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Zur Bedeutung der historischen Dimension im Rechtsunterricht

AufsätzeJohannes Michael RainerJRP 2019, 278 Heft 4 v. 15.12.2019

Der moderne Staat war von allem Anfang an bemüht für die Ausbildung von Juristen zu sorgen. Und auch die Anfänge der Juristenausbildung im Mittelalter lagen wohl im unmittelbaren Interesse des Staates und wurden von diesem entsprechend gefördert. Weise Staatsmänner in einem der wichtigsten oberitalienischen Stadtstaaten, in Bologna, erkannten um 1100 die Nützlichkeit einer Juristenausbildung für das Staatswesen, die – so geht die Überlieferung – von einem Rechtsgelehrten namens Irnerius, anhand eines kürzlich wieder aufgefundenen Buches, Justinians Digesten, vorgeschlagen wurde. Ja, die Begründung einer Universitas der Lehrenden und Lernenden steht in unmittelbaren Zusammenhang mit der staatlichen Betreibung einer Juristenausbildung, die alsbald auch in anderen ober-und mittelitalienischen Städten betrieben wurde, so etwa ab 1222 in Padua, wohin zahlreiche Studierende aus dem Alpenraum hinpilgerten. Aber nicht nur Stadtstaaten, sondern auch größere Territorialstaaten sahen alsbald den Vorteil einer derartigen Juristenausbildung im eigenen Lande. Die Gründung der französischen Universitäten Paris (vor 1200) und Orléans (1230), der Universität in Neapel (1224), der Universitäten in Wien (1365), in Krakau (1364), in Prag (1348), in Salamanca (1254) stehen im engen Zusammenhang mit dem Wunsch des Staates Juristen auszubilden und so das Staatswesen in rechtlich geordnete Bahnen zu lenken. Erst recht trifft das auf die Staaten der Neuzeit zu, in welchen immer stärker der Begriff der staatlichen Souveränität und damit eines rechtlichen Konstruktes in den Vordergrund traten. In unseren Breiten sind das Landesuniversitäten, Graz (1585), Salzburg (1622), in Innsbruck (1679), im süddeutschen Raum in Ingolstadt (1472), in Freiburg (1460), in Tübingen (1477) und Heidelberg (1386) und später in Preußen, Königsberg (1544)und Halle (1694). Wohl keine größeren Gedanken machte man sich ursprünglich über Lehrpläne. So war man sich von allem Anfang an darüber einig, dass die zentralen Gebiete des Rechts auf der Grundlage zum einen des römischen Rechts und zum anderen des kanonischen Rechts den angehenden Juristen beizubringen waren. Zu diesem Zweck entstanden zuerst die glossierten Bearbeitungen sowie die Summen zu den justinianischen Rechtsbüchern etwa durch die prominenten Juristen aus Bologna Azo und Accursius (1185 – 1263) und alsbald größere Kommentare und Traktate wie etwa jene des Bartolus und des Baldus im 14. Jahrhundert.

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