vorheriges Dokument
nächstes Dokument

22.4.4.3 Zuflussbesteuerung

BMFBMF-010200/0024-IV/6/201914.5.2019

Rz 6656
Die Einkünfte nach § 30 EStG 1988 sind nach Maßgabe des Zufließens zu erfassen (zu Raten und Renten siehe Rz 6657) Der Zuflusszeitpunkt ist nach § 19 EStG 1988 zu bestimmen. Der Barkaufpreis gilt in jenem Zeitpunkt als zugeflossen, in dem der Veräußerer darüber verfügen kann oder verfügt hat; zugeflossen ist der Veräußerungserlös auch dann, wenn dieser einem Pfandgläubiger direkt zukommt (UFS 11.3.2003, RV/0445-G/02). Dies gilt auch, soweit der Veräußerungserlös für die Lastenfreistellung des Grundstücks heranzuziehen ist. Wird die Grundstückstransaktion mittels eines Treuhänders (Rechtsanwalt, Notar) abgewickelt, ist die Weiterleitung des vom Erwerber auf dem Treuhandkonto erlegten Betrages nach dem Kaufvertrag idR erst nach der Aufsandungserklärung (ausdrückliche Erklärung der Einwilligung in die grundbücherliche Eintragung einer vertraglichen Änderung von Rechten) des Veräußerers und allfälliger Pfandgläubiger oder erst nach tatsächlicher Grundbuchseintragung zulässig. Zum Zufluss kommt es grundsätzlich dann, wenn die Auszahlung an den Verkäufer oder an seine Gläubiger möglich ist (UFS 1.8.2012, RV/0090-G/08). Ist der Zeitraum zwischen der Auszahlungsmöglichkeit und der tatsächlichen Auszahlung kurz, kann auf die tatsächliche Auszahlung abgestellt werden.

Bei einem Tauschgeschäft kann der Zuflusszeitpunkt der Gegenleistung auch auseinanderfallen, weil der Zufluss bewirkt ist, wenn der Veräußerer über das getauschte Grundstück verfügen kann. Daraus ergibt sich, dass für jene Tauschpartner, die ihr Grundstück sofort nach Vertragsabschluss übergeben, der Zufluss erst dann bewirkt wird, wenn sie das Tauschgrundstück erhalten. Umgekehrt ist für den anderen Tauschpartner der Zufluss sofort bewirkt, weil er über das Grundstück sofort verfügen kann. Der Zuflusszeitpunkt kann allerdings nicht vor Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts liegen (siehe dazu auch Rz 2594).

Beispiel:

Ein Steuerpflichtiger veräußert ein Grundstück an einen Bauträger. Als Gegenleistung wird eine neu zu errichtende Eigentumswohnung auf dem Grundstück vereinbart. Der Zufluss beim Bauträger ist sofort nach Vertragsabschluss bewirkt, weil er über das Grundstück verfügen kann. Beim Veräußerer/Tauschpartner ist der Zufluss der Gegenleistung erst dann bewirkt, wenn er die Eigentumswohnung erhält. Dies kann auch erst mehrere Jahre später sein.

Bei Schuldübernahme ist der Zufluss mit Wirksamkeit der Schuldübernahme gegeben. Im Falle einer befreienden Schuldübernahme (§ 1405 ABGB) als Teil des Veräußerungspreises liegt der Zufluss des vom Erwerber durch Schuldübernahme entrichteten Veräußerungspreises im Zeitpunkt der Zustimmung zur Schuldübernahme durch den Gläubiger vor (siehe Rz 4627a). Auch die Lastenfreistellung stellt eine Auszahlung des Kaufpreises und somit einen Zufluss beim Veräußerer dar.

Bei Zwangsversteigerungen und bei Veräußerungen von mit Pfandrechten belasteten Grundstücken in Insolvenzverfahren durch freihändigen Verkauf (§ 120 Abs. 2 IO) erfolgt der Zufluss des Veräußerungserlöses erst mit der Rechtskraft des Verteilungsbeschlusses (§ 214 EO). Die auf Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen entfallende Steuer stellt im Rahmen eines Insolvenzverfahrens oder einer Überlassung an Zahlungs statt gemäß § 154 AußStrG eine Masseforderung dar (OGH 28.5.2013, 8 Ob 141/12m). Bei Masseunzulänglichkeit sind die Masseforderungen entsprechend deren Rangordnung (vgl. § 47 IO) zu befriedigen. Die ImmoESt ist als übrige Masseforderung zu qualifizieren und daher gegenüber anderen Masseforderungen nicht vorrangig. Ein möglicher Differenzbetrag zwischen der erzielten Quote und der tatsächlichen Höhe der ImmoESt-Schuld wird bei einer Selbstberechnung der ImmoESt gemäß § 30c EStG 1988dem Parteienvertreter nicht mittels Haftungsbescheid vorgeschrieben.

Abzugsposten (Anschaffungskosten, Herstellungskosten, Instandsetzungskosten, abziehbare sonstige Kosten) sind - abweichend vom tatsächlichen Abfluss - nach Maßgabe des Zufließens der Einnahmen steuerlich zu berücksichtigen. Steuerpflichtige Einkünfte entstehen in jenem Zeitpunkt, in dem die zugeflossenen Einnahmen die Abzugsposten übersteigen. Ein Verlust entsteht dann, wenn der Veräußerungserlös zur Gänze vereinnahmt worden ist, aber die Abzugsposten nicht überstiegen hat.

Beispiel:

Ein Grundstück wird in 01 um 100.000 angeschafft, ein Betrag von 50.000 wird fremdfinanziert und dafür eine Hypothek auf diesem Grundstück eingeräumt. Im Jahr 04 wird das Grundstück um 200.000 veräußert, die noch ausstehende Hypothek von 40.000 wird in Anrechnung auf den Kaufpreis vom Käufer übernommen, wobei die Zustimmung des Gläubigers erst im Jahr 05 erfolgt. Der sich danach ergebende Barpreis von 160.000 wird in zwei Jahresraten (in 04 und 05) vereinnahmt.

Ermittlung der Einkünfte:

Im Jahr 04 ist als Veräußerungspreis der halbe Barpreis (80.000) zu erfassen. Dem ist von den Anschaffungskosten ein Teilbetrag in Höhe von 80.000 Euro gegenüberzustellen, sodass noch kein Überschuss entstanden ist. Im Jahr 05 sind der ausstehende Teilbetrag von 80.000 und die übernommene Verbindlichkeit von 40.000 zu erfassen. Nach Abzug des noch verbleibenden Teiles der Anschaffungskosten 20.000 Euro ergeben sich in diesem Jahr Einkünfte (= Gesamteinkünfte nach § 30 EStG 1988) von 100.000.

Rz 6657
Bei Raten- oder Rentenzahlung kommt es zu einem sukzessiven Zufluss des (abgezinsten) Veräußerungserlöses (zur Abzinsung bei Ratenzahlung siehe Rz 774). Steuerpflichtige Einkünfte nach § 30 EStG 1988 entstehen in diesem Fall erst dann, wenn die Anschaffungskosten überschritten sind, dann jedoch in der Regel in einem mehrjährigen Zeitraum (zur Möglichkeit der laufenden Besteuerung von Ratenzahlungen siehe Rz 781). Im Bereich der Regeleinkünfteermittlung sind dabei die Anschaffungskosten uU zu adaptieren und müssen überdies auch alle sonstigen Abzugsbeträge (Kosten der Mitteilung und Selbstberechnung, Inflationsabschlag [für Veräußerungen vor dem 1.1.2016]) überschritten sein.

Ein Verlust aus der Grundstücksveräußerung wird dagegen erst dann realisiert, wenn die letzte Raten- oder Rentenzahlung zugeflossen ist.

Die Zuflussbesteuerung gilt auch für die Immobilienertragsteuer (ImmoESt). Liegt zwischen dem Zeitpunkt der Mitteilung der Selbstberechnung und dem Zeitpunkt des für das Vorliegen eines Ertrages maßgeblichen Zuflusses mehr als ein Jahr, erlischt die Verpflichtung zur Entrichtung der ImmoESt sowie die Haftung des Parteienvertreters (§ 30c Abs. 4 zweiter Teilstrich EStG 1988). Im Falle der Veräußerung gegen Rente ist der Vorgang von vornherein von der Immobilienertragsteuer und der besonderen Vorauszahlung ausgenommen (§ 30c Abs. 4 vierter Teilstrich und § 30b Abs. 4 EStG 1988); Die Einkünfte sind daher immer in die Abgabenerklärung aufzunehmen.

Stichworte