Rechtssatz
Voraussetzung für die Kuratorbestellung ist Kollision im formellen und materiellen Sinn. Kollision im formellen Sinn liegt vor, wenn ein zufolge Gesetz oder behördlicher Verfügung Vertretungsbefugter in bestimmten Angelegenheiten nicht nur zu vertreten, sondern auch im eigenen oder im Namen Dritter zu handeln hätte. Kollision im materiellen Sinn liegt vor, wenn bei Kollision im formellen Sinn zusätzlich noch ein Interessenwiderspruch besteht. Dieser kann sich auch aus den Interessen anderer Personen als des Vertretungsbefugten ergeben, wenn letzter geneigt sein könnte, diese Interessen denen des von ihm Vertretern vorzuziehen.
Normen
ABGB §271
ABGB idF KindRÄG 2001 §271
4 Ob 71/08g | OGH | 10.06.2008 |
Auch; Beisatz: Die Möglichkeit einer materiellen Interessenkollision besteht, wenn ein betreuender Elternteil, der aufgrund einer Vereinbarung mit dem anderen Elternteil zum Tragen des gesamten Unterhalts verpflichtet ist, als gesetzlicher Vertreter des Kindes Ansprüche gegen den anderen Elternteil geltend macht. (T1) |
10 Ob 23/08t | OGH | 26.06.2008 |
Vgl auch; Beisatz: Ein Kollisionsfall im Sinne des § 271 ABGB setzt voraus, dass eine materielle Kollision, nämlich eine konkrete Gefährdung der Interessen des minderjährigen Kindes vorliegt. Maßgeblich für das Erfordernis der Bestellung eines Kollisionskurators ist daher, dass aufgrund des objektiven Sachverhalts eine gesetzmäßige Vertretung des Minderjährigen wegen eines zu befürchtenden Widerstreits an Interessen nicht zu erwarten ist; der Interessenwiderspruch muss sich auf die konkrete Angelegenheit auswirken. (T2)<br/>Beisatz: Eine unterschiedliche Ansicht zwischen dem Minderjährigen und dem gesetzlichen Vertreter begründet noch keine Kollision im Sinn des § 271 ABGB. (T3) |
2 Ob 10/08x | OGH | 26.06.2008 |
Vgl auch; Beisatz: Kollisionsfall bei Widerstreit mit einem unmittelbaren Eigeninteresse des gesetzlichen Vertreters. (T4)<br/>Beis wie T3 |
5 Ob 122/09s | OGH | 07.07.2009 |
Vgl aber; Beisatz: § 271 Abs 2 ABGB idF KindRÄG 2001 vermutet für die Verfahren zur Durchsetzung des Unterhalts nach § 140 ABGB eine ausreichende Interessenwahrnehmung durch das Gericht. (T5) |
2 Ob 253/08g | OGH | 16.07.2009 |
Vgl; auch Beis wie T2; vgl Beis wie T1 |
8 Ob 99/12k | OGH | 24.10.2012 |
nur: Voraussetzung für die Kuratorbestellung ist Kollision im formellen und materiellen Sinn. Kollision im formellen Sinn liegt vor, wenn ein zufolge Gesetz oder behördlicher Verfügung Vertretungsbefugter in bestimmten Angelegenheiten nicht nur zu vertreten, sondern auch im eigenen oder im Namen Dritter zu handeln hätte. Kollision im materiellen Sinn liegt vor, wenn bei Kollision im formellen Sinn zusätzlich noch ein Interessenwiderspruch besteht. (T6); Veröff: SZ 2012/111 |
8 Ob 100/13h | OGH | 28.10.2013 |
Auch; Beisatz: Die Bestellung eines Kollisionskurators nach § 271 ABGB setzt eine Interessenkollision des „gesetzlichen“ Vertreters voraus, sodass die Rechtsansicht, dass die Voraussetzungen des § 271 ABGB im Fall der Bevollmächtigung des Rechtsvertreters einer anderen am Verfahren beteiligten Partei durch den gesetzlichen Vertreter nicht erfüllt sind, nicht unvertretbar ist. (T7) |
6 Ob 46/15f | OGH | 01.09.2015 |
Vgl auch; Beis wie T4; Beisatz: Auch außerhalb von Doppelvertretung und Insichgeschäft kann bei Widerstreit mit einem unmittelbaren Eigeninteresse des gesetzlichen Vertreters das Vorliegen eines Kollisionsfalls zu prüfen sein. (T8); Veröff: SZ 2015/89 |
7 Ob 134/17g | OGH | 21.09.2017 |
Auch; Beis wie T4; Beis ähnlich wie T8 |
4 Ob 72/18v | OGH | 23.10.2018 |
Vgl auch; Beisatz: Ob eine materielle Interessenkollision vorliegt, ist abstrahierend ex-ante zu beurteilen. Es darf nicht abgewartet werden, bis tatsächliche konkrete Interessenkollision vorliegt. (T9); Beisatz: Hier: Vaterschaftsfeststellungsverfahren. (T10) |
7 Ob 42/20g | OGH | 21.10.2020 |
Beis wie T9; Beisatz: Hier: Vorfragenbeurteilung der Vaterschaft des Antragstellers bei Einräumung eines Kontaktrechts. (T11) |
5 Ob 40/23b | OGH | 18.04.2023 |
vgl; Beisatz: Hier: Erwachsenenschutzverfahren. (T12) |
8 Ob 41/23x | OGH | 27.06.2023 |
Beisatz wie T4; Beisatz wie T8<br/>Beisatz: Eine Gefährdung der Interessen der schutzbefohlenen Person liegt nicht vor, wenn das Gericht die Interessen der vertretenen Person im Rahmen einer amtswegigen Prüfung ausreichend wahrnehmen kann. (T13)<br/>Beisatz: Hier: Veräußerung eines Liegenschaftsanteils, der nach § 167 Abs 3 iVm § 258 Abs 4 ABGB der Genehmigung des Gerichts bedarf; keine Gefährdung der Interessen des Betroffenen. (T14) |
Dokumentnummer
JJR_19950131_OGH0002_010OBS00005_9500000_001
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