Es ist gerichtsnotorisch, dass irakische Bescheinigungsmittel einer besonderen Aufmerksamkeit hinsichtlich der Beurteilung ihrer Authentizität bedürfen und somit per se nicht als unbedenklich gelten können. Die lediglich in Kopie als Ausdruck von Facebook vorgelegten Haftbefehle reichen jedoch nicht aus um festzustellen, dass im Irak tatsächlich Haftbefehle wegen Desertion gegen den BF erlassen wurden oder die für eine solche Straftat vorgesehenen Rechtsfolgen im Irak bereits eintraten. Da es sich bei den Ausdrucken nicht um Originale bzw. - wie vom BF behauptet - im Irak an die Polizeistationen übermittelte Unterlagen handelt, ist eine weitergehende Überprüfung auf ihre Authentizität ausgeschlossen.

 

Aufgrund der Vielzahl an Desertionen nach dem Einmarsch des IS in den Irak wurde nicht jeder Fall tatsächlich verfolgt bzw. führte zu einer strafrechtlichen Verfolgung. Im Kontext der Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak und bei näherer Durchsicht der auch auf vom BF aufgezeigten Berichten zur Lage im Irak fällt auf, dass Desertion während der Zeit des Vorrückens der Milizen des Islamischen Staates ein massenhaftes Phänomen bei den irakischen Sicherheitskräften war. Eine Verfolgung, Bestrafung und Hinrichtung sämtlicher Deserteure erscheint schon deshalb unwahrscheinlich. Die herangezogenen Quellen verdeutlichen ferner, dass angesichts der massenhaften Desertionen auch Bestrebungen für eine Amnestie vorhanden waren bzw. sind. Aus den amtswegigen Ermittlungen des BVwG, konkret aus einer Anfragebeantwortung von ACCORD, "Gesetzliche Bestimmungen die für Desertion aus der Polizei eine Haftstrafe vorsehen", vom 26.01.2018, wird von der privaten irakischen Online-Zeitung Iraqi News am 17.05.2015 berichtet, dass der irakische Premierminister Haider al-Abadi erklärt hat, dass unter anderem gegen geflohene oder abwesende Mitglieder der Streitkräfte und der Sicherheitskräfte des Inneren keine rechtlichen Schritte mehr unternommen würden. Die Haftbefehle wurden demnach nach der Bekanntgabe am 29.05.2015 ausgestellt und widerspricht dies den Angaben des Premierministers. Der - den Verfahrensparteien zu Gehör gebrachten - Berichtslage lässt sich nicht konkret entnehmen, dass es entgegen dieser Anweisung des Premierministers zu Verfolgungshandlungen wegen unerlaubter Abwesenheit gekommen wäre oder aktuell aufgenommen würde.

 

Dass der BF sich dem Dienst bei der irakischen Polizei entzogen hat, um der Teilnahme an völkerrechtswidrigen Militäraktionen zu entgehen, wurde nicht vorgebracht und kann dementsprechend nicht festgestellt werden. Wie vorstehend bereits erörtert verließ der BF Bagdad, da sich die Sicherheitslage angesichts der Gegenoffensive der Regierung verschlechterte und der BF fürchtete, als Polizist in Kampfhandlungen mit den Milizen des Islamischen Staates verwickelt zu werden. Eine über die Furcht, aufgrund der dienstlichen Stellung als Polizist an Kampfhandlungen teilnehmen zu müssen und dort allenfalls zu Schaden zu kommen hinausgehende Motivation des BF seine Dienststelle zu verlassen, kann das BVwG nicht erkennen. Auch eine drohende Versetzung aufgrund seines sunnitischen Religionszugehörigkeit ist nicht erkennbar, zumal nach Angaben des BF Sunniten und Schiiten versetzt worden sollten. Dass der BF als sunnitischer Moslem - in Falle eine Desertion - strenger bestraft werden wurde, wurde nicht vorgebracht und es bieten die herangezogenen länderkundlichen Informationen auch keinen Hinweis auf eine derartige Praxis. Im Hinblick auf die Befürchtung des BF, er werde im Gefängnis getötet werden, da er sich geweigert habe gegen den IS zu kämpfen, handelt es sich zunächst um eine rein subjektive Befürchtung des BF, welche sich weder in konkreten Ereignissen manifestierte, noch in herangezogenen Informationen zur Lage im Irak Deckung findet. Der BF verabsäumt es ferner, seine allgemein formulierte Befürchtung im Hinblick auf fallbezogene Folgen zu konkretisieren.

 

Die Todesstrafe ist im irakischen Strafgesetzbuch für die inneren Sicherheitskräfte Nr. 14/2008 für das unerlaubte Fernbleiben vom Dienst und der nachfolgenden Ausreise in einen anderen Staat jedenfalls nicht vorgesehen. Auch im - die strafrechtlichen Bestimmungen für irakische Polizeikräfte enthaltenen - Internal Security Forces Penal Code aus dem Jahr 2008 ist die Todesstrafe nicht vorgesehen (Höchststrafe mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe [Art 6]).

 

Jedenfalls ist aus Sicht des BVwG nicht davon auszugehen, dass im Fall einer Rückkehr gerade der BF der Todesstrafe unterzogen würde. Ebenso kann aus dem Vorbringen keine anderweitige individuelle Gefährdung des BF durch drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe abgeleitet werden.

 

2.9. Die Feststellungen betreffend die nicht vorhandene politische Betätigung des BF beruhen auf seinen diesbezüglichen Angaben im gesamten Verfahren. Schwierigkeiten aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder seines religiösen Bekenntnisses vor der Ausreise brachte der BF nicht substantiiert vor, insbesondere führte er keine als ausreisekausal bezeichneten Ereignisse ins Treffen, welche seine Volksgruppenzugehörigkeit oder sein religiöses Bekenntnis betreffen würden.

 

2.10. Befragt nach seinen Rückkehrbefürchtungen gab der BF an, er habe Angst vor der Regierung und den (schiitischen) Milizen (Verhandlungsprotokoll vom 30.11.2018, Seite 10).

 

Für eine solche Gefährdung durch schiitische Milizen fehlt indes jeglicher Anhaltspunkt, zumal die Familie des BF weiterhin in Bagdad blieb und der Vater und die älteste Schwester des BF nach wie vor in dem Haus leben in dem der BF vor seiner Ausreise gelebt hat. Zwei Brüder des BF und eine Schwester des BF leben problemlos in einem sunnitischen Viertel in dem es laut Angaben des BF ein "sunnitisches Zentrum des Imam ABU HANIFA AL-NOUMAN" [Abu Hanifa Moschee] gibt. Der Familie des BF geht es gut.

 

Darüber hinaus fehlen greifbare Anhaltspunkte dafür, dass überhaupt irgendwelche Personen im Irak jemals den Vorsatz fassten, den BF im Rückkehrfall zu töten. Diesbezügliche Drohungen erhielt der BF nämlich zu keinem Zeitpunkt, weder vor der Ausreise noch danach. Ferner brachte der BF auch keine persönlichen Erlebnisse vor, die seine Vermutung untermauern würden. Die Befürchtungen des BF können somit nur als unbegründet erachtet werden.

 

2.11. Das BVwG verkennt im Hinblick auf die Sicherheitslage in Bagdad nicht, dass Bagdad fast täglich Schauplatz von Anschlägen und Gewaltakten ist und ausweislich der statistischen Daten zu den unsicheren Provinzen gehört. Der aktuellen Berichterstattung folgend gehen Anschläge in Bagdad in erster Linie vom Islamischen Staat aus und richten sich im Wesentlichen gegen die schiitische Bevölkerung und staatliche Sicherheitskräfte, wobei Anschläge vorzugsweise an öffentlichen Orten mit großen Menschenansammlungen (wie etwa Moscheen oder Märkte bzw. Einkaufszentren) oder an Checkpoints der Sicherheitskräfte verübt werden.

 

Risikoerhöhende Umstände im Hinblick auf die Person des BF, welche zu einer im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung stark erhöhten Gefährdung durch terroristische Aktivitäten hindeuten würden, wurden im Verfahren nicht vorgebracht. Aus Sicht des BVwG kann ferner in Anbetracht der zu den Feststellungen zur Sicherheitslage im Irak dargestellten Gefahrendichte nicht erkannt werden, dass schon aufgrund der bloßen Präsenz des BF in Bagdad davon ausgegangen werden muss, dass dieser wahrscheinlich das Opfer eines Anschlages werden würde. Im Übrigen finden in Bagdad offene Kampfhandlungen nicht statt und ist die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle sowie der dabei getöteten Zivilisten im Zeitraum Jänner 2015 bis Juni 2017 stetig (weiter) gesunken, sodass von einer weiteren Stabilisierung der Sicherheitslage ausgegangen werden kann. In Anbetracht der Bevölkerungszahl im Gouvernement Bagdad kann noch nicht die reale Gefahr erkannt werden, dass auch der BF im Fall einer Rückkehr nach Bagdad terroristischen Anschlägen zum Opfer fallen würde oder er im Vergleich zu anderen Zivilpersonen besonders gefährdet wäre.

 

2.12. Die weiteren Feststellungen unter Punkt 1.3. beruhen schließlich auf den Angaben des BF zu dessen Lebenslauf in der mündlichen Beschwerdeverhandlung, in der Einvernahme vor dem BFA. Der BF ist in Bagdad geboren und aufgewachsen und mit der Sprache sowie den Gebräuchen in seinem Herkunftsstaat vertraut.

 

Er hat in Bagdad eine grundlegende Schulbildung konsumiert und gearbeitet. Da der BF vor seiner Ausreise mit seinem Vater und seiner Schwester lebte und diese nach wie vor dasselbe Haus bewohnen, kann davon ausgegangen werden, dass der BF im Rückkehrfall neuerlich Aufnahme bei seiner Familie finden wird und auch Unterstützung in Form der Zurverfügungstellung von Nahrung vorfinden wird, bis er sein Auskommen durch eigene Erwerbstätigkeit bestreiten kann. Da er nach wie vor über eine Vielzahl an Verwandten (Vater, zwei Brüder, drei Schwestern) im Irak verfügt wird der BF auch sozialen Anschluss im Irak vorfinden. Unabhängig davon vertritt das BVwG die Auffassung, dass der BF selbst in der Lage ist, für ein eigenes Auskommen im Fall der Rückkehr nach Bagdad zu sorgen. Der BF verfügt nach seinen glaubwürdigen Angaben über 24 Jahre Berufungserfahrung als Lagerarbeiter und ist daher davon auszugehen, dass dem im Entscheidungszeitpunkt 43-jährigen BF trotz der angespannten Situation am irakischen Arbeitsmarkt auch weiterhin gelingen wird für sein Auskommen zu sorgen.

 

Soweit Feststellungen zur Integration und zu Aktivitäten des BF in Österreich getroffen werden, ergeben sich diese ergänzend zu den insoweit wiederspruchfreien und plausiblen Angaben des BF.

 

Dass Rückkehrer aus dem westlichen Ausland besonders vulnerabel wären, kann den zur Rückkehr getroffenen Feststellungen zur Lage im Irak nicht entnommen werden. Seitens des BF wurde letztlich auch nicht vorgebracht, im Rückkehrfall in eine ausweglose Lage zu geraten oder in seinen Grundbedürfnissen nicht abgesichert zu sein, sodass insgesamt eine gesicherte Existenzgrundlage im Irak als erwiesen anzusehen ist.

 

Soweit hinsichtlich des Gesundheitszustandes die Feststellung getroffen wird, dass der BF gesund und arbeitsfähig ist, gründet sich dies auf den glaubhaften Ausführungen des BF in der mündlichen Verhandlung. Ferner brachte der BF keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen vor und legte im Verfahren eine Einstellungszusage vor. Der BF ist somit jedenfalls als arbeitsfähig und -willig anzusehen.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu Spruchteil A):

 

3.1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.)

 

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention), droht.

 

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185; 12.11.2014, Ra 2014/20/0069 mwN).

 

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/19/0459). Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in seinem Heimatstaat Verfolgung zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233 mwN). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183; 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

 

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

 

3.1.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des BF, im Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist:

 

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

 

Im gegenständlichen Fall gelangt das erkennende Gericht aus oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich erörterten Gründen zum Ergebnis, dass der BF keiner individuellen Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt war oder im Fall der Rückkehr ausgesetzt wäre, sodass internationaler Schutz nicht zu gewähren ist. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100). Ferner liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem BF eine über die allgemeinen Gefahren der im Irak gebietsweise herrschenden bürgerkriegsähnlichen Situation hinausgehende Verfolgung droht.

 

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass bestehende schwierige Lebensumstände allgemeiner Natur hinzunehmen sind, weil das Asylrecht nicht die Aufgabe hat, vor allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die etwa in Folge des Krieges, Bürgerkrieges, Revolution oder sonstiger Unruhen entstehen, ein Standpunkt den beispielsweise auch das UNHCR-Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft in Punkt 164 einnimmt (VwGH 14.03.1995, Zl. 94/20/0798).

 

3.1.3. In Hinblick auf das Vorbringen des BF, dass er vom Polizeidienst desertiert sei, zwei Haftbefehle gegen ihn ausgestellt worden seien, die Gefahr einer mehrjährigen Haftstrafe bestehe und er fürchte im Gefängnis bzw. von schiitischen Milizen getötet zu werden, ist festzuhalten:

 

Eine wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung wird vom Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich nicht als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention angesehen (VwGH 30.11.1992, Zl. 92/01/0718; 21.04.1993, Zlen. 92/01/1121, 1122). Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Auffassung auch in Fällen vertreten, in denen in den betroffenen Heimatstaaten Bürgerkrieg, Revolten oder bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen stattgefunden haben (vgl. VwGH 30.11.1992, Zl. 92/01/0789, betreffend Somalia, und Zl. 92/01/0718, betreffend Äthiopien, vom 08.04.1992, Zl. 92/01/0243, und vom 16.12.1992, Zl. 92/01/0734, sowie vom 17.02.1993, Zl. 92/01/0784, alle betreffend die frühere Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien).

 

Der Verwaltungsgerichtshof erkennt ferner in ständiger Rechtsprechung, dass die Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen kann, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen - wie etwa bei Anwendung von Folter - jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwangs zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine bloße Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (VwGH 27.02.2017, Ra 2016/18/0203 mwN).

 

Hinweise darauf, dass das der BF im Fall des weiteren Verbleibes an seiner Dienststelle an völkerrechtswidrigen Militäraktionen teilnehmen hätte müssen, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Die getroffenen Feststellungen bieten ferner keine Anhaltspunkte dafür, dass der BF bei einer Rückkehr zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen gezwungen werden könnte oder er wegen seiner politischen oder religiösen Überzeugungen desertiert wäre. Der drohenden Sanktion fehlt aus Sicht des BVwG auch nicht jede Verhältnismäßigkeit im Sinne der zitierten Rechtsprechung. Polizeieinheiten im Irak (Bundespolizei und Provinzpolizei) sind wie die irakische Armee Teileinheiten der irakischen Sicherheitskräfte (Iraqi Security Forces [ISF]). Ein Polizist im Irak muss als Angehöriger der Iraqi Security Forces auch damit rechnen, zu Kampfeinsätzen herangezogen zu werden. Ausweislich der getroffenen Feststellungen zur Sicherheitslage im Irak spielt die Polizei bei militärischen Einsätzen eine wichtige Rolle. Dass die irakische Rechtsordnung für das unbefugte Verlassen des Polizeidienstes daher eine strenge Strafe vorsieht, ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes angesichts der Organisation der Iraqi Security Forces und der Sicherheitslage im Irak nicht unverhältnismäßig. Hierbei ist festzuhalten, dass auch das österreichische Militärstrafgesetzbuch im Fall der Desertion eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren als Sanktion vorsieht (§ 9 Abs. 1 Militärstrafgesetz). Dass eine vergleichbare Tat in Österreich straffrei wäre, trifft demgemäß nicht zu.

 

Unter Berücksichtigung soeben genannter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann selbst bei Wahrunterstellung des Fluchtvorbringens des BF, dass wegen Desertion vom Polizeidienst gegen ihn bereits zwei Haftbefehle erlassen worden seien, von keiner dem BF im Irak drohenden asylrelevanten Verfolgungsgefahr ausgegangen werden, geht aus dem gesamten Fluchtvorbringen doch keine Desertion aufgrund einer politischen oder religiösen Überzeugung des BF oder einer dem BF unterstellten oppositionellen Gesinnung hervor, und hat der BF im Zuge seines Fluchtvorbringens außerdem auch nie behauptet, im Irak im Zuge seines Polizeidienstes zu völkerrechtswidrigen Handlungen gezwungen worden zu sein. Vielmehr gab der BF, dass er nicht gegen den IS kämpfen wollte, da seiner Ansicht nach die Regierung die Verantwortung dafür trage, dass der IS im Land sei und er auf dem Schlachtfeld nicht erkennen hätte können wer der Feind sei, da er nie eine Waffe getragen habe.

 

Daher kann auch bei unterstellter Glaubwürdigkeit des Vorbringens des BF, aufgrund der Desertion vom Polizeidienst im Irak allenfalls eine Freiheitsstrafe verbüßen zu müssen, von keiner den BF im Irak erwartenden unverhältnismäßigen Strafe, die aus ihm unterstellter oppositioneller Gesinnung verhängt worden sein könnte, ausgegangen werden.

 

3.1.4. Zum Vorbringen des BF, dass er aufgrund seiner sunnitischen Religionszugehörigkeit während seine Polizeidienstes von anderen Polizisten gemobbt und verfolgt worden und nie befördert worden sei sowie versetzt werden hätte sollen, ist auszuführen, dass allgemeine Diskriminierungen, etwa soziale Ächtung, für sich genommen nicht die hinreichende Intensität für eine Asylgewährung aufweisen können. Bestimmte Benachteiligungen (wie etwa allgemeine Geringschätzung durch die Bevölkerung, Schikanen, gewisse Behinderungen in der Öffentlichkeit) bis zur Erreichung einer Intensität, dass deshalb ein Aufenthalt des Beschwerdeführers im Heimatland als unerträglich anzusehen wäre (vgl VwGH 07.10.1995, 95/20/0080; 23.05.1995, 94/20/0808), sind zudem hinzunehmen.

 

3.1.5. Dass im Irak oder in Bagdad eine generelle und systematische Verfolgung von Muslimen sunnitischer Glaubensrichtung stattfindet, kann aus den länderkundlichen Feststellungen zur Lage im Irak nicht abgeleitet werden. Wiewohl ausweislich der Feststellungen im Irak eine sunnitisch-feindliche Politik vorherrscht und es in unterschiedlicher Intensität zu Vertreibungen mit dem Ziel einer religiösen Homogenisierung oder von Entführungen kommt, kann noch nicht von einer zielgerichteten und systematischen Verfolgung von Muslimen sunnitischer Glaubensrichtung ausgegangen werden. Im Parlament, als auch generell auf politischer Ebene sind Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft vertreten. Sunniten nehmen nach wie vor, trotz der überwiegenden Präsenz schiitischer Milizen, am gesellschaftlichen und politischen Leben im Irak teil. Auch wenn in den letzten Jahren die Kriegshandlungen zu starken Ressentiments zwischen Schiiten und Sunniten geführt haben, welche sich in Bagdad und anderen Regionen schließlich auch in die Bildung von "sunnitischen" und "schiitischen" Vierteln niedergeschlagen hat, ist es für Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft dennoch möglich, im Irak zu leben, zu arbeiten, staatliche und politische Posten zu besetzen und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Dies zeigt sich auch in dem Umstand, dass die Familie des BF (Vater und Geschwister) nach wie vor in ihren Heimatvierteln in Bagdad leben und arbeiten, wobei es ihnen - wie vom BF bestätigt - auch gut geht.

 

Der BF hat demnach nicht bereits aufgrund der von ihm praktizierten sunnitischen Glaubensrichtung eine individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten (VwGH 09.05.2016, Ra 2016/01/0068; 17.12.2015, Ra 2015/20/0048 mwN).

 

Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, ist davon auszugehen, dass dem BF keine Verfolgung aus in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen droht. Bezüglich der Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen, sozialen oder unruhebedingten Lebensbedingungen zurückzuführen sind, bleibt festzuhalten, dass diese keine Verfolgungshandlungen im Sinne des Asylgesetzes darstellen, da alle Bewohner gleichermaßen davon betroffen sind.

 

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass bestehende schwierige Lebensumstände allgemeiner Natur hinzunehmen sind, weil das Asylrecht nicht die Aufgabe hat, vor allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die etwa in Folge des Krieges, Bürgerkrieges, Revolution oder sonstigen Unruhen entstehen, ein Standpunkt den beispielsweise auch das UNHCR-Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft in Punkt 164 einnimmt (VwGH 14.03.1995, Zl. 94/20/0798).

 

Nach Auffassung des BVwG ist in Anbetracht der getroffenen Feststellungen klar ersichtlich, dass der BF seinen Herkunftsstaat vor allem in Anbetracht der schlechten Sicherheitslage aufgrund des Vorrückens der Milizen des Islamischen Staates, verlassen hat, da er sich allfälligen Kampfhandlungen entziehen wollte. Eine allfällige Bestrafung wegen unerlaubten Fernbleibens vom Dienst nahm der BF dabei in Kauf.

 

Der BF ist zusammenfassend im Irak keiner im Sinn der vorstehenden Rechtsprechung unverhältnismäßigen Bestrafung ausgesetzt und war oder wäre auch nicht dem Zwang zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen ausgesetzt. Die im Herkunftsstaat allenfalls drohende Bestrafung wegen Desertion vom Polizeidienst bietet daher keinen Anlass für die Gewährung internationalen Schutzes.

 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat unmenschliche oder erniedrigende Haftbedingungen wiederholt unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK gewürdigt, der Verwaltungsgerichtshof vertritt dem folgend ebenfalls die Rechtsansicht, dass unmenschliche oder erniedrigende Haftbedingungen oder Folter im Rahmen der Prüfung der Zuerkennung von subsidiärem Schutz zu prüfen sind (VwGH 23.05.2015, Ra 2014/20/0085).

 

Das BVwG weist im Übrigen der Vollständigkeit halber darauf hin, dass unmenschliche oder erniedrigende Haftbedingungen in einem Staat an sich nicht ohne das Dazutreten weiterer Umstände zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen, vielmehr ist ein hinreichend konkretes Vorbringen erfolgreich, dass eine Anhaltung in Haft fallbezogen zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen würde (VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0150).

 

In Gesamtbetrachtung aller Umstände war somit kein Asylgrund ersichtlich, weshalb die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen war.

 

3.2. Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.):

 

3.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative - § 11 AsylG 2005). Schutz ist nach dieser Bestimmung gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

 

Demnach ist das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative iSd § 11 Abs. 1 AsylG 2005 dann zu prüfen, wenn glaubhaft ist, dass einem Asylwerber in der Herkunftsregion seines Herkunftsstaats Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht bzw. die Voraussetzungen für die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten iSd § 8 Abs. 1 AsylG 2005 vorliegen.

 

3.2.2. Demgemäß hat das BVwG somit vorerst zu prüfen, ob im Falle der Rückführung des BF in den Irak Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde.

 

Betreffend die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz hat der Verwaltungsgerichtshof (insbesondere) auf den Maßstab des Art. 3 EMRK abgestellt. So hat der Verwaltungsgerichtshof (in Zusammenhang mit Afghanistan) auf die ständige Judikatur des EGMR verwiesen, wonach es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 23.2.2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis auf EGMR 5.9.2013, Nr. 61204/09, I. gg. Schweden).

 

Bei der Prüfung und Zuerkennung von subsidiärem Schutz im Rahmen einer gebotenen Einzelfallprüfung sind konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zur Frage zu treffen, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein "real risk" einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Die dabei anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen. Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 mwN). Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend (vgl. VwGH 25.5.2016, Ra 2016/19/0036; dem folgend aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 23.1.2018, Ra 2017/20/0361, mwN).

 

3.2.3. Der VwGH hat bereits in seiner Judikatur zu § 11 AsylG 2005 auf das Erfordernis einer richtlinienkonformen Auslegung vor dem Hintergrund der Statusrichtlinie hingewiesen (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001, Rn. 14, bzw. VwGH 5.4.2018, Ra 2018/19/0154 bis 0156, Rn. 10).

 

Zu den vom Unionsrecht vorgegebenen Rahmenbedingungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz ist alleine die Rechtsprechung des EuGH maßgeblich (vgl. VwGH 17.10.2017, Ra 2016/01/0274, Rn. 16, zu der allein maßgeblichen Rechtsprechung des EuGH für die Auslegung des Art. 20 Abs. 2 der Dublin III-Verordnung).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH hat ein Drittstaatsangehöriger "nur dann Anspruch auf subsidiären Schutz ..., wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass er bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich Gefahr liefe, eine der drei in Art. 15 der Richtlinie definierten Arten eines ernsthaften Schadens zu erleiden" (vgl. zuletzt EuGH 24.4.2018, C-353/16 , MP, Rn. 28, mwN).

 

Art. 15 der Statusrichtlinie definiert als "ernsthaften Schaden"

 

* die Todesstrafe oder Hinrichtung (lit. a),

 

* Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragstellers im Herkunftsland (lit. b) und

 

* "eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts" (lit. c).

 

Während die lit. a und lit. b des Art. 15 der Statusrichtlinie mit dem Schutzumfang des Art. 3 EMRK bzw. der die Todesstrafe betreffenden Bestimmungen des 6. und 13. Zusatzprotokolls zur EMRK korrespondieren, geht lit. c darüber hinaus, wobei der dort definierte mögliche "ernsthafte Schaden" allgemeinerer Natur ist.

 

3.2.4. Zur letztgenannten Voraussetzung (lit. c) hat der EuGH bereits festgehalten, dass das "Vorliegen einer solchen Bedrohung ... ausnahmsweise als gegeben angesehen werden" kann, "wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt [...] ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein" (vgl. EuGH 17.2.2009, C-465/07 , Elgafaji, Rn. 35). Auch wenn der EuGH in dieser Rechtsprechung davon spricht, dass es sich hiebei um "eine Schadensgefahr allgemeinerer Art" handelt (Rn. 33), so betont er den "Ausnahmecharakter einer solchen Situation" (Rn. 38), "die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die fragliche Person dieser Gefahr individuell ausgesetzt wäre" (Rn. 37).

 

Diesen Ausnahmecharakter betonte der EuGH in seiner jüngeren Rechtsprechung, Urteil vom 30. Jänner 2014, C-285/12 , Diakité, Rn. 30, wie folgt:

 

"Außerdem wird das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nur zur Gewährung subsidiären Schutzes führen können, sofern die Auseinandersetzungen zwischen den regulären Streitkräften eines Staates und einer oder mehreren bewaffneten Gruppen oder zwischen zwei oder mehreren bewaffneten Gruppen ausnahmsweise als ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Person, die die Gewährung des subsidiären Schutzes beantragt, im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie angesehen werden, weil der Grad willkürlicher Gewalt bei diesen Konflikten ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein".

 

Die spezifische Betroffenheit eines Antragstellers kann aber nach dieser Rechtsprechung (vgl. EuGH 30.1.2014, C-285/12 , Diakité, Rn. 31) wie folgt eine Rolle spielen:

 

"Insoweit hat der Gerichtshof klargestellt, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist".

 

3.2.5. Zum Vorliegen eines ernsthaften Schadens nach Art. 15 lit. b der Statusrichtlinie nahm der EuGH im Urteil vom 18. Dezember 2014, C-542/13 , M'Bodj, Stellung. In diesem Urteil hat der EuGH erstmals die Reichweite des subsidiären Schutzes nach diesen Voraussetzungen klargestellt und insofern wie folgt ausgeführt:

 

"32 Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83 definiert einen ernsthaften Schaden in Form von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung eines Drittstaatsangehörigen in seinem Herkunftsland.

 

33 Aus dieser Bestimmung geht klar hervor, dass sie nur auf die unmenschliche oder erniedrigende Behandlung eines Antragstellers in seinem Herkunftsland anzuwenden ist. Daraus folgt, dass der Unionsgesetzgeber die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nur für den Fall vorgesehen hat, dass eine derartige Behandlung im Herkunftsland des Antragstellers stattfindet.

 

34 Bei der Auslegung dieser Vorschrift sind außerdem bestimmte Gesichtspunkte in Bezug auf den Zusammenhang, in den sich Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83 einfügt, ebenso zu berücksichtigen wie die Ziele dieser Richtlinie (vgl. in diesem Sinne Urteil Maatschap L. A. en D. A. B. Langestraat en P. Langestraat-Troost, C-11/12 , EU:C:2012:808, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

35 So enthält Art. 6 dieser Richtlinie eine Liste der Akteure, von denen ein ernsthafter Schaden ausgehen kann, was dafür spricht, dass solche Schäden durch das Verhalten eines Dritten verursacht werden müssen und dass sie demnach nicht bloß die Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten des Gesundheitssystems des Herkunftslands sein können.

 

36 Im 26. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/83 wird auch erläutert, dass Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt sind, für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung darstellen, die als ernsthafter Schaden zu beurteilen wäre. Daraus folgt, dass die Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustands eines an einer schweren Krankheit leidenden Drittstaatsangehörigen, die auf das Fehlen einer angemessenen Behandlung in seinem Herkunftsland zurückzuführen ist, ohne dass diesem Drittstaatsangehörigen die Versorgung absichtlich verweigert wurde, nicht ausreichen kann, um ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.

 

37 Diese Auslegung wird darüber hinaus durch die Erwägungsgründe 5, 6, 9 und 24 der Richtlinie 2004/83 gestützt, aus denen hervorgeht, dass diese Richtlinie zwar darauf abzielt, die in dem am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichneten Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge festgelegte Schutzregelung für Flüchtlinge durch den subsidiären Schutz zu ergänzen und insoweit die Personen, die tatsächlich internationalen Schutz benötigen, zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil Diakité, EU:C:2014:39, Rn. 33), sich ihr Geltungsbereich aber nicht auf Personen erstreckt, die aus anderen Gründen, nämlich aus familiären oder humanitären Ermessensgründen, in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten verbleiben dürfen.

 

38 Die Verpflichtung, Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83 unter Beachtung von Art. 19 Abs. 2 der Charta (vgl. in diesem Sinne Urteil Abed El Karem El Kott u. a., C-364/11 , EU:C:2012:826, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung), wonach niemand in einen Staat abgeschoben werden darf, in dem für sie oder ihn das ernsthafte Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung besteht, und unter Berücksichtigung von Art. 3 EMRK, dem er im Wesentlichen entspricht (Urteil Elgafaji, EU:C:2009:94, Rn. 28), auszulegen, kann diese Auslegung nicht in Frage stellen.

 

39 In diesem Zusammenhang ist zwar festzustellen, dass aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hervorgeht, dass Ausländer, die von einer Entscheidung betroffen sind, die ihre Abschiebung ermöglicht, grundsätzlich kein Recht auf Verbleib in einem Staat geltend machen können, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung durch diesen Staat zu erhalten, dass jedoch die Entscheidung, einen Ausländer, der an einer schweren physischen oder psychischen Krankheit leidet, in ein Land abzuschieben, in dem die Möglichkeiten einer Behandlung dieser Krankheit geringer sind als in dem entsprechenden Staat, in absoluten Ausnahmefällen Fragen unter dem Blickwinkel von Art. 3 EMRK aufwerfen kann, wenn die humanitären Erwägungen, die gegen die Abschiebung sprechen, zwingend sind (vgl. u. a. EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008, N./Vereinigtes Königreich, Nr. 42).

 

40 Der Umstand, dass ein an einer schweren Krankheit leidender Drittstaatsangehöriger nach Art. 3 EMRK in der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in absoluten Ausnahmefällen nicht in ein Land abgeschoben werden kann, in dem keine angemessene Behandlung vorhanden ist, bedeutet deswegen aber nicht, dass es ihm erlaubt werden muss, sich auf der Grundlage des subsidiären Schutzes nach der Richtlinie 2004/83 in einem Mitgliedstaat aufzuhalten.

 

41 In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen ist Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83 dahin auszulegen, dass der darin definierte ernsthafte Schaden eine Situation nicht erfasst, in der eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung wie die in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung angeführte, die ein an einer schweren Krankheit leidender Antragsteller bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland erfahren könnte, auf das Fehlen einer angemessenen Behandlung in diesem Land zurückzuführen ist, ohne dass dem Antragsteller die Versorgung absichtlich verweigert würde."

 

Zusammengefasst hat der EuGH damit klargestellt, dass der Umstand, dass ein Drittstaatsangehöriger nach Art. 3 EMRK nicht abgeschoben werden kann, nicht bedeutet, dass ihm subsidiärer Schutz zu gewähren ist. Subsidiärer Schutz (nach Art. 15 lit. a und b der Statusrichtlinie) verlangt nach dieser Auslegung durch den EuGH dagegen, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten (Akteuren) verursacht werden muss und dieser nicht bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland ist.

 

3.2.6. Diesen Unterschied zwischen der Gewährung von subsidiärem Schutz einerseits und der Non-refoulement-Entscheidung andererseits hat der EuGH im zeitgleichen Urteil C-562/13 , Abdida, nochmals klargestellt (vgl. Rn. 33).

 

3.2.7. In seinem Urteil vom 24. April 2018, C-353/16 , MP, Rn. 45 und 46, hat der EuGH diese Sichtweise bestätigt. Er führte nochmals aus, dass der Schutz vor Ausweisung nach Art. 3 EMRK auch unter Berücksichtigung von Art. 4 der GRC (Non-refoulement) von der Gewährung von subsidiärem Schutz nach der Statusrichtlinie zu unterscheiden ist. Zu den Auswirkungen, die es haben kann, dass im Herkunftsland des Betroffenen eine geeignete Infrastruktur zur Behandlung physischer oder psychischer Folgeschäden der von den Behörden dieses Landes verübten Folterhandlungen fehlt, führte der EuGH in diesem Urteil aus, der Gerichtshof habe bereits entschieden, "dass der in Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83 genannte ernsthafte Schaden nicht bloß die Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten des Gesundheitssystems des Herkunftslandes sein darf. Die Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustands eines an einer schweren Krankheit leidenden Drittstaatsangehörigen, die auf das Fehlen angemessener Behandlungsmöglichkeiten in seinem Heimatland zurückzuführen ist, ohne dass diesem Drittstaatsangehörigen die Versorgung vorsätzlich verweigert würde, kann keine ausreichende Rechtfertigung dafür sein, ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 2014, M-Bodj, C-542/13 , EU:C:2014:2452, Rn. 35 und 36)".

 

3.2.8. Die Erlassung oder Beibehaltung günstigerer Bestimmungen durch einen Mitgliedstaat, die - unter Berufung auf Art. 3 der Statusrichtlinie - über diesen Maßstab für die Gewährung von subsidiären Schutz hinausgehen, hat der EuGH in seinem Urteil vom 18. Dezember 2014, C-542/13 , M'Bodj, Rn. 43 bis 46, ausdrücklich als unionsrechts- bzw. richtlinienwidrig angesehen:

 

Nach dieser Rechtsprechung widerspricht es der Statusrichtlinie und ist es unionsrechtlich unzulässig, den in dieser Richtlinie vorgesehenen Schutz Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck dieses internationalen Schutzes aufweisen, etwa aus familiären oder humanitären Ermessensgründen, die insbesondere auf Art. 3 EMRK gestützt sind.

 

3.2.9. Ausgehend von dieser Rechtsprechung des EuGH sind nach der Statusrichtlinie vom subsidiären Schutz nur Fälle realer Gefahr, einen auf ein Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie zurückzuführenden ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zu erleiden (Art. 15 lit. a und b), sowie Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt (lit. c) umfasst. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführender Verletzung von Art. 3 EMRK.

 

Wie aufgezeigt, ist es dem nationalen Gesetzgeber - auch unter Berufung auf Art. 3 der Statusrichtlinie - verboten, Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, die einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuerkennen.

 

3.2.10. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht gegeben sind:

 

Dass der BF im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte.

 

Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

 

Das BVwG verkennt - wie bereits unter Punkt 3.1. ausgeführt - im Hinblick auf die Sicherheitslage in Bagdad nicht, dass Bagdad fast täglich Schauplatz von Anschlägen und Gewaltakten ist und ausweislich der statistischen Daten zu den unsichersten Provinzen gehört. Der aktuellen Berichterstattung folgend gehen Anschläge in Bagdad in erster Linie vom Islamischen Staat aus und richten sich im Wesentlichen gegen die Zivilbevölkerung und staatliche Sicherheitskräfte. Aus Sicht des BVwG kann in Anbetracht der zu den Feststellungen zur Sicherheitslage im Irak dargestellten Gefahrendichte nicht erkannt werden, dass schon aufgrund der bloßen Präsenz des BF in Bagdad davon ausgegangen werden muss, dass dieser wahrscheinlich das Opfer eines Anschlages werden würde. Offene Kampfhandlungen finden in Bagdad nicht statt und ist die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle sowie der dabei getöteten Zivilisten im Zeitraum Jänner bis Juni 2017 stetig (weiter) gesunken, sodass von einer weiteren Stabilisierung der Sicherheitslage ausgegangen werden kann, auch wenn sich zuletzt zum Jahreswechsel neuerlich zwei Anschlagsereignisse von gewisser Dimension ereigneten. Diesen steht jedoch die Bevölkerungsanzahl im Gouvernement Bagdad gegenüber, welche die reale Gefahr, dass gerade der BF wahrscheinlich das Opfer eines Anschlages werden würde, ausschließt. Risikoerhöhende Umstände im Hinblick auf die Person des BF wurden im Übrigen nicht vorgebracht.

 

Auch hat der BF selbst kein substantiiertes Vorbringen dahingehend erstattet, dass er alleine schon aufgrund seiner bloßen Anwesenheit in Bagdad mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer individuellen Gefährdung durch terroristische Anschläge oder bürgerkriegsähnliche Zustände ausgesetzt wäre.

 

Es kann auch nicht erkannt werden, dass dem BF im Falle einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. hiezu grundlegend VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059), hat doch der BF selbst nicht ausreichend konkret vorgebracht, dass ihm im Falle einer Rückführung in den Irak jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und er in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder einer Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.

 

Der BF ist ein arbeitsfähiger und gesunder Mann mit hinreichender Schulbildung. Die grundsätzliche Möglichkeit einer Teilnahme am Erwerbsleben kann in Ansehung des BF vorausgesetzt werden, zumal er sich als arbeitsfähig und arbeitswillig bezeichnet und über Berufserfahrung als Lagerarbeiter verfügt. Das BVwG geht demnach davon aus, dass der BF im Irak grundsätzlich in der Lage sein wird, sich mit eigener Erwerbstätigkeit ein ausreichendes Einkommen zur Sicherstellung des eigenen Lebensunterhalts zu erwirtschaften. Ferner ist davon auszugehen, dass er wieder wie bereits vor seiner Ausreise im Haus seines Vaters leben kann und von seiner Familie (Vater, zwei Brüder, drei Schwestern) Unterstützung durch Zurverfügungstellung von Nahrung finden wird.

 

Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde, liegt demnach nicht vor.

 

3.2.11. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit nicht in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden.

 

Weder droht ihm im Herkunftsstaat das reale Risiko einer Verletzung der oben genannten gewährleisteten Rechte, noch bestünde die Gefahr, der Todesstrafe unterzogen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen, sodass der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides zu Recht abgewiesen wurde.

 

3.3. Nichterteilung eines Aufenthaltstitels und Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III.):

 

Gegenständlich wurde der Antrag auf internationalen Schutz gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch in Bezug auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen.

 

3.3.1. § 10 Abs. 1 AsylG 2005 sieht ferner vor, dass eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz dann mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden ist, wenn etwa - wie hier - der Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen wird (Z. 3 leg. cit.) und von Amts wegen kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 erteilt wird. Die Rückkehrentscheidung setzt daher eine vorangehende Klärung der Frage voraus, ob ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 erteilt wird.

 

Wird ein Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, ist gemäß § 58 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen. Über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung ist gemäß § 58 Abs. 3 AsylG 2005 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

 

Im Ermittlungsverfahren sind keine Umstände zu Tage getreten, welche auf eine Verwirklichung der in § 57 Abs. 1 AsylG 2005 alternativ genannten Tatbestände hindeuten würden, insbesondere wurde vom BF selbst nichts dahingehend dargetan. Dem BF ist daher kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen.

 

3.3.2. Da sich der BF nach Abschluss des Verfahrens nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG [Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung] fällt und ihm auch amtswegig kein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG 2005 zu erteilen war, ist diese Entscheidung gem. § 10 Abs. 2 AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung gem. dem 8. Hauptstück des FPG [Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Fremde] zu verbinden.

 

Dem zur Folge hat das BFA gemäß § 52 Abs. 1 FPG gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Z2).

 

Gemäß 52 Abs. 2 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

Der BF ist Staatsangehöriger des Irak und kein begünstigter Drittstaatsangehöriger. Es kommt ihm auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu. Daher ist gegenständlich gem. § 52 Abs. 2 FPG die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung zu prüfen.

 

Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens in Österreich käme.

 

Das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (VfSlg. 16928/2003).

 

Der BF verfügt über keine familiären Bindungen in Österreich.

 

3.3.3. Der Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den Interessen eines Fremden an einem Verbleib in Österreich in dem Sinne, ob dieser Eingriff im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK notwendig und verhältnismäßig ist, ist voranzustellen, dass die Rückkehrentscheidung jedenfalls der innerstaatlichen Rechtslage nach einen gesetzlich zulässigen Eingriff darstellt.

 

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall Moustaquim ist eine Maßnahme dann in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, wenn sie einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht und zum verfolgten legitimen Ziel verhältnismäßig ist. Das bedeutet, dass die Interessen des Staates, insbesondere unter Berücksichtigung der Souveränität hinsichtlich der Einwanderungs- und Niederlassungspolitik, gegen jene des Berufungswerbers abzuwägen sind (EGMR U 18.02.1991, Moustaquim gegen Belgien, Nr. 12313/86).

 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht davon aus, dass die Konvention kein Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Staat garantiert. Die Konventionsstaaten sind nach völkerrechtlichen Bestimmungen berechtigt, Einreise, Ausweisung und Aufenthalt von Fremden ihrer Kontrolle zu unterwerfen, soweit ihre vertraglichen Verpflichtungen dem nicht entgegenstehen (EGRM U 30.10.1991, Vilvarajah u.a. gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 13163/87).

 

Hinsichtlich der Abwägung der öffentlichen Interessen mit jenen des Berufungswerbers ist der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, dass Asylwerber und sonstige Fremde nicht schlechthin gleichzusetzen sind. Asylwerber hätten regelmäßig ohne Geltendmachung von Asylgründen keine rechtliche Möglichkeit, legal nach Österreich einzureisen. Soweit die Einreise nicht ohnehin unter Umgehung der Grenzkontrolle oder mit einem Touristenvisum stattgefunden hat, ist Asylwerbern der Aufenthalt bloß erlaubt, weil sie einen Asylantrag gestellt und Asylgründe geltend gemacht haben. Sie dürfen zwar bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung weder zurückgewiesen, zurückgeschoben noch abgeschoben werden, ein über diesen faktischen Abschiebeschutz hinausgehendes Aufenthaltsrecht erlangen Asylwerber jedoch lediglich bei Zulassung ihres Asylverfahrens sowie bis zum rechtskräftigen Abschluss oder bis zur Einstellung des Verfahrens. Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern. Es kann dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden, wenn er auf Grund dieser Besonderheit Asylwerber und andere Fremde unterschiedlich behandelt (VfSlg. 17.516/2005).

 

3.3.4. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat fallbezogen unterschiedliche Kriterien herausgearbeitet, die bei einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht (zur Maßgeblichkeit dieser Kriterien vgl. VfSlg. 18.223/2007).

 

Er hat etwa die Aufenthaltsdauer, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte keine fixen zeitlichen Vorgaben knüpft (EGMR U 31.1.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer gegen die Niederlande, Nr. 50435/99; U 16.9.2004, M. C. G. gegen Deutschland, Nr. 11.103/03), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR GK 28.05.1985, Abdulaziz, Cabales und Balkandali gegen Vereinigtes Königreich, Nrn. 9214/80, 9473/81, 9474/81; U 20.6.2002, Al-Nashif gegen Bulgarien, Nr. 50.963/99) und dessen Intensität (EGMR U 02.08.2001, Boultif gegen Schweiz, Nr. 54.273/00), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR U 04.10.2001, Adam gegen Deutschland, Nr. 43.359/98; GK 09.10.2003, Slivenko gegen Lettland, Nr. 48321/99; vgl. VwGH 5.7.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124), die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (EGMR U 11.04.2006, Useinov gegen Niederlande Nr. 61292/00) für maßgeblich erachtet.

 

Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren - was bei einem bloß vorläufigen Aufenthaltsrecht während des Asylverfahrens jedenfalls als gegeben angenommen werden kann - ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (EGMR U 24.11.1998, Mitchell gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 40.447/98; U 05.09.2000, Solomon gegen die Niederlande, Nr. 44.328/98; 31.1.2006, U 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer gegen die Niederlande, Nr. 50435/99).

 

Bereits vor Inkrafttreten des nunmehrigen § 9 Abs. 2 BFA-VG entwickelten die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts in den Erkenntnissen VfSlg. 18.224/2007 und VwGH 17.12.2007, Zl. 2006/01/0216 unter ausdrücklichen Bezug auf die Judikatur des EGMR nachstehende Leitlinien, welche im Rahmen der Interessensabwägung gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK zu berücksichtigen sind. Nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist bei der Beurteilung, ob im Falle der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt (VwGH 28.04.2014, Ra 2014/18/0146-0149, mwN). Maßgeblich sind dabei die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (VwGH 13.06.2016, Ra 2015/01/0255). Ferner sind nach der eingangs zitieren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie dies Verfassungsgerichtshofs die strafgerichtliche Unbescholtenheit aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht sowie Erfordernisse der öffentlichen Ordnung und schließlich die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, bei der Abwägung in Betracht zu ziehen.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat sich bereits im Erkenntnis VfSlg. 19.203/2010 eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen Umständen davon ausgegangen werden kann, dass das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthalts bewusst waren. Der Verfassungsgerichtshof stellt dazu fest, dass das Gewicht der Integration nicht allein deshalb als gemindert erachtet werden darf, weil ein stets unsicherer Aufenthalt des Betroffenen zugrunde liege, so dass eine Verletzung des Art. 8 EMRK durch die Ausweisung ausgeschlossen sei. Vielmehr müsse die handelnde Behörde sich dessen bewusst sein, dass es in der Verantwortung des Staates liegt, Voraussetzungen zu schaffen, um Verfahren effizient führen zu können und damit einhergehend prüfen, ob keine schuldhafte Verzögerungen eingetreten sind, die in der Sphäre des Betroffenen liegen (vgl. auch VfSlg. 19.357/2011).

 

Das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration ist weiter dann gemindert, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag zurückzuführen ist (VwGH 26.6.2007, Zl. 2007/01/0479 mwN). Beruht der bisherige Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten wie insbesondere bei Vortäuschung eines Asylgrundes, relativiert dies die ableitbaren Interessen des Asylwerbers wesentlich (VwGH 2.10.1996, Zl. 95/21/0169; 28.06.2007, Zl. 2006/21/0114; VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168).

 

Bei der Abwägung der Interessen ist auch zu berücksichtigen, dass es dem Beschwerdeführer bei der asylrechtlichen Ausweisung nicht verwehrt ist, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren. Es wird dadurch nur jener Zustand hergestellt, der bestünde, wenn er sich rechtmäßig (hinsichtlich der Zuwanderung) verhalten hätte und wird dadurch lediglich anderen Fremden gleichgestellt, welche ebenfalls gemäß dem Grundsatz der Auslandsantragsstellung ihren Antrag nach den fremdenpolizeilichen bzw. niederlassungsrechtlichen Bestimmungen vom Ausland aus stellen müssen und die Entscheidung der zuständigen österreichischen Behörde dort abzuwarten haben.

 

Die Schaffung eines Ordnungssystems, mit dem die Einreise und der Aufenthalt von Fremden geregelt werden, ist auch im Lichte der Entwicklungen auf europäischer Ebene notwendig. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung nach Art 8 Abs. 2 EMRK daher ein hoher Stellenwert zu (VfSlg. 18.223/2007; VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251).

 

Die öffentliche Ordnung, hier im Besonderen das Interesse an einer geordneten Zuwanderung, erfordert es daher, dass Fremde, die nach Österreich einwandern wollen, die dabei zu beachtenden Vorschriften einhalten. Die öffentliche Ordnung wird etwa beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Ausweisung kann in solchen Fällen trotz eines vielleicht damit verbundenen Eingriffs in das Privatleben und Familienleben erforderlich sein, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte (VwGH 21.2.1996, Zl. 95/21/1256). Dies insbesondere auch deshalb, weil als allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz gilt, dass aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen (VwGH 11.12.2003, Zl. 2003/07/0007). Der VwGH hat weiters festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).

 

Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist auch für das wirtschaftliche Wohl des Landes von besonderer Bedeutung, da diese sowohl für den sensiblen Arbeitsmarkt als auch für das Sozialsystem gravierende Auswirkung hat. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass insbesondere nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige Fremde, welche daher auch über keine arbeitsrechtliche Berechtigung verfügen, die reale Gefahr besteht, dass sie zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes auf den inoffiziellen Arbeitsmarkt drängen, was wiederum erhebliche Auswirkungen auf den offiziellen Arbeitsmarkt, das Sozialsystem und damit auf das wirtschaftliche Wohl des Landes hat.

 

3.3.5. In Abwägung der gemäß Art. 8 EMRK maßgeblichen Umstände in Ansehung des BF ergibt sich für den gegenständlichen Fall Folgendes:

 

Der BF reiste am 01.10.2015 rechtswidrig in das Bundesgebiet ein und stellte in der Folge einen Antrag auf internationalen Schutz. Er ist seither als Asylwerber in Österreich aufhältig. Das Gewicht des etwas über dreijährigen faktischen Aufenthalts des BF in Österreich ist allerdings maßgeblich dadurch abgeschwächt, dass der BF seinen Aufenthalt durch einen unberechtigten Antrag auf internationalen Schutz zu legalisieren versuchte, er konnte alleine durch die Stellung seines Antrags jedoch nicht in begründeter Weise von der zukünftigen dauerhaften Legalisierung seines Aufenthalts ausgehen. Einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren kommt ohne dem Dazutreten weiterer maßgeblicher Umstände nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zu (VwGH 15.03.2016, Zl. Ra 2016/19/0031 mwN).

 

Im gegenständlichen Verfahren ist insgesamt keine unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer festzustellen, die den zuständigen Behörden zur Last zu legen wäre (vgl. hiezu auch VwGH 24.05.2016, Ro 2016/01/0001).

 

Der BF verfügt in Österreich zwar über gewöhnliche soziale Kontakte, hat allerdings hierorts keine Anknüpfungspunkte in Form von Familie, einer legalen Erwerbstätigkeit oder anderweitiger maßgeblicher wirtschaftlicher Interessen und ist bislang zur Sicherstellung seines Auskommens auf Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber angewiesen.

 

Der BF verfügt nur über Grundkenntnisse der deutschen Sprache. Prüfungen über Sprachkenntnisse legte er in den etwas über drei Jahren seines Aufenthaltes nicht ab. Ein Interesse des BF an einem raschen Spracherwerb ist nicht erkennbar.

 

Soweit der BF über private Bindungen in Österreich verfügt ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass diese zwar durch eine Rückkehr in den Irak gelockert werden, es deutet jedoch nichts darauf hin, dass der BF hierdurch gezwungen wird, den Kontakt zu jenen Personen, die ihm in Österreich nahestehen, gänzlich abzubrechen. Auch hier steht es ihm frei, die Kontakte anderweitig (telefonisch, elektronisch, brieflich etc.) aufrecht zu erhalten.

 

Der BF verbrachte den weitaus überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat, er wurde dort sozialisiert und spricht die Mehrheitssprache seiner Herkunftsregion auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso war festzustellen, dass er dort über Bezugspersonen in Form seiner engen Angehörigen (Vater und Geschwister) verfügt. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es dem BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren. Insgesamt sind kaum Integrationsbemühungen des BF erkennbar.

 

Der sohin relativ schwachen Rechtsposition des BF im Hinblick auf einen weiteren Verbleib in Österreich stehen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes gegenüber. Auch wenn der BF über soziale Kontakte verfügt stehen dem die insgesamt vertretbare Verfahrensdauer, die unberechtigte Antragstellung, die unrechtmäßige Einreise und der erst kurze Aufenthalt im Bundesgebiet, währenddessen sich der BF - insbesondere nach Erhalt des angefochtenen Bescheides - der Ungewissheit seines weiteren Verbleibes im Bundesgebiet bewusst gewesen sein musste, sowie die Vertretbarkeit des Eingriffs in die im Bundesgebiet vorhandenen Bindungen gegenüber. Ferner lässt der BF kein Engagement beim Spracherwerb erkennen.

 

Könnte sich ein Fremder in einer solchen Situation wie der BF generell erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen. Überdies würde dies dazu führen, dass Fremde, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich durch ihre illegale Einreise und durch die Stellung eines unbegründeten oder sogar rechtsmissbräuchlichen Asylantrages erzwingen, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, vgl. VwGH 11.12.2003, Zl. 2003/07/0007; vgl. auch Erkenntnis VfSlg. 19.086/2010, in dem der VfGH auf dieses Erkenntnis des VwGH Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang explizit ausspricht, dass eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde).

 

Im Rahmen einer Abwägung dieser Fakten anhand des Art. 8 Abs. 2 EMRK sowie nach Maßgabe der im Sinne des § 9 BFA-VG angeführten Kriterien gelangt das erkennende Gericht zu dem Ergebnis, dass die individuellen Interessen des BF im Sinn des Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht so ausgeprägt sind, dass sie insbesondere das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung nach Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und der Einhaltung der österreichischen aufenthalts- und fremdenrechtlichen Bestimmungen überwiegen.

 

3.3.6. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

 

Gemäß § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Konkrete Anhaltspunkte für eine Unzulässigkeit der Abschiebung des BF in den Irak gehen aus dem gesamten Akteninhalt und der aktuellen Situation dort nicht hervor.

 

3.3.7. Das BFA hat im bekämpften Bescheid im Übrigen zutreffend festgestellt, dass eine Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 zu unterbleiben hat, da die Rückkehrentscheidung nicht auf Dauer unzulässig ist. Wie der VwGH in seinem Erkenntnis vom 12.11.2015, Zl. Ra 2015/21/0101, dargelegt hat, bietet das Gesetz keine Grundlage dafür, in Fällen, in denen - wie hier - eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen wird, darüber hinaus noch von Amts wegen negativ über eine Titelerteilung nach § 55 AsylG 2005 abzusprechen.

 

3.3.8. Zu dem vom BF in der Beschwerde eventualiter gestellten Antrag, "das BVwG möge feststellen, dass die gemäß § 52 FPG erlassene Rückkehrentscheidung gem. § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist und feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) gem. § 55 AsylG [2005] vorliegen und dem BF gem. § 58 Abs. 2 AsylG [2005] eine Aufenthaltsberechtigung (plus) von Amts wegen zu erteilen ist" ist wie folgt auszuführen:

 

Gemäß § 55 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist. Gemäß § 58 Abs. 5 AsylG 2005 sind Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 persönlich beim BFA zu stellen.

 

Ein persönlich beim BFA gestellter und begründeter Antrag iSd § 55 Abs. 1 iVm. § 58 Abs. 5 AsylG 2005 liegt in dem in der Beschwerde eventualiter erhobenen Antrag nicht vor.

 

Eine amtswegige Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 ist nur in dem Fall vorgesehen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Es sind keine Gründe hervorgekommen, die die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erscheinen lassen.

 

Da somit die in § 58 Abs. 2 AsylG 2005 normierte Voraussetzung für die amtswegige Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 nicht gegeben ist und kein begründeter und beim BFA gestellter Antrag gemäß § 55 Abs. 1 iVm. § 58 Abs. 5 AsylG 2005 vorliegt, hat im gegenständlichen Beschwerdeverfahren eine Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 ERMK vorliegen, nicht zu erfolgen.

 

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. ist somit ebenfalls als unbegründet abzuweisen.

 

3.4. Zu Spruchpunkt IV.:

 

Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ergibt sich zwingend aus § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Die eingeräumte Frist ist angemessen und es wurde diesbezüglich auch in der Beschwerdeschrift kein Vorbringen erstattet.

 

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. ist daher als unbegründet abzuweisen.

 

3.5. Der angefochtene Bescheid erweist sich ob der vorstehenden Ausführungen als rechtsrichtig, sodass die dagegen erhobene Beschwerde in vollem Umfang als unbegründet abzuweisen ist.

 

3.6. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist teilweise zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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