OGH 4Ob166/03w (RS0118088)

OGH4Ob166/03w20.12.2018

Rechtssatz

Im Bereich des Wettbewerbsrechts ist bei der Beurteilung, ob das Verhalten eines Nichtarztes ein sittenwidriger Eingriff in den Ärztevorbehalt ist oder ob dieses Verhalten nicht geeignet ist, sich auf die Wettbewerbslage zwischen Ärzten und Nichtärzten auszuwirken, darauf abzustellen, welchen Eindruck der Ratsuchende vom Verhalten des Nichtarztes gewinnen muss. Wer als Nichtarzt Untersuchungen - welcher Art immer - mit der erkennbaren Absicht vornimmt, einem Ratsuchenden dadurch Auskünfte über das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Krankheiten oder krankhaften Störungen, Behinderungen oder Missbildungen zu erteilen, oder wer als Nichtarzt solche Auskünfte in Form einer Diagnose - auf Grund welcher Erkenntnisquelle immer - erteilt, erweckt den Anschein, ein Arztbesuch sei entbehrlich; er fördert dadurch den eigenen Wettbewerb auf sittenwidrige Weise, nämlich unter Missachtung des § 2 Abs 2 ÄrzteG, zu Lasten der Ärzte und verstößt damit gegen § 1 UWG.

Normen

ÄrzteG §2 Abs2
MTD-Gesetz §2 Abs1
MTD-Gesetz §4 Abs1
UWG §1 C2
UWG §1 D5b

4 Ob 166/03wOGH23.09.2003
4 Ob 19/04dOGH10.02.2004

Beisatz: Der Oberste Sanitätsrat hat ausgesprochen, dass die Behandlung mit homöopathischen Arzneimitteln nur nach ärztlicher Anordnung erfolgen darf. Diese Rechtsmeinung der in Gesundheitsfragen zuständigen höchsten Verwaltungsbehörde hat bis zu einer gegenteiligen Äußerung für die Rechtsanwender als Richtschnur ihres Verhaltens zu dienen; wer von diesem Verhalten abweicht, kann sich nicht mit Erfolg auf einen entschuldbaren Rechtsirrtum berufen. (T1)

4 Ob 156/04aOGH06.07.2004

Auch; Beisatz: Hier: Anbieten von physiotherapeutischen Maßnahmen (cranio-sacrale Osteopathie), ohne als Physiotherapeutin nach dem MTD-Gesetz zugelassen zu sein. (T2)

4 Ob 172/05fOGH08.11.2005

Auch; Beisatz: Soweit das Erlangen eines sittenwidrigen Vorsprungs im Wettbewerb durch Rechtsbruch geltend gemacht wird, kommt es allein darauf an, welche Tätigkeit die Beklagte tatsächlich ausübt und nicht darauf, welchen Eindruck allenfalls das Publikum von ihrer Tätigkeit gewinnen kann. (T3); Beisatz: Gewerblicher Buchhalter. (T4)

4 Ob 151/06vOGH21.11.2006

Ausdrücklich gegenteilig; Beisatz: Diese Entscheidungen sind überholt, die Abgrenzung des ärztlichen Vorbehaltsbereichs kann grundsätzlich nur nach objektiven Kriterien erfolgen. Die angewendeten Methoden fallen nur dann in den ärztlichen Vorbehaltsbereich, wenn sie ein gewisses Mindestmaß an Rationalität aufweisen und für ihre Durchführung das typischerweise durch ein Medizinstudium vermittelte umfassende Wissen erforderlich ist. (T5); Beisatz: Hier: Irisdiagnose. (T6); Veröff: SZ 2006/169

4 Ob 121/07hOGH10.07.2007

Ähnlich; Beisatz: Wer gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz) unterliegende Tätigkeiten ohne eine entsprechende Befugnis vornimmt, handelt sittenwidrig nach § 1 UWG. (T7)

4 Ob 155/10pOGH05.10.2010

Vgl aber; Beisatz: Behandlungsmethoden fallen nur dann in den ärztlichen Vorbehaltsbereich, wenn sie ein gewisses Mindestmaß an Rationalität aufweisen und für ihre Durchführung das typischerweise durch ein Medizinstudium vermittelte umfassende Wissen erforderlich ist. Ein solches Wissen ist aber unabhängig von der „Rationalität“ der Methode dann notwendig, wenn eine auf den Körper einwirkende Behandlungsmethode bei Durchführung ohne vorherige ärztliche Abklärung mit einem erheblichen Gesundheitsrisiko verbunden ist. (T8)

4 Ob 61/14wOGH17.09.2014

Vgl auch

4 Ob 11/15vOGH20.01.2015

Ähnlich; Beis wie T5; Beisatz: Hier: veterinärmedizinisch geprüfter Physiotherapeut. (T9)

4 Ob 177/18kOGH23.10.2018

Vgl; Beisatz: Auch ein Laie kann „Hinweise“ auf eine allfällige Krankheit eines anderen Menschen wahrnehmen, ohne dass er mit der bloßen Betrachtung dieses Menschen schon in die Vorbehaltsaufgaben der Ärzte eingegriffen hätte. (T10)

4 Ob 184/18iOGH20.12.2018

Auch; Beis wie T5

Dokumentnummer

JJR_20030923_OGH0002_0040OB00166_03W0000_001

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