18.10. Sicherstellungsauftrag bei Gesamtschuldverhältnissen
Ist bei Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses (§ 6 BAO) die Abgabe einem Abgabepflichtigen gegenüber, der bereits ein Leistungsgebot erhalten hat, vollstreckbar geworden, so hindert dies nicht, gegen den Gesamtschuldner, bei dem etwa mangels Leistungsgebotes die Vollstreckbarkeit der Abgabe nicht eingetreten ist, mit Sicherstellungsauftrag vorzugehen. Eine solche Vorgangsweise wird nur ausnahmsweise zulässig sein, etwa wenn die Abgabe bei dem bereits mit Leistungsgebot in Anspruch genommenen Abgabepflichtigen voraussichtlich uneinbringliche ist.18.11. Sicherstellungsauftrag im Finanzstrafverfahren
Ein Sicherstellungsauftrag betreffend Geldstrafen, Wertersätze und sonstige im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren anfallende Geldansprüche darf nach §§ 172 Abs. 2 und 185 Abs. 5 FinStrG frühestens nach Einleitung des Strafverfahrens (§§ 82 Abs. 3 und 83 Abs. 3 FinStrG) erlassen werden. Dem Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches entspricht somit diesbezüglich der Zeitpunkt der Einleitung des Strafverfahrens.Ein Sicherstellungsauftrag kann unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens erfolgen (VwGH 20.7.1999, 94/13/0059).18.12. Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung der Abgabe
Eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung der Abgabe kann zB bei drohendem Insolvenzverfahren, bei Exekutionsführung von dritter Seite, bei Auswanderungsabsicht, bei Vermögensverschleppung, bei Vermögensverschiebung ins Ausland oder an Verwandte oder bei dringendem Verdacht einer Abgabenhinterziehung vorliegen (VwGH 24.2.2000, 96/15/0217; VwGH 26.6.2000, 95/17/0202; VwGH 26.11.2002, 99/15/0076; VwGH 29.3.2006, 2004/14/0045). Wirtschaftlich unerklärbare Gewinntransferierungen in das Ausland und die Übertragung des Vermögens an die die liechtensteinische Staatsbürgerschaft besitzende Gattin können auf eine Gefährdung der Einbringung deuten (VwGH 26.4.2000, 97/14/0003).Eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung von Abgaben iSd § 232 BAO ist ferner anzunehmen, wenn aus der wirtschaftlichen Lage des Abgabepflichtigen und aus den besonderen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden muss, dass nur bei raschem Zugriff der Behörde die Abgabeneinbringung voraussichtlich gesichert erscheint (VwGH 30.10.2001, 96/14/0170; VwGH 26.11.2002, 99/15/0076; VwGH 26.7.2007, 2007/15/0131).Abgabenhinterziehung und Mängel der Buchführung sind grundsätzlich nicht so geartete Umstände, dass sie allein stets und ohne weitere Bedachtnahme auf die sonstigen Verhältnisse des Einzelfalles die Voraussetzungen für einen Sicherstellungsauftrag erfüllen. In jedem Fall bedarf es hiezu nach dem Wortlaut des Gesetzes auch einer Auseinandersetzung mit der wirtschaftlichen Lage des Abgabepflichtigen, da die Frage einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgaben unabhängig vom Verdacht einer Abgabenhinterziehung von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Abgabepflichtigen nicht zu trennen ist (VwGH 11.5.1983, 82/13/0262; VwGH 4.7.1990, 89/15/0131).Begründen jedoch schwerwiegende Mängel in Büchern und Aufzeichnungen die Annahme, dass sich der Abgabepflichtige der Vollstreckung der noch festzusetzenden Abgaben zu entziehen trachten wird, rechtfertigen sie eine Maßnahme nach § 232 BAO; Gleiches gilt für eine erhebliche Verschuldung des Abgabepflichtigen, die einen Zugriff anderer Gläubiger auf sein Vermögen befürchten lässt. Dabei reicht der objektive Tatbestand einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung aus; eine vom Abgabenschuldner gesetzte Gefährdungshandlung ist nicht erforderlich. Die bloß abstrakte Möglichkeit der Vermögensverschleppung rechtfertigt für sich allein Sicherungsmaßnahmen nicht (VwGH 26.11.2002, 99/15/0076; VwGH 28.11.2002, 2002/13/0045).Dass die Durchführung des Sicherstellungsauftrages die Kreditfähigkeit des Abgabepflichtigen gefährdet, ist eine Frage, die für die Zulässigkeit eines Sicherstellungsauftrages rechtlich unerheblich ist (VwGH 15.6.1976, 0977/75).Dem § 232 Abs. 2 lit. d BAO zufolge hat der Sicherstellungsauftrag die Bestimmung des Betrages zu enthalten, durch dessen Hinterlegung der Abgabepflichtige erwirken kann, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden. Anders als bei Sicherheitsleistungen gemäß § 222 BAO kommt somit zur Vermeidung des Vollzuges eines Sicherstellungsauftrages nur der Erlag eines bestimmten Geldbetrages in Betracht. Dieser ist vom Finanzamt in vorläufige Verwahrung zu nehmen und nach Eintritt der Vollstreckbarkeit in analoger Anwendung des § 214 Abs. 6 BAO mit der Abgabenforderung, für welche die Sicherheit geleistet wurde, zu verrechnen. Als Entrichtungstag gilt diesfalls der Tag des Gelderlages (siehe Rz 904).Bietet der Abgabepflichtige nach Erlassung eines Sicherstellungsauftrages der Abgabenbehörde etwa ein Sparbuch als Sicherheitsleistung an, so kann folglich der Abgabepflichtige damit nicht erwirken, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden. Vielmehr ist in diesem Fall die auf Grund des Sparbuches gegen das Kreditinstitut zustehende Forderung nach Maßgabe des § 67 Abs. 1 AbgEO zu pfänden und der Sicherstellungsauftrag zu vollziehen.Die auf Grund eines vom Finanzamt nach § 232 BAO erlassenen Sicherstellungsauftrages bewilligte gerichtliche Sicherungsexekution durch bücherliche Vormerkung des Pfandrechtes geht bei Eintritt der Vollstreckbarkeit der Abgabenforderung in eine Befriedigungsexekution über; nach Bewilligung und Vollzug der Anmerkung der Rechtfertigung dieser Vormerkung kann die Abgabenbehörde das Exekutionsverfahren durch einen unmittelbar beim Exekutionsgericht zu stellenden Verwertungsantrag fortsetzen, ohne dass es dazu eines neuen, gegen den Erwerber der gepfändeten Liegenschaft gerichteten Exekutionstitels bedarf (OGH 4.11.1975, 4 Ob 599/75).18.13. Zustellung des Sicherstellungsauftrages
Die Zustellung des Sicherstellungsauftrages kann durch den Vollstrecker des Finanzamtes unmittelbar vor der Vornahme der sicherstellungsweisen Pfändung bewirkt werden. Zu beachten ist § 103 Abs. 1 zweiter Satz BAO, wonach im Einhebungsverfahren ergehende Erledigungen aus Gründen der Zweckmäßigkeit, insbesondere zur Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens, trotz Vorliegens einer Zustellungsbevollmächtigung wirksam dem Vollmachtgeber unmittelbar zugestellt werden können.Dem § 233 Abs. 2 BAO zufolge kann im gerichtlichen Exekutionsverfahren zur Sicherstellung die Zustellung des Sicherstellungsauftrages mit jener des gerichtlichen Bewilligungsbeschlusses verbunden werden.Randzahlen 1580 bis 1599: derzeit frei