1.1. Allgemeines (§ 210 Abs. 1 BAO)
Fälligkeit ist die für einen bestimmten Abgabepflichtigen (Selbstschuldner oder Haftenden) kraft Gesetzes oder durch Bescheid (insbesondere Abgaben- oder Haftungsbescheid) eingetretene Verpflichtung, eine Abgabe (Abgabenschuldigkeit) bis zu einem bestimmten Zeitpunkt (Fälligkeitstag) zu entrichten; hievon abweichende, kraft Gesetzes zustehende (insbesondere Nachfristen; siehe Rz 38 bis Rz 50) oder bescheidmäßig zuerkannte (insbesondere Zahlungserleichterungen) Zahlungstermine berühren die Fälligkeit nicht (siehe Rz 24).Sofern Abgabenvorschriften nicht anderes vorsehen (zB bei Selbstbemessungsabgaben), werden Abgaben mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe (§ 97 BAO) des Abgabenbescheides (§ 198 BAO) fällig. Ist der Fälligkeitstag im Bescheid ausgewiesen, so ist Rz 15 zu beachten. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen durch Zustellung, bei mündlichen durch Verkündung. Die von einer Bescheidzustellung abhängige Fälligkeit kann nur jemandem gegenüber eintreten, an den der Bescheid ergangen ist (siehe auch Rz 31). Ist bei Verkündung einer Entscheidung auch eine schriftliche Ausfertigung zuzustellen, wie etwa bei Erkenntnissen und Beschlüssen der Verwaltungsgerichte (§ 277 Abs. 4 BAO), so wird die Monatsfrist erst mit der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung in Lauf gesetzt. Bezüglich Fälligkeiten, die aus einem Haftungsbescheid resultieren, siehe Rz 9 und Rz 1204.Beispiele für den Eintritt der Fälligkeit einen Monat nach Zustellung des Bescheides:Abschlusszahlung an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Verspätungszuschlag (§ 135 BAO), Zwangsstrafe (§ 111 BAO), Ordnungsstrafe (§ 112 BAO), Mutwillensstrafe (§ 112a BAO), Anspruchszinsen (§ 205 BAO), Stundungszinsen (§ 212 Abs. 2 BAO), Aussetzungszinsen (§ 212a Abs. 9 BAO), Säumniszuschläge (§ 217 BAO).
1.1.1. Abgabenvorschriften, die von der Regelung des § 210 Abs. 1 BAO abweichende Fälligkeitstage vorsehen
1.1.2. Selbstbemessungsabgaben
Die Abgabe wird unabhängig von einer abgabenbehördlichen Festsetzung zu den sich aus den Abgabenvorschriften vorgesehenen Zeitpunkten fällig (Selbstbemessungsabgaben).Selbstbemessungsabgaben sind Abgaben, die ein Abgabepflichtiger oder ein abgabenrechtlich Haftungspflichtiger zu den sich aus den Abgabenvorschriften ergebenden Fälligkeitszeitpunkten auf Grund einer Selbstberechnung ohne abgabenbehördliche Festsetzung zu entrichten hat (zB Umsatzsteuervorauszahlungen gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1994, Lohnsteuer gemäß § 79 Abs. 1 EStG 1988, Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen gemäß § 43 Abs. 1 FLAG 1967, Werbeabgabe gemäß § 4 Abs. 1 Werbeabgabegesetz 2000, Elektrizitätsabgabe gemäß § 5 Abs. 1 Elektrizitätsabgabegesetz, Erdgasabgabe gemäß § 6 Abs. 1 Erdgasabgabegesetz, Kohleabgabe gemäß § 6 Abs. 1 Kohleabgabegesetz, Flugabgabe gemäß § 7 Abs. 2 Flugabgabegesetz, Stabilitätsabgabe gemäß § 7 Abs. 2 Stabilitätsabgabegesetz).Nur bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen, zB nach Maßgabe der §§ 201 oder 202 BAO oder des § 21 Abs. 3 UStG 1994, erfolgt hinsichtlich Selbstbemessungsabgaben eine Festsetzung mit Bescheid, doch hat in diesen Fällen der Zeitpunkt der Bescheidzustellung keinen Einfluss auf die Fälligkeit und begründet somit keinen neuen Fälligkeitstag; dies gilt auch für Veranlagungsbescheide betreffend Umsatzsteuer. Bezüglich allenfalls zustehender Zahlungsfristen siehe Ausführungen zu § 210 Abs. 4 BAO.
1.1.3. Fälligkeit unabhängig von Bescheidbekanntgabe
Die Fälligkeit bescheidmäßig festgesetzter Abgaben tritt zu gesetzlich bestimmten Terminen unabhängig vom Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides ein.Beispiel:
ESt-Vorauszahlungen (§ 45 EStG 1988), KSt-Vorauszahlungen (§ 24 KStG 1988 in Verbindung mit § 45 EStG 1988), Vierteljahresbeträge und Vorauszahlungen der Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben (§ 7 des BG über eine Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben in Verbindung mit §§ 29 und 30 GrStG) und des Beitrages von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben (§ 44 FLAG 1967 in Verbindung mit §§ 29 und 30 GrStG), Bodenwertabgabe (§ 8 Bodenwertabgabegesetz in Verbindung mit §§ 29 und 30 GrStG).
1.1.4. Fälligkeit von Bescheidbekanntgabe abhängig (kein Abgabenbescheid)
Die Fälligkeit einer Abgabe ist von der Bekanntgabe eines Bescheides abhängig, der kein Abgabenbescheid ist.1.1.4.1. Aufhebungsbescheid
§ 210 Abs. 2 BAO regelt den Eintritt der Fälligkeit auf Grund der Aufhebung eines Bescheides, der eine Gutschrift zur Folge hatte, ohne gleichzeitige Neufestsetzung der Abgabe. In diesem Fall wird die Fälligkeit nicht durch einen Abgabenbescheid ausgelöst. Die sich durch die Aufhebung ergebende Abgabenschuldigkeit wird am Tag der Aufhebung fällig. Für die Entrichtung steht eine Nachfrist von einem Monat zu.Die Ausführungen über Aufhebungsbescheide gelten sinngemäß für Aufhebungen durch ein Erkenntnis des VfGH oder des VwGH.
1.1.4.2. Haftungsbescheid
Im Fall der Inanspruchnahme einer persönlichen abgabenrechtlichen Haftung tritt, sofern nicht auf Grund abgabenrechtlicher Sondervorschriften schon früher eine Zahlungsverpflichtung bestand (wie etwa bei der vom Arbeitgeber einzubehaltenden Lohnsteuer; § 79 Abs. 1 EStG 1988), die Fälligkeit dem Haftenden gegenüber einen Monat nach Erlassung des Haftungsbescheides ein (§ 224 Abs. 1 BAO).1.1.5. Fälligkeit weder kalendermäßig fixiert noch von einer Bescheidbekanntgabe abhängig
Fälligkeit ist weder kalendermäßig fixiert noch von einer Bescheidbekanntgabe abhängig.Beispiel:
§ 26 Abs. 5 AbgEO (Gebühren und Auslagenersätze im Vollstreckungsverfahren).
1.1.6. Fälligkeit von Bekanntgabe eines Abgabenbescheides abhängig; § 210 Abs. 1 BAO gilt nicht
Fälligkeit ist zwar von der Bekanntgabe eines Abgabenbescheides abhängig, tritt aber zu einem anderen Zeitpunkt als mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe des Abgabenbescheides ein.Beispiel:
In den Fällen des § 32 GebG wird die Gebühr mit der Verkündung des mündlichen Bescheides fällig.
- Wird unter Bedachtnahme auf einen angenommenen Postlauf ein Fälligkeitstag bereits im Bescheid ausgewiesen, so ist die Angabe dieses Fälligkeitstages Spruchbestandteil, als solcher mit Bescheidbeschwerde (§ 243 BAO) anfechtbar und auch dann maßgeblich, wenn er von dem sich aus § 210 Abs. 1 BAO ergebenden Tag abweicht. Maßgeblich ist somit der im Bescheid ausgewiesene Fälligkeitstag, selbst wenn der tatsächliche Postlauf kürzer oder länger ist als der von der Abgabenbehörde angenommene.
- Die Fälligkeit ist einem Hinweis im Bescheid zufolge einer dem Abgabepflichtigen zugehenden Buchungsmitteilung zu entnehmen. In diesen Fällen ist die Fälligkeitsangabe in der Buchungsmitteilung Spruchbestandteil des Bescheides (VwGH 27.3.1996, 92/13/0299). Im übrigen gilt das zu Rz 15 Gesagte.
- Der Bescheid enthält die Aufforderung, den festgesetzten Betrag innerhalb eines Monates ab Zustellung des Bescheides zu entrichten.
1.1.7. Angabe der Fälligkeit im Bescheid (§ 198 Abs. 1 BAO)
Gemäß § 198 BAO haben Abgabenbescheide im Spruch den Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgabe zu enthalten. Fehlt eine solche Angabe, so ergibt sich die Fälligkeit einer Abgabenschuld schon aus § 210 BAO selbst (VwGH 17.8.1998, 97/17/0401; VwGH 24.4.2002, 98/13/0193).1.1.8. Keine Angabe der Fälligkeit im Bescheid (§ 198 Abs. 2 BAO)
Führen Abgabenbescheide zu keiner Nachforderung, so ist eine Angabe über die Fälligkeit der festgesetzten Abgabenschuldigkeiten entbehrlich (§ 198 Abs. 2 zweiter Satz BAO) und kann daher unterbleiben, es sei denn, es erweist sich anderes als notwendig, insbesondere bei Rechtsmittelentscheidungen, wenn der Fälligkeitszeitpunkt strittig gewesen sein sollte.Ist die Fälligkeit einer Abgabenschuldigkeit bereits vor deren Festsetzung eingetreten, so erübrigt sich, wenn auf diesen Umstand im Abgabenbescheid hingewiesen wird, eine nähere Angabe über den Zeitpunkt der Fälligkeit der festgesetzten Abgabenschuldigkeit (§ 198 Abs. 2 BAO).Beispiele:
Selbstbemessungsabgaben (zB USt-Vorauszahlungen) werden nach ihrem Fälligkeitstag festgesetzt (§ 21 Abs. 3 UStG 1994). Dies gilt auch für Umsatzsteuer, die mit Jahresbescheid festgesetzt wird.
Mit Bescheid gemäß § 92 Abs. 1 lit. b BAO wird festgestellt, dass ein Abgabepflichtiger keine Unternehmereigenschaft hat; in der Folge ergeht ein Rückforderungsbescheid, mit dem die vom Nichtunternehmer im Weg von USt-Voranmeldungen geltend gemachten Gutschriften rückgefordert werden.