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Kein Ausgleich des Informationsvorsprungs

JudikaturRPA-SlgRPA-Slg 2008/51RPA 2008, 339 Heft 6 v. 1.12.2008

VwGH, 03.09.2008, 2005/04/0082

BVergG 2002 § 21 Abs 3, BVergG 2002 § 98 Z 2

Im gegenständlichen Fall ist nach den insoweit unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde davon auszugehen, dass die mitbeteiligte Partei schon vor der gegenständlichen Ausschreibung im November 2003 eine Projektstudie für die nun beschwerdeführende Auftraggeberin erstellt hat (sowohl aus dem Verwaltungsakt als auch aus der mit der Beschwerde vorgelegten Kopie dieser Projektstudie ergibt sich, dass diese Studie vom Mai 2003 stammt). Diese Studie enthielt mehrere Pläne betreffend das gegenständliche Verwaltungsgebäude und eine Kostenschätzung und war eine der Grundlagen des geotechnischen Gutachtens, das seinerseits eine Beilage zu den Ausschreibungsunterlagen bildete. Durch die Projektstudie konnte sich die mitbeteiligte Partei daher schon Monate vor der Ausschreibung inhaltlich mit dem Vorhaben näher auseinander setzen, sodass sie Monate vor den anderen Bietern Pläne über das Vorhaben vorbereiten und eine Kostenschätzung über das Projekt fertigen konnte. Zweifellos stellt diese Projektstudie somit eine mittelbare Beteiligung an der Erarbeitung der Unterlagen für das Vergabeverfahren im Sinne des § 21 Abs 3 BVergG 2002 dar, die geeignet war, einen fairen Wettbewerb erheblich zu beeinträchtigen. Entscheidend ist daher, ob im Sinne des zitierten Urteiles des EuGH, Fabricom, der genannten Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes und der damit im Einklang stehenden wiedergegebenen Gesetzesmaterialien geeignete Maßnahmen getroffen wurden, um diesen Wettbewerbsvorteil der mitbeteiligten Partei auszugleichen. Dies setzte im gegenständlichen Fall - zumindest - voraus, dass allen Bietern rechtzeitig vor Ablauf der Angebotsfrist die in Rede stehende Projektstudie zur Verfügung gestellt wurde, um die aus dieser Studie hervorgehenden Informationen in ihren Angeboten verwerten zu können. Dabei genügte es nicht, dass sich einer der Bieter, der an der Projektstudie nicht beteiligt war, Kenntnis vom Inhalt der Projektstudie verschaffen konnte. Vielmehr ist es nach der zitierten Judikatur und den wiedergegebenen Gesetzesmaterialien Aufgabe (primär) des Auftraggebers, gegenüber - sämtlichen - Bietern des konkreten Vergabeverfahrens den Informationsvorsprung, den ein einzelner Bieter aus der Erarbeitung von Unterlagen für das Vergabeverfahren erlangt, auszugleichen, um im Sinne des § 21 Abs. 3 BVergG 2002 einen fairen und lauteren Wettbewerb zu ermöglichen (vgl. zur Neutralisierung des Wettbewerbsvorsprungs durch unaufgeforderten Informationsausgleich gegenüber allen Bietern auch Gölles in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Kommentar zum Bundesvergabegesetz 2002, Rz 65 zu § 21).

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