OGH 4Ob121/07h

OGH4Ob121/07h10.7.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Thomas K*****, vertreten durch Spitzauer & Backhausen, Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. I***** Gesellschaft mbH & Co KG, 2. I***** Gesellschaft mbH, ***** beide vertreten durch Schuppich Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Revisionsverfahren 36.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. Februar 2007, GZ 2 R 7/07z-20, womit das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 12. Oktober 2006, GZ 4 Cg 79/06t-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit 1.930,31 EUR (darin 321,72 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

I.1. Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat die ordentliche Revision „im Hinblick auf die ständige Judikatur in Wettbewerbssachen" für zulässig erklärt. Die Beklagte berief sich zur Zulässigkeit darauf, dass ihr Rechtsmittel geeignet sei, der Leitfunktion des Obersten Gerichtshofs im Interesse der Rechtsentwicklung im Wettbewerbsrecht gerecht zu werden. Das gelte nach der bereits vom Berufungsgericht ins Treffen geführten höchstgerichtlichen Praxis (RIS-Justiz RS0042710, 0043014, 0042751) auch dann, "wenn die angefochtene Entscheidung auf einer gesicherten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes" beruhe. Hier sei nämlich entscheidend, ob und inwieweit die rechtswidrige Tätigkeit eines Arbeitnehmers dem Arbeitgeber wettbewerbsrechtlich zurechenbar sei, wenn der Arbeitnehmer ohne Wissen und Willen des Arbeitgebers bzw gegen dessen ausdrückliche Weisung tätig werde.

2. Die soeben referierte Ansicht zur Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofs in Wettbewerbssachen kann in dieser Allgemeinheit nicht aufrechterhalten werden, müsste doch der Oberste Gerichtshof sonst in jedem Einzelfall, dessen Sachverhalt von jenem bereits entschiedener Vergleichsfälle irgendwie abwiche, selbst dann die Sachentscheidung treffen, wenn diese ohnehin auf dem Boden höchstgerichtlicher Leitlinien ergehen kann. Diesfalls entbehrten die zweiten Instanzen jedes Spielraums in der Beurteilung von Fragen der Einzelfallgerechtigkeit. Das widerspräche der die WGN 1997 BGBl I 1997/140 tragenden Absicht des Gesetzgebers, die zweiten Instanzen als Rechtsmittelgerichte aufzuwerten (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 Vor §§ 502 ff ZPO Rz 55, § 508 ZPO Rz 5 [dort mN zur Rsp]), ist doch die Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit im Rahmen höchstgerichtlicher Leitlinien innerhalb eines gewissen Beurteilungsspielraums primär deren Aufgabe (Zechner aaO Vor §§ 502 ff ZPO Rz 12, 44). Der Gesetzgeber räumte Wettbewerbssachen insofern keine Sonderstellung ein. Somit gelten auch in solchen Rechtssachen die allgemeinen, den Zugang zum Obersten Gerichtshof regelnden Kriterien (Zechner aaO § 502 ZPO Rz 69 f, 90 f mN aus der Rsp), denen der Senat bereits in den letzten Jahren folgte.

II.1. § 18 UWG normiert die Haftung des Unternehmers für Wettbewerbsverstöße, die im Betrieb seines Unternehmens begangen wurden. Im „Betrieb seines Unternehmens" werden insbesondere Personen tätig, die im Auftrag des Unternehmers bestimmte Arbeiten für das Unternehmen verrichten. Handeln sie im Zusammenhang damit wettbewerbswidrig, so hat der Unternehmer für ihre Handlungen einzustehen, wenn er aufgrund seiner Beziehung zum Handelnden die rechtliche Möglichkeit hat, den Wettbewerbsverstoß abzustellen (stRsp RIS-Justiz RS0079674 [T21, T22]; RS0079799). Die Bestimmung stellt damit auf die rechtliche Möglichkeit des Unternehmens ab, den Wettbewerbsverstoß zu verhindern. Diese Möglichkeit besteht jedenfalls dann, wenn der Unternehmer dem Handelnden Weisungen erteilen kann, und zwar auch dann, wenn der Unternehmer - etwa bei weisungswidrigem Verhalten des Handelnden - faktisch nicht in der Lage war, den Wettbewerbsverstoß zu verhindern; die Haftung nach § 18 UWG ist somit eine reine Erfolgshaftung (4 Ob 110/02h; RIS-Justiz RS0079674 [T21, T22]).

Die Entscheidung der Vorinstanzen steht mit dieser Rechtsprechung in Einklang.

2. Dass auch derjenige sittenwidrig im Sinn des § 1 UWG handelt, der den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz) unterliegende Tätigkeiten ohne eine entsprechende Befugnis vornimmt, hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen (4 Ob 17/04k; 4 Ob 156/04a = RdM 2005/24).

3. Die Revision verweist auf den Grundsatz, wonach die Wettbewerbswidrigkeit nicht losgelöst davon beurteilt werden kann, in welchem Ausmaß sie den Wettbewerb beeinflusst. Die Rechtsprechung wendet diesen Grundsatz auch in Fällen eines Gesetzesverstoßes an; der Verstoß muss geeignet sein, dem Verletzer einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen. Einen derartigen Vorsprung bejaht die neuere Rechtsprechung dann, wenn das gesetzwidrige Handeln geeignet ist, eine nicht unerhebliche Nachfrageverlagerung zu bewirken (4 Ob 38/07b mwN; 4 Ob 74/06w; RIS-Justiz RS0121680 [T1]).

Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht auch mit dieser Rechtsprechung in Einklang. Sie bejahte einen nicht gerechtfertigten Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern, weil es der Beklagten durch den Einsatz des nicht entsprechend qualifizierten Mitarbeiters möglich war, Heilgymnastikstunden abzuhalten, die sie sonst nicht hätte durchführen können. Einer im Sinn der Rechtssicherheit vorzunehmenden Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf es nicht.

Die Revision der Beklagten musste mangels erheblicher Rechtsfragen zurückgewiesen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen, sodass ihre Rechtsmittelbeantwortung der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung dienen konnte.

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