VwGH 2013/03/0016

VwGH2013/03/001624.4.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des G L in K, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Tramposch & Partner, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Franz-Fischer-Straße 17a, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats in Tirol vom 14. Dezember 2012, Zl uvs-2011/K1/0216-10, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995 (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
GütbefG 1995;
RHStRÜbk Eur 2005 Art3;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
GütbefG 1995;
RHStRÜbk Eur 2005 Art3;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

A. Angefochtener Bescheid

1. Hinsichtlich der Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Mai 2012, 2011/03/0167, verwiesen. Mit diesem hat der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom 15. Juni 2011, mit dem dem Beschwerdeführer unter Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 3. Dezember 2010 angelastet worden war, nicht dafür gesorgt zu haben, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr 881/92 erforderlichen Gemeinschaftslizenzen bei einem Gütertransport durch Österreich mitgeführt worden seien, insoweit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Ausschlaggebend dafür war, dass die Behörde mit dem Lenker des Transports, einem rumänischen Staatsangehörigen, nicht in Verbindung trat, obwohl dieser von Beschwerdeführerseite als Zeuge dafür genannt worden war, dass er die Gemeinschaftslizenz zwar mitgeführt, bei der Kontrolle aber nicht vorgewiesen habe.

2. Mit dem daraufhin im fortgesetzten Verfahren erlassenen Bescheid wurde der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis neuerlich gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm den §§ 25 und 51e VStG lediglich insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe von EUR 3.633,50 (Ersatzfreiheitsstrafe: 7 Tage) auf EUR 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage) herabgesetzt wurde. Begründend führte die belangte Behörde insbesondere aus, dass sie nunmehr - in Bindung an das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs - den vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeugen zu einer neuerlichen mündlichen Verhandlung geladen habe und damit "dem Antrag des VwGH nachgekommen" sei. Zu dieser Verhandlung am 5. Dezember 2012, zu der neben dem Beschwerdeführer der besagte Zeuge sowie eine Dolmetscherin geladen worden seien, seien aber weder der Beschwerdeführer noch der geladene Zeuge erschienen (die Ladung an den Zeugen sei sowohl an die Transportfirma des Beschwerdeführers als auch nach Rumänien zugestellt worden). Im Übrigen folgte die Behörde im Wesentlichen der Beurteilung, die sie schon in ihrem Bescheid aus dem Jahr 2011 vorgenommen hatte.

B. Beschwerdeverfahren

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. C. Erwägungen

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 63 Abs 1 VwGG sind die Verwaltungsbehörden in dem Fall, dass der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art 131 B-VG stattgegeben hat, verpflichtet, mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofs entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Die Bindung der Behörde erstreckt sich dabei auf all jene Fragen, zu denen sich der Verwaltungsgerichtshof geäußert hat. Auch der Verwaltungsgerichtshof selbst hat in einem weiteren, denselben Fall betreffenden Beschwerdeverfahren diese Bindung zu beachten (vgl etwa VwGH vom 26. April 2011, 2010/03/0166, mwH).

2. Entscheidend für die Aufhebung des im vorangegangenen Beschwerdeverfahren angefochtenen Bescheides (wie schon angesprochen) war, dass die belangte Behörde entgegen dem § 25 Abs 1 VStG nicht versuchte, mit dem vom Beschwerdeführer als Zeugen (samt Anschrift) namhaft gemachten, im Ausland lebenden bzw aufhältigen Lenker in Verbindung zu treten.

Die maßgebliche Passage in dem bereits zitierten hg Erkenntnis vom 24. Mai 2012 lautet wie folgt:

"Nach der zitierten Judikatur wird dieses 'in Verbindung treten' regelmäßig - soweit nicht besondere Rechtsvorschriften bestehen - dadurch zu geschehen haben, dass die Behörde an die namhaft gemachte, im Ausland lebende Person ein Schreiben mit dem Ersuchen um schriftliche Stellungnahme richtet. Langt innerhalb angemessener Frist - aus welchen Gründen immer - eine Erklärung der betreffenden Person nicht bei der Behörde ein, so muss dieser Versuch als gescheitert angesehen werden. Ist dieser Versuch als gescheitert anzusehen, hat die Behörde dem Beschuldigten im Rahmen des Parteiengehörs Gelegenheit zu geben, den Entlastungsbeweis in anderer Weise zu erbringen.

Im vorliegenden Fall kann es trotz der von der Behörde angestellten Überlegungen zur Beweiswürdigung nicht ausgeschlossen werden, dass die Aussage des Lenkers im Sinn des Beschwerdevorbringens zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Die belangte Behörde hat es aber unterlassen, mit dem Lenker in Kontakt zu treten."

Ferner wurde in dem bereits zitierten hg Erkenntnis vom 24. Mai 2012 ausgeführt, dass die belangte Behörde die mündliche Verhandlung auch nicht ohne Ladung dieses Zeugen hätte durchführen dürfen. Die diesbezügliche Passage lautet wie folgt:

"Sie hat ihn (nämlich den Zeugen) nach den vorgelegten Akten auch nicht zu der mündlichen Verhandlung am 15. Juni 2011 geladen, obwohl dies im vorliegenden Fall erforderlich gewesen wäre. Nach der gegenständlichen Konstellation geht es nämlich auch darum, zu klären, ob der namhaft gemachte Zeuge aufgrund einer Sprachbarriere die nach der Beschwerde behauptetermaßen bei der Kontrolle (ohnehin) mitgeführte Lizenz nicht vorgewiesen habe. Zur Beurteilung dieser Frage hätte dem Zeugen von der Behörde zur Gewinnung eines persönlichen Eindrucks die grundsätzlich gemäß § 51i VStG gebotene unmittelbare Aussage vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ermöglicht werden müssen …"

Schließlich wurde in dem bereits zitierten hg Erkenntnis vom 24. Mai 2012 festgehalten, dass die behördliche Beweiswürdigung erst dann Platz greifen darf, wenn die Behörde in Erfüllung ihrer Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit jene Beweise aufgenommen hat, die zur Entscheidung in der Sache nach der Lage des Falles erforderlich sind. Eine Würdigung von Beweisen hinsichtlich ihrer subjektiven Glaubwürdigkeit ist erst nach Aufnahme der Beweise zulässig. Auf vom Beweisthema erfasste Beweise darf nur dann verzichtet werden, wenn diese von vornherein unzweifelhaft unerheblich sind.

3. Die belangte Behörde ist im fortgesetzten Verfahren dem im bereits zitierten hg Erkenntnis vom 24. Mai 2012 vorgezeichneten Weg, mit dem vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeugen "in Verbindung zu treten", nicht gefolgt. Damit hat sie unter Außerachtlassung der in § 63 Abs 1 VwGG grundgelegten Bindungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs die darin geäußerte Rechtsanschauung des Gerichtshofes nicht befolgt. Insofern hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt. Dass die belangte Behörde den Zeugen zu der neuerlichen mündlichen Verhandlung im fortgesetzten Verfahren geladen hat, vermag daran nichts zu ändern. Bezüglich der im angefochtenen Bescheid vorgenommenen Beweiswürdigung und den (unterstützenden) Ausführungen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift ist - wie im besagten Erkenntnis - darauf hinzuweisen, dass eine Würdigung von Beweisen erst nach Aufnahme dieser Beweise zulässig ist.

4. Ungeachtet dessen ist vorliegend noch auf das Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Union, BGBl III Nr 65/2005, hinzuweisen. Dieses Übereinkommen ist für Österreich mit 3. Juli 2005 in Kraft getreten, weiters steht es für Deutschland und Rumänien in Geltung. Der wesentliche Inhalt dieses Übereinkommens betrifft die Rechtshilfe auch im Verfahren wegen Verwaltungsdelikten (vgl den Allgemeinen Teil der Erläuterungen der RV 696 Blg NR XXII. GP, sowie Art 3 des Übereinkommens). Das Übereinkommen erlaubt ua die Übermittlung von Rechtshilfeersuchen (Art 6) (vgl VwGH vom 18. Mai 2011, 2010/03/0191). Die belangte Behörde hat diesem Übereinkommen keine Beachtung geschenkt und die Anwendung dieses Übereinkommens im vorliegenden Fall nicht versucht, obwohl sie auch auf diesem Wege mit dem Zeugen in Verbindung treten könnte, wenn sie nicht ohnehin an diesen auf dem im eingangs zitierten hg Erkenntnis vom 24. Mai 2012 vorgezeichneten Weg herantritt.

5. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 24. April 2013

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