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18. Sicherstellungsauftrag (§§ 232 und 233 BAO)

BMF2024-0.234.9947.11.2014

18.1. Allgemeines

Rz 1550
Im Zeitraum zwischen der Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4 BAO) und dem Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226 BAO) kann die Abgabenbehörde, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen, einen Sicherstellungsauftrag erlassen; dieser ist Exekutionstitel sowohl für das finanzbehördliche als auch für das gerichtliche Sicherungsverfahren (Exekution zur Sicherstellung).

Rz 1551
Der Sicherstellungsauftrag bildet bei noch nicht vollstreckbaren Abgaben die Grundlage für die Exekution zur Sicherstellung, durch die der Pfandrang für die nachfolgende, auf Grund des Rückstandsausweises (§ 229 BAO) zu führende Exekution zur Einbringung gesichert werden soll.

Rz 1552
Sobald eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung der Abgabe der Abgabenbehörde bekannt wird, kommt die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages in Betracht. Die Ausführungen betreffend die Bezeichnung des Abgabenschuldners (Haftungspflichtigen) im Rückstandsausweis gelten sinngemäß für den Sicherstellungsauftrag. Dass im Spruch des Sicherstellungsauftrages die Person (rechtsfähige Personengemeinschaft) zu nennen ist, an die der Bescheid ergeht, ergibt sich aus § 93 Abs. 2 BAO.

Rz 1553
Ergeben sich aus abgabenbehördlichen Prüfungen von Selbstbemessungsabgaben Nachforderungen, so besteht gegebenenfalls die Möglichkeit, trotz in der Vergangenheit liegender Fälligkeit vor Bescheiderteilung mit Sicherstellungsauftrag vorzugehen, weil die Vollstreckbarkeit noch nicht eingetreten ist (zB Umsatzsteuer, Lohnsteuer).

18.2. Sicherstellungsauftrag und Haftung

Rz 1554
Bei Geltendmachung einer in Abgabenvorschriften vorgesehenen persönlichen Haftung ist gegebenenfalls die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages im Zeitraum zwischen Erlassung des Haftungsbescheides und Eintritt der Vollstreckbarkeit der haftungsgegenständlichen Abgabe dem Haftungspflichtigen gegenüber zulässig (VwGH 25.10.2000, 99/13/0220; VwGH 28.11.2002, 2002/13/0045). Vor Erlassung des Haftungsbescheides ist für den potentiell Haftungspflichtigen nämlich noch keine Schuld entstanden; nach Vollstreckbarkeit der den Gegenstand des Haftungsbescheides bildenden Abgabe ist ein Sicherstellungsauftrag nicht mehr zulässig (VwGH 11.12.1996, 96/13/0048).

Rz 1554a
Nach § 232 Abs. 3 BAO ist ein Sicherstellungsauftrag bereits vor Entstehung des Haftungsanspruches nach § 11 BAO ab Anhängigkeit des Strafverfahrens zulässig, somit bei verwaltungsbehördlicher Zuständigkeit mit der ersten Verfolgungshandlung (§ 14 Abs. 3 FinStrG) bzw. bei gerichtlicher Zuständigkeit bereits dann, wenn gerichtliche Ermittlungen, Vorerhebungen geführt wurden.

18.3. Sicherstellungsauftrag ist Bescheid

Rz 1555
Der Sicherstellungsauftrag ist nicht nur eine öffentliche Urkunde, sondern auch ein Bescheid, der gemäß § 243 BAO mit Bscheidbeschwerde angefochten werden kann (vgl. VfGH 11.6.1983, B 21/79; VwGH 17.10.2001, 96/13/0055). Der Eintritt der Vollstreckbarkeit der den Gegenstand des Sicherstellungsauftrages bildenden Abgabe innerhalb der (allenfalls verlängerten) Beschwerdefrist ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.

18.4. Berufung gegen Sicherstellungsauftrag

Rz 1556
In aller Regel ist für Beschwerdeerledigungen die Sachlage im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung über die Beschwerde maßgeblich. Hingegen ist im Rechtsmittelverfahren der Sicherstellungsauftrag allein darauf zu überprüfen, ob die im Zeitpunkt seiner Erlassung hiefür erforderlichen sachlichen Voraussetzungen gegeben waren (VwGH 17.10.2001, 96/13/0055; VwGH 28.11.2002, 2002/13/0045; VwGH 19.12.2013, 2012/15/0036). Später eingetretene Tatsachen, Beweise und Anträge sind im Sicherstellungsverfahren gemäß § 232 BAO entgegen dem für Beschwerdeerledigungen ansonsten geltenden § 270 BAO 2002/14/0112; VwGH 19.12.2013, 2012/15/0036).

Rz 1557
Würde etwa nach Eintritt der Vollstreckbarkeit oder nach Wegfall der Gefährdung über die Bescheidbeschwerde aus der Sicht der Sachlage im Zeitpunkt der Beschwerdeerledigung entschieden werden, gingen Sicherstellungsaufträge ins Leere, da die durch den Sicherstellungsauftrag begründeten Pfandrechte infolge Stattgabe der Beschwerde und somit Aufhebung des Sicherstellungsauftrages erlöschen würden.

Rz 1558
Auf Grund eines Sicherstellungsauftrages erworbene Pfandrechte dürfen erst der Verwertung zugeführt werden, wenn die Abgabe vollstreckbar geworden ist, es sei denn, dass aus den Gründen des § 41 AbgEO (leicht verderbliche Gegenstände) eine vorzeitige Veräußerung geboten erscheint, in welchem Fall der erzielte Erlös vorläufig in Verwahrung zu nehmen ist.

18.5. Vollzug eines Sicherstellungsauftrages begründet Pfandrang

Rz 1559
Der Vollzug eines Sicherstellungsauftrages führt zur Begründung eines Pfandranges; dieser durch eine sicherungsweise Pfändung geschaffene Rang bleibt auch gewahrt, wenn nach Eintritt der Vollstreckbarkeit der Abgabenforderung das Verwertungsverfahren eingeleitet wird.

18.6. Sicherstellung auf unbewegliches Vermögen

Rz 1560
Bei Sicherstellungen auf unbewegliches Vermögen und auf grundbücherlich sichergestellte Geldforderungen kommt neben einer gerichtlichen Exekution zur Sicherstellung auch eine grundbücherliche Vormerkung gemäß § 38 lit. c GBG 1955 in Betracht.

Rz 1561
Nur Sicherstellungsaufträge, die den vorgeschriebenen Inhalt aufweisen, können eine Grundlage für das gerichtliche Sicherungsverfahren bilden (OGH 28.11.1990, 3 Ob 91/90, betreffend einen Sicherstellungsauftrag, in dem die im § 232 Abs. 2 lit. d BAO geforderte Angabe fehlte). Dies gilt in gleicher Weise für das finanzbehördliche Sicherungsverfahren (siehe Rz 1568).

Rz 1562
Für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages ist die Ermittlung des genauen Ausmaßes der Abgabenschuld, wie sie nur durch ein ordnungsgemäßes Festsetzungsverfahren gewährleistet und etwa für die Vollstreckbarkeit einer Abgabenschuld iSd § 226 BAO Voraussetzung ist, nicht erforderlich (VwGH 7.2.1990, 89/13/0047; VwGH 26.6.2000, 95/17/0202; VwGH 3.7.2003, 2000/15/0042). Dennoch ist eine genaue ziffernmäßige Angabe der Höhe der Abgabenschuld iSd § 232 Abs. 2 lit. a BAO etwa in jenen Fällen möglich, in denen nach einer im Anschluss an eine abgabenbehördliche Prüfung stattgefundenen Schlussbesprechung die erst vollstreckbar werdenden Abgaben der Höhe nach bereits bekannt sind.

Rz 1563
Wegen der Akzessorietät des Pfandrechtes ist im Sicherstellungsauftrag eine Aufgliederung nach Abgabenarten und Zeiträumen vorzunehmen; die Anführung lediglich einer Globalsumme ist unzulässig. Die Angabe eines einheitlichen Betrages genügt nicht, weil diese Vorgangsweise nicht erkennen lässt, für welchen Abgabenanspruch in welcher Höhe im folgenden Sicherungsverfahren Pfandrechte begründet werden (VwGH 19.10.1999, 98/14/0122; VwGH 2.9.2009, 2005/15/0063).

18.7. Begründung des Sicherstellungsauftrages

Rz 1564
Die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages setzt zunächst die Verwirklichung jenes Tatbestandes voraus, an den die Abgabepflicht geknüpft ist. Die Verwirklichung dieses Tatbestandes muss schon im Hinblick auf die auch für Sicherstellungsaufträge geltende Begründungspflicht iSd § 93 Abs. 3 lit. a BAO in der Begründung des Sicherstellungsauftrages entsprechend dargetan werden (VwGH 22.3.1991, 90/13/0074). Die Begründung des Sicherstellungsauftrages muss erkennen lassen, welcher konkrete Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde und welche Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung dafür maßgebend waren (VwGH 25.9.2002, 97/13/0070).

18.8. Sicherstellungsauftrag ist kein abschließender Sachbescheid

Rz 1565
Ein Sicherstellungsauftrag ist kein abschließender Sachbescheid, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende "Sofortmaßnahme", die dazu dient, selbst vor Feststellung des Ausmaßes der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die spätere Einbringung der Abgabe gefährdet oder wesentlich erschwert wäre (VwGH 3.7.2003, 2000/15/004229.3.2006, 2004/14/0045§ 183 Abs. 4 BAO ist daher nicht anwendbar (VwGH 4.6.2008, 2005/13/004131.5.2011, 2008/15/02885.9.2002, 97/13/0070; VwGH 29.3.2006, 2004/14/0045).

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